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Roswitha Leonhard-Grundel

Fortsetzung ihres Vortrags über „Das alte Europa und der Apfel“

Wie steht es nun mit dem Apfel aus dem Paradies?

fragen wir Roswitha, und sie antwortet:

Im hebräischen Text ist von keinem Apfel die Rede, sondern nur von einer „Frucht“ („peri“).

Die Paradies-Geschichte kann nicht ursprünglich von den hebräischen Bibelredakteuren stammen, wie wir gleich sehen werden. Sie wurde offensichtlich der heidnischen Mythologie entnommen und sinnver-fälscht in die „Heilige Schrift“ eingearbeitet.

 

Adam und Eva im Paradies unter dem Apfelbraum im Einklang mit den Tieren (Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. 1546)

Hier zuerst trat die Schlange als böse Verführerin auf. Bis zur Bibelfassung galt sie – und trotz der Bibel bis heute – in der Medizin als Sinnbild des Heilens.

 

Bild: adobe stock

Bis zur Einführung des Christentums lag bei unseren Vorfahren der Arztberuf hauptsächlich in der Hand der „Weisen Frauen“, die dann systematisch als „Hexen“ verfolgt und auf Scheiterhaufen lebendig verbrannt wurden.

Das Symbol der Heilung, die Schlange, im Verbund mit dem Weiblichen, riet Eva, vom (Apfel-)„Baum der Erkenntnis“ den Apfel zu pflücken, das Zeichen der Vollkommenheit und Weisheit, und ihn aus ihrer Hand auch dem Manne Adam zu reichen. 

Mit dem Erwerb der Fähigkeit zu bewußtem Er-kennen hatte sich der Mensch im Laufe der Evolution nun aus dem „Paradies“ des Geführtseins durch das Un- und Unterbewußte, das die Pflanzen- und Tierwelt durchs Leben führt, herausgelöst und verselbständigt. Eine bewunderungswürdige, in eine bildhafte Darstellung gebrachte Welterkenntnis des Heidentums!

In der biblischen Darstellung ist diese Entwicklung dem „lieben Gott“ entglitten. Er hatte dem Menschen verboten, vom Baum der Erkenntnis den Apfel zu pflücken – warum denn nur? -,  und bestraft den „ungehorsamen“ Menschen mit dem Rausschmiß aus dem Paradies. Eva klebt er zusätzlich das – für die gesamte Folgezeit gültig sein sollende – Siegel „Erbsünde“ an und verteufelt das Sinnbild der Heilkraft, die Schlange!

Was für eine Vorstellung von einem Gott! Welche Seelenblindheit hatte sich hier an die Umarbeitung eines erkenntnistiefen Mythos gemacht! Dieser ur-sprüngliche Mythos erkennt:

Das erste Menschenpaar hatte bis dahin mit allen Lebewesen in natürlichem Einklang gelebt, war aber nun im Besitz eines Bewußtseins, eines Weltver-stehens, eines Gegenübers zum All. Er war – wie Immanuel Kant sagt – zum „Bewußtsein des Weltalls“ geworden und darüber hinaus – wie Mathilde Ludendorff sagt – in freier Wahl zum „Gottes-bewußtsein“.

Roswitha nun wörtlich: Adam und Eva

… waren zum Menschen erwacht, der den Wunsch hatte, die Wahrheit zu erkennen und zu unterscheiden, was gut und was böse sei. Adam und Eva hatten zwar das Paradies verloren, aber die Möglichkeit gewonnen, sich bewußt zum Göttlichen hin zu entwickeln.

Dies ist der tiefere Sinn dieses ursprünglich arischen Mythos‘. Der Apfel als heilige Frucht dient als Symbol für Erkenntnis.

Eine keltische Sage berichtet, daß König Arthus nach seinem Tod in einem Nachen auf die Insel Avalon gebracht worden ist, und das bedeutet ins Apfelland.

Avalon bedeutet auch das „Gefilde der Se-ligen“. Diese Insel war ursprünglich vom Meer umspült. Die Römer legten später dieses Land trocken und nutzten es landwirtschaftlich. (Daniela Seefelder, Spirituelle Reisen.)

 

Avalon Glastenbury, heutiger Zustand (Bild: pinterest)

In einer walisischen Sage hören wir von einem Bauer, der sich in eine Nymphe des örtlichen Sees verliebt hatte. Er kann ihr schließlich nahe kommen, indem er sie mit einem Apfel von seltener und köstlicher Güte lockt. Sie heiraten einander.

Nicht nur in den griechischen Mythen, son-dern auch in der nordeuropäischen Mytho-logie um den Weltenbaum der Esche Ygg-drasil ranken sich Geschichten um Äpfel:

In Asgard, nahe dem Herzen des Weltenbau-mes, hütet die Asin Idun, die erneuernde, verjüngende Göttin der Jugend und Un-sterblichkeit, die goldenen Äpfel. Ihr Baum ist der Apfelbaum.

Als sich das Ende der Welt durch bedrohliche Vorzeichen ankündigt, sinkt Idun von der Weltenesche Yggdrasil in die Unterwelt.

 

Ein Apfelparadies wie bei „Idun“, der Göttin der Jugend und Unsterblichkeit (Bild: Sciodoo)

Roswitha fragt:

Haben wir uns überhaupt schon einmal überlegt, wo dieses Paradies liegt?

Moderne Forscher verlegen den Garten Eden nach Ost-Aserbaidschan, in das Flußdelta des nördlichen Persischen Golfes, oder in das biblische Jerusalem.

Diese Versuche, die vier Paradiesflüsse, die bei 1. Mose 2,10–14 erwähnt werden, mit echten Flüssen zu vergleichen, schlugen fehl:

Bei Moses heißt es:

„Ein Gewässer (See) tritt aus Eden, um den Garten zu bewässern, darinnen scheidet es sich und gehört zu einem Flußsystem von vier Hauptflüssen.“

Rainer Schulz, der sich auf die For-schungen von Franz von Wendrin beruft, hat sich nach Norden begeben …

In seinem Buch „Das Paradies liegt doch in Mecklenburg“ zeigt er,

daß der „schöne Garten“ in der Gegend um Demmin in Mecklenburg (an der Grenze zu Pommern) gelegen sein muß, denn diese einzigartige, sonst nirgends zu findende Anordnung …

des Kummerower Sees mit den drei Flüssen Peene, Tollense und Trebel entspricht genau den Schil-derungen bei Moses.

Nach Wendrin muß hier das Zentral-Kultur-Gebiet der damaligen Zeit gewesen sein.

Das leuchtet auch deshalb ein, weil in orientalischen Gegenden, in denen die hebräischen Bibelschreiber vermutlich wirkten, doch eher keine Apfelbäume wachsen, wohl aber in Mecklenburg und Pommern, den deutschen Ländern an der Ostsee.

 

aus: Klett Schulatlas

Die dortige See-Flüsse-Anordnung ist in abstrakten Bildnissen in der katholischen Kirche als auch in Kulturen rund ums Mittelmeer wiederzufinden.

 

Das „Henkelkreuz“

 

Amon mit Anch-zeichen / Henkel- kreuz (Photo von Patrick CHAPUIS /Gamma-Rapho via Getty Images)

Roswitha ist Märchenerzählerin. Sie stellt nun Mär-chen vor, in denen es um den Apfel geht. Aus dem Kinder- und Hausmärchenverzeichnis der Brüder Grimm wählt sie als erstes die Nr. 165, „Der Vogel Greif“, das aus der Schweiz stammt:

„S isch einisch e Chönig gsi, woner  gregiert, und wiener gheiße hat, weiß i nümme. De het kei Sohn gha, numme ne einzige Tochter, die isch immer chrank gsi, und kei Dokter het se chönne heile.

Do isch em Chönig profizeit worde, si Tochter werd se an Öpfle gsund esse. Do lot er dur sis ganz Land bchant mache: Wer siner Tochter Öpfle bringe, daß se se gsund dar chönn esse, de mües se zur Frau ha und Chönig wärde.“

Schließlich gelingt es einem jungen Bauern-sohn, seine schönsten, gold-gelben Äpfel dem König zu bringen.

„De Chönig het se gfreut und lot gli der Tochter  devo bringe … Aber nit lange Zit vergot, so bringt em öpper Bricht: aber was meineder, wer isch das gsi? D‘ Tochder selber isch es gsi. Sobald se vo dene Öpfle ggäße gha het, isch se gsund us em Bett gumpet.“

Die Brüder Grimm haben bei ihrer Sammel-tätigkeit herzlich gerne Dialekt-Märchen aufgenommen, weil sie so nahe am Volk waren. Sie bedauerten, daß sie nur ihren eigenen Dialekt Hessisch sprechen konnten.

Wir hören also hier von der (erstaunlichen) Heilkraft der Äpfel … und …

Fortsetzung folgt

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Lennart Meri
Lennart Meri
1 Jahr zuvor

Drei Anmerkungen:

I.

Schon die Gebrüder Grimm nahmen an, was auch die heutige vergleichende Märchenforschung annimmt, nämlich daß das älteste indogermanische Märchen „Der Schmied und der Teufel“ ist. Da es urindogermanisch zu sein scheint, wird sein Alter – im Einklang mit Archäologie, Archäogenetik und Sprachforschung – auf 6000 Jahre geschätzt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schmied_und_der_Teufel

II.

Zum Schlangen-Thema die Anmerkung, daß ein uralter Weltentstehungs-Mythos, der noch heute kaum bekannt ist, der aber im Einklang steht mit dem heutigen naturwissenschaftlichen Weltbild, und der deshalb uralte Weisheit enthält, der urindogermanische Mythos vom Urei ist:

https://studgendeutsch.blogspot.com/2022/12/zerstuckelt-und-neu-geschaffen.html

Interessanterweise ist dieses Urei nun oft zusätzlich von einer Ur-Schlange umwunden. Man wird mutmaßen können, daß hier das entstehende und vergehende Prinzip, das in allem Sein enthalten ist, in einem sehr treffenden Bild zusammen gefaßt ist. (Ob daher die Schlange in der Medizin stammt, wäre noch einmal eine gesonderte Frage.) – Unter anderem in der orphischen Bewegung bei den antiken Griechen wurde diese Lehre vom Urei weiter gegeben. (Sie gehört zu jenen Geistesrichtungen in der Antike, die der schwersten christlichen Verfolgung unterlag, weshalb Texte nur sehr bruchstückhaft überliefert sind.)

III.

Die wenigsten domestizierten Pflanzen- und Tierarten, die wir heute noch nutzen, stammen aus Mittel- oder Nordeuropa. Der größte Teil stammt ursprünglich aus der Südtürkei, wo der Mensch zum Ackerbau übergegangen ist (siehe das Bergheiligtum Göbekli Tepe, das ein deutscher Archäologe vor mehrere Jahrzehnten ausgegraben hat). Im Karacadac-Gebirge zwischen Eurphrat und Tigris wuchs der erste domestizierte Einkorn-Weizen der Menschheitsgeschichte.

Der domestizierte Apfel hingegen scheint aus Kasachstan, genauer aus dem Tianshan-Gebirge zu stammen. Er könnte von der dortigen, wenig bekannten Marghiana-Kultur domestiziert worden sein. Diese ist von indogermanischen Völkern beerbt worden. Mit diesen könnte er sich um 2.900 v. Ztr. über ganz Europa ausgebreitet haben in der Zeit, in der sich die indogermanischen Völker unserer eigenen Vorfahren (der Germanen) gebildet haben:

https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/04/unser-apfel-er-stammt-aus-dem-tianshan.html

(Wildäpfel können natürlich schon vorher genutzt worden sein von Menschen weltweit.)

Im übrigen: Heute wissen wir: Aus dem Osten kommt nicht nur das Licht. Aus dem Osten kommt nicht nur die indogermanische Göttin der Morgenröte. Aus dem Osten kommen auch unsere Vorfahren selbst, die Urindogermanen, die schon die Weisheit vom Urei kannten. Vom Mittellauf der Wolga. Dort sind sie entstanden:

https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/08/es-ist-amtlich-das-urvolk-der.html

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