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Jamil Hamad

Wenn Sie die Geschichte Europas lesen und die Haltung zur nicht-europäischen Welt verfolgen, dann war die Grundlage dieser Haltung immer eine koloniale Mentalität …

… wer versucht, den Richter zu spielen, und zu einem Israeli oder einem Palästinenser sagt: „Du redest Unsinn!“, der wird zurückgewiesen. Man muß Verständnis für die Dummheiten und Albernheiten beider Seiten zeigen, darf sich nicht hinter die eine Seite stellen und die andere verurteilen. Dieser Konflikt hat uns beide, Palästinenser wie Israelis, zu der Überzeugung gebracht, daß wir Halbgötter sind, die keine Fehler machen. Fehler macht immer nur die andere Seite … Das ist nicht die deutsche Art, mit einem Problem fertig zu werden, nicht die französische und nicht die englische. Es ist reiner Nahost-Stil …

Wir reden über zwei nationale Bewegungen und über zwei Völker, die das Recht haben, hier zu leben, sich dieses Land zu teilen. Dazu gibt es keine Alternative …

Weder die Juden noch die Araber haben es geschafft, die andere Seite zu eliminieren. Das geht nicht.

… in der Praxis haben sie dieselbe Geschäftsgrundlage; beide arbeiten sie in dieselbe Richtung, sind Partner – ein Körper mit zwei sich ergänzenden Seelen in der Brust. Darüber spricht niemand.

… Beide dienen sie denselben Interessen und demselben Ziel: diesen Konflikt am Leben zu erhalten und den jeweiligen Repräsentanten eine wichtige Rolle zu sichern … Stellen Sie sich einen Moment mal vor, dieser Konflikt ist gelöst, und beide Seiten hören mit dem Gebrüll auf. Dann könnte es passieren, daß an die sogenannten Führer Fragen getellt werden: „Wen hast du hinter dir, Rabbi X? Und für wen sprichst du, Scheich XY?“ Das wäre für viele Leute auf beiden Seiten sehr unangenehm.

Darauf hingewiesen, daß Israel genauso wie die Palästinenser den Konflikt brauche, weil er die Juden ganz ebenso wie die Palästinenser zusammenschweiße, und bei Lösung des Konfliktes jede Seite gefordert sei, sich endlich mit staatspolitischen Ordnungs-Fragen zu beschäftigen, so aber alles im Fluß bleibe und das „politisch sehr praktisch“ sei, antwortete Hamad:

Wie können wir diesen Virus bekämpfen, seine Wirkung begrenzen? Ich sag‘ Ihnen, wie: mit einer Friedensoffensive! Einer sehr aggressiven Friedensoffensive. Wir müssen die Israelis überraschen, ihnen einen Schock versetzen. Das geht nicht mit Vorträgen, mit Erklärungen, mit all dem alten Kram …

Die beste Sichterheitsgarantie für Israel wären zufriedene Palästinenser … Deswegen müssen wir den Israelis sagen: Was wollt ihr? Sicherheit? Bitte schön, nehmt sie euch. Ihr wollt sechsmal am Tag in der Machpela in Hebron, an Abrahams Grab, beten? Kommt her, kein Problem. Ihr wollt die frische Luft in den judäischen Bergen genießen? Herzlich willkommen! Ihr wollt mit uns leben? Seid unsere Nachbarn. Wir werden Brot und Salz mit euch teilen. Aber: Wenn ihr in der West Bank oder, wie ihr sagt, in Judäa und Samaria leben wollt, dann müßt ihr unter palästinensischer Souveränität leben; ihr müßt vor palästinensischen Gerichten erscheinen, ihr müßt euch an unsere Gesetze und Vorschriften halten, so wie wir uns an eure Gesetze und Vorschriften halten, wenn wir euch besuchen oder mit euch leben.

Auf die Frage, warum bisher keine der Friedensbemühungen auf nationaler und internationaler Ebene gefruchtet hat, sagte Hamad, er stoße

immer wieder auf dieselbe Ursache: Mangel an politischer Freiheit, an politischer Übung. Wir wissen nicht, was Demokratie, was Meinungsfreiheit ist. Und in einer solchen Tradition gedeihen am besten diejenigen Gruppen, die auf Gewalt, auf Zwang setzen. Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig, müssen sich nicht verantworten.

… Auch die Israelis haben nur ihre Steuer-Regelungen in die West Bank gebracht, dazu Ausgehverbote und militärische Verordnungen. Die Regeln von Freiheit und Demokratie haben sie nicht exportiert. Die halten sie unter Verschluß.

Rabbi Menachem Fruman

hat ebenfalls die Vision „Peace now!“ Und sein Programm lautet:

Israel in Palästina, Palästina in Israel. Zwei Flaggen, zwei Hymnen, zwei Parlamente, zwei Präsidenten, zwei Regierungen.

Er stellt sich zwei Staaten auf ein und demselben Territorium vor, ein weltpolitisch absolutes Novum. Er spreche von einem „menschlichen Staat“, der den „Nationalstaat“ ablösen solle, weil „diese Idee vollkommen veraltet ist“, berichtet Broder. „Alles, was Israelis und Palästinenser dafür aufgeben müßten, wäre ,ein wenig von unserem und ihrem nationalen Ego‘. Teilung bedeute Haß, religiöser Dialog dagegen sei ,das Tor zur Koexistenz‘.“

Ich bin ein primitiver Mensch, ein primitiver Rabbi und ein primitiver Jude, aber ich weiß, die und wir denken ähnlich, und wir haben dasselbe Problem: Wie übersetzt man unsere Quellen in eine neue Sprache, wie paßt man sie der modernen Zivilisation an?

Das wäre eine Arbeit, die die ganze Welt von diesem Wahnsinn erlösen würde. Aber für allzu viele der Moslems und Juden sind Allah und JHWH „Generale“, die ihre jeweiligen Kampftruppen zum „Sieg“ führen sollen. So gibt Gerschon Salomon seine Stimme dem

Wahnsinn:

Wir sind wie die Makkabäer eine kleine Gruppe, aber Gott ist mit uns, und er wird immer mit uns sein. Wir sind die Generation der Erlösung, und bald werden wir sehen, wie der General des Volkes Israel, der Gott von Abraham, Isaak und Jakob, alle unsere Feinde besiegen und das wahre Königreich Gottes errichten wird!

Solange solche Stimmen Gehör finden und ihr Chor sich von Jahr zu Jahr verstärkt, solange ist kein Ende des Wahnsinns abzusehen, ja, er ist inzwischen weiter vorangeschritten. 1997, 15 Jahre nach seinen o. a. Worten, muß Hamad feststellen:

Wir geben uns die größte Mühe, die ganze Welt gegen uns aufzubringen. Die Israelis schaffen es ab und zu, uns gelingt es ständig.

… Die (Zionisten) haben mit wenig angefangen und daraus mehr und mehr gemacht. Wir dagegen wollten alles auf einmal, ganz Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer. Dreißig Jahre wurden wir mit solchen Parolen gefüttert. Jetzt sollen wir froh sein, wenn wir Gaza und ein paar Teile der West Bank bekommen.

… Wir haben nicht mit den Fundamenten, sondern mit dem Dach angefangen. Jetzt haben wir einen Präsidenten, eine Regierung und ein Dutzend verschiedene Polizei- und Geheimdienste; nur mit der Müllabfuhr klappt es nicht. Die Menschen haben keine Arbeit; die Studenten wissen nicht, was sie nach dem Ende ihres Studiums machen sollen; und wenn die Geberländer kein Geld mehr überweisen, kann Arafat nicht einmal seine Telefonrechnung bezahlen.

Das Leben der Palästinenser ist heute im Jahre 2008 mehr denn je zu einer einzigen Strapaze geworden. Aber auch bei den Israelis – nach Broder sind sie „ein Volk von Autisten“ –

gehört es zu den Ritualen der israelischen Politik, sich mit einem Problem erst dann zu beschäftigen, wenn der Alarm bereits ausgelöst wurde … in der Politik herrscht Tumbheit, gepaart mit sinnloser Umtriebigkeit, wie sie unter Halbstarken üblich ist, die mit ihren Mopeds im Kreis herumfahren und Vollgas im Leerlauf geben.

Damit ist es dem Judenstaat aber immerhin gelungen, die eroberten Gebiete zwar „nicht formal, dafür (aber) schleichend“ zu annektieren. Wenn der ganze Nahost-Konflikt

nicht im Heiligen Land spielen würde, wo man mit Gott zum Ortstarif sprechen kann, würde es so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie der Kampf um Ost-Timor. Der Nahost-Konflikt ist ein Klacks auf der Landkarte der Weltgeschichte, doch haben sich die teilnehmenden Parteien darauf verständigt, auf einer Provinzbühne eine Supershow hinzulegen, sozusagen ,Aida‘ in Bad Segeberg,

meint Broder treffend und witzig. Weil es sich aber um das „Heilige Land“ handelt, meint alle Welt, sich an der „Tumbheits“-Show beteiligen zu müssen – für die deutsche Bundeskanzlerin gar nicht so einfach, sich mit der eigenen Rolle von Akt zu Akt jeweils in geeigneter Weise durchzuschlängeln.

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