Von deutschem Umgang mit Besiegten im 1. Weltkrieg

Der Gegensatz

Die Forderung einer „bedingungslosen Kapitulation“ ist an sich selbst ein Menschheitsverbrechen und eine Ehrlosigkeit von Siegern Besiegten gegenüber – ungermanisch, undeutsch, niedrig – aber einem führenden US-Alliierten nach 1945 durchaus möglich, dem US-Oberbefehlshaber über die Besatzungstruppen Dwight D. Eisenhower.

Er ließ nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht 1945 Hunderttausende Deutsche  im Rheinwiesenlager unter freiem Himmel – Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt – gefangenhalten.

Deutsche Soldaten im Rheinwiesenlager (Bild: rheinwiesenlager.de)

Heinz Janssen, Kriegsgefangener in Rheinberg, berichtet – zitiert nach dem verdienstvollen kanadischen Aufklärer über die Verbrechen der Alliierten an Deutschen James Bacque (Der geplante Tod, 8. Auflage, Berlin, 1999, S. 52):

Im April wurden Hunderttausende von deutschen Soldaten sowie Kranke aus Hospitälern, Amputierte, weibliche Hilfskräfte und Zivilisten gefangengenommen …

Ein Lagerinsasse von Rheinberg war über 80 Jahre alt, ein anderer war neun Jahre alt … andauernder Hunger und quälender Durst waren ihre Begleiter, und sie starben an Ruhr.

Ein grausamer Himmel übergoß sie Woche für Woche mit strömendem Regen … Amputierte schlitterten wie Amphibien durch den Matsch, durchnäßt und fröstelnd.

… Ohne Obdach tagaus, tagein und Nacht für Nacht lagen sie entmutigt im Sand von Rheinberg oder sie entschliefen in ihren zusammenfallenden Löchern …

Dazuhin erließ die US-Militärregierung den Befehl:

 

Bild: rheinwiesenlager.de

Hier wurde ein Teil des geplanten Völkermordes am Deutschen Volk durchgeführt. Die Richtlinien der Haager Landkriegsordnung von 1907 schien es für diese Verbrecher nicht zu geben.

Ganz anders die Deutsche Wehrmacht 1915.

Unter der Führung Erich Ludendorffs errang das zahlenmäßig weit unterlegene, an Ausbildung jedoch überlegene Deutsche Heer in Ostpreußen und Polen gigantische Siege über die Zarenarmee.

Die Mittelmächte hielten schließlich Ende August 1915 Massen an Zarensoldaten gefangen:

In Deutschland könnten es bis zu 1 Million gewesen sein, denn schon im Juni 1915 soll sich die Zahl aller Gefangenen den 1,5 Millionen genähert haben …

Welche vielfältigen Folgen dies im deutschen Gefangenenwesen mit sich brachte, etwa bei der Verpflegung und beim Arbeitseinsatz …

läßt sich denken. Soweit Reinhard Nachtigall in seinem Aufsatz „Die Anzahl der Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg“!

Das Deutsche Reich war im Krieg zunehmend außerstande, die eigene Bevölkerung ausreichend zu ernähren, eine Lage, in die die britische Seeblockade geführt hatte. Wikipedia zitiert:

Der britische General Herbert Plumer, 1. Viscount Plumer habe sich beschwert, seine Besatzungstruppen könnten nicht mehr den Anblick ertragen von

„Horden von dünnen aufgedunsenen Kindern, die um die Abfälle der britischen Unterkünfte betteln“.

Angesichts dieser Lage gestaltete sich die Versorgung einer so großen Anzahl Kriegsgefangener – und zu den russischen kamen ja noch weitere Millionen Gefangener der Westmächte hinzu – äußerst schwierig. Kaum zu fassen ist angesichts dessen,

was in Frankfurt/Oder möglich wurde.

In der Zeitschrift „Monumente“ 5/18, herausgegeben von der „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“, lesen wir in der Abhandlung „Die Heilandskapelle in Frankfurt (Oder)“ von Amelie Seck von einem wahren Wunder menschlichen Anstandes seitens der deutschen Gefangenenbehandlung in schwierigster Zeit:

Die „Russische Kirche“, auch „Heilandskapelle“ genannt, in Frankfurt an der Oder (Bild: Wikipedia)

Eines der Lager für die Hunderttausende russischer Gefangener, die 1914/15 schnellstens eingerichtet werden mußten, war das

Lager Gronenfelde bei Frankfurt (Oder).

Bis zu 23.000 Offiziere und Soldaten kamen hier unter. Ihre Zahl entspricht einem Drittel der Einwohnerzahl von Frankfurt/Oder. Seck:

Die meisten der Internierten stammten aus dem Russischen Reich. Unter den Kriegsgefangenen waren aber auch Engländer, Franzosen, Belgier, Rumänen, Italiener und Serben.

800 bis 1.400 Soldaten mußten sich jeweils in einer der vielen schlichten, aus Holz errichteten Wohnbaracken zusammendrängen.

Der Lagerkomplex verfügte zusätzlich über Offiziers- und Ärztebaracken, Werkstätten und Badehäuser, Wachunterkünfte, Latrinen- und Waschhäuser.

Die deutsche Lagerführung richtete sich in der Gefangenenbehandlung strikt nach der Haager Landkriegsordnung. Seck weiter:

So war etwa die Versorgung der gefangenen Soldaten gemäß den Haager Statuten an der des eigenen Heeres zu orientieren. Doch im Laufe des Krieges machte die Mangelernährung weder vor der Bevölkerung noch vor den Lagerinsassen halt.

… In diesen Zeiten bot den Kriegsgefangenen in Gronenfelde die heutige Heilandskapelle Trost und Erbauung.

Bemerkenswert: Die Gefangenen selbst waren es, die die Kirche errichteten. Die deutschen Behörden gaben die Bauerlaubnis – auch hier wieder getreu der Haager Landkriegsordnung:

Den Kriegsgefangenen wird in der Ausübung ihrer Religion und in der Teilnahme am Gottesdienste volle Freiheit gelassen, unter der einzigen Bedingung, daß sie sich den Ordnungs- und Polizeivorschriften der Militärbehörde fügen.

Das Baumaterial besorgte das Rote Kreuz: Holz aus Schweden! Seck:

Geschnitzter Schmuck mit Drachenköpfen über den Fenstern (Bild: Wikipedia)

Besonderes Geschick bewiesen die Gefangenen bei der Ausstattung. Mit zahlreichen Schnitzereien an Fenstern, Giebeln und Balken schmückten die Gefangenen die Halle in der Tradition ihrer Heimat. Außergewöhnlich sind die vielen hölzernen Drachenköpfe, die überall in der Kirche zu finden sind …

Bild: Wikipedia

Bis heute haben sich auch die originalen Sitzbänke erhalten. Ihre Besonderheit: Sie haben keine Rückenlehnen und ermöglichen so, daß man auf ihnen in zwei Richtungen Platz nehme kann – bei Theater- oder Choraufführungen mit Blick nach Westen zur Bühne [im unteren Turmgeschoß], bei Gottesdiensten mit Blick nach Osten zum Altar.

Innenansicht der Kirche (Bild: a.a.O.)

Seck:

Deutsche Wachmannschaften und Kriegsgefangene nutzten das Gebäude gleichermaßen.

Modell der Kirche (Bild: Wikipedia)

Sie saßen zusammen, wenn der Raum zur Lesehalle und in kalten Wintern zur Wärmestube wurde oder bei Konzerten, die das eigene Lager-Orchester veranstaltete.

Diesem Musikensemble gehörten zirka 40 russische Gefangene an, die für ihre täglichen Übungsstunden vom Arbeitsdienst befreit wurden. Zu besonderen Anlässen konnten sie sogar die Zarenhymne anstimmen – und das mitten im gegen Rußland kämpfenden Deutschland …

Als Gotteshaus stand die Halle überwiegend den Wachleuten und Gefangenen evangelischen Glaubens offen.

Katholiken konnten in Begleitung von Wachpersonal die Messe in der Stadt besuchen.

Rabbiner betreuten die Soldaten und Offiziere jüdischen Glaubens.

Für die großen orthodoxen Gottesdienste war die Halle vermutlich zu klein, sie fanden hauptsächlich unter freiem Himmel statt.

Diese Großzügigkeit erinnert an

Erich Ludendorff in „Oberost“.

Nach seinen Siegen 1914/16 an der Ostfront wurde unter seiner Führung mitten im Krieg in einer Zeit relativer Ruhe eine deutsche Politik des Aufbaus zu schönem Erfolg geführt.

Karte von Oberost (Bild: Erich Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen)

Die im Krieg geschundenen, heruntergekommenen und einander verfeindeten Völkerschaften des Gebietes – Letten, Litauer, Polen, Weißrussen, Ruthenen, Juden – erhielten wieder Ordnung, Hygiene, Ernährung, Beschulung, Presse in ihrer jeweiligen Sprache.

Das wurde geschafft durch tatfrohen Einsatz deutscher Führungskräfte aus dem Heer, der Verwaltung, dem Finanz- und dem Pressewesen in fremdem Land meist ohne Kenntnisse der jeweiligen Sprachen. Eine glänzende Leistung der Deutschen. Ein Klein-Europa der Vaterländer!

Generalquartiermeister Ludendorff in seinem Arbeitszimmer im Großen Hauptquartier

Dazu ein paar Schlaglichter aus Ludendorffs Kriegserinnerungen (Seiten 147-161):

  • Besondere Aufmerksamkeit schenkten wir den hygienischen Verhältnissen der Bevölkerung. Der Kampf gegen das Fleckfieber, das an vielen Stellen herrschte, wurde erfolgreich durchgeführt. Es kostete uns große Opfer an Ärzten.

  • Die Notlage der städtischen Bevölkerung war groß, wir mußten sie im Winter 1915/16 durch Lieferungen aus den militärischen Proviantämtern mildern.

  • Die Gerichtsverfassung entsprach der Haager Landkriegsordnung. Diese verlangte, daß die Bewohner privatrechtlich nach ihren  Landesgesetzen abzuurteilen sind. Es mußte daher erst festgestellt werden, welche Gesetze überhaupt galten. Das war bei den verworrenen russischen Verhältnissen, die auch auf diesem Gebiete vor dem Kriege geherrscht haben, nicht leicht. Nachdem die Gesetze gefunden waren, mußten sie ins Deutsche übersetzt werden, damit die deutschen Richter danach Recht sprechen konnten.

  • Ich glaube, kein anderes Volk als das deutsche wird solche Umstände mit im Kriege genommenen Gebieten machen.

  • Die Bekenntnisse wurden in ihrer Ausübung durch nichts beschränkt. Wir gingen in dem Entgegenkommen so weit, daß wir die Ausgabe von Weizenmehl an die Juden zur Matzen-Erbackung ermöglichten.

  • Die polnische Geistlichkeit war die Trägerin der nationalen polnischen Propaganda. Selbst unter der russischen Knute hat sie in größter Folgerichtigkeit gehandelt.

  • Während ich die Verwaltung führte, verhielten wir uns den verschiedenen Stämmen gegenüber im wesentlichen neutral. In der Gleichstellung der Litauer mit den Polen lag für diese nach ihrer Ansicht etwas Polenfeindliches.

  • Ich wußte, daß man sich mit nur neutraler Politik niemand zum Freunde macht.

  • Wir sahen mit Genugtuung, daß die Verhältnisse im Lande sich festigten und das Leben dort wieder in geregelte Bahnen kam. Der Ordnungssinn des Deutschen und sein Verständnis für Hygiene setzten sich durch. Der Landmann verdiente mehr als in russischer Zeit. Der Handel in den Städten stellte sich neu ein.

  • Die Bevölkerung wurde mit ruhiger Sicherheit geleitet. Gegen den Grußzwang, wie er von einer Armee eingeführt wurde, sprach ich mich aus.

  • Die jüdischen Komitees, die über die meisten Mittel verfügten und sie auch aus Amerika bezogen, haben großzügig und nutzbringend gewirkt. Ihre Tätigkeit erwarb sich Anerkennung und bewies den starken Zusammenhang dieses Volkes.

  • Die erste jüdische Volksküche, die in Kowno entstand, trug meinen Namen. Der Feldrabbiner Rosenack hatte mich darum gebeten.

  • Auch der Schulbücherfrage wurde Aufmerksamkeit geschenkt; wie durch Lehrmittel ein nationales Empfinden großgezogen werden kann, das zeigten mir verschiedene polnische Lesebücher. Da waren Danzig, Gnesen, Posen, Wilna polnische Städte.

  • Diese Tatsache machte auf mich einen gleich tiefen Eindruck wie die Folgerichtigkeit, mit der Frankreich seine Jugend in ähnlicher Weise in dem Revanche-Gedanken erzog.

  • Polen und Franzosen haben damit ein starkes Nationalgefühl in sich wach gehalten, das ihnen jetzt zugute kommt.

  • Wir haben eine solche Schulpolitik nicht getrieben und leiden darunter, daß unsere Jugend nicht zum starken nationalen Denken angehalten ist.

  • Ein solches Empfinden ist notwendig, wenn ein Land Krisen überwinden will, wie wir sie seit 1914 und namentlich jetzt [1919] erleben.

Das gilt für den weltanschaulichen Krieg gegen die Völker, wie er zu unserer heutigen Zeit stattfindet, erst recht. Heute wie damals gilt zur Erhaltung von Leben und Kultur eines Volkes, auch des deutschen, was Ludendorff 1919 schrieb:

Wir hätten ein starkes Nationalgefühl jetzt bitter nötig!