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Nach 6 Jahren totalem Krieg waren wir Deutsche beim Waffenstillstand am 9. Mai 1945 befreit. Doch wovon?

Als Hamburger Mädchen, Jahrgang 1935, hatte ich mit meiner Familie unzählige Bombennächte und Tagangriffe der Alliierten erlebt.

1945: Unser Nachbarstadtteil Hamburg-Barmbeck, im Vordergrund die Nissenhütten zur Aufnahme der Ausgebombten (Foto: Egbert A. Hoffmann, Hamburg ’45 – So lebten wir zwischen Trümmern und Ruinen)

kleine Nissenhütten-Bewohner 1945 (Foto: a.a.O.)

Die Schrecken wären für uns Geschwister ohne unsere seelenstarke Mutter an der Seite nicht zu verkraften gewesen. Unseren Vater hatten wir schon verloren. Er ist seit Januar 1944 in Rußland vermißt.

Mutter mit 4 Kindern im Kellerraum eines zerbombten Hamburger Hauses (Foto: a.a.O.)

Die Freie und Hansestadt Hamburg, das Tor zur Welt, wurde zu 85 % zerstört.

Hamburg-Eilbeck 1945 (Foto: Hoffmann, a.a.O.)

erste Bombardierung des Hamburger Hafens (Foto: Hans Brunswig, Feuersturm über Hamburg)

Das gleiche Schicksal erlebten alle deutschen Städte und viele Ortschaften bis hin zu Dörfern.

Opfer des Feuersturms Juli 1943 in Hamburg (Foto: Brunswig a.a.O.)

Sie nahmen es ernst mit ihrem moral bombing, unsere moralisch hochstehenden Befreier. Gründlicher kann man kein Land zerstören und ganze Teile eines Volkes auslöschen, als sie es auf Geheiß ihrer Führer mit Deutschland und den Deutschen machten.

Bei Opfern anderer Völker sprächen wir von Völkermord – nicht bei deutschen Opfern.

Wir Deutsche wurden befreit von unserem Hab und Gut, von unseren Kulturschätzen und Patenten, von Nahrungsmitteln, Heizmaterial und Infrastruktur, Millionen von uns von ihren Lieben, wenn nicht vom eigenen Leben. Auf dem Lande, wohin ich mit meiner kleinen Schwester zur Sicherheit vor unseren bombardierenden Befreiern für ein gutes Jahr kinderlandverschickt worden war, erlebte ich die amerikanischen Tiefflieger. Bei hellichtem Tag überflogen sie unsere kleine mecklenburgische Landstadt und schossen schutzlose Menschen in ihren Gärten oder auf der Straße ab – wie auf der Karnickeljagd.

Im Osten

sowjetische Hinterlassenschaft in Nemmersdorf 1944 (Foto: Heinz Schön, Tragödie Ostpreußen – Als die Rote Armee das Land besetzte)

Die ersten Ostflüchtlinge, Frauen aus Pommern und Ostpreußen, trafen in unserem Ostmecklenburger Städtchen Ende 1944 ein. Ich sehe noch heute vor mir, wie sie Blockwagen hinter sich herzogen, auf die sie ein paar Habseligheiten sowie ihre kleinen Kinder, manchmal auch ihre alte Mutter geladen hatten. Auch sie waren von allem, was sie besaßen, befreit. Darüber hinaus war ihnen der Boden unter den Füßen und das Dach über dem Kopf weggezogen worden, sie waren befreit von ihrer Heimat.

Rotarmisten und deutsche Flüchtlinge in Königsberg (Foto: Schön a.a.O.)

Die das Inferno im Osten überlebten, hatten – vor allem als Frauen – ein Flüchtlingstrauma im Gepäck, das sie ein Leben lang nicht verließ. Die Soldateska der ruhmreichen Roten Armee hatte sich über die deutschen Frauen hergemacht, sie zu Hunderttausenden vergewaltigt und die meisten von ihnen bestialisch ermordet. Deutschland verlor sein altes Kulturland im Osten, das so viele schöpferische Menschen hervorgebracht hatte, und wurde unter den Befreiern, den Siegermächten, aufgeteilt. Es verlor seine Einheit. Die innerdeutsche Grenze zwischen der sowjetischen und der westalliierten Zone Rest-Deutschlands bestand 44 Jahre. In beiden Besatzungszonen standen sich deutsche Soldaten bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Welch einzigartige Weise, befreit zu sein!

Millionen deutsche Soldaten als Kriegsgefangene von den Amerikanern wochenlang obdachlos auf Rheinwiesen zusammengepfercht dem Tode überantwortet (Foto: Wikipedia)

 

Unsere heimkehrenden Wehrmachtssoldaten,

Deutsche Soldaten 1945 in amerikanischer Gefangenschaft auf den Rheinwiesen (Foto: Wikipedia)

die in diesem Krieg ihre Heimat verteidigt zu haben glaubten, wurden nun zu Verbrechern erklärt, von ihrer Ehre befreit. In amerikanischen, französischen und sowjetischen Gefangenenlagern starben nach dem Krieg mehr als im Krieg gefallen waren. Wie werden unsere großartigen Befreier diese Art ihrer Taten benennen? moral captivating – passend zu ihrem moral bombing?

Aber die nachhaltigste Befreiung stand uns Deutschen noch bevor: die Befreiung von der Selbstachtung.

Die bewältigten die sogenannten Antifaschisten, die selbsthassenden, kniefälligen deutschen Gutmenschen. Von ihnen und den dazugehörigen angeblichen Volksvertretern wird mit wachsender Intensität an dem schwarz-weißen Geschichtsbild der Siegermächte mitgearbeitet, das die Kriegsparteien klar in Täter, Opfer und Befreier einteilt. Mit Argusaugen bewachen sie das Volk, daß es ihr so schlichtes, klares Geschichtsbild nicht ins Wanken bringt. Die in akribischer Arbeit die Wahrheit über die wirklichen Vorgänge im Vorder- und vor allem Hinzergrund der Politik herausfinden, geraten in Gefahr, kaltgestellt und gebrandmarkt zu werden.

Unser von uns allen so geliebter Bundespräsident Joachim Gauck

kann sich nicht genugtun, in den Fußstapfen des von den Mainstream-Medien hochverehrten ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker herumzutappen, der vor 30 Jahren erstmalig unserem Volk ins Gesicht schlug, indem er unser Elend und unsere immensen Verluste bei Kriegsende als unsere Befreiung durch die Siegermächte bezeichnete und damit die Seelen der alliierten Kriegsverbrecher weiter in ihrem Traum eigener Unschuld wiegte.

Die Braunschweiger Zeitung v. 8.5.15 zitiert Gauck: “Wir Nachgeborenen in Deutschland haben allen Grund, für diesen aufopferungsvollen Kampf der ehemaligen Gegner in Ost und West dankbar zu sein.” Bildcollage von Gerhard Bracke, der dazu kommentiert: “Wer da glaubte, das geschichtsferne Befreiungsgeschwätz wäre nicht mehr zu toppen, möge sich diesen Spruch zum 8. Mai 2015 einprägen. Weltgeschichtlich einzigartig ist dieser Tiefstand einer Selbstverleugnung aus geschichtlicher Unkenntnis.”

Tiefststand einer Selbstverleugnung – ein Fall für die Psychiatrie

Bei allen möglichen Feierlichkeiten bekennt der gute Onkel Gauck sich zu immer neuen, bisher unbekannten gigantischen Untaten, zu unserer nie vergehenden Schuld bzw. mindestens Mitschuld an allen möglichen Kriegsverbrechen, auch z. B. am türkischen Völkermord an den Armeniern. Jawoll, er zeigte Mut, der Gauck! Er nannte – als Deutscher! – den Völkermord Völkermord, vergaß aber natürlich nicht, im selben Atemzug unser deutsches Volk der Mittäterschaft zu verdächtigen. Welch ein guuter Christ, die wandelnde Demut – vorbildlich für einen Mann, der als Bundespräsident seine Aufgabe nicht ganz verstanden zu haben scheint!

Vergessen wir aber nicht: Unsere lieben Befreier haben uns von der Hitler-Diktatur befreit – wenn das nicht aller Opfer wert ist, der Abermillionen aller kriegsbeteiligter Völker und der 15 Millionen ihrer Heimat beraubten Deutschen! Allein, aus uns selbst heraus, hätten wir Deutschen das nie geschafft.

Heute leben wir ja nun dank der Befreiungstaten unserer ehemaligen Feinde in einem Rechtsstaat. Die weitgehende Aufgabe unserer Souveränität und die Käuflichkeit von Politik und Medien gegenüber global-kapitalistisch wirkenden Konzernen rüttelt an dieser “Wahrheit” – jedenfalls nach Meinung z. B. unserer goldigen Südkurier-Redakteure – kein bißchen.

Diese als Volkspädagogen so vorbildlich tätigen Schreiberlinge scheinen das wirklich zu meinen und sind so stolz auf Deutschland, das sich so einzigartig zu seiner angeblichen Alleinschuld am Ausbruch beider Weltkriege und zu seiner angeblichen Alleintäterschaft an den Verbrechen des 20. Jahrhunderts bekennt und – was sehr wichtig ist – von aller Welt für diese seine Aufarbeitung seiner schuldbeladenen Geschichte bewundert wird.

Ja, wir Deutsche, Weltmeister sind wir in so vielem und mögen es so gerne sein. Mit solchem Lob kriegt man uns zu allem bereit, auch zum Kriechertum bis hin zur Selbstaufgabe!

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