„Liebe Freunde und Freundinnen“
Sonntag, 16. Dezember 2007 von Adelinde
So eine Anrede verursacht Konservativen Magenschmerzen. Sie fürchten den Einbruch „linker“ Geisteshaltung in ihren geheiligten Bereich und damit „Auflösungserscheinungen“. Auch den „Feminismus“ ordnen sie „links“ ein, also im Bereich der „Verderbnis“.
Die Stimme eines Gerechten
So können wir auch in den „Sprachnachrichten“ des Vereins deutsche Sprache (VDS) den Abscheu einiger Herren miterleben, den sie in Leserbriefen über das Binnen-I und andere Hervorhebungen der weiblichen Seite der Menschheit bekunden. Die deutsche Sprache werde durch solche „Absurditäten“ vergewaltigt. Frauen, so hören wir ja aus ehrwürdigem Munde allenthalben, sind immer „mitgemeint“ bei „Bürgern“, „Lehrern“, „Studenten“. Nur – wer hat das wirklich so empfunden?
Einer aus der liebenswerten Gruppe aufrechter Männer, Martin Schniewind aus Haan, hält in der neuesten Folge der „Sprachnachrichten“ dagegen:
„Herr M… ergeht sich in Diffamierungen, die des Zitats nicht würdig sind. Das stört mich außerordentlich. Ich schäme mich dieser Äußerungen meiner Geschlechtsgenossen.
Meiner Meinung nach ist es durchaus so, daß ein historisch gewachsener sprachlicher Gebrauch ein zugrundeliegendes Wertgefüge widerspiegelt … daß die traditionell überwiegende Verwendung männlicher Formen für Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnungen kein Zufall ist, sondern das Produkt einer Geisteshaltung, die lange nicht hinterfragt wurde. Ich bin aus eigener Beobachtung sicher, daß Männer (und Frauen), die beispielsweise ein Auditorium mit ,liebe Studenten‘ oder ,liebe Kollegen‘ begrüßen, tatsächlich die anwesenden Studentinnen oder Kolleginnen nicht – oder zumindest nicht im selben Maße – wahrnehmen. Das, so behaupte ich, ist immer noch eine traurige Tatsache.
Eine noch traurigere Tatsache ist, daß du in gewissen Kreisen auch heute noch dafür belächelt, bespöttelt, ja herabgesetzt und scheel angesehen wirst, wenn du dein Auditorium mit „liebe Freunde und Freundinnen“ ansprichst, daß also der Freiheitsgeist, auf den sie sich zu berufen pflegen, bei ihnen selbst noch gar nicht angekommen ist.
Der gute Kamerad vom VDS fährt fort:
„Ich halte es für ein tugendhaftes Bestreben, sich das bewußt zu machen und nach Lösungen zu suchen. Wenn mein Wertgefüge und mein Rollenverhalten sich dahingehend fortentwickeln, daß ich Frauen und Männer als gleichwertig empfinde, dann darf ich das auch sprachlich ausdrücken. Und zwar auch dann, wenn meine Muttersprache nach alter Väter Sitte dies grammatikalisch nicht vollständig unterstützt.
Deshalb plädiere ich dafür, die vielen Versuche der sprachlichen Gleichstellung zu respektieren, anstatt sie zu belächeln (oder gar zu diffamieren). Ich wünsche mir, daß wir aufmerksame und aktive Zeugen eines wesentlichen ethischen und sprachlichen Veränderungsprozesses sind. Dabei möge uns jede Stilblüte Anlaß sein, den Humor zu bewahren und über bessere Lösungen nachzusinnen.“
Die „Bibel in gerechter Sprache“
Eine einzige Stilblüte ist wohl das so betitelte Bibel-Werk, das sich feministische Theologen und Theologinnen abgerungen haben. Gutgemeint, zweifellos. Doch bekanntlich ist gutgemeint das Gegenteil von gut.
Der biblische Gott soll von seiner einseitig männlichen Wesensart hinüberwechseln zu einem Wesen, das Männliches und Weibliches in sich vereint. Mit diesem Versuch, Gerechtigkeit in den christlichen Glauben zu bringen, auch auf Kosten der deutschen Grammatik, wird zugleich der Geschichte dieser Religion Gewalt angetan.
Das Christentum ist eine abrahamitische Weltreligion, deren Ursprung im Umbruch der europäisch-nordafrikanisch-vorderasiatischen Kulturen liegt. Diesen Umbruch brachte der Sieg männlichen Machtwillens über die vorherige matriarchale Ordnung der Völker mit sich. Ab jetzt wurde um Vorherrschaft über andere gekämpft, Völkermord großen Stils inbegriffen. Der jüdisch-christlich-islamische „Gott“ JHWH/Allah war der Anführer des jeweiligen Herrschaftsbereichs.
In das Christentum floß das eher weibliche Prinzip des indischen Krischna-Buddha ein, an vielen Stellen der Bibel jedoch verfälscht (gut dokumentiert bei Th. J. Plange, Jesus ein Inder? und bei Christian Lindtner, Geheimnisse um Jesus Christus, beide Werke im Lühe-Verlag Süderbrarup).
Jesus, Abbild des ehemals matriarchalen Göttinsohnes, ist nun JHWH-Sohn und als solcher Teil der rein männlich-herrschaftlichen christlichen Dreieinheit Vater-Sohn-Heiliger Geist. Die große Muttergöttin, Sinnbild der weltenschaffenden Schöpfungsmacht, ist erniedrigt zur Magd Maria (nichtsdestotrotz von Menschen katholischen Glaubens weiterhin verehrt, wenn auch wohl hauptsächlich als Fürbitterin bei JHWH). Mit ihr verschwand das gesamte weibliche Geschlecht auf der untersten Stufe der Rangordnung und damit in der Unkenntlichkeit.
Diesen Werdegang sollte niemand verschleiern. Die feministische Theologie hat tapfere Kämpferinnen gegen den Herrschaftswahn des Jahweismus aufzuweisen, im Ganzen gesehen aber trägt sie – ungewollt – dazu bei, ihn zu erhalten.
Der bessere, wahrhaftigere Weg wäre, die Bibel so zu bewahren, wie sie überliefert ist, und sich innerlich von ihr zu befreien, wenn man mit ihr nicht mehr übereinstimmt.
Unserer an sich schönen, aber vermännlichten deutschen Sprache sind wir ausgeliefert. Machen wir das Beste draus!
Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder oder ohne oder mit 🙂
Eine kleine Anekdote aus der Uni:
Die Asta-Sprecherin: „Liebe Studentinnen“
Zwischenruf: „… und liebe Studenten!“
Asta-Sprecherin: „Ich habe Studentinnen mit großem I gesprochen.“
Welche Frage ich mir stelle, ist, wieso gerade die Deutschen mal wieder ein Problem haben. Ich spreche mehrere Sprachen, darunter auch romanische (Spanisch, Italienisch und Französisch).
Im Spanischen und Französischen gibt es im Plural (Mehrzahl) ein der dritten Person (er, sie) einen Plural weiblicher und einen männlicher Form.
Eine Gruppe Frauen = Ellas (sp) und elles (fr)
Eine Gruppe Männer = Ellos (sp) und ils (fr)
Eine gemischte Gruppe = Ellos (sp) und ils (fr)
Auch in der Spanischen Form für Elten (padres) steckt die Mehrzahl von Vater (Padre) und nicht Mutter (madre) Das hat kein Wort für sich.
Auch Anrede sind lockerer als im Deutschen.
Auch Pluralbildungen gemischter Gruppen ist einfacht, Plural des Makulinums.
Warum ist das in Deutschland ein Problem?
Lieber unbekannter Autor und unbekannte Autorin*,
Verrät der Schreibfehler in dem Satz: „Auch Pluralbildungen gemischter Gruppen ist einfach, Plural des Ma(s)kulinums.“ nicht etwas davon, dass Feministinnen in den Männern oft einen Makel erkennen, nur weil sie der Sprachgewohnheit folgen? Naja, Humor soll auch sein!
Mfg M. Wiesemann
*schon die Überschrift zeigt, wieviel weniger Platz nötig wäre, ließe man/frau es bei dem Doppelverständnis „Autor“ für beide Geschlechter.
„Liebe Schülerinnen und Schüler, die Benutzung von TaschenrechnerInnen und TagebücherInnen ist verboten.“
Feminismus ist schön und gut und sicherlich seine Berechtigung, ja. Aber in der Sprache? Ich finde da muss man auch mal zwei gerade sein lassen.