Kulturlose Barbaren? – Skandinavienreise (4)
Montag, 9. August 2010 von Adelinde
Weisheit
Eine wertere Last
als Klugheit und Witz
nimmt niemand mit auf die Reise.
Weisheit
wiegt schwerer als Gold
und ist Schirm und Schutz vor Gefahren.
Edda
Die Völker des Nordens im Glaubensumbruch und Kampf für ihre Freiheit
Zu dem, was zur Wikingerzeit den Völkern des Nordens durch die Christianisierung widerfuhr, erleben wir heute die Parallele. Damals wurde der „Gottesstaat“ geschaffen, in dem den Völkern ihre Selbstbestimmung abhanden kam. Aus stolzen Frei-Bauern-Familien wurden Untertanen einer überstaatlichen, vertikal-hierarchisch organisierten Fremdherrschaft, die sich auf eine oberste, im „Himmel“ thronende Führerperson, den Gott-Vater, berief, die Volksführer mit dem neuen Vorrecht der Lehnsherrschaft bestach und unterwarf. Volksboden wurde käuflich, und was zuvor die gewählten Volksführer waren, wurde zu thronenden, prunkenden, landbesitzenden Königen, die der Erzbischof krönte und weihte.
Friedrich Barbarossa mußte am Ende seines Lebens dem Papst die Füße küssen und als Greis einen Kreuzzug ins „Heilige Land“ unternehmen. Das entmündigte Volk war zur Manövriermasse herabgewürdigt und kam ansonsten in der Geschichtsschreibung nicht mehr vor.
Heute steht uns der Gottesstaat des Islam mit seiner Scharia ins Haus. Viele glauben – blauäugig, wie wir Nordgermanen nun einmal veranlagt sind -, die hohe Gewaltbereitschaft unter den männlichen Muslimen in den in Europa aufgebauten Parallelgesellschaften, die extreme Frauenunterdrückung seien Ausflüsse falscher Auslegung des Koran. Eines ganz anderen belehrt uns – wenn wir uns nur ein paar Minuten dafür Zeit nehmen: http://www.youtube.com/watch?v=hTheVwj64k8
Adam von Bremen,
der Hauptgeschichtsschreiber – neben Saxo – der Siegerseite, der Christenmission in Nordeuropa, schreibt in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte über die Besiegten:
Da ja die Dänen nebst den Norwegern der Hirtenpflege der Hamburger Kirche unterliegen, kann ich nicht übergehen, wieviel Böses der Herr zu jener Zeit durch sie geschehen ließ und wie weit die Heiden ihre Macht über die Christen ausdehnten.
Er bezieht sich auf den Wikingersturm, der losbrach, nachdem Karl der Große während seines 30-jährigen Krieges gegen die heidnischen Sachsen im Jahre 782 das Blutbad von Verden an der Aller angerichtet hatte, bei dem er 4500 unbewaffnete Sachsenführer köpfen ließ.
Der Historiker Bernhard Kummer schreibt in seinem Werk Der Machtkampf zwischen Volk, König und Kirche im alten Norden:
Es entspricht eben der allgemeinen Neigung, die so unwahrscheinliche Ansicht, plündernde nordische Seeräuberflotillen ohne politischen Sinn hätten das ganz Reich fast vernichtet, lieber zu hegen als diese große Erschütterung einem politischen Norden zuzuschreiben, der auch wußte, was er tat.
Der Wikingersturm, der im achten Jahrhundert beginnt und 35 Jahre nach Götriks Tod mit 600 Schiffen Hamburg (!) nimmt (und zugleich Paris), ist in den meisten Köpfen noch immer nur Seeräuberei, weil die Kirche Götrik (wie Theoderich, Svend, Sverrir und andere „vom Teufel geholte“ Kämpfer) zweimal sterben ließ, nämlich auch in der Erinnerung der Geschichte.
Und so beginnt denn Adam von Bremen die diesbezüglichen Kapitel seiner Hamburgischen Kirchengeschichte schon mal mit einer gefälschten, aus seinem 11. Jahrhundert stammenden Karlsurkunde! Mit Genugtuung verkündet er dann im Blick auf die Niederwerfung der Sachsen unter ihrem Anführer Widukind die Übereinstimmung der Ereignisse mit Erzählungen der Bibel:
Trügt mich meine Vermutung nicht, so ist die Weissagung Hesekiels über Gog und Magog hier am passendsten als erfüllt anzusehen: Und ich will Feuer werfen, spricht der Herr, über Magog und über die, so in den Inseln sicher wohnen.
Manche glauben, dies und ähnliches sei von den Goten, die Rom erobert haben, gesagt. In der Erwägung aber, daß Gotenstämme in Schweden herrschen, und dieses ganze Land weithin in Inseln zerfällt, glaube ich, daß diese Weissagung auf diese paßt, namentlich da vieles von den Propheten vorhergesagt ist, was noch nicht erfüllt zu sein scheint.
Bernhard Kummer bemerkt dazu:
Das ist der Geist der Geschichtsschreiber, die unser Urteil über den Norden jahrhundertelang bestimmt haben …
und betont:
Hinter den Sachsen stand der Norden … Spätestens damals, als Widukind, statt nach Paderborn zu gehen, nach Jütland entwich zu seinem Verwandten, dem Dänenkönig Siegfried, wurde das den fränkischen und römischen Politikern klar.
Einseitig aus seiner Missionarssicht urteilt Adam von Bremen,
… daß der allersiegreichste Kaiser Karl, der alle Reiche Europas unterworfen hatte, seinen letzten Krieg, wie erzählt wird, gegen die Dänen unternommen hat. Deren König Gotafrid (Götrik), der schon vorher die Friesen, ebenso die Nordelbinger, Obodriten und andere Slavenvölker tributpflichtig gemacht hatte, bedrohte selbst Karl mit Krieg. Dieser Zwist verzögerte ganz besonders den Wunsch des Kaisers betreffs Hamburgs. Endlich wurde Gotafrid durch himmlische Fügung hinweggerafft.
Die „himmlische Fügung“ bestand darin, daß
der Dänenkönig Götrik im Jahre 810 ermordet
wurde. Leopold von Ranke geht von einem politischen Mord aus, und Saxo Grammaticus (* um 1140; † um 1220) schreibt in seiner Gesta Danorum (Die Taten der Dänen):
Sein Tod war für Karl eine große Freude; er gestand, daß das Glück ihn durch nichts mehr hätte erfreuen können, als durch diesen Zufall.
Auch wenn Saxo natürlich nicht dabei war, als Karl sich über jene „himmlische Fügung“ so freute, weil er erst 400 Jahre nach ihm lebte, so mag er trotzdem Recht haben, denn mit Götriks Ermordung war der Widerstand auch des Nordens gegen die Christianisierung gebrochen. Und das war ja das Ziel Kaiser Karls gewesen.
Götrik hatte noch das Danewerk errichten lassen
Es verläuft an der schmalsten Stelle des heutigen Schleswig-Holstein, der damaligen Südgrenze Dänemarks, zwischen Schlei – vom Ringwall Haitabus ausgehend – und Treene/Eider als Bollwerk gegen den christianisierten Süden.
Dieser Grenzwall versinnbildlicht zugleich die Zertrennung der Gemeinschaft der germanischen Völker durch das schrittweise und gewaltsame Vordringen des neuen Glaubens.
Leopold von Ranke beurteilt das Ergebnis dieses Glaubenskampfes in seinem Werk Weltgeschichte mit den Worten:
So erstreckte sich nun von Zypern und der phönizischen Küste bis zum finnischen Meerbusen, von Grönland und Island bis zu den Säulen des Herkules die Gemeinschaft der lateinischen Christenheit, jener priesterlich-kriegerische Staat romanisch-germanischer Völker … an seiner Spitze stand, durch alle seine Teile hin bis zu den äußersten Grenzen wirksam, die päpstliche Hierarchie. Es war nun doch geschehen, wogegen sich die alten Deutschen in karolingischen und sächsischen Zeiten mit so großer Kraft gesetzt: das geistliche Prinzip war zu allgewaltiger Herrschaft gelangt.
… Zwar bestanden überall Staatswesen, allein der Klerus bildet eine sie allesamt umfassende Macht, der die ihre im Innern lähmt und zersetzt.
… In allen Streitigkeiten der spanischen wie der nordischen Reiche führt die Kurie das entscheidende Wort.
… Im zwölften Jahrhundert hörte man auf, die Alten in den Schulen zu treiben, wozu ein so schöner Grund gelegt worden war. Nur die kirchlichen Ideen hatten in der Erziehung der Geister Geltung. Selbst die Poesie widmete sich mit Vorliebe ihrer Verherrlichung. Die nationale Entwicklung wird dadurch gleichsam in Fesseln gehalten.
Die vorchristlichen „heidnischen“ Kulturen aber wurden verunglimpft, verteufelt und dem Dunkel des Vergessens anheimgegeben. Erst im 19. und 20. Jahrhundert begann sich auf Grund der Hinwendung einiger Historiker zu den Island-Sagas, die noch in der Sprache des Volkes – und nicht in Latein – lebendig aus dem Leben der Völker erzählen, und auf Grund der
Grabungsfunde
das Bild von den germanischen Völkern zu wandeln. Beeindruckend ist z. B. das beim Gutshof Åseberg am Oslofjord gefundene, 21,60 m lange, in seiner Mitte 5,10 m breite Wikingerschiff. Von Dr. Tempel erfahren wir:
Der Name des Gutshofs Åseberg … ist sicher von dem daneben liegenden großen Grabhügel abgeleitet. Der Hügel hatte einen Durchmesser von 44 m und eine ursprüngliche Höhe von etwa 6 m. Bei der Ausgrabung im Jahre 1904 kam ein ungewöhnlich gut erhaltenes Eichenholzschiff zum Vorschein, das mit dem Grab zweier vornehmer Frauen der Wikingerzeit zwischen 800 und 850 einen kompletten Haushalt als Beigabe mitbekommen hatte.
Obwohl das Grab schon früher angegraben und seiner wertvollsten Schätze beraubt war, enthielt es immer noch die reichhaltigsten Beigaben, die je in einem Grab der Wikingerzeit gefunden worden sind. Darunter waren u. a. ein reich verzierter Wagen, ein
Arbeitsschlitten, drei Prunkschlitten, drei Betten z. T. mit reich verzierten Bettpfosten mit Tierköpfen als Bekrönung, ein Zelt, Truhen, Bottiche, Kochkessel, zahlreiches Küchengerät, Tierknochen von Fleischmitgaben, Skelette von zwei Ochsen und mindestens 10 Pferden, Textilien, Reste eines Wandteppichs mit bildlichen Darstellungen, Daunen und Federn und weitere Gegenstände.
… Ein Nachbau des Schiffes war auf dem Wasser nicht besonders seetüchtig. Deshalb ist anzunehmen, daß das Grabschiff als Prunkstück nur für die Bestattung gebaut worden ist.
Dem Namen des Hügels nach möchte man das Grab mit der Königin Åsa in Verbindung bringen, die in der mittelalterlichen Königsgeschichte und dem Ynglingetal-Gedicht überliefert ist.
Åsa war die Gemahlin des Östfoldkönigs Gudröd. Sie ließ Gudröd umbringen, weil dieser sie als Braut geraubt hatte und ihr Vater dabei zu Tode kam. Zu dem Zeitpunkt war ihr gemeinsamer Sohn 1 Jahr alt, der als 18-Jähriger die Herrschaft seines Vaters übernahm. In der Zwischenzeit hat vermutlich die Mutter Åsa als Königin geherrscht.
Schmuck und Kleidung der Nordleute zur Wikingerzeit
Auf der Osloer Museumsinsel Bygdö konnten wir reichhaltige Schmucksammlungen bewundern und uns ein Bild von den praktischen und kleidsamen Trachten und vom Leben der wikingischen Menschen machen:
Der Wunsch des Bonifaz ging in Erfüllung
Als „universalis ecclesiae legatus germanicus“, als „Apostel der Deutschen“, hatte sich der Engländer Wynfreth (Winfried) (672/675 – 754 oder 755), genannt Bonifatius, die Riesenaufgabe vorgenommen,
die Seelen der heidnischen Sachsen … von den Stricken des Satans (zu befreien), in welchen sie gefangen sind, damit sie zur Herde der Mutter Kirche gesammelt werden.
Die Weichen dazu hatte bereits 200 Jahre vorher Chlodwig I. gestellt, dessen Frau, die burgundische Prinzessin Chrodechild, ihn dazu gedrängt hatte, zum Katholizismus überzutreten, das römische Christentum, nicht das arianische – wie bei den Germanen bis dahin üblich – anzunehmen. Wir sehen, meint wohl zu Recht Bernhard Kummer,
wie die kirchliche Ausnutzung der germanischen Frauenachtung und der germanischen Königstreue dann die völlige Unterwerfung sowohl der Königs- als der Frauen-Ehre unter das Priestertum zur Folge hatte.
Ebenso wie die Frauen, die zum Christentum drängten, ihre eigene Freiheit untergruben, erging es dem Frankenkaiser Karl. Er kämpfte für Rom und damit für die Unterwerfung seines eigenen Kaisertums unter die Herrschaft des Papstes. So konnte 1080 Gregor VII. verkünden:
Ich hebe auf alle königliche Gewalt und Würde und absolviere alle die, welche ihm geschworen haben, von der Verpflichtung. Sein Leben lang möge er niemals wieder Kräfte gewinnen und den Sieg davontragen.
Die „kulturlosen Barbaren“ können plötzlich schöne Kirchen und Dome bauen
In romanischem Stil gebaut finden wir noch heute Kirchen oder Teile von später erweiterten Kirchen aus dem 12. Jahrhundert, der späten Wikingerzeit. Wie die karolingische Pfalzkapelle in Aachen, die älteste ihrer Art, sind auch die ältesten Kirchen Skandinaviens in Rundform gebaut (siehe auch ganz oben die dänische Kirche von Ringstedt).
Die Rundkirche in Hagby ist die älteste und schönste romanische Rundkirche Schwedens. (Tempel)
Als Südschweden noch zum Dänemark Knuts des Großen (des Heiligen) gehörte, begann man in Lund
im Jahre 1085 an der Stelle einer Vorgängerkirche mit dem Bau des Bischofsdoms. Im Jahre 1103 hatte König Erik der Immergute beim Papst die Loslösung vom Erzbistum Hamburg-Bremen erreicht. Lund wurde Erzbischofssitz für ganz Skandinavien einschließlich Island und Grönland, (!)
berichtet Dr. Tempel und meint – wohl aus Sicht der päpstlichen Macht, die sich aller Welt sichtbar und herrlich und gebietend darzustellen strebte:
Das erforderte einen repräsentativen Dom, der alle anderen Dome Skandinaviens übertreffen mußte.
So entstand der imposante romanische Dom zu Lund, der in nur 41 Jahren (1104-1145) erbaut wurde und dessen Apsis noch die Rundkirchenform aufweist.
Auch in Valleberga in Südschweden ist eine Kirche zu finden, deren Ursprung, ein romanischer Rundbau, noch vollkommen erhalten ist.
Ebenfalls in romanischem Stil gebaut ist die Stabkirche von Fantoft, die – nachgebaut – auf der Museumsinsel Bygdö zu besichtigen ist.
Eine Freske im Inneren der Kirche von Valleberga enthüllt uns in der Tracht der christianisierten (zumindest „Edel“-)Frauen, daß der Norden sich dem mohammedanischen Orient angepaßt hatte. Nun schienen die Nord-Männer ebenfalls zu „geilen Böcken“ geworden zu sein, denen gegenüber es geboten erschien, den weiblichen Körper zu verhüllen, damit sie nicht ununterbrochen versucht wären, ihn anzuspringen.
Die Burka läßt grüßen.
Damals wie heute gilt, was Bernhard Kummer in seinem Buch Wandlungen altnordischer Sittlichkeit im Glaubenswechsel schrieb, nur daß wir beim Islam heute weit über Golgatha hinaus schauen müßten:
Ein neues Herrentum und ein neuer Glaube wächst zwischen Midgard und Golgatha, und die Heimatlosen sind seine Wegbereiter.