Deutsche Philosophen über “Gott” und die abrahamitischen Religionen
Freitag, 9. Oktober 2020 von Adelinde
Arthur Schopenhauer*
Das Wort „Gott“ ist mir deshalb so zuwider, weil es in jedem Fall nach außen versetzt, was innen liegt …
Beim Wort Gott denkt sich die große Majorität der Europäer wirklich ein Individuum, ungefähr wie einen Menschen. (Nachlaß)
Auch
Friedrich Schiller
wußte:
Es ist nicht außen, da sucht es der Tor, es ist in dir, du bringst es ewig hervor. („Worte des Wahns“)
Mathilde Ludendorff
lehnt ebenfalls Gott-Vorstellungen ab. Sie erkannte, daß das Göttliche im Gegensatz zur Welt der Erscheinungen „jenseits“ von Raum, Zeit und Ursächlichkeit ist. Es hat die Schöpfung werden lassen, durchseelt sie und erhält sie durch seine Willenskräfte im Sein.
Nur durch die im Ich der Menschenseele lebende Fähigkeit, Wesensmäßiges zu erschauen, kann der Mensch das Göttliche erleben und gar erkennen, wenn auch keine Worte der Beschreibung darüber finden, eben weil das Göttliche frei, somit unfaßbar ist.
Mathilde Ludendorff hat damit dem Deutschen Volk sein ursprüngliches, vom Wahn befreites God-Gott in dessen einstiger, vorchristlicher, nicht als Person gedachter Bedeutung wieder geschenkt:
Gott ist die tiefste, allerdings sinnvoll verhüllte Wirklichkeit dieses Weltalls, ist sein Wesen!
Wäre [von ihr in ihrem philosophischen Werk] statt „Gott“ das Wort, das einst Kant gewählt hat, „Das Ding an sich“ oder ausschließlich das von mir oft gebrauchte Wort „Wesen des Weltalls“ angewandt worden, dann hätten meine Werke leicht zum Anlaß oder zur Bekräftigung des schlimmsten Wahnes der Menschen werden können, zur Gottleugung!
Fürwahr, es ist dies der größte, den Reichtum des tiefsten seelischen Erlebens leugnende, für viele Wunder der Schöpfung Erblinden der Seele bewirkende Wahn, den Menschen ersannen, und ist zugleich der Irrtum, auf den oft die klarste und am gründlichsten forschende Vernunft edler Menschen verfiel und verfällt, ja, ehe Gotterkenntnis gegeben war, sogar leicht verfallen konnte!
Wie aber kann es denn geschehen, daß seelenlos gewordene Menschen, „plappernde Tote“, ihre Jubelgesänge singen, daß Gott tot, der Wahnglaube an ihn nun überwunden sei, und daß sich diese abgestorbenen Menschen dabei auf tiefe Forscher und Denker, die oft zu den edelsten Menschen gehörten, berufen können?
Wie kann es geschehen, daß auch sie sagen: „Der Glaube an Gott oder die Bejahung Gottes in oder über diesem Weltall ist Wahn, den endlich die Naturforschung und die Philoso-phie überwunden haben“?
Es ist vor allem die Gottferne des Wahnes der Lehren von Gott und über Gott, die solches verschuldet hat. Der tiefe Sturz der Religio-nen herab vom Gotterleben … kann die klar denkenden ernst nach Wahrheit suchenden Menschen nicht leblang an sich fesseln!
Als Befreiung erleben sie das Überwinden der Gottlehren, die ihnen schon in frühster Kind-heit geboten wurden. Das Abschütteln des Wahns ist ihnen Heimkehr zur Wahrheit, ist ihrer Seele Erlösung.
Da verfallen sie leicht dem neuen Wahne, als sei diese Befreiung an sich schon Einsicht in die Wirklichkeit. Sie ahnen nicht, daß ein Abstreiten des Gottgehaltes dieses Weltalls nichts anderes ist als ein neuer schwerwie-gender Irrtum, der ihnen den Blick nun trübt, ja, der ihnen die Augen schließt vor einer Fülle von Rätseln des Lebens in ihrer Umge-bung und in ihrer eigenen Seele.
Sie ahnen nicht, daß dieser Irrtum ihnen wahrlich nicht Einklang der Überzeugung mit der Wirklichkeit geschenkt hat! (aus: „In den Gefilden der Gottoffenbarung“)
Zum Absturz vor allem der abrahamitischen Religionen und ihrer Nutznießer vom wahren Gotterleben noch einmal
Arthur Schopenhauer
Ich bitte die Herren Professoren, sich nicht weiter zu bemühen: Ich sage es gerade heraus, so sehr es sie wundern mag, daß ich nicht meinen Beruf darin erkenne, unter der Firma Philosophie Judenmythologie zu lehren. (Nachlaß)
Die Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der Dunkelheit um zu leuchten. Ein gewisser Grad allgemeiner Unwissenheit ist die Bedingung der Religionen, ist das Ele-ment, in welchem sie allein leben können. (Parerga und Parapilomena, II.)
Niemals hingegen hat es an Leuten gefehlt, welche auf jenes metaphysische (übersinn-liche) Bedürfnis der Menschen ihren Unterhalt zu gründen und dasselbe möglichst auszu-beuten bemüht waren; daher es unter allen Völkern Monopolisten und Generalpächter desselben gibt: die Priester.
Ihr Gewerbe mußte ihnen jedoch überall dadurch gesichert werden, daß sie das Recht erhielten, ihre metaphysischen Dogmen den Menschen sehr früh beizubringen, ehe noch die Urteilskraft aus ihrem Morgenschlummer erwacht ist, also in der ersten Kindheit:
Denn da haftet jedes wohl eingeprägte Dogma, sei es auch noch so unsinnig, auf immer. Hätten sie zu warten, bis die Urteils-kraft reif ist, so würden ihre Privilegien nicht bestehen können. (Parerga und Paralipo-mena.)
„Lasset die Kindlein zu mir kommen“ wünschte Jesus ebenso wie andere Kommunisten, die den Eltern frühzeitig die Erziehung ihrer Kinder abnehmen wollen, um sie in „staatlichen“ Einrichtungen ideologisch und politisch korrekt abzurichten. Doch Schopenhauer weiter:
Hier wird das Dogma empörend. Denn nicht nur läßt es, vermöge seiner ewigen Höllen-strafen, die Fehltritte, oder sogar den Un-glauben, eines oft kaum zwanzigjährigen Lebens durch endlose Qualen büßen; sondern es kommt hinzu, daß diese fast allgemeine Verdammnis eigentlich Wirkung der Erbsünde und also notwendige Folge des ersten Sündenfalles ist.
Diesen nun aber hätte jedenfalls der vorher-sehen müssen, welcher die Menschen erstlich nicht besser, als sie sind, geschaffen, dann aber ihnen eine Falle gestellt hatte, in die er wissen mußte, daß sie gehen würden, da alles miteinander sein Werk war und ihm nichts verborgen bleibt.
Demnach hätte er ein schwaches, der Sünde unterworfenes Geschlecht aus dem Nichts ins Dasein gerufen, um es sodann endloser Qual zu übergeben.
Endlich kommt noch hinzu, daß der Gott, welcher Nachsicht und Vergebung jeder Schuld bis zur Feindesliebe vorschreibt, keine übt, sondern vielmehr in das Gegenteil verfällt; da eine Strafe, welche am Ende der Dinge eintritt, wenn alles vorüber und auf immer zu Ende, weder Besserung noch Abschreckung bezwecken kann, also bloße Rache ist.
So aber erscheint in der Tat das ganze Geschlecht als zur ewigen Qual und Verdammnis geradezu bestimmt und ausdrücklich geschaffen, bis auf jene wenigen Ausnahmen, welche, durch die Gnadenwahl, man weiß nicht warum, gerettet werden. Diese aber beiseite gesetzt, kommt es heraus, als hätte der liebe Gott die Welt geschaffen, damit der Teufel sie holen solle; wonach er denn viel besser getan haben würde, es zu unterlassen.
Der Teufel ist im Christentum eine höchst nötige Person als Gegengewicht zur Allgüte, Allweisheit und Allmacht Gottes, als bei welcher gar nicht abzusehen ist, woher denn die zahllosen und grenzenlosen Übel der Welt kommen sollen, wenn nicht der Teufel da ist, sie auf seine Rechnung zu nehmen.
Die Fahne, zu der ich geschworen habe, ist die Wahrheit: Ihr werde ich überall treu bleiben und, unbekümmert um den Erfolg, kämpfen für Licht und Wahrheit.
Einen von einem Irrtum befreien, heißt nicht, ihm etwas zu nehmen, sondern geben: denn die Erkenntnis, daß etwas falsch sei, ist eben eine Wahrheit. Kein Irrtum aber ist unschäd-lich, sondern jeder wird früher oder später dem, der ihn hegt, Unheil bereiten.
Die so verworrene, krause, ja knollige Mythologie des Christentums mit dem stellvertretenden Versöhnungstod Christi, der Gnadenwahl, der Rechtfertigung durch den Glauben usw. ist das Kind zweier sehr betrogener Eltern: Sie ist nämlich entstanden aus dem Konflikt der gefühlten Wahrheit mit dem jüdischen Monotheismus, der ihr wesentlich entgegensteht.
Daher auch der Kontrast zwischen den moralischen Stellen im Neuen Testament … und allem Übrigen, welches aus einer unerhört barocken, allem Menschenverstand zum Trotz forcierten Metaphysik und nächstdem aus Wundermärchen besteht.
Der demoralisierende Einfluß der Religionen ist also weniger problematisch als der moralisierende.
Wie groß und gewiß müßte hingegen nicht dieser sein, um einen Ersatz zu bieten für die Greuel, welche die Religionen, namentlich die christliche und mohammedanische, hervor-gerufen und den Jammer, welchen sie über die Welt gebracht haben!
Denke an den Fanatismus, an die endlosen Verfolgungen, zunächst an die Religions-kriege, diesen blutigen Wahnsinn, — an die Kreuzzüge — an die Bluthochzeiten, an die Inquisitionen und andere Ketzergerichte, nicht weniger an die blutigen und großen Eroberungen der Mohammedaner in drei Weltteilen; dann aber auch an die der Christen in Amerika, dessen Bewohner sie größtenteils, auf Cuba sogar gänzlich, ausgerottet und, nach Las Casas, binnen 40 Jahren zwölf Millionen Menschen gemordet haben, versteht sich alles in majorem dei gloriam und zum Behuf der Verbreitung des Evangeliums und weil überdies, was nicht Christ war, auch nicht als Mensch angesehen wurde. (Parerga und Paralipomena.)
Fortsetzung folgt
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