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Rußland! Nachtrag

Ein notwendiger Nachtrag zum Rußland-Beitrag von

Thomas Engelhardt

Herr Heinrich Seidelbast verfaßte folgenden Kommentar:

„Mit dem heutigen Rußland, dem scheinbaren Gegengewicht zur soge-nannten westlichen Wertegemeinschaft, verbindet uns nur das eine, nämlich, daß anders als in westlichen Vielvölkerstaaten wie der BRD und der USA, keine Integra-tion mit den unterschiedlichen Volks-gruppen, erwünscht ist.“

Diese Feststellung von Herrn Seidelbast ist zu relativieren. Ausdrücklich ist es ein Haupt-interesse russischer Innen- und Bevölke-rungspolitik, die mehr als 100 unterschied-lichen Nationalitäten und Volksgruppen zu integrieren, ohne eine vollständige Assimi-lierung vorzunehmen.

Nicht russischer Nationalismus wird prak-tiziert sondern Patriotismus.

Die gemeinsame Klammer ist die Heimat Rußland. Im Unterschied jedoch zur Ent-wicklung in Mittel- und Westeuropa wird das Titularvolk der Russen nicht herabgesetzt. Im Zentrum aller staatlichen Bemühungen steht das Wohl Rußlands und des russischen Vol-kes, ohne dabei die nichtrussischen Völker zu diskriminieren!

Die korrekte Staatsbezeichnung Rußlands lautet Russische Föderation (eigtl. wörtlich Rußländische Föderation).  Dieses Land ist tatsächlich ein Vielvölkerstaat. Russen ma-chen allerdings einen Anteil von 80 % aus (aktuell 79,2 %, wobei der Anteil der nicht-russischen Völker langsam wächst). 

Insgesamt leben 100 größere Nationalitäten und Völkerschaften in der Russischen Föde-ration, nach russischen Angaben sind es so-gar 182 oft allerdings sehr kleine Volks-gruppen.

Das Riesenland setzt sich aus insgesamt 83 (dreiundachtzig) sog. Föderationssubjekten zusammen, darunter 24 (vierundzwanzig) autonome Einzelrepubliken (Titularrepubliken wie beispielsweise Tatarstan, Burjatien usw., autonome Gebiete und vier nationale Kreise (z. B. die der Ewenken, der Aginer Burjaten, Korjaken oder  der Jamal-Nenzen). Diese Föderationsgebiete haben in der Regel poli-tische und verwaltungsmäßige Autonomie (z. B. Tschetschenien, Dagestan usw.).

Allein in der Republik Dagestan sind 30 (dreißig) kleinere Völker vereinigt, die mehr als 80 verschiedene Sprachvarianten und Dialekte sprechen (darunter Aghulisch, Awarisch, Darginisch, Kumykisch, Lakisch, Lesgisch, Nogaisch, Rutulisch, Tabassa-ranisch, Tatisch, Tsachurisch).

Diese Vielgestaltigkeit ist beispiellos und in Mittel- und Westeuropa so gut wie unbe-kannt.

Rußland ist demzufolge alles andere als ein in sich homogenes Gebilde.

Die wichtigsten nichtrussischen Völker sind turktatarische und finno-ugrische Nationa-litäten.

Darüber hinaus leben in einem breiten Streifen, der sich quer durch das südliche Rußland und Sibirien zieht, auch etwa 15 Millionen allerdings überwiegend und weitestgehend russifizierte Ukrainer in Rußland, in den westlichen an Weißrußland angrenzenden Grenzgebieten auch 1/2 Mill. Weißrussen. Die turktatarischen und finno-ugrischen Nationalitäten sind in hohem Maße zumindest kulturell assimiliert, ohne jedoch ihre nationalen Eigenarten verloren oder aufgegeben zu haben.

Turk-Tataren:

  • Tataren (Kasaner Tataren, Wolga-Ural-Tataren, Astrachan-Tataren, Krim-Tataren u.a.)

  • Tschuwaschen

  • Baschkiren

Finno-Ugrier:

  • Udmurten (früher: Wotjaken)

  • Mordwinen

  • Mari (Wolgafinnen) (heute auch: Mari El) (früher: Tscheremissen)

Um noch ein konkretes Beispiel aufzuzeigen: Der bekannte Führer der russischen Revo-lution, der allgemein als Russe angesehen wird (aber in einem deutschsprachigen Haushalt aufwuchs, weswegen er die deut-sche Sprache perfekt beherrschte!), Wladimir Iljitsch Uljanow (gen. Lenin),

* 22. April 1870 in Simbirsk, selbst Sohn eines russischen Adligen (russischer Beam-tenadel), weist in seiner Urgroßelternge-neration keinen einzigen ethnischen Russen auf. Die acht Urgroßeltern waren: Mordwine, Tschuwaschin, Jude, Jüdin, Deutscher, Schwedin, Astrachan-Tatare, Tatarin.

Anm.: Lenins Großmutter mütterlicherseits war Anna Grosschopf (* um 1798; † 1838). Zu seinen direkten Vorfahren zählen Ende d. 16. Jh./Anfang d. 17. Jh. evangelische Pfarrer und Schulmeister in Nordthüringen (Verfasser dieser Zeilen hat diese deutschen Vorfahren Lenins in Thüringen recherchiert).

Nachtrag:  Liste der autonomen Republiken der Russischen Föderation:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Autonomen_Republiken_Russlands

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KWHugo
KWHugo
7 Monate zuvor

Die Klammer für all die Völker ist nicht nur Rußland, sondern auch die aufgezwungene und durchgesetzte Sprache. Ich war als Studentin in Estland. Russen wurden dort wie überall angesiedelt, die Sprache durchgesetzt. Die Esten sprachen aus Protest schlecht Russisch, noch schlechter als wir, und wir waren dort zum Sprachpraktikum. 😉

Russen wurden überall angesiedelt, sogar auf Kamtschatka. Für mich ist das Kolonisation. In der Perspektive sollten das alles Russen werden.

Warum mußte der Ostblock Russisch als erste Fremdsprache lernen?

Dazu kamen die künstlichen bolschewistischen Feiertage für alle. Zum Fehlen der Edelmetalle im Binnenhandel schrieb ich schon. Nomaden wurden zwangsweise seßhaft gemacht. Im Fernsehen gab es nur russische Folklore. Zum Schein gab es nichtrussische Präsidenten, Breshnew war Udmurte.

Im Grunde sehe ich dieselbe Hand wie in den USA den Taktstock schwingen. Putins Rußland mag anders sein, siehe seine Geldpolitik und das Heraushalten der Oligarchen aus der Politik.

Wer das Geld hat, darf nicht in die Politik, weil er dann bestimmt, wohin es fließt, nämlich in seine Projekte, die ihm dann wieder Gewinn abwerfen.

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