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Die Sprache der Schriften ist betont nichtphilosophisch, Fachtermini werden vermieden oder mit Übersetzung versehen,[1]

vermeldet Frank Schnoor 2001 in seiner Doktorarbeit über Mathilde Ludendorff und das Christentum.

Ihre Sprache entspricht nicht der Norm, die in philosophischen Fachkreisen als die gültige hochangesehen ist. Dieser Norm entspricht seit zweieinhalb Jahrtausenden Nüchternheit, Unanschaulichkeit, theoretische Konstruktion, ja teils bloße Wortspielerei, kurz die Vorgehensweise des alles zerteilenden Logos, der grübelnden Vernunft.

Annegret Stopczyk (Foto: Netzseite Dr. Annegret Stopczyk-Pfundstein)

Auf ganz andere Weise ist tatsächlich Mathilde Ludendorff dazu gekommen, ihre Werke zu schreiben. Die Philosophin ANNEGRET STOPCZYK spricht bei Philosophen dieser Erkenntnisweise vom

schauenden Erkenntnistyp.

Ohne sich auf Mathilde Ludendorff zu berufen, wird sie von der Antifa, wie sie sagt,

inquisitorisch niedergemacht.

In der Antifa-Zeitschrift Rechter Rand wird – wie Stopczyk sagt – versucht, ihr letztes Buch mit dem Stempel „rechtes faschistisches Lager“ politisch zu kriminalisieren. Ihr Verbrechen in den Augen der Antifa: Sie steht zur

Mütterlichkeit als Frauenideal der Tiefe,

wie die Philosophin HELENE STÖCKER in ihren Werken ausführt, mit denen sich Stopczyk sehr eingehend auseinandergesetzt hat. Dies nur zur Kennzeichnung der Gegner aller gewachsener Gemeinschaften, der Antifa.

Annegret Stopczyk sieht den schauenden Erkenntistyp auch z. B. in Giordano Bruno gegeben. Sie sagt:

Bruno sah sich nicht als Subjekt seiner Erkenntnisse, er verstand sich nicht als Macher und Hervorbringer, sondern wie PARMENIDES als ein von Diana geführter Mann … Gleichzeitig präsentierte er sich nicht als Aktiver, wie es sich seit Aristoteles für einen Vernunftmann gehörte, sondern als passiver, schauender Erkenntnistyp.[2]

Passivität gehört zu den für „weiblich“ und damit seit ARISTOTELES und seinen Lehrern PLATON und SOKRATES für minderwertig eingeschätzten Verhaltensweisen. Werfen wir also zuvor einen Blick sowohl auf Parmenides wie auf Bruno!

Der Vorsokratiker Parmenides von Elea[3]

erkannte, daß unsere Wahrnehmungen von der Welt der Erscheinungen nur eine Scheinwahrheit wiederspiegeln, während die wirkliche Welt „das Sein“ sei: die unveränderliche, ungeschaffene, unzerstörbare, ewige Wirklichkeit ohne jede Bewegung und Veränderung. In mythischen Bildern schildert er sein Einswerden mit dem Göttlichen:

Die Stuten, die mich tragen, soweit mein Herz nur begehrt, geleiteten mich, seitdem sie mich auf den kundenreichen Weg der Göttin geführt …

Er wird also getragen, ist selbst passiv, und dies Getragen-Werden, soweit das Herz nur begehrt, das währt, seitdem er zur Göttin, zum Göttlichen geführt wurde. Er erzählt weiter:

Auf diesem Weg ließ ich mich tragen; denn auf diesem trugen mich die verständnisreichen Stuten, indem sie den Wagen zogen, und Jungfrauen wiesen den Weg … zuvorkommend empfing mich die Göttin …: „Junger Mann, der du in Begleitung unsterblicher Wagenlenkerinnen mit den Stuten, die dich tragen, unser Haus erreicht hast, sei willkommen!

Parmenides ließ sich tragen und führen, noch dazu von weiblichen Kräften

auf kundenreichem Weg, der den wissenden Mann über alle Städte hin trägt[4]

zur Göttin, wie er schreibt. Er kleidet sein erhabenes Erleben in mythische Sinnbilder. Gleiches erfahren wir bei

Giordano Bruno,

der die Vorsokratiker lobt, die noch ganzheitlich und in den Bildern der alten Mythen dachten, der den „Sokratismus“ zurückweist, – wie er das neuaufgekommene Denken nennt, das einzig die Vernunft als Erkenntnisfähigkeit gelten läßt, und der den Zugang zur Weisheit der Mythen verloren hatte.

Bruno lehnt den Dualismus PLATONS scharf ab und schilt die „Dürftigkeit“ des Übervaters moderner, bis heute vorherrschender Denkweise, nämlich die des Aristoteles, der – wie Bruno schreibt –

niemals müde wird, das, was in Natur und Wirklichkeit ungesondert ist, im Verstande zu sondern.[5]

So lesen wir es in seinem Werk Von der Ursache, dem Prinzip und dem einen. In Brunos Werk Von den heroischen Leidenschaften[6] finden wir seine Anknüpfung an die Vorsokratiker in der mythisch-bildhaften Wiedergabe seines Erlebens, daß die menschliche Seele in ihrer Suche nach Erkenntnis und Weisheit dem Jäger Aktaion gleiche, der der Göttin Diana nachjagt und

dem vom Schicksal gewährt ist, Diana nackt zu schauen und dahin zu kommen, daß die schöne Liebesgestalt der Natur ihn ganz verzaubert, und der dann, durch die beiden Augen, durch die er den Glanz göttlicher Güte und Schönheit wahrgenommen, in den Hirsch verwandelt wird und fortan nicht mehr Jäger, sondern gejagtes Wild ist.

Man beachte: Durch seine eigenen Augen, die das hüllenlose Göttliche geschaut haben, wird er selbst in ein „gejagtes Tier“ verwandelt.

Denn das letzte und endgültige Ziel dieser Jagd ist eben das, jene flüchtige und wilde Beute zu erreichen, durch die der Erbeuter selbst zur Beute, der Jäger zum gejagten Wild wird.

Das heißt mit anderen Worten:

Wer das Göttliche schaut, wird von ihm eingenommen.

Doch wer seine Jagd auf einzelne Dinge richtet, [fährt Bruno fort,] gelangt … schließlich dazu, diese … Dinge an sich zu reißen, indem er sie mit dem Munde der eigenen Erkenntnis erfaßt … [er meint die alles zerteilende Vernunft]   bei jener göttlichen und allumfassenden Jagd aber vollzieht sich das Fangen so, daß auch er notwendigerweise gefangen, aufgesogen und geeint wird.

Dadurch wird er aus einem gewöhnlichen, durchschnittlichen und dem alltäglichen Volk angehörenden Menschen zu einem wilden Wesen, wie ein Hirsch oder ein Bewohner der Wildnis; gleichsam göttlich lebt er in der Erhabenheit des Waldes, in den nicht durch Menschenkunst gestalteten Gemächern höhlenreicher Berge, wo er den Ursprung der großen Ströme bewundert, wo er von den gewöhnlichen Begierden unberührt und rein dahinlebt, wo die Gottheit freier umgeht … so daß er nun nach seiner Diana nicht mehr wie durch Ritzen und Fenster zu spähen braucht, sondern die trennenden Wände niederwirft und angesichts der ganzen Weite des Horizonts ganz Auge wird.

So schaut er das Ganze wie ein Einziges und sieht nicht mehr durch Unterscheidung und Zählung, wie sie sich aus der Verschiedenheit der Sinne ergibt, durch die man wie durch Ritzen nur in verworrener Weise wahrnehmen kann.

Hier treffen wir auf deutliche Parallelen des Erlebens Giordano Brunos, des Italieners (mit deutscher Mutter) aus Nola, zu dem der deutschen

Philosophin Mathilde Ludendorff,

die in ihrem Werk Selbstschöpfung den Seelenwandel beschreibt, der sich in der Gott schauenden Seele vollzieht, ja, der Voraussetzung für Gotterkennen ist.[7] Dort heißt es:

Gottesbewußtheit bedingt Einklang der Seele mit Gott …
Gottesbewußtheit bedingt Wahlverschmelzung mit Gott …
Gotteinheit aber bedingt Erlösung vom unvollkommenen Sein.

Das „unvollkommene Sein“ (M. L.) mit seinen „gewöhnlichen Begierden“ (G. B.) ist die Folge des Selbsterhaltungswillens, der – wie Mathilde Ludendorff darlegt – im Menschen von der göttlichen Einheit des Alls abgesondert und ohne Rücksicht auf sie darauf aus ist, Lust zu häufen und Leid zu meiden. Und wie Bruno bedient sich auch Mathilde Ludendorff eines Naturbildes, um die Erhabenheit des Gotterlebens zu versinnbildlichen:[8]

Stille harret auf einsamer Höhe, lautlose Stille,
Das Schweigen lauschet mit uns auf nächtlich umdunkeltem Gipfel.
Ein heiliges Klingen hebt an, das Werdelied der vollkommenen Seele.

Mathilde Ludendorff

In diesem „Werdelied“ führt Mathilde Ludendorff in ihrem Werk Selbstschöpfung ähnlich dem Brunoschen Bild von den „Ritzen und Fenstern“ das Bild des Seelenkerkers vor Augen, aus dem sich die Seele selbst befreit, indem sie Steine aus den Mauern herausbricht und somit Licht und Luft hereinströmen läßt, bis ihr einst der Abflug ins Unendliche gelingt und sie der Mauern für immer ledig ist, die sie von der in Allem waltenden Gottheit getrennt haben. Bei Bruno „wirft“ die Seele „die trennenden Wände nieder“ und wird nun angesichts der ganzen Weite des Horizonts „ganz Auge“.

Für Mathilde Ludendorff war das Hochgebirge seelische Heimat und zugleich Sinnbild menschlicher Seelenverfassungen. Dort auf dem Rofan, im Angesichte des Todes bei der Grablegung ihres Ehemannes Gustav Adolf v. Kemnitz,

kam jene seltsame Klarheit stärker denn je zuvor über mich, jene Überwachheit, wie sie in der Zukunft das große Schaffen der Werke meines Gotterkennens mir dann wieder und wieder schenkte. [9]

Die Gottschau – Mathilde Ludendorff bezeichnet sie auch als Überbewußtsein – läßt beide Philosophen zu Dichtern werden. Bruno wird deshalb auch – mehr oder minder herablassend – als „Dichterphilosoph“ eingestuft. Mathilde Ludendorff wird ihr „Stil“ angekreidet. Sie berichtet selbst über ihre Gedanken zur Sprache der Philosophie:[10]

Während die Wellen des Sees mir zu Füßen rauschten, lag ich jeden Tag am Strand … und schrieb ungestört nieder, was leise und dann lauter und immer herrlicher zu klingen begann.

Ich … erkannte im Schreiben, daß es Dichtersprache wurde. Wie seltsam! Wenn ich zuvor bei Kant gelesen, wie er die Hoffnung aussprach, daß seine Erkenntnis wohl irgendwann einmal von einem Dichter in die gehobene Sprache der Dichtkunst gekleidet werde, da hatte ich ihm im Geiste geantwortet:

Ach, lieber Kant, das hast du vergeblich erhofft, denn hier könnte nur der dichten, der das schöpferische Erleben der Erkenntnis gehabt hat.“

Über das Erleben, das dem Beginnen mit dem Prosateil ihres ersten philosophischen Werkes vorausgegangen war, berichtet sie:

Es waren nur wenige Tage vergangen, da ging ich von der Sprechstunde aus an den Kramerhang auf jenem Weg, den ich schon so manches Mal im Mondschein aufgesucht hatte, bis hin zu einem einsamen Waldplätzchen, das zwischen Tannen die erhabene Zugspitzgruppe freigab, und ließ des Erlebens Allgewalt, das ich in den Felsen jüngst gehabt, wieder über mich kommen … meine überwache Seele erlebte mit unbeschreiblicher, erhabener Schönheit und Kraft den Sinn des Lebens aller bewußten Seelen.[11]

Mathilde Ludendorff „ließ des Erlebens Allgewalt wieder „über sich kommen“. Sie war nicht die „Macherin“, passiv ließ sie es über sich kommen. Früher schon, Jahre vor Beginn ihres philosophischen Schaffens, war in ihr unversehens etwas entstanden, dessen Nichtvergehen sie sich wünschte, was man aber nicht aktiv herbeibefehlen kann:

O diese köstliche Klarheit, dieses Überwachsein, möchte es doch nie mehr schwinden, so sehnte ich. Aber weiter, als zu der Gewißheit, daß sich hier der Weg zu den heiligen Rätseln öffnete, drang ich nicht, denn durch „Nachdenken“ läßt sich diese leuchtende Klarheit nichts abringen!“[12]

Philosophen dieser Art

passen weder ins abendländische noch ins morgenländische oder asiatische Herrschaftssystem,

stellt Annegret Stopczyk sehr richtig fest. Der Doktorand der Theologie Frank Schnoor gehört dem Herrschaftssystem innerhalb seines Christentums noch an. Aus diesem, seinem Blickwinkel zitiert er ERICH LUDENDORFF, der das Schaffen seiner Frau aus nächster Nähe beobachten konnte:

Es ging von meiner Frau die höchste Weihe aus, wenn sie in tiefster Empfindsamkeit oft in transzendentaler Schau die Werke gestaltete.[13]

Schnoor versieht das Wort „Schau“ mit einem „[sic.]“; er scheint hier einen kennzeichnenden Ausdruck entdeckt zu haben, mit dem Mathilde Ludendorff das „Nichtphilosophische“ nicht nur ihrer Sprache, sondern ihrer Werke insgesamt seiner Meinung nach selbst verrät:

die „Schau“ [vermerkt er,] also ein aus der mystischen Tradition stammender Begriff.[14]

Mit seiner Schublade „Mystik“ will er Mathilde Ludendorffs Philosophie abqualifizieren. Er scheint überzeugt zu sein, damit die richtige Wahl getroffen zu haben, denn er setzt das Wort „philosophische“ ebenso wie das Wort „Werke“, wenn sie diejenigen Mathilde Ludendorffs betreffen, stets in Anführungszeichen und nennt ihre Werke „Schriften“, ja versteigt sich gar dazu, sie „monomanische Elaborate“ zu nennen, zu Deutsch: unter Zwangsvorstellungen hervorgebrachte Machwerke, denen er nicht dadurch

zuviel der Ehre antun [wolle, daß er] alle Gesichtspunkte [der Philosophie Mathilde Ludendorffs] nachzeichnete.

Dennoch sieht er sich – wie er schreibt –

[zu einer] gewissen Ausführlichkeit [gezwungen] wegen der z. T. recht eigentümlichen Vorstellungen und der spezifischen Terminologie [Mathilde Ludendorffs].[15]

Es ist immer wieder erstaunlich, zu welcher Arroganz sich solche Klüglinge Mathilde Ludendorff gegenüber berechtigt sehen. Etliche neuere Doktoranden seiner Kategorie wie z. B. auch Annika Spilker erfreuen sich ja heute mit ihren oberflächlichen, zeitgeistig beschränkten, diffamierenden Doktorarbeiten des Glanzes eines Doktortitels. Die Antifa beherrscht das Feld, zum Schaden unseres Volkes und der Kultur.

Mit seiner Einschätzung und Polemik stellt Schnoor sich hier als ein Theologe ein Zeugnis aus, das ihn selbst kennzeichnet. Unfähig, den schöpferischen Zugang der Philosophin zu ihrer Gotterkenntnis nachzuvollziehen, ist ihm der ungeliebte Gegenstand seiner Doktorarbeit bei allem Fleiß innerlich fremd geblieben.

So kann er sich zur Verstärkung seiner Darstellung, daß – wie er schreibt –

diese Schriften doch oft eine straffe Struktur und Gedankenführung vermissen [lassen], was ihre Lektüre nicht gerade erleichtert,[16]

Ehepaar Ludendorff

nicht verkneifen, eine überaus gehässige Auslassung eines feindlich gesonnenen Zeitgenossen Mathilde Ludendorffs anzuführen, wie es ihm auch darum zu tun zu sein scheint, Erich Ludendorffs Autorität in dessen „Beurteilung seiner späteren Frau und ihrer Ideen“in Frage zu stellen, eine Beurteilung, die Schnoor, wie er schreibt,[17] „– sehr vorsichtig gesagt – extrem positiv“ findet, und er läßt den ehemaligen Adjutanten Erich Ludendorffs, Wilhelm Breucker, „bezeugen“:

… der General wurde ihr hörig, wie nie ein Mann einer Frau hörig geworden ist.[18]

Wir sind nun vollends in die Giftküche patriarchalen Spießertums abgeglitten.

Wie hätte ein Erich Ludendorff in der Dumpfheit einer solchen Welt verstanden werden sollen, wo ein Mann sich „unmöglich“ macht, wenn er seine Frau in ihrem Denken ernstnimmt?

Seiner Zeit – damals vor bald 100 Jahren – weit voraus und erhaben über Beschränktheit und Häme der Zeitgenossen, gab Erich Ludendorff aus seelischer Kongenialität und daher Fähigkeit zur Hochachtung vor dem Geistesschaffen seiner Frau das Beispiel eines außergewöhnlichen, freien Mannes, der mit seiner Frau eine Ehegefährtenschaft auf geistiger, seelischer und charakterlicher Augenhöhe lebte.

Das war damals neu und einzigartig, ja läutete grundlegenden Wandel in dem weltweiten, etwa 2500 Jahre alten krassen Geschlechter-Mißverhältnis ein und steht

in vollständigem Gegensatz zur extrem patriarchalen Herrenmenschen-Mentalität der seinerzeitigen NS-Diktatur.

Das Vorbild, das Erich Ludendorff auch hier gab, ist als eine starke Kraft in der Frauenbewegung einzustufen.

Schnoor gibt ein paar Kostproben aus jener Zeit. Er zitiert zum Beispiel den Reichsführer SS Himmler:

Wenn ich je glaubte, daß die Freimaurerei bestimmte Leute abschickt, um andere zu verderben, so glaube ich in diesem Falle bei Frau Dr. v. Kemnitz [so hieß Mathilde Ludendorff zu jener Zeit noch], daß sie geschickt worden ist, den General zu verderben.[19]

Und Breucker läßt er erzählen:

Diese Frau v. Kemnitz … stieß … bei Hitler, dem ihre Gedanken und Lehren als konfuse Wahnvorstellungen erschienen, auf brüske Ablehnung.[20]

Von Leuten solcher Art – wie auch von antifa-geleiteten Leuten – nicht verstanden und abgelehnt zu werden, ehrt schon fast.

Einen K. Hutten läßt Schnoor dann ehrlicherweise berichten:

Sie [Mathilde Ludendorff ] war außerdem eine glänzende Rednerin – in einer Versammlung 1932 in Stuttgart konnte ich den General Ludendorff und seine Frau hören; sie stellte ihn weit in den Schatten und faszinierte die Versammlung mit der Klarheit und dem leidenschaftlichen Schwung ihrer Rede.[21]

Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß der Theologe den Bezug der Philosophie Mathilde Ludendorffs zur Naturwissenschaft mit seinen Begriffen „biologistisch“ und „mechanistisch“ abwerten will. Genau so erging es übrigens auch Annegret Stopczyk mit ihrer „Leib-Philosophie“.

Als christlichem Theologen fehlt Schnoor für die sinnlich-anschauliche, ganzheitlich-lebendige Natur der Sinn. Er vertritt einen Glauben, der die Welt als gottfernes Jammertal betrachtet. Doch gerade zum Bezug von Philosophie und Naturwissenschaft zueinander schreibt Mathilde Ludendorff in einem Brief vom 24.3.1920:[22]

Die Synthese naturwissenschaftlicher Tatsachen und meiner philosophischen Erkenntnisse hat mich zu einem wunderbaren Erkennen geführt, zu einer Gotterkenntnis nicht nur dem Namen, sondern dem Inhalte nach, die dem Mann bisher verborgen blieb, weil er entweder zu wenig naturwissenschaftlicher Philosoph oder zu wenig philosophischer Naturwissenschaftler war … Ich glaube überhaupt, daß in hochentwickelten Frauen die höchsten Ahnungen dieser Gotterkenntnis lagen und liegen, und so wundert es mich denn auch gar nicht, daß schon wenige Jahrzehnte, nachdem Frauen in vollem Ausmaße aus der Wissenschaft schöpfen, eine Frau diese Funde und diese Formgestaltung bringt.

Damit nimmt Mathilde Ludendorff den Faden zu weiblicher Weisheit wieder auf, der vor 3000 Jahren begonnen hatte, mürbe zu werden, und um 400 v. u. Z. in Griechenland vollends abgerissen war, was sich mit Ausbreitung des Christentums dann in ganz Europa auswirken sollte.

Sie schildert, wie die

Schaffende [in ihr] … schon in den Kinderjahren an[fing], ohne dies zu wissen, sich den schwersten Stein wegzuwälzen, der sie von dem herrlichen Lande des Gestaltens absperren wollte.

Soviel kann ich nur sagen, daß meine Seele von frühester Kindheit an hellhörig war für die großen und kleinen Demütigungen des Frauenstolzes und Knebelungen der geistigen Freiheit …

Ich ahnte wohl dumpf, daß der Quell meines Schaffens erst sprudeln konnte, nachdem ich durch Forschen all die Vorurteile von der „geistigen Minderwertigkeit des Weibes“ widerlegt und in meinem Werke Das Weib und seine Bestimmung wortgestaltet hatte.

Und sie wunderte sich über ihre Zeitgenossinnen und -­genossen und könnte sich bis heute über so manche von ihnen wundern:

Lange Jahrzehnte nach meiner Kindheit und Jugend sollte ich erst erfahren, daß meine Empörung gegen die christliche Geringschätzung des Weibes, gegen ihre Entmündigung in Ehe und Volk tief im deutschen Erbgut begründet liegt …

Um so unbegreiflicher ist es mir heute, daß sogar die meisten der zum Rassebewußtsein erwachten Mädchen gegenüber den erlauschten und erlittenen Demütigungen so stumpf sind, und die zu solchem Bewußtsein erwachten deutschen Männer sich so zähe an die fremden christlichen Wertungen klammern, die ihnen so viel Reichtum des Lebens nehmen.“[23]

Die heutige Entartung der Emanzipationsbewegung zum Gender-Wahn hat sie ja noch nicht einmal mehr miterlebt. Bei Mathilde Ludendorff – sie war schon Mutter geworden – gesellte sich ihrem Stolz immer deutlicher ein Mahnen zu noch weitergreifender Verantwortung zu:

Seltsam, obwohl das Mutterglück mich so tief getroffen hatte

– auch hier also wieder das passive Erleben dessen, was mit ihr geschah: es hatte sie „getroffen“ –,

obwohl ich nicht von meinem Kind zu trennen war, kam mir in stillen Stunden aus der Seele Tiefen immer wieder ein ernstes Mahnen, als ob ich pflichtvergessen sei … Wieder und wieder tauchte es auf und mahnte mich daran, daß noch andere Pflichten meiner harrten. Nie aber konnte ich erkennen, welche denn?[24]

Das Erkennen solcher „Pflichten“ sollte sich wenige Jahre danach ereignen, als „jene seltsame Klarheit, jene Überwachheit“ sich immer öfter und beständiger in ihr einstellte.

Diesem „schauenden Erkenntnistyp“ waren auch – wie sie schildert – die

gewaltigen Natureindrücke ganz wesentliche Voraussetzung zum Schaffen, die bei den Klettertouren bei manchem Versteigen im Fels, bei manchem Unwetter oder bei Skitouren durch Wettersturz unerwartete, manchmal allzu ernste Gefahren brachten. [Sie ] haben in mir seelische Kräfte geweckt, ohne die wohl mein Schaffen niemals wach geworden wäre.

Auch hier wieder das Geschehen-Lassen der innerseelischen Offenbarungen.

Es blieb in jenen Jahren nur bei einem Erwachen,

berichtet sie weiter. Der „unerbittliche Ernst der Naturgesetze“ habe sich aber in ihre Seele eingegraben, an denen sie bis dahin, wie ihr schien, „mit abgewendeten Augen singend vorübergezogen“ war.

Als weitere wichtige Voraussetzung empfand sie ihre

Eigenart, die mir in frühester Jugend schon Ereignisse bestimmter Art tief nachwirksam in der Seele machte, und die mich, mochte der persönliche Anteil an dem Ereignis auch noch so tief gehen, nicht an dem Persönlichen des Erlebnisses haften ließ. Ich nahm bald das tiefer liegende Allgemeine, das darunter erkennbar war, wahr und bereicherte meine Erfahrung daran.[25]

Das Schaffens-Geschehen beschreibt sie mit den Worten:

Als ich aber dann mit dem Schaffen begann, da wuchs mir wieder das Buch unter den Händen. Hier ging ich nicht mehr von Beweisführungen durch Statistiken aus. Nein, von den Tatsachen der Entwicklungsgeschichte, von ihren Gesetzen … ging ich aus und erlebte nun weit mehr als in dem ersten Werke, wie reich die Intuition im Schaffen selbst in mir geweckt wurde und mich zu Erkenntnissen führte, die ich ebenso wenig wie ein Leser meines Buches zuvor gehabt hatte.

So fing schon hier jener seelische Zustand der Überwachheit im Schaffen an … Auch die Merkwürdigkeit, die sich in der Zukunft jedesmal wiederholte, zeigte sich hier schon, daß ich mich zu solchen Schaffensstunden nicht etwa vorbereiten, daß ich auch nicht etwa völlig verschont bleiben müßte von den Sorgen des Lebens, von den Alltagspflichten, von Arbeit in Fülle.

Nur anderes gab es damals und würde es auch zur Stunde noch geben, das mir Schaffen stören könnte: Häßliche Kleinlichkeit, schäbige Charakterzüge, Unfriede, der sich in meine nächste Umgebung drängt; die konnten das Schöpferlied der Seele manchmal verstummen machen.[26]

Weitere Stellen aus ihren Lebenserinnerungen zeigen das passive Empfangen der Erkenntnis, zu der ein aktives Wollen niemals gelangen könnte. Gerade diese Tatsache ist

die wichtigste Erkenntnis Mathilde Ludendorffs:

Nach unermeßlich langen Zeiten, die die Entwicklung der Erscheinungswelt benötigte, um ihr Ziel zu erreichen, das Großhirn des Menschen, ist mit dem darin enthaltenen Ich gleichzeitig die göttliche Freiheit in der Schöpfung wiedererlangt. Die Erscheinungen sind räumlich und zeitlich begrenzt und den Gesetzen der Ursächlichkeit unterworfen. Im Ich des menschlichen Großhirns aber, der nun entstandenen „einzigen Stätte der Freiheit im All“[27] kann sich nun dieses Sich-Offenbaren des Göttlichen frei von den Zwängen der Naturgesetze ereignen.

Und es ereignet sich „ursachlos wie Gott selbst“ (Mathilde Ludendorff). Dieses Geschehen läßt sich nicht herbeiführen, weil das Göttliche sich nicht zwingen läßt. Zwang wäre Verursachung. Das Göttliche bleibt verhüllt. Eine versuchte Verursachung göttlichen Erlebens ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Daher bringt allein der „schauende Erkenntnistyp“ die Voraussetzungen mit, der Wahrheit des Göttlichen ins Antlitz zu schauen. Der „schauende Erkenntnistyp“ weiß dann, wovon er spricht.

Sein passives Sich-ereignen-lassen-Können ist die einzige Möglichkeit, zur Göttin Sophia, zur Weisheit zu gelangen. Wer über das Göttliche Wahrheit berichten will, braucht ihr Erschauen. Denn, wie schon Kant feststellte, ist Erkenntnis nur à posteriori, nach Anschauung, möglich.

Der Vernunft ist das Göttliche verschlossen. Wenn sie über es Aussagen machen möchte, so bleiben ihr lediglich Vermutungen. Ihr fehlt die Anschauung von dem, worüber sie spricht. So mußte Mathilde Ludendorff auch ihren beiden verehrten Vorgängern Kant und Schopenhauer das Zeugnis ausstellen, „aus Sehnsucht nach überschauender Klarheit über die Grenzen ihrer eigenen Erkenntnis hinausgegriffen“ zu haben. „Dadurch standen ihre Behauptungen keineswegs im Einklang mit der Tatsächlichkeit.“[28]

So verdankt ihr einzigartiges Werk Schöpfungsgeschichte sein Entstehen dem Umstand, daß sie sich, wie sie schreibt,

in wunderbaren Sommersternennächten … diesem köstlichen Schaffen hingeben [durfte, das]ja ausschließlich aus dem Wesen der Schöpfung geboren, einer Mitarbeit der Vernunfterkenntnis nicht bedurfte … Was hier erschaut wurde, war jenseits der Grenzen der [Vernunft-]Erkenntnis … in dieser heiligen Pracht [lebte sie da,] in dieser gewaltigen unermeßlichen Welt der kreisenden Gestirne, wie ich einst in den Seelen der unsterblichen Einzeller gelebt hatte.

Sie taucht ein in die Erscheinungen und erlebt sie in ihrem Wesen.

„Wie selbstverständlich ward mir da die Wahrheit“ – auch hier läßt sie Erkennen geschehen, die Wahrheit „ward“ ihr:

Wer die Rätsel der Menschenseele als Wille enthüllen will, der muß den gewaltigen Weg der Entwicklung hin zur Bewußtheit … von Urbeginn an schreiten …

Ich werde zurückschreiten bis hin zu den stumm kreisenden Urwelten … werde mit diesen Milliarden glutender Sonnen eins werden … werde dann weitere Zeiträume zurückschreiten bis zur ersten Erscheinung des Weltalls, um zu erleben, welcher göttliche Wille jeweils als Kraft Erscheinung wurde, die zum fernen Ziel hinführte.

[In einer der folgenden Nächte] kam das Erhabenste: Es kam in dieser Nacht das Erschauen des Schwindens des Weltalls in seiner stillen Feierlichkeit, in seiner Einfachheit und seiner großartigen Unerbittlichkeit … sinnvolle Verhüllung göttlichen Willens … Heimkehr in das Jenseits, Heimkehr der Seelen, Heimkehr der Stoffe des Alls, Lösung von aller Verwebung an die Formen des Seins.

Nach dieser Nacht mußte ich mir eine Woche Ruhe lassen, zu Kräften zu kommen und das Durchlebte abklingen zu lassen, ehe ich es wagen durfte, dies Schwinden des Alls in Worte zu fassen.

Und doch ergriff mich nach dieser Woche die Niederschrift noch so tief, daß meine Freundin, die ins Zimmer trat, sichtlich über mein Aussehen erschrak; ich winkte ihr ab – war noch eine Stunde schweigsam bei meinem Werke – und mußte dann noch das Weiterleben lernen![29]

Wen wundert es, wenn dies Erleben und Gotterkennen von den meisten Menschen nicht nachvollzogen werden kann! Mathilde Ludendorff wollte ihre Gotterkenntnis in Worte fassen,

die auch fernsten Geschlechtern ein Gleichnis des Erlebens sein [konnten.] Ja, fernsten Geschlechtern; an sie nur dachte ich dabei!

Mit der Veröffentlichung ihr Innerstes damit preiszugeben, war ihr zunächst ein unerträglicher Gedanke. Dann aber wurde ihr klar, daß sie ihr Werk einer ihr

  • wohltuenden Gleichgültigkeit der Millionen [gäbe,]
  • einem schmerzenden Mißverstehen der Tausende,
  • der erkennenden Aufnahme der Hunderte und
  • dem seltenen kongenialen Miterleben Einzelner …

Jedes Kulturwerk trägt seine Hüllen um sich, die nur der durchdringt, der sie auch getrost durchdringen mag.[30]

Ein solcher Mensch müßte wie die Schöpferin der Gotterkenntnis ein „schauender Erkenntnistyp“ sein.

 


[1] Frank Schnoor, Mathilde Ludendorff und das Christentum, Dissertation, bei der theologischen Fakultät der Universität Kiel eingereicht und für den Druck überarbeitet, Dr. Hänsel-Hohenhausen, 2001, S. 54

[2] Annegret Stopczyk, Sophias Leib, Entfesselung der Weisheit, Heidelberg 1998, S. 267-268

[3] seine Lebenszeit wird aus widersprüchlichen Berichten errechnet: entweder von 540 bis 470 oder von 515 bis 445 v. u. Z.

[4] Geoffrey S. Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield, Die vorsokratischen Philosophen, Stuttgart/Weimar 2001, S. 267

[5] Giordano Bruno, Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen, Hamburg 1993, S. 41

[6] Philosophische Bibliothek Band 398, Hamburg 1989

[7] Mathilde Ludendorff, Selbstschöpfung (Erstauflage 1923), München 1941, S. 278

[8] ebd., S. 66

[9] Mathilde Ludendorff, Lebenserinnerungen, Band 2, Durch Forschen und Schicksal zum Sinn des Lebens, München 1937, S. 296

[10] Mathilde Ludendorff, Lebenserinnerungen, Band 3, Erkenntnis – Erlösung, Pähl 1960, S. 161-162

[11] ebd., S. 98

[12] Lebenserinnerungen, Band 2, a. a. O., S. 71

[13] Erich Ludendorff, Mathilde Ludendorff – ihr Werk und Wirken, Erstauflage 1937, Pähl 1960, S. 68

[14] Schnoor, a. a. O., S. 56

[15] ebd., S. 58

[16] ebd., S. 37

[17] ebd., S. 27

[18] ebd., S. 28, zit. aus Wilhelm Breucker, Die Taktik Ludendorffs. Eine kritische Studie auf Grund persönlicher Erinnerungen an den General und seine Zeit, Stollmann o. J. (1953), S. 108

[19] ebd., S. 28, zit. aus Reichsführer! … Briefe an und von Himmler, hg. v. Heiber, H., Stuttgart 1968, 44 Nr. 14a

[20] ebd., S. 25, zit. aus Breucker, S. 108

[21] ebd., S. 31, zit. aus K. Hutten, Um Blut und Glauben, Stuttgart 1932, S. 183

[22] Lebenserinnerungen, Band 3, S. 56-57

[23] Lebenserinnerungen, Band 1, Kindheit und Jugend, Neudruck Pähl 1974, S. 174-175

[24] ebd., Band 2, S. 169

[25] ebd., Band 3, S. 30

[26] ebd., S. 53 ff.

[27] Mathilde Ludendorff, Des Menschen Seele, München 1941, S. 44

[28] Lebenserinnerungen, 3. Band, a. a. O., S. 56

[29] ebd., Band 4, S. 83 ff.

[30] ebd., Band 3, S. 102

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[…] wir jedoch der Philosophin Mathilde Ludendorff, dem „schauenden Erkenntnistyp“, zu, so erleben wir eine Auslegung des von der Naturwissenschaft Vorgefundenen vom Wesen der […]

H.Harms
H.Harms
8 Jahre zuvor

Liebe Frau Beißwenger,
vermutlich wird ihnen dieser Beitrag nicht gefallen, denn ich behaupte, dass die Lehre vom „schauenden Erkenntnistyp“ nicht zielführend ist. Der von Ihnen angeführte G. Bruno ist mein Gegenbeweis. Doch dazu einige Vorbemerkungen.

Mathilde Ludendorff geht in „Des Menschen Seele“ von einer empirischen Auffassung der Erkenntnis aus. Danach vermitteln unsere Sinnesorgane, insbesondere Auge und Ohr uns eine anschauliche Wahrnehmung der Welt. Anschließend werden diese Wahrnehmungen von der Vernunft ausgewertet. Das Ergebnis sind Verallgemeinerungen. Auf diese Weise soll die Naturwissenschaft zustande gekommen sein. Sie ist letztlich das Werk der Vernunft. Da sie letztlich auf anschaulicher Erfahrung beruht, könnte man sie als empiristisch bezeichnen. Popper hält diese Erkenntnistheorie für völlig falsch. In allen Wissenschaften steht am Anfang ein Problem, dass der Wissenschaftler auf kreative Weise zu lösen versucht. Dazu konstruiert er eine Theorie, die er nachträglich empirisch überprüft. Der Erfahrungsbezug steht daher nicht am Anfang, sondern am Ende der Theorie.

Indem Mathilde Ludendorff – wie alle ihre Zeitgenossen -von einer völlig veralteten empiristischen Erkenntnistheorie ausgeht, entsteht ein Scheinproblem, denn Mathilde Ludendorff erkennt völlig zutreffend, dass sie ihre intuitiven, philosophischen Grundaussagen überhaupt nicht aus der Wahrnehmung abgeleitet hat. Sie erschienen urplötzlich -wie aus einer anderen Welt – in ihrer Seele und erschütterten sie zutiefst. Geht man – wie Mathilde Ludendorff es bedauerlicherweise macht – von der Richtigkeit der empiristischen Erkenntnistheorie aus, dann muss es offensichtlich noch eine völlig andere Erkenntnisquelle geben muss, die von der Vernunfterkenntnis völlig verschieden ist. Es ist die intuitive Erkenntnis. Um deren Wahrheit zu erkennen, muss man die Intuition nacherleben, die damit eng mit der Kunst verwandt sein soll, da hier das Nacherleben im Mittelpunkt steht oder stehen sollte.

Mit Feuereifer stürzten sich die zumeist jugendlichen Kritiker auf die Lehre, wonach die Intuition als Erkenntnisquelle dienen soll. Dieser Angriff wurde von Leupold glänzend pariert, indem er anhand der Äußerungen bedeutender Naturwissenschaftler darauf hinwies, dass viele von ihnen ihre bahnbrechenden Erkenntnisse intuitiv gefunden hatten und von ihrer eigenen Entdeckung tief ergriffen waren. Gewissermaßen als unerwünschte Nebenwirkung zerstörte Leupold damit die unhaltbare These Mathilde Ludendorffs, wonach die Naturwissenschaft auf der empiristisch gedeuteten Vernunft und die Philosophie auf der Intuition beruhen soll. Offensichtlich war sich Leupold hierüber im klaren, da er jetzt versuchte nachzuweisen, dass Naturwissenschaft und Philosophie auf der gleichen Methode beruhen. Das ist Kern völlig zutreffend.

Damit komme ich zu Poppers „kritischem Rationalismus“. Auch Popper nimmt an, dass in vermutlich sehr vielen Fällen eine Intuition zu einer grundlegend neuen Erkenntnis geführt hat und zwar in allen Wissenschaften: in der Mathematik, in der Naturwissenschaft, aber auch in der Philosophie. Das heißt Popper vertritt die gleiche Lehre wie Leupold. Doch jetzt kommt der entscheidende Unterschied: Die Intuition kann richtig sein, muss es aber nicht. Das zu entscheiden ist die Aufgabe der Vernunft, die aus der Intuition deduktiv Folgerungen ableitet, die sich anhand der Erfahrung, also empirisch, überprüfen lassen. Sollte diese Überprüfung nicht möglich sein, dann haben wir es mit einer „metaphysischen Aussage zu tun. Als Beispiel führt Popper die Atomtheorie der Vorsokratiker an, die erst Jahrtausende später empirisch überprüft werden konnte, dazwischen also einen metaphysischen Status aufwies..

Als Beispiel einer falschen Intuition möchte ich, wie angekündigt, auf Giordano Bruno verweisen. Von den Vorsokratikern hat Bruno gelernt, dass unsere Erde im unendlichen Kosmos schwebt, harmonisch begleitet von Sternen, die unserer Sonne ähneln. Demgegenüber lehrt die Kirche, dass unsere Erde den Mittelpunkt der Welt bildet und sich auf ihr der Heilsplan Gottes erfüllt. Gott hat wie ein Baumeister die Welt geschaffen. Da erneuert plötzlich Kopernikus mit neuen Argumenten die These Aristarchs, wonach die Sonne den Mittelpunkt der Welt bildet. Begeistert formuliert jetzt Bruno seine Intuition: Es gibt nicht nur ein göttliches Heilzentrum im Weltall, weil Gott allgegenwärtig in allen Dingen steckt. Da Gott über alle Grenzen erhaben ist, muss auch unser Weltall in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unendlich sein, angefüllt mit einer unendlichen Zahl von belebten Gestirnen. Mit dichterischem Feuer verherrlicht Bruno diese Intuition und erduldet für sie freiwillig sieben Jahre Kerker und den Scheiterhaufen. Damit hat er doch wohl den Beweis für die Tiefe und den Gehalt seiner Intuition erbracht – so sollte man meinen.
Doch was sagt die Kritik, also die Vernunft, zu dieser Intuition?
Das Weltall ist weder in zeitlicher, noch in räumlicher Hinsicht unendlich und enthält auch keine unendliche Anzahl von Gestirnen. Des weiteren scheint Leben in unserem Weltall die Ausnahme zu sein. Wenn also Giordano Bruno ein schauender Erkenntnistyp ist, dann bleibt von seiner Schau nur die Lehre, wonach das Göttliche in den Dingen steckt. Aber selbst diese Lehre kritisiert Mathilde Ludendorff. Gott hat sich nur in einem sehr geringen Teil mit der Erscheinungswelt verwoben. Der Pantheismus, also die Gleichung wonach Gott mit der Welt identisch ist, trifft ihrer Meinung nach nicht zu. Richtig wäre nach Mathilde Ludendorff der Panentheismus: Gott ist teilweise in die Welt eingegangen.
Damit ist die Lehre, wonach eine Intuition die Wahrheit in sich selbst trägt, widerlegt. Es gibt auch falsche Intuitionen. Die Erlebnisgewissheit kann täuschen und die Lehre vom schauenden Erkenntnistyp ist wertlos.
Natürlich kann ich mich täuschen, aber das werden Sie mir gewiss dann zeigen.
Mit freundlichen Grüßen
H. Harms

Leon
Admin
6 Jahre zuvor

Das ist das Bemerkenswerte an unserer heutigen Geistes-“Wissenschaft”:

Sie scheint sich bei der Vergabe von Doktortiteln mit der Minimalforderung nach Übereinstimmung des Textes mit dem diktierten Meinungs-Mainstream zu begnügen.

Das haben wir in schlimmstem Ausmaß bei der Doktorandin Annika Spilker erlebt, die dem Werk beider Ludendorffs geistig in keiner Weise gerecht zu werden imstande war.

Es hinderte sie nicht, sich mit ihren Fehlurteilen der Öffentlichkeit als Kleingeist zur Schau zu stellen.

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