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Vernunft und Intuition – zwei wesensverschiedene Erkenntnisfähigkeiten des Menschen

„Philosophen“ haben Naturforscher in ihren Aussagen meist ebenso wenig befriedigen können wie ihre philosophierenden Fachkollegen. Deren Vernunft-Grübeleien und -Auslegungen des in der Naturwissenschaft Vorgefundenen gingen über das Beweisbare hinaus und gehören in das Reich der Phantasie.

Vernunftgrübeleien und deren Gedankengebäude verdienen den Namen Philosophie, Liebe zur Weisheit, nicht, denn sie führen zu keinen gültigen Erkenntnissen und zu keiner Weisheit.

Bestes Beispiel:

Die von der Naturwissenschaft nicht vorausberechenbare Richtung des Rücksprungs eines Elektrons von einer vom Atomkern entfernteren Bahn auf eine näher zum Atomkern befindliche legte den Gedanken nahe, hier im allerkleinsten Geschehen in den Energiewölkchen, aus denen das ganze Weltall besteht, wirke noch keine Kausalität.

Müßte aber nicht damit das gesamte Weltall ins Wanken geraten? Die Frage sei an dieser Stelle zunächst einmal in den Raum gestellt.

Doch wenn nun Vernunftgrübler diese von der Naturwissenschaft bislang hingenommene „Unschärfe“ bereits als eine Willensfreiheit des Elektrons auslegen und damit als Beweis für das Vorhandensein von Willensfreiheit schlechthin erklären, so gehen sie mit ihrer Vernunftdeutelei entschieden zu weit und bedenken nicht, daß zur Willensfreiheit bewußtes Wählen-Können gehört. Das ist dem nichtbewußten Elektron nicht möglich.

Hören wir jedoch der Philosophin Mathilde Ludendorff, dem „schauenden Erkenntnistyp“, zu, so erleben wir eine Auslegung des von der Naturwissenschaft Vorgefundenen vom Wesen der Erscheinung aus, die denjenigen zutiefst überzeugt, der sich sein angeborenes Vermögen, innerseelisch – intuitiv – die Welt vom Wesen her zu schauen, erhalten, ja entfaltet hat und der Philosophin in ihrem Schauen folgen kann!

Mathilde Ludendorff etwa 1957

Mathilde Ludendorffs philosophisches Werk zeichnet u. a. aus, daß sie neben der Erkenntniskraft Vernunft erstmalig eine weitere Fähigkeit, die Intuition, als die zweite Erkenntniskraft anerkennt, die dem Menschen und nur ihm gegeben ist.

  • Die Vernunft erkennt die Dinge in den Kategorien Raum, Zeit und Ursächlichkeit (Kausalität), Kategorien, in denen sie selbst – wie Kant sagt – a priori denkt und in denen allein sie sich Vorstellungen machen kann. Die Vernunft ist das „Werkzeug“ der Naturwissenschaft.
  • Die Wesensschau (Intuition) erkennt das in allem waltende Wesen der Erscheinungen, das Mathilde Ludendorff mit Gott bezeichnet. Dieses von ihr Gott genannte Wesen des Weltalls hat mit den Göttern, die von der Vernunft als räumlich, zeitlich, ursächlich gedachte Personen erfunden wurden, nichts zu tun. Gott, oder eindeutiger das Göttliche, ist das räumlich, zeitlich, ursächlich nicht faßliche Wesen aller Dinge, das selbst von den Kategorien der Dinge, von Raum, Zeit und Kausalität frei ist und auch nur in freiem, ursachlosem Erleben erschaubar ist. Die Wesensschau ist das Gebiet wahrer Philosophie, die ihren Namen „Liebe zur Weisheit“ verdient. Der an die Kategorien der Erscheinungswelt gebundenen Vernunft hingegen ist das Göttliche nicht zugänglich.
  • Die Gebiete der beiden Erkenntnisfähigkeiten, Naturwissenschaft und Wesensschau, zu einen ist das große epochale Werk der Philosophin Mathilde Ludendorff.

Grenzen der Kausalität im Reiche der Erscheinungen?

Freiheit – hier definiert als Spontaneität – kann es im Reiche der Erscheinungen des von unserer Vernunft erfaßbaren Makrokosmos nicht geben. Im Makrokosmos laufen die Vorgänge unerbittlich nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung ab. Andernfalls könnte sich die Erscheinung nicht im Sein erhalten.

Für das Gebiet des Mikrokosmos, in das die Atomphysik mit ihren Forschungen bis hin zu den Grenzen der Erscheinungswelt vorgedrungen ist, gilt bis heute, was der Prof. für theoretische Physik Gerold Adam formuliert:

Dort sehen wir immer deutlicher, wie die kausale Beschreibung des Naturgeschehens mehr und mehr hinter einer mathematischen zurücktritt. Wir finden, daß wir dort zu einer weitergehenden Durchdringung der experimentellen Tatsachen mit Theorien gelangen, deren Symbole nicht mehr unmittelbar meßbare Größen darstellen. Man erhält erst aus ihnen durch mehrfache logische Deduktionen nachprüfbare Größen. …

Adam sieht wie andere theoretische Physiker

Anzeichen für die Grenzen der kausalen Beschreibung  …; in dem Sinne, daß sich bei ihrer Annäherung ein Naturvorgang der kausalen Beschreibung entzieht und nur noch rein mathematisch-konditional erfaßt werden kann.

Heißt das nicht mit anderen Worten: Wo für uns Menschen – bisher – das Auge mitsamt den allerfeinsten Meßinstrumenten nicht mehr hinreicht, um die Naturvorgänge selbst anzuschauen, da stellen wir Theorien auf und lassen unsere mathematischen Berechnungen sprechen.

Theorien sind Theorien, und Mathematik ist eine Geisteswissenschaft, die – wenn sie ihren Berechnungen keine „tollkühnen“ naturwidrigen Annahmen voraussetzt – der Naturwissenschaft trefflich dienen kann, selbst aber keine Naturwissenschaft ist. Und so hat selbst Albert Einstein in seinem letzten Lebensjahr von seinen Theorien gesagt:

Ich betrachte es aber als durchaus möglich, daß die Physik nicht auf dem Feldbegriff begründet werden kann, das heißt auf kontinuierlichen Gebilden. Dann bleibt von meinem ganzen Luftschloß inklusive Gravitationstheorie nichts bestehen. (Bild der Wissenschaft)

Dem Normalsterblichen ist es verwehrt, den mathematischen Formelgebäuden der Atomphysiker wie z. B. Einsteins zu folgen. Einstein selbst schätzte, daß nur 16 Männer (wohl seiner Zeit) ihm in seinen Formelentwicklungen zu seinen Relativitätstheorien folgen könnten. Welcher Mann möchte nicht gern zu den 16 gehören?! Und wer gibt sich die Blöße zuzugeben, daß ihm verwehrt ist, die Berechnungen zu verstehen, geschweige denn zu überprüfen?

Wissenswert ist vielleicht in dem Zusammenhang – nur nebenbei, um den Propaganda-Effekt um Einstein zu beleuchten – was die Belgrader Professorin für Mathematik, Physik und Astronomie, Desanka Trbuhovic-Gjuric über Einsteins Frau Mileva Maric herausfand: Diese

… war in Einsteins wissenschaftlich fruchtbarster Zeit seine engste und wichtigste Mitarbeiterin. Sie war die Frau, von der das Jahrhundert-Genie selber sagte: „Ich brauche meine Frau. Sie löst alle meine mathematischen Probleme.“

Einstein aber steht allein als Sinnbild unerreichter Intelligenz vor der Welt. Jedoch:

  • Seine Behauptung von der Relativität der Zeit,
  • seine Einbeziehung der Zeit als 4. Dimension zu den 3 Dimensionen des Raumes in seinen (seinen?) mathematischen Berechnungen,
  • seine Raum-Zeit-Weltkugel,
  • sein gekrümmter Weltraum

sind von der menschlichen Vernunft nicht nachvollziehbar. Die Vernunft kann von ihren aprioristischen Erkenntnisformen nun einmal nicht absehen.

Sie ordnet die ganze Erscheinungswelt diesen Formen ein und dies so zwangsläufig, daß sie selbst völlig unfähig ist, von einer dieser Formen wegzudenken,

schreibt Mathilde Ludendorff in ihrem Buch Siegeszug der Physik. Ein Triumph der Gotterkenntnis meiner Werke. Der den Formen der Erscheinungswelt völlig angepaßten Vernunft verdanken wir, verdankt die Wissenschaft, daß sie diese Welt der Erscheinungen bis hin zu ihren allerkleinsten Teilchen, aus denen sie besteht, überhaupt erforschen konnte.

Dieses unfaßliche Wunder der Schöpfung – das der Erscheinungswelt vollkommen angepaßte Erkenntnisorgan Vernunft – ermöglichte es, daß der am Anfang des Schöpfungsgeschehens erwachte göttliche Wille zur Bewußtheit (s. Schöpfunggeschichte von Mathilde Ludendorff) in Erfüllung gehen konnte. Der Mensch mit seinen Fähigkeiten zum Erkennen der bewunderungswürdigen Zusammenhänge in der Natur und zum Erleben ihres Wesens, des Göttlichen, wurde von Mathilde Ludendorff als final angestrebtes Schöpfungsziel und schon von Kant als Bewußtsein der Welt erkannt, von Mathilde Ludendorff darüber hinaus als Bewußtsein des göttlichen Wesens der Schöpfung.

Möglich, daß es eines fernen Tages gelingt, doch eine kausale Gesetzmäßigkeit im Verhalten der Elektronen herauszufinden. Mathilde Ludendorff lehnte die Formulierung, „das Kausalgesetz ist druchlöchert“ ab, räumte aber ein, daß die Schöpfung durch eine begrenzte Akausalität in der Erscheinung von allem Anfang an das Tor für ein Schwinden der Erscheinungswelt offengelassen habe. Sie ging beim Stand der Forschung ihrer Zeit davon aus, daß im Verhalten der Gase allgemein

Gesetzlosigkeit und Kausalität in der Erscheinungswelt sinnvoll vereint

seien. Denn in den Gasen bewegen sich die Moleküle, je höher die Temperatur steigt, desto wilder, gesetzlos,

… ausschließlich beseelt … von dem Willen, sich auszudehnen … (M. L., Siegeszug der Physik)

An der Wand eines das Gas umschließenden Gefäßes steigt somit der Gasdruck. Ließe man das Gas frei, so expandierte es mit wachsender Geschwindigkeit in die Weiten des Alls. Eine bemerkenswerte Erscheinung, deren Sinn die Philosophin deutet, wenn die neuere Forschung auch heute weiß, daß Gase sich unterschiedlich in den kosmischen Gegebenheiten verhalten. Daher müßte es nach heutigem Wisssen heißen:

Ließe man das Gas frei, so verdünnte es sich, so daß irgendwann keine Stöße mehr untereinander aufträten. Dann beschleunigten sich die Gasteilchen aber nicht, sondern verringerten ihre Geschwindigkeit, weil sie im Schwerefeld der Erde gefangen sind und fielen irgendwann wieder auf die Erde zurück. Nur die energiereichsten und leichtesten Moleküle/Atome wie Wasserstoff und Helium haben eine Chance, dem Schwerefeld der Erde zu entrinnen (die aus dem energiereichen sogenannten Boltzmann-Schwanz). Dann werden sie aber weiter vom Schwerefeld der Sonne abgebremst … .

Wenn man die Schwerefelder vernachlässigte, würden sich die Teilchen mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. (Auskunft eines Wissenschaftlers der Technischen Universität Braunschweig).

Vergingen die Körper im All, schwänden auch die Schwerefelder, und die Gase hätten „freie Bahn“. Grundsätzlich ist somit die Sichtweise und Deutung der Philosophin richtig.

Mathilde Ludendorff sieht den Sinn einer begrenzten Akausalität in der Erscheinungswelt

  1. in der den Gas-Molekülen gegebenen Gesetzlosigkeit ihrer Bewegungen mitten in der streng kausal ausgerichteten Erscheinungswelt und
  2. in der Expansivkraft der Gase, mit der die Moleküle – werden sie nicht durch Barrieren gehemmt – in die Fernen des Alls rasen,

in dieser Akausalität gepaart mit Kausalität, sieht die Philosophin, daß sich die Schöpfung mitten in ihrer Erscheinungswelt das Tor zum Schwinden ihres Daseins von ihren Anfängen an offen hält. In ihrem Werk Schöpfungsgeschichte (1923) schon, aber auch in ihrem Werk Siegeszug der Physik (1942) zeigt die Philosophin Schritte, mit denen die Schöpfung in fernen Tagen ins Nichtmehrsein zurückkehrt:

Die Wärme geht vom wärmeren zum kälteren Körper über, so verhindert sie, daß vor dem Schwinden der Schöpfung eine Erscheinung von dem Wachsen der Gluten ausgeschlossen bliebe.

Sie hält also das Tor zur gesetzlichen Gottverhüllung am Ende der Tage aller Erscheinung des Weltalles offen.

So feierlich, so unerbittlich, so vollendet gesetzlich wird diese zweite Stufe der „Heimkehr Gottes“ in das Jenseits aller Erscheinung sich dank solcher Gesetze vollziehen, wie es die Seele vom Wesen der Schöpfung aus erschaut hat.

Denn bis zum Schwinden der Einheiten der Moleküle hin werden sie die Gesetzlichkeit der Gase zu hüten wissen. Dabei wird sich in wachsenden Gluten ihre Expansivkraft immer ungehemmter erfüllen.

  • Der Wille zur Form verhüllt sich, er schwindet, mit ihm die festen und flüssigen Stoffe.
  • In den weiter wachsenden Gluten schwindet der Wille zur Wahlverbindung, er verhüllt sich, die chemischen Verbindungen „dissoziieren“.
  • In weiter wachsenden Gluten verhüllt sich der Wille zur Mannigfaltigkeit, er schwindet, da zerfallen die Elemente in wachsenden Gluten in leichtere und schließlich werden sie zum leichtesten Element, dem Wasserstoff.
  • Allseitig und ungehemmt hat sich in diesem Geschehen das ereignet, was die vollendete Schöpfung uns als „Radioaktivität“ in sinnvollen Grenzen schon heute zeigt … Unter dem Freiwerden der starken im Atom gespannten Kraft strahlen Atomkerneinheiten als α-Strahlen und Elektronen als ß-Strahlen aus den schweren und schwersten Elementen.

Und wie wir diese Gottverhüllung, dieses Schwinden des Willens zur Mannigfaltigkeit in wachsenden Gluten am Ende der Tage nun umsinnen, da will sich uns jene „Undeterminiertheit“ (Unbestimmtheit), die den Physiker verlockte, das Kausalgesetz als erschüttert anzusehen, in ihrem tiefen Sinn enthüllen …

Dann … wird sich … auch der göttliche Wille zum Wandel verhüllen. Geheimnisvolle Heimkehr des letzten Elementes zum Urstoffe soll sich vollziehen!

Sinn der Expansivkraft der Moleküle

Auch sie ist der Philosophin

nicht nur das erschütternde Sinnbild des Sehnens nach dem Jenseits des Raumes, des Sehnens nach der Befreiung von begrenzter Ausdehnung, nein, die immer mehr erfüllte Expansion in den unermeßlichen kosmischen Räumen ermöglicht und bereitet schon vor dem Ende der Schöpfung still und feierlich jenes allmähliche, unmerkliche, fließende Schwinden dieser Schöpfung vor, das Hinübergleiten aus den Formen des Seins, das dem Eintritt in diese Formen, dem Werden der ersten Erscheinung auch eigen war!

… Das Schwinden aber des göttlichen Willens zur Vielheit, der dann im Urstoffe auch die Einheiten der Neutronen schwinden läßt, hat solche Angleichung, solches dem Äther Näher-verwandt-Werden vollendet. Unmerklich und fließend ist nun auch das letzte Entgleiten, wenn Beharrungwille und Schwerkraft sich verhüllt haben. Das „Schöpfunglied“  [Schöpfunggeschichte] singt:

„Lautlos wird Urstoff zu Äther.
Wie ehedem erfüllt Äther allein noch das All,
Dann schwindet auch dieser, wie einst er geworden,
In heiligem Willen zur Schöpfung der Gottesbewußtheit.
Des Weltalls Ende ist nun vollendet,
Wie ehedem ist Gott wieder jenseits aller Erscheinung.“

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Ingo Bading
9 Jahre zuvor

Der verlinkte Artikel von Rüdiger Vaas macht Lust darauf, mehr von ihm zu lesen. Ich möchte nur davor warnen, es überzubewerten, wenn Einstein von „Luftschloss“ spricht. Jeder Wissenschaftler hat – wie jeder Künstler – Zweifel an dem von ihm Geschaffenen und kann es infrage stellen.

Konrad Lorenz hielt es für richtig, jeden morgen zum Frühstück seine gerade aktuelle Lieblingshypothese zu verwerfen. So läuft nun mal Wissenschaft. Und Einstein war eben sowenig Dogmatiker wie alle anderen. Er würde sich mehr als alle freuen, wenn man über Widerlegung seiner Theorien der Wahrheit näher käme.

Auch halte ich überhaupt die Fokussierung auf Einstein nicht für richtig. Zumal dann, wenn zugleich so viele Vorbehalte ihm gegenüber bestehen. Es gab doch so viele andere theoretische Physiker, die Vergleichbares geleistet haben wie Einstein. Wenn man sich also nicht über Einstein freuen kann, dann freue man sich doch über andere!

Ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass der ihm sicher Ebenbürtige Werner Heisenberg in seinem Aufsatz „Atomphysik und Kausalgesetz“ (in: „Das Naturbild der heutigen Physik“, 1955) nichts anderes gesagt hat als das, was Mathilde Ludendorff – wie hier zitiert – in „Siegeszug der Physik“ ausgeführt hat.

Und da er der physikalischen Forschung näher stand als Mathilde Ludendorff, hat er es auch knapper und weniger weit ausholend sagen können.

Man müsste überhaupt einmal schauen, ob es heute noch bedeutendere Philosophen gibt, die durch die moderne Physik „das Kausalgesetz als erschüttert“ ansehen, wohlgemerkt, das Kausalgesetz an sich. Aber möglich ist alles. Ich glaube aber, das war vor allem eine Zeiterscheinung unmittelbar nach Entdeckung von Relativitäts- und Quantentheorie und ist seither im Geistesleben doch deutlich abgeklungen.

Zumal man seit der Theorie komplexer Systeme (seit den 1970er Jahren [Synergetik von Hermann Haken, Ilya Prigogine, Manfred Eigen und anderer]) noch besser verstanden hat, dass die Kausalität an sich auch dann nicht „erschüttert“ ist, wenn die Kosmologie und Evolution heute noch weniger als zuvor als das „Ablaufen eines Uhrwerkes“ dargestellt werden, wenn noch weniger als schon zuvor dargestellt werden als NICHT vom „Laplace’schen Dämon“ beherrscht, sondern wenn die Grundthese nach dem schönen Buch von Manfred Eigen („Das Spiel“, 1975) lautet: Naturgesetze steuern den Zufall. Sie heben ihn nicht auf, werden aber auch von ihm nicht aufgehoben.

Der Physikhistoriker Armin Hermann hat den Briefwechsel zwischen Einstein und Mileva Maric herausgegeben (1994). Und er schreibt in seinem diesem Briefwechsel beigefügten Aufsatz: „Jede Zeit hat ihre Narrheiten. Im Oktober 1983 erschien die Zeitschrift ‚Emma‘ mit einem Aufsatz über Mileva Maric unter der Überschrift: ‚Die Mutter der Relativitätstheorie‘. Weil nach Auffassung der Feministinnen den Frauen immer und grundsätzlich Unrecht geschieht, musste auch Einstein den bedeutenden Anteil seiner Mileva am Zustandekommen der Relativitätstheorie totgeschwiegen haben. (…) Fast alle deutschen Zeitungen, auch die renommierten, haben die windige Story übernommen.“

Anhand des Briefwechsels kann man ja sehen, welche Belege es für diese These von der „Mutter der Relativitätstheorie“ gibt.

Wir sollten im übrigen im Hinterkopf behalten, dass Mathilde Ludendorff nicht die einzige ist, die der Intuition im (natur-)wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisprozess eine große Rolle einräumt. Der Biologe Max Hartmann hat im Grunde in seinem „Die philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaften“ (1948) zum Thema Intuition und intuitiver Erkenntnis nur das zusammen getragen, was „gängige Münze“ war und ist in der Wissenschaft.

So hat auch Albert Einstein (es könnten ähnliche Zitate von vielen anderen Wissenschaftlern gebracht werden) schon im April 1918 in seiner Geburtstagsrede auf Max Planck

http://www.raunvis.hi.is/~sksi/w_texts/einstein18.pdf

, ausgeführt, dass kein logischer Weg führt zu den allgemeinsten, elementarsten Naturgesetzen, „sondern nur auf Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition“.

Und er hat auch schon von dem „Staunen“ und von dem „Schauen der prästabilierten Harmonie“ gesprochen. Er hat den Wissenschaftler dem Religiösen und dem Verliebten gleich gestellt.

Die Leistung von Mathilde Ludendorff ist es aber, dieses intuitive Erkennen und Erleben im Ich der Menschenseele und das Handeln daraus als gleichwertig neben das Vernunfterkennen gestellt zu haben als zweites Erkenntnisorgan des Menschen. So weit ist vor ihr wohl kein Denker des 20. Jahrhunderts gegangen und nur wenige andere (darunter ebenfalls manche „windigen“). Und ich vermute: auch erst die Sicherheit im Umgang mit BEIDEN Erkenntniswegen (wobei die Vernunft das allerwesentlichste Korrekturmittel ist – auch – nach Mathilde Ludendorff) ermöglichte ihr die für sie so typische sehr sichere Zurückweisung von so vielen Okkultismen aller Art, wie sie im 20. und 21. Jahrhundert das Denken der Menschen erfüllen.

Ich begrüße es, wenn Mathilde Ludendorff in den Zusammenhang des naturwissenschaftlichen Denkens ihrer Zeit und unserer Zeit gestellt wird. Dies ist der Grundansatz der von mir betriebenen „Studiengruppe Naturalismus“. Und auch ich möchte dazu, wenn mir die Zeit bleibt, noch allerhand Beiträge veröffentlichen. Wie ich ja auch auf meinem Blog „Studium generale“ schon viele naturwissenschaftlichen Beiträge veröffentlicht habe, bei denen fast allen ein Bezug zur Philosophie von Mathilde Ludendorff hergestellt werden könnte.

Ingo Bading
9 Jahre zuvor

Ich kann es nur immer wieder wiederholen: „SEINE komplizierten Theorien“ sind nicht die einzigen in der theoretischen Physik, die einen Menschen, der nicht Theoretischer Physiker ist, einschüchtern könnte. JEDER Blick in ein Lehrbuch der Theoretischen Physik dürfte einschüchternd sein, ob dort nun die Theorien Einsteins oder jedes anderen theoretischen Physikers behandelt sind.

Aber niemand soll sich von Wissenschaft „einschüchtern“ lassen. Es ist für manche Menschen gewiss unbefriedigend, dass sie anderen Menschen, ja, ganzen Wissenschaftsbereichen VERTRAUEN sollen, weil sie es selbst nicht mehr bis zum Letzten überprüfen können.

So weit ich weiß, war es Mathilde Ludendorff immer wichtig, dieses Vertrauen herzustellen und herauszuarbeiten. Auch gegenüber ihrer „komplizierten“ Philosophie. Sagte sie nicht: So wie die Hausfrau dem Funktionieren des Kühlschrankes vertraut, ohne seine Funktionsweise bis zum letzten verstehen zu können, so wünschte sie sich auch Vertrauen zum Philosophen, wenn man nicht selbst Philosophie studiert hat. – ?

Und dieser Grundsatz gilt für so vieles. So muss sich heute der Archäologe auf die C14-Methode verlassen und ihr vertrauen, obwohl er sie vielleicht gar nicht bis zum Letzten versteht. Oder er muss der ancient-DNA-Forschung vertrauen, obwohl auch deren Erkenntniswege außerordentlich schwierig nachzuvollziehen sind (Svante Pääbo hat versucht, die Erkenntniswege in seinem Neandertaler-Buch aufzuzeigen, man erhält dort eine Ahnung, wie schwierig selbst dieses Gebiet ist. Und dabei handelt es sich ja gar nicht um Theoretische Physik.)

Mathilde Ludendorff jedenfalls wollte es offensichtlich auch nicht, dass man sich von der oder ihrer Philosophie „einschüchtern“ lässt. Ich glaube, das wünscht sich kein von seinem Fachgebiet begeisterter Wissenschaftler oder Philosoph. Sonst würden sich ja auch nicht so viele von ihnen so sehr bemühen, den einschüchternden Charakter ihres Wissensgebietes gegenüber der Laienwelt abzubauen. Wilhelm Weischedel bemühte sich zum Beispiel den einschüchternden Charakter der Philosophie dadurch abzubauen, dass er die „philosophische Hintertreppe“ benutzte. Mit Erfolg, wenn man sich die Auflagenzahlen seines entsprechenden Buches ansieht.

Es gibt also verschiedene Wege, Einschüchterung in Vertrauen umzuwandeln. Wenn einen Einstein einschüchtert, versuche man es mit anderen. Zum Beispiel mit Heisenberg. Der ist schon dadurch vertrauenserweckend (für mich), da er aus der Jugendbewegung kam und sich ihr immer verbunden fühlte. Ebenso hat er das August-Erlebnis von 1914 noch in seinem Buch „Der Teil und das Ganze“ aus den 1970er Jahren in seinem inneren Wert der Nachwelt gegenüber zu verteidigen. Hier dürfte leichter Vertrauen gewinnen zu sein. Auch weil er keine Atombombe gebaut hat und sich 1956 gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr aussprach.

Ingo Bading
9 Jahre zuvor

Das Zitat, an das ich wohl gedacht hatte, lässt sich heutzutage mit den Suchworten „mathilde ludendorff hausfrau vertrauen“ über eine Suchmaschine finden, wie ich gerade feststelle. Und zwar in diesem Fall in einem Aufsatz eines Karl Münch in der Zeitschrift „Mensch & Maß“ aus dem Jahr 2000 mit dem Titel „Vom Dogma zur Erkenntnis“, der im Internet hier verfügbar gehalten wird:
http://www.hohewarte.de/MuM/Jahr2000/Dogma0056.html

Es mag ähnliche Zitate und Gedankengänge noch aus anderen Schriften oder Büchern geben. Das hier gebrachte stammt jedenfalls aus der Schrift „Und du, liebe Jugend“ und wird in dem genannten Aufsatz unter Fußnote 14 nachgewiesen (im genannten Aufsatz unter dem Abschnitt „Erkenntnis und Wahrheit“).

Sicherlich müsste man sich den Gesamtzusammenhang im Original noch einmal durchlesen, in dem es gebracht worden ist. Aber es wird schon in diesem Auszug deutlich, dass dieser etwas mit den Dingen zu tun hat, die wir hier erörtern, und auf die ich hatte verweisen wollen.

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