Radikal oder extrem?
Donnerstag, 17. April 2008 von Adelinde
Adelinde-Gesprächs-Partner Michael fand heute morgen bei “Impulse für den Tag des Jahres 2008” den Ausspruch von
Hannah Arendt
Ich bin in der Tat heute der Meinung, daß das Böse immer nur extrem ist, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie. Es kann die ganze Welt vernichten, gerade weil es wie ein Pilz an der Oberfläche weiterwuchert. Tief aber und radikal ist immer nur das Gute.
Das wird deutlich bei der tapferen 8-jährigen Jemenitin
Nujud Nasser,
von der Frederik Obermaier heute morgen im Niedersächsischen Tageblatt berichtet:
Zwei Monate lang ertrug Nujud Nasser alles – die Schimpfwörter, die Schläge, den erzwungenen Sex. Dann hielt es die achtjährige Jemenitin nicht mehr aus. Sie lief davon. Weg von ihrem 22 Jahre älteren Ehemann, weg von ihrem Vater, der sie wenige Wochen zuvor gegen ihren Willen vermählen ließ. Sie zog vor Gericht und erkämpfte ihre Scheidung.
Nach jemenitischem Recht haben sich Vater und Ehemann korrekt verhalten. Das Mädchen aber befindet sich jetzt in Todesgefahr. Frauen, die die Scheidung einreichen, dürfen – nach der Scharia – getötet werden. – Extrem sowas!
Nujud hat jedoch mit ihrem mutigen Schritt “eine landesweite Diskussion über Hochzeiten im Kindesalter” ausgelöst. Jetzt geht es in der moslemischen Gesellschaft darum, radikal zu werden (radix = Wurzel).
Die Wurzel kann nicht ein Gesetzeswerk sein, das vorrangig patriarchalische Machtinteressen unterstützt, die Wurzel ist die im Innern eines jeden Menschen wirkende Gewißheit, ein Recht auf Achtung der Menschenwürde zu haben.
Ob Nujud bewußt ist, daß sie womöglich Geschichte geschrieben hat? Ihren Namen sollten wir uns merken.
Dem Extremismus des mittelalterlichen Islam, der “wie ein Pilz auf der Oberfläche weiterwuchert”, muß sich eigenständiges In-die-Tiefe-Gehen freiheitlicher und aufgeklärter Menschen entgegensetzen.
In Europa gingen im 19. Jahrhundert die radikalen Demokraten voran. Die extrem patriarchale Reaktion aber sorgte immer wieder für “Ordnung”, mordete und kerkerte ein.
Bismarck,
der “rote Reaktionär”, setzte die demokratischen Ziele der Radikalen großenteils um.
Endlich tagte es,
schreibt die radikale Demokratin der damaligen Zeit
Malwida von Meysenbug
in ihren “Memoiren einer Idealistin”. Sie mußte mit ihrer reaktionären Familie brechen, um den Weg der Freiheit und Menschenwürde gehen zu können – das gleiche ist den heutigen muslimischen Freiheitskämpferinnen auferlegt.
Doch in Europa rüsteten sich schon zu Bismarcks Zeiten Extremisten, die zwar die Ideale der Radikalen von Menschenrecht und Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hatten, zur Machtergreifung und stürzten die Menschen ganzer Erdteile in größeres Unglück, als es ihnen je zuvor widerfahren war.
Man sieht: Die Ideale allein machen das Gute noch nicht aus. Gott schütze uns vor den extremistischen Gutmenschen, gleich welcher religiös-weltanschaulicher Färbungen!
Danke, Michael Wiesemann, für das wahre Wort von Hannah Arendt!