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Schön wär’s! Auf der Netzseite „jouwatch“ ist ein Gespräch abgedruckt, das aufhorchen läßt. Ukraine:

Aus und vorbei – Selenskyj am Ende

Von Max Erdinger

 

Diese Satellitenaufnahme zeigt den noch brennenden Zug und die Schäden an der Krim-Brücke nach der Explosion. (Bild: NZZ)

Die Revanche der Russen für den Anschlag auf die Brücke von Kertsch fiel verheerend aus. Mit über 300 Raketenangriffen legte Rußland fast die gesamte Infrastruktur der Ukraine lahm. Getroffen wurden aber nicht nur Elektrizitätswerke, Wasserwerke und der-gleichen, sondern auch das Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU und das deutsche Konsulat in Kiew. Der Wieder-aufbau der Infrastruktur würde Monate in Anspruch nehmen, heißt es aus ukrainischen Regierungskreisen.

Im Augenblick sind die größten Teile der Ukraine ohne Internet, ohne Strom und ohne funktionierende Wasserversorgung.

 

Clayton Morris interviewt Colonel Douglas Macgregor – Screenshot YouTube (Bild: jouwatch)

Douglas Macgregor ist pensionierter Colonel der United States Army, Politikwissen-schaftler, Militärtheoretiker, Autor und Berater. Am 29. Juli 2020 nominierte ihn Präsident Donald Trump als Nachfolger von Richard Grenell für das Amt des Botschafters der Vereinigten Staaten in Deutschland. Vom Senat wurde die Nominierung jedoch nicht bestätigt.

Gestern gab Macgregor Clayton Morris ein hochinteressantes Interview.

Morris: Die westlichen Medien, besonders die Washington Post heute, bezeichnen die Schläge gegen die Ukraine als einen Wendepunkt in diesem Krieg. (…) Sind wir tatsächlich an einem Wendepunkt und wohin wendet sich das Blatt?

Macgregor: Es ist ein Wendepunkt der Schwerter, vielleicht nicht gerade so, wie die Washington Post suggeriert (…) Lassen Sie uns über die Entwicklung dieses Konflikts während der vergangenen sieben Monate reden.

Krieg ist nicht statisch, sondern ein sich ständig änderndes Meer. Auch wenn es niemand wahrhaben will im Westen, aber Präsident Putin hat sich in den vergangenen sieben Monaten enorm zurückgehalten beim Gebrauch seiner militärischen Macht.

Wir haben nie mehr als höchstens 20 Prozent der russischen Bodentruppen in der Ukraine gesehen. Und viele der regulären Boden-truppen wurden nach den ersten vier Monaten allmählich auch wieder abgezogen, nachdem die ukrainische Armee, die wir über mehrere Jahre aufgebaut hatten, zu einem großen Teil vernichtet worden war.

Was es in der Ukraine zur Zeit noch gibt, ist eine Mischung aus verschiedenen Freiwil-ligen, Milizen, einigen alliierten Kräften wie die Tschetschenen, kubanische und kosaki-sche Freiwillige, die sich als sehr gute Kämpfer herausgestellt haben plus die Wagner-Söldnertruppe, die sich ebenfalls als sehr effizient im Bodenkampf erwiesen hat.

Aber die eigentliche russische Armee mit ihren regulären Kräften hat sich zum großen Teil zurückgezogen. Ich dachte eigentlich, sie würden Ende August zurückkommen, aber offensichtlich wurde die Entscheidung ge-troffen, das zu unterlassen.

Was im Moment im Kreml passiert, ist meiner Meinung nach: Putin und seinen Beratern wird klar, daß es keine Chance auf eine Been-digung dieses Konflikts via Verhandlung gibt. An diese Hoffnung hat er sich aber wahrscheinlich geklammert, sogar im April, als wir und London Selenskyj verboten hatten, irgendwelche Kompromisse wie z.B. Neutralität zu akzeptieren.

Nun haben wir es mit einem anderen Rußland zu tun. Wir haben gestern gesehen, wie in drei Wellen 202 Raketen verschiedene Ziele in der ganzen Ukraine angegriffen haben. Das ist etwas, das sie die ganze Zeit hätten tun können. Sie haben ihre präzionsgelenkten Waffen genauso wie wir.

Dieses Mal haben sie aber nicht nur die sogenannte kritische Infrastruktur getroffen, sondern auch das Hauptquartier des Ge-heimdienstes, einer Organisation, die noto-risch damit beschäftigt ist, Leute umzubrin-gen und sie mit vorgehaltener Waffe in feindliches Feuer zu zwingen und die mit vorgehaltener Waffe Rekrutierungen betreibt, sowie Analysezentren, womit sie zeigten, daß in der Ukraine nirgendwo etwas geschieht, ohne daß sie es wüßten.

Nicht einmal in der westlichen Ukraine pas-siert etwas, ohne daß Moskau davon wüß-te. Es gibt dort nichts, das die Russen nicht erreichen und zerstören könnten.

Ich denke, wir haben einen kleinen Vor-geschmack davon bekommen, was im Herbst auf uns zukommen wird. Ich sage voraus, daß es großangelegte Bodenoffensiven der Rus-sen geben wird, wenn der Boden erst einmal gefroren ist.

Es wird das passieren, was die meisten von uns eigentlich schon am Anfang des Krieges erwartet hatten: Größte Anstrengungen, um die ukrainischen Kräfte komplett zu ver-nichten.

Morris: Die westlichen Medien versuchen, diese Luftschläge als belanglos zu por-trätieren. Angeblich verletzen sie die Ukraine nicht richtig. Ich habe das während der vergangenen 24 Stunden von einigen Pro-paganda-Medien gehört.

Wenn ich durch die lange Liste der ge-troffenen Ziele gehe, muß ich mich wundern. Es wurden polnische Kräfte getroffen, die zusammengezogen worden waren, um in Rußland einzumarschieren, NATO-Ziele, die getroffen wurden, der SBU, Wärmekraftwerke, es gibt Massen, die zur Zeit aus der Ukraine fliehen, weil sie kein frisches Wasser haben, kein laufendes Wasser, sie haben keinen Strom, sie haben kein Internet.

Westliche Medien sagen also, die Treffer seien belanglos, der Ukraine gehe es gut. Was sagen Sie dazu?

Macgregor: Biden oder seine Berater fühlten sich dazu veranlaßt, Selenskyj zu versichern, daß wir ihn auch weiterhin unterstützen und mit Gütern versorgen würden. Da wird es keine Änderung geben.

Zur selben Zeit bettelte Selenskyj um mehr Luftabwehrwaffen, da bei den russischen Raketenangriffen 80 Prozent der ukrainischen Luftabwehr zerstört worden sind. Wenn je-mand suggeriert, daß das belanglos gewesen sei, müssen wir nur die Entwicklung ansehen und kommen sehr schnell zu dem Schluß: Oh, das ist verkehrt.

Herr Selenskyj ist in Panik. Fraglos haben die Ukrainer nun ernsthafte Logistikprobleme dabei, Dinge im Land hin- und herzube-wegen. Plötzlich hat sich Rußland entschie-den, daß genug einfach genug ist – und die vergangene Zurückhaltung aufzugeben.

Morris: Zurück zu den Luftabwehr-Systemen. Selenskyj hat, wie Sie gerade erwähnten, mehr dieser Systeme nachgefragt. Die USA scheinen dem nachkommen zu wollen. (…) Was wird das der Ukraine nützen? Erklären Sie bitte, wer die bedienen würde. Wären die unbemannt oder würden das NATO-Solda-ten besorgen? Ukrainisches Militär?

Macgregor: Diese Systeme werden zum größten Teil von sogenannten Vertrags-partnern bedient. Dabei handelt es sich vermutlich um Amerikaner in Zivilkleidung, die einen Arbeitsvertrag mit der ukrainischen Regierung haben oder im Rahmen eines der anderen Mechanismen beschäftigt sind, die wir eingeführt haben. Es könnten Europäer sein.

Aber diese Systeme verlangen eine lange Ausbildungszeit, bis sie effektiv bedient werden können. Von der Instandhaltung gar nicht zu reden. Etwas, das NASAMS heißt, eines der besten Abwehrsysteme gegen Bo-den-zu-Boden-Raketen weltweit, hochkom-plexes Radar, befand sich in Kiew – und es wurde zerstört.

Wie schaltet man ein solches System aus? Durch die schiere Menge der Raketen, die das System abzuwehren hätte. Auf diese Weise läßt sich jedes System umgehen, egal wie gut es ist. Das ist das, was die Russen getan haben. Sie haben dieses Abwehrsystem mit Masse überwältigt.

Morris: Welche Rolle spielen NATO-Kräfte jetzt noch an diesem Wendepunkt angesichts der Dezimierung des ukrainischen Militärs? (…) Die besten Kräfte sind außer Gefecht gesetzt. Sie zu ersetzen ist nicht einfach. Werden sie durch NATO-Truppen ersetzt? Durch Vertragskämpfer? Wer wird die Lücke füllen, das Schiff bemannen?

Macgregor: Nun, die Leute die sich im di-rekten Bodenkampf befinden, sind Ukrainer. Es gibt Meldungen über eine große Zahl polnischer Soldaten in ukrainischen Unifor-men, welche die ukrainischen Verluste er-setzen.

Das passierte im Lauf der vergangenen Mo-nate, weil – Sie haben darauf hingewiesen – die meisten der besten ukrainischen Ein-heiten nicht mehr existieren. Sie wurden ge-tötet oder verwundet. Die Ukrainer haben tödliche Verluste von ungefähr 100.000 Mann und vielleicht 200-,  300- oder sogar 400.000 Verwundete. Das war einmal eine Armee von 600.000 Mann.

Bedenken Sie: Wir haben diese Armee über 8 Jahre mit dem Ziel aufgebaut, Rußland anzugreifen. Dafür wurde sie geformt.

Das ist der Grund, warum die Russen sie angegriffen haben. Außerdem wollten wir Raketen in der Ostukraine stationieren, mit denen wir Rußland hätten bedrohen können. Also nochmal: Die Ostukraine mußte neu-tralisiert werden, und das ist der Grund, weshalb die Russen dort intervenierten.

Dabei haben sie sich, wie ich vorher schon ausführte, große Zurückhaltung auferlegt. Zunächst einmal ist das ein slawisches Land, ein anderes christlich-orthodoxes, slawisches Land. Die Russen haben kein Interesse daran, dort große Mengen von Leuten umzubringen. Sie wollten auch nicht viel Infrastruktur zerstören.

Die Gegenden, in denen die Russen im Osten und im Süden der Ukraine sitzen, waren vorher schon russisch. Sie wollten gleiche Rechte für die Russen mit anderen Ukrainern innerhalb der Ukraine sicherstellen. Das war der Punkt hinter dem Minsker Abkommen, der nie beachtet wurde.

Es ist so zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Sie schauen auf Kanonenfutter. Leute ohne großartiges Training werden zusammenge-trieben, in Uniformen gesteckt, bekommen eine AK 47 in die Hand gedrückt und werden in Panzer oder andere Fahrzeuge gesteckt. Haben sie eine Ausbildung? Einige wenige haben sogar eine gute, die meisten anderen fast gar keine. Folglich werden die Gefal-lenenzahlen sehr hoch sein.

Wenn man aber einmal das, was wir als die taktische Ebene bezeichnen, verläßt, und in die höheren Ränge blickt, wird man dort NATO-Personal finden, die den ganzen Zau-ber veranstalten. Leute aus Frankreich, Groß-britannien, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern arbeiten die Strategien aus und machen Vorschläge, was als nächstes passieren soll.

Es gibt Hinweise darauf, daß der ukrainische Präsident unsere Ratschläge nicht sonderlich ernstgenommen hat. Er ist darauf aus, anzu-greifen, anzugreifen und nochmal anzugrei-fen. Wahrscheinlich sieht er sich selbst in einer Position, in welcher er zwar alles zu verlieren – aber nichts mehr zu gewinnen hat. Er denkt offensichtlich, er könne die Russen ermüden. Dabei ist es so, daß es für einen getöteten oder verwundeten Russen fünf, sechs oder sieben getötete oder verletzte Ukrainer gibt.

Für die Russen rechnet sich das. Sie haben eine ziemlich kostengünstige Verteidigung, während sich die Ukraine extrem teure Angriffe leistet. Die Ukraine befindet sich in einer sehr ernsthaften Krise. Sie könnte das nicht überleben. Speziell, wenn die zu er-wartende Offensive der Russen im Novem-ber losgeht, weiß ich nicht, was die Ukrainer noch dagegen machen wollen. Dann werden sie mit der regulären russischen Armee kon-frontiert sein, einer großen Zahl russischer Truppen, nicht mehr nur mit Freiwilligen und alliierten Einheiten.

Sie werden die operative Freiheit haben, das zu tun, was viele Russen schon von Beginn an tun wollten. Alles, was ihnen ge-fährlich oder als Bedrohung vorkommt, wird ins Visier genommen und zerstört werden. Das wird ein sehr unterschiedlicher Krieg sein, der da kommt.

Morris: Sie sagen das für November voraus, also für die nächsten Wochen?

Macgregor: Nun, ich komme nicht vom russischen Generalstab, aber wenn ich mir den derzeit stattfinden Aufmarsch auf dem Kriegsschauplatz anschaue – und sie kommen in Gruppen von 50.000 – rund um die Ukraine und verschiedenen anderen Orten, absol-vieren gerade viel Training und treffen Vorbereitungen, dann werden sie sich zur Operation Axis vereinen, etwas, das wir schon zum Beginn des Krieges erwartet hatten, das dann aber ausblieb.

Sie werden dann sehr hart und sehr tief zuschlagen. Alles, was sich in der Ukraine ihrem Vormarsch entgegenstellt, wird dann vernichtet werden. Das wird ihr Auftrag sein: Zerstörung und Vernichtung des Gegners.

Wo werden sie mit ihrem Vormarsch auf-hören? Ich nehme an, am Dnjepr. Sie waren nie daran interessiert, den Dnjepr zu über-schreiten. Westlich des Dnjepr befindet sich die historische Ukraine. Das ist, wo die Ukrainer leben. Odessa wird an die Russen gehen, auch Charkow – und es gibt nicht viel, das wir dagegen tun können.

Niemand im Westen wird etwas dagegen unternehmen können, es sei denn, er will sich in einen Krieg mit Rußland begeben. Ich kann aber niemanden erkennen, der das will. Einzige Ausnahme sind möglicherweise die Polen, aber auch dort bröckelt die Unter-stützung für diesen Krieg.

In den USA interessiert sich sowieso kaum jemand dafür. Wir sind beschäftigt mit dem Hurrikan in Florida. Das ist ja auch der Grund, warum wir bislang mit dem durchgekommen sind, was wir in der Ukraine veranstaltet haben. Es gab so viele schlechte politische Entscheidungen, weil sich Amerikaner nicht dafür interessiert haben. Daran hat sich nicht viel geändert, auch wenn ein langsames Erwachen dahingehend einsetzt, daß nichts von dem stimmt, was ihnen in diesem Zusammenhang aufgetischt worden war.

Morris: Wir haben hier seit Wochen darüber geredet. Was passiert, wenn Odessa fällt. Die Ukraine wird zu einem Binnenland ohne Zugang zur See. Was wird mit Selenskyj passieren?

Macgregor: Darüber läßt sich nur spekulieren. Keine Ahnung, wie es mit Selenskyj wei-tergeht. Er könnte von seinen eigenen Leuten entfernt werden oder ein Flugzeug zu einem seiner Anwesen besteigen, nach Miami oder nach Venedig fliegen.

Was Odessa angeht: Odessa war immer eine russische Stadt, auch wenn heute dort etwa 50 Prozent Ukrainer leben, nachdem Russen rausgedrängt worden sind. Dasselbe gilt für Charkow. Das waren beides russische Städte von allem Anfang an, und dort wurde auch immer russisch gesprochen.

 

General Sergej Surowikin (Bild: NZZ)

Die Russen werden den Unsinn nicht länger mehr hinnehmen. Sie werden ihre Ziele ver-folgen, wie Russen ihre Ziele immer verfol-gen: Methodisch ausgeklügelt und unnach-giebig. Der neue Kommandeur, (General Sergej Surowikin), der gerade ernannt wurde, ist eine fähige Person mit einer guten Reputation. Er hat für die Russen in Syrien hervorragende Arbeit geleistet, er ist ein Hardliner, und er hat alle Optionen zur Verfügung, die seinen Vorgängern verwehrt geblieben waren.

Das wird ein Wendepunkt sein, aber anders als die Washington Post das verstanden wis-sen will.

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Jan Uhl
Jan Uhl
1 Jahr zuvor

Liebe Adelinde,
da hast Du eine hervorragende Darstellung der furchtbaren Ereignisse im Osten in Deine Seiten gestellt. Es ist alles so unglaublich, was hier aus dem Hintergrund gesteuert wird und was die Menschen dort erleben.

Als Kriegskind, das nur die Erzählungen von der 1. Ausbombung im Juni 1941 von der Mutter berichtet bekam – immer wieder – , daß wir alle auf der Totenliste der HH-Polizei standen und nur ein Besuch in Holstein bei der Oma uns das Leben schenkte.

Welch nie vergessene Erlebnisse, die dann zigtausende Hamburger das Leben kostete, nie mehr aus der schmerzlichen Erinnerung verschwanden.

Warum hat das immer noch kein Ende, warum steht US-Amerika mit den meisten Kriegen seit seines Bestehens an der obersten Listenstelle, warum erzählt man uns seit dem 1. WK, daß nur die Deutschen die schlechten Menschen sind.
Inzwischen ist nicht nur mir bekannt, wer mit Kriegen Geld macht und Geld ist Macht.

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