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Eigentum verpflichtet

Bauer Günther Riebau in Grippel

ist der einzige, der im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf seinem Entschluß beharrt, Genmais anzubauen. Dazu gehört in einem Landkreis wie diesem schon einiger Mut. Denn die Bevölkerung ist gewohnt, Widerstand zu leisten, seit die Atomlobby vor über 30 Jahren ins Land einfiel.

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Elbe-Jeetzel-Zeitung v. 15. Mai 2008

Bauer Riebau fühlt sich im Recht. Dem Reporter der EJZ Adolf Blütling erklärte er seine Gründe:

  • Ihm fehlen die Beweise, daß das Saatgut gesundheitsschädlich ist.
  • Die Bundesregierung hat MON 810 als unbedenklich erklärt.
  • 2007 wurden bereits 2500 Hektar Ackerfläche mit dem Saatgut angebaut, 2008 sollen es 4000 Hektar werden.
  • Ein Drittel der 1,5 Millionen Hektar Mais-Anbaufäche sei vom Maiszünsler befallen, ein Schaden in Millionenhöhe.
  • “Mit dem genveränderten Mais haben wir endlich die Möglichkeit, die vom Zünsler angerichteten Schäden in Grenzen zu halten und für unser Vieh hochwertiges Futter zu produzieren”, glaubt er.
  • Daß in den USA lediglich noch 15 % der Rinder fruchtbar sind, die mit Genmais gefüttert wurden, glaubt er hingegen nicht.
  • Den Wissenschaftlern im Internet wiederum glaubt er, ohne allerdings anzugeben, ob sie bei Monsanto angestellt sind. Die jedenfalls streiten die Gesundheitsschädlichkeit der Firmen-Produkte ab.
  • So glaubt er, gentechnisch veränderte Lebensmittel seien “gesund und unverzichtbar, um einen annehmbaren Lebensstandard für die wachsende Weltbevölkerung zu erreichen.”

Flugs ist er ein Gutmensch, der helfen will, die Welt zu verbessern. Umso empörter ist er über die “Besatzer”. Bereits 14 Tage harren die auf seinem Acker aus. Sie wollen das Feld erst räumen, wenn der Bauer erklärt, auf den Anbau von Genmais zu verzichten. So sei er nicht mehr Herr im eigenen Hause.

Stellt sich ihm die Frage überhaupt, wie weit sein Ackerland ganz allein sein Eigentum ist? Denkt er an die Forderung des Art. 14 GG:

Eigentum verpflichtet?

Bei der Kreis-Verwaltung ist er bisher hängen gelassen worden. Die habe erklärt, man könne erst etwas verfügen, wenn man die Namen der Besetzer kenne. Die Namen müsse er erbringen. Na sowas, meint Bauer Riebau:

Der Landkreis kann doch nicht ernsthaft glauben, daß die jungen Leute mir ihre Personalien nennen.

Jurist Michael Wiesemann

sieht – abgesehen von der Kreis-Verwaltung –

den Staat als Gehilfen des Terrors einiger Weltkonzerne,

wie er seinen fundierten Aufsatz zur Rechtslage überschreibt. Er weist u.a. darauf hin, daß

  • benachbarte Anbauflächen durch Pollenflug im Laufe der Zeit mit genverändertem Erbgut verseucht werden
  • in Kanada kanadische Gerichte entschieden haben, daß die entschädigungslose Übernahme der gesamten Ernte von solchen kontaminierten Anbauflächen seitens der Firma Monsanto rechtens sei
  • der hieraus ersichtliche galoppierende, globale Kapitalismus sich über basisdemokratische Grundregeln hinwegsetze und sich nun sogar auf die Rechtsprechung in Kanada berufen könne
  • diejenigen, die sich auf Monsanto einlassen, verpflichtet werden

– zusammen mit allen ihren Angehörigen – über Fehler jeder Art und über Schäden aller Art bis hin zum Fruchtsbarkeitsverlust, Tod und Siechtum von Mensch, Tier und Natur bis an ihr Lebensende zu schweigen.

Wiesemann sieht uns auf einen “zivilrechtlichen Notstand” zusteuern, wenn wir uns nicht wehren. Er weist auf das Bürgerliche Gesetzbuch hin. Dort lesen wir, daß das Handeln der “Besatzer” bei Bauer Riebau in Grippel rechtens ist:

§228 BGB: Notstand. Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht …

§904 BGB: Notstand. Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist …

Wiesemann:

… dort wo der Staat seine Bürgerpflichten vergißt, hintanstellt oder gar mit den bestimmenden und faktisch regierenden Weltwirtschaftsunternehmen zusammen auftritt und regiert – z. B. in der Gesetzgebung und – siehe Kanada – auch in der Rechtsprechung -, dort kommen wir unmittelbar in den Bereich des Staatsnotstandes oder des “übergesetzlichen, verfassungsrechtlichen Notstandes”.

Ein solcher Notstand ist immer rechtfertigend, wenn zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für ein grundgesetzlich geschütztes, höherrangiges Rechtsgut wie Leben, Menschenwürde, Freiheit, Gesundheit … die Abwehrhandlung erforderlich, notwendig und verhältnismäßig ist, weil sie eben für ein höherrangiges Rechtsgut als die bloße unreflektierte Eigentumsnutzung eintritt.

Eine klare Rechtsbelehrung für Bauer Riebau, aber vor allem auch für die Großkonzerne, soweit sie sich im Bereich deutschen Rechtes befinden. Hat bei ihnen schon mal eine Besetzung stattgefunden?

Aber die werden nicht wie das deutsche Bäuerlein in offenen, ungeschützten Grenzen arbeiten!

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Wiesemann, Michael
Wiesemann, Michael
15 Jahre zuvor

Der guten Ordnung und juristischer Gründe wegen hatte ich hinter meiner Überschrift im Aufsatz (im letztgültigen Ausruck) ein Fragezeichen gesetzt. Wir begeben uns hier nämlich auf rechtliches Neuland und müssen prüfen, inwieweit wir in die Nähe eines verfassungsrechtlichen Notstandes gelangen, wenn Grundrechte durch Konzerne nur deswegen verletzt und ausgehöhlt werden können, weil der Staat a) keine Eingriffsmöglichkeiten sieht, b) den Wirtschaftsinteressen bei der Güterabwägung zwischen Menschenrechten und dem bloßem Herrschaftsrecht aus Eigentum Vorrang einräumt und c) die Benachteiligung der schwächeren Mehrheit am Markt trotz grundgesetzlich gebotener Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 GG völlig außer Acht läßt. Der Staat ist aber verpflichtet, die Menschenrechte und die demokratischen Freiheiten gegen alle Gefahren – also auch bei Fehlentwicklungen im entfesselten Kapitalismus – zu sichern! Ohne Wenn und Aber! Wozu denn sonst stehen unsere Soldaten am Hindukusch? Es geht ja angeblich nicht nur um die Sicherung von Ressourcen!
Es geht hier auch nicht darum, dass in einer Demokratie die Mehrheit im Parlament bei der Gesetzgebung eine Minderheit majorisieren kann, sondern – und das ist neu – es geht um die staatsrechtliche Frage, ob der Staat, wenn er es zuläßt, dass sein Verfassungsrecht durch Private im Zusammenwirken mit entsprechenden legislativen Maßnahmen zugunsten der Privaten verkürzt und dem Bürger durch übermächtige Wirtschaftszweige die Grundrechte nur noch dem Grunde und nur noch auf dem Papier zustehen, noch ein verläßlicher Rechtstaat ist? (H. Prantl stellt diese Frage in seinem Buch “Der Terrorrist als Gesetzgeber”). Wer hier die globale, entfesselte und durch den Lobbyismus geförderte Wirtschaftsmacht einiger weniger marktbeherrschender Konzerne berücksichtigt und gewichtet, der wird auch den von Herrn Percy Schmeiser geschilderten Terror von Monsanto erkennen und sich zur Wehr setzen, bevor wir alle durch Wirtschaftsoligarchen bevormundet und in das Prekariat getrieben werden.
Wozu haben wir den Feudalismus in der frz. Revolution überwunden, wenn er heute als Finanz- und Wirtschaftsfeudalismus zurückkehrt? Lassen wir uns nichts vormachen: Nicht das Kapital schafft die Arbeitsplätze, sondern das Humankapital der Werktätigen schafft das Finanzkapital. Es ist nicht einzusehen im christlich-abendländischen Kulturkreis, dass das Finanzkapital bevorzugft vor dem Humankapital behandelt wird. Das Finanzkapital wird entgegen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 GG zur Unterdrückung, Versklavung und Beraubung der Freiheit der lohnabhängigen Bürger mehr und mehr mißbraucht (Prof. Hankel in “Die EuroLüge … und andere volkswirtschaftlichwe Märchen”. Das Buch ist dringendst zu empfehlen). Die Märchenerzähler in Deutschland werden keine gläubigen Zuhörer mehr finden, wenn das Wissen um die wirklich desolate Lage in Deutschland bekannt wird. Ein Landwirt Riebau aus Grippel wird dann nur noch sagen: Das haben mir die Abgesandten von Monsanto aber ganz anders erzählt.
Anders als in der Atomdebatte kann im Bereich der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft der Beweis dafür geführt werden, dass die Großkonzerne skrupellos die Grundrechte in Deutschland mißachten, sei es, dass sie die nicht kennen, weil sie weltweit operieren, sei es, weil sie Unterstützung in ihrem blanken Monetarismus durch unseren freiheitlichen-demokratischen Rechtstaat erhalten.
Herrn Riebau ist mit Bismarcks Worten nur noch zuzurufen: “Ein Gedanke, der richtig ist, kann auf die Dauer nicht niedergelogen werden!” Soviel Macht haben die Märchenerzähler, die sich Herr Prof. Hankel alle einzeln vorknöpft, nun auch wieder nicht, trotz aller medialen Vorzensur. Es ist daher rechtzeitiges Aufwachen angesagt, unsere höchstrichterliche Rechtsprechung hat dem Staat in jüngster Zeit wegen der Verletzung des Grundgesetzes schon mehrfach auf die Finger geklopft. Ob das noch lange hilft?????

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