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Lupo Cativo

bringt einen Offenen Brief an König Charles III. von Julian Assange, dem Gründer von „WikiLeaks“. Weil er geheime Regierungsdokumente und -informa-tionen veröffentlicht hat, sitzt er zur Zeit im Ge-fängnis, und zwar in Belmarsh, dem „härtesten Knast Englands“.

Er könnte auch im „härtesten Knast“ jedes anderen Landes im „Wertewesten“ sitzen. Denn alle Re-gierungen dieser „regelbasierten Staaten“ arbeiten in gleicher Weise daran, das ersehnte durchraßte Welt-Paradies mit unermeßlichem Reichtum einiger We-niger zu errichten, den die „Herde“ ihnen erarbeitet.

Da ist es nicht schön, wenn „Whistleblower“ den Völkern schon vor Erreichen des hehren Zieles Schritte dorthin aufdecken. Ehe sie damit fortfahren, muß man ihnen die Möglichkeit nehmen, weiterhin gehört zu werden, und alle Nachahmer abschrecken.

Assange sitzt nun seit seiner Festnahme im April 2019 – ohne Verurteilung – in einem Hoch-sicherheitsgefängnis, in dem die gefährlichsten Verbrecher des Vereinigten Königreichs festgehalten werden: Mörder, Vergewaltiger und Terroristen.

Nein, zimperlich sind die edlen Weltherrscher nicht.

 

HMP Belmarsh – der Ort, an dem die gefährlichsten Männer Englands einsitzen. Einst für Terroristen und andere Schwerverbrecher errichtet, verbüßen hinter den Gitterstäben im Südosten Londons bis heute die richtigen Härtefälle ihre Haftstrafen. Ohnehin gelten in Belmarsh höchste Sicherheitsbedingungen, dennoch gibt es auf dem weitläufigen Gelände einen gesonderten Hochsicherheitstrakt, wo diejenigen untergebracht werden, die selbst für ihre Mithäftlinge zur Gefahr werden könnten: Das „Gefängnis im Gefängnis“.

Bild: lupo cattivo

Auch Lupo Cattivo sieht es so:

… Was WikiLeaks getan hat, bedroht die politischen und wirtschaftlichen Eliten welt-weit gleichermaßen. Der Fall Assange zeigt, daß es den Regierungen heute nicht mehr um legitime Vertraulichkeit geht, sondern um die Unterdrückung der Wahrheit zum Schutz von unkontrollierter Macht, Korruption und Straf-losigkeit.

Will der Gefangene seelisch am Leben bleiben, hilft ihm Sarkasmus. So lautet denn

Julian Assanges Brief an König Charles III.:

Anläßlich der Krönung meines Lehnsherrn hielt ich es für angemessen, Sie herzlich einzuladen, diesen bedeutenden Anlaß mit einem Besuch in Ihrem eigenen Königreich im Königreich zu begehen: dem Gefängnis Sei-ner Majestät in Belmarsh.

Sie werden sich zweifellos an die weisen Worte eines berühmten Dramatikers erinnern: „Die Qualität der Barmherzigkeit wird nicht strapaziert. Sie tropft wie der sanfte Regen vom Himmel auf den Ort darunter.“

Aber was wüßte dieser Barde schon von Barmherzigkeit angesichts der Abrechnung zu Beginn Eurer historischen Herrschaft? Schließlich kann man das wahre Maß einer Gesellschaft daran erkennen, wie sie ihre Gefangenen behandelt, und Euer Königreich hat sich in dieser Hinsicht sicherlich her-vorgetan.

Das Gefängnis Belmarsh Eurer Majestät befindet sich an der prestigeträchtigen Adresse One Western Way, London, nur eine kurze Fuchsjagd vom Old Royal Naval College in Greenwich entfernt. Wie reizvoll muß es sein, daß eine so angesehene Einrichtung Ihren Namen trägt.

Hier sind 687 Ihrer treuen Untertanen inhaftiert, die das Vereinigte Königreich als die Nation mit der größten Gefängnis-population in Westeuropa ausweisen. Wie Ihre edle Regierung kürzlich erklärt hat, erlebt Ihr Königreich derzeit „die größte Erweiterung der Gefängnisplätze seit über einem Jahr-hundert“, wobei ihre ehrgeizigen Prognosen einen Anstieg der Gefängnispopulation von 82.000 auf 106.000 innerhalb der nächsten vier Jahre vorsehen. Das ist in der Tat ein großes Vorhaben.

… Als politischer Gefangener, der nach dem Willen Eurer Majestät im Auftrag eines in Verlegenheit gebrachten ausländischen Herr-schers festgehalten wird, ist es mir eine Ehre, in den Mauern dieser erstklassigen Ein-richtung zu leben. Wahrlich, Euer Königreich kennt keine Grenzen.

Während Ihres Besuchs werden Sie Ge-legenheit haben, die kulinarischen Köstlich-keiten zu probieren, die für Ihre treuen Untertanen mit einem großzügigen Budget von zwei Pfund pro Tag zubereitet werden. Genießen Sie die gemischten Thunfischköpfe und die allgegenwärtigen rekonstituierten Formen, die angeblich aus Huhn hergestellt werden.

 

Julian Assange im Gefängnis (Bild: t-online)

Und keine Sorge, im Gegensatz zu weniger bedeutenden Anstalten wie Alcatraz oder San Quentin gibt es kein gemeinsames Essen in einer Kantine. In Belmarsh speisen die Ge-fangenen allein in ihren Zellen, was die größtmögliche Intimität der Mahlzeit gewähr-leistet.

Abgesehen von den geschmacklichen Genüssen kann ich Ihnen versichern, daß Belmarsh Ihren Untergebenen reichlich Gele-genheit zur Bildung bietet. In Sprüche 22:6 heißt es: ‘Erziehe ein Kind in dem Weg, den es gehen soll, und wenn es alt ist, wird es nicht davon abweichen’.

Beobachten Sie die Warteschlangen an der Medikamentenausgabe, wo die Insassen ihre Rezepte nicht für den täglichen Gebrauch, sondern für die horizonterweiternde Erfah-rung eines „großen letzten Tages“ abholen – und das alles auf einmal.

Sie werden auch die Gelegenheit haben, meinem verstorbenen Freund Manoel Santos die letzte Ehre zu erweisen, einem schwulen Mann, dem die Abschiebung nach Bolsonaros Brasilien drohte und der sich nur acht Meter von meiner Zelle entfernt mit einem kruden Seil aus seinem Bettlaken das Leben nahm. Seine schöne Tenorstimme ist nun für immer verstummt.

Wenn man sich in die Tiefen von Belmarsh begibt, findet man den isoliertesten Ort innerhalb seiner Mauern: die Krankenstation, oder „Hellcare“, wie sie von ihren Bewohnern liebevoll genannt wird. Hier werden Sie sich über vernünftige Regeln wundern, die der Sicherheit aller dienen, wie z. B. das Verbot von Schach, während das weit weniger gefährliche Spiel Dame erlaubt ist.

Tief im Inneren von Hellcare befindet sich der herrlichste Ort in ganz Belmarsh, ja im ganzen Vereinigten Königreich: die Belmarsh End of Life Suite mit ihrem erhabenen Namen. Wenn Sie genau hinhören, werden Sie vielleicht die Schreie der Gefangenen hören: „Bruder, ich werde hier drin sterben“, ein Zeugnis für die Qualität des Lebens und des Sterbens in Ihrem Gefängnis.

Aber keine Angst, in diesen Mauern gibt es auch Schönes zu entdecken. Erfreuen Sie sich an den malerischen Krähen, die im Stacheldraht nisten, und an den Hunderten von hungrigen Ratten, die Belmarsh ihr Zuhause nennen. Und wenn Sie im Frühjahr kommen, können Sie vielleicht sogar einen Blick auf die Entenküken erhaschen, die von verirrten Stockenten auf dem Gelände des Gefängnisses abgesetzt wurden. Aber zögern Sie nicht, denn die gefräßigen Ratten sorgen dafür, daß ihr Leben nur von kurzer Dauer ist.

Ich beschwöre Euch, König Charles, das Gefängnis seiner Majestät Belmarsh zu be-suchen, denn das ist eine Ehre, die einem König gebührt.

Mögen Sie zu Beginn Ihrer Regentschaft immer an die Worte der King James Bibel denken: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Matthäus 5,7). Und möge die Barmherzigkeit das leitende Licht Ihres Königreichs sein, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern von Belmarsh.

Ihr ergebenster Untertan
Julian Assange

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Cochius, Markwart
Cochius, Markwart
9 Monate zuvor

Erstaunlich, daß dieser Brief in die Öffentlichkeit gelangt ist.- Früher war R. Hess, heute ist es J. Assage…

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