Königin Luise war wie Schiller beseelt vom Geist der Freiheit – 2. Teil
Mittwoch, 8. Dezember 2021 von Adelinde
Doch zunächst zurück zum Jahre
1802 – Treffen mit Zar Alexander I. in Memel!
Am 8. Juni 1802 trafen sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise mit dem Zaren von Rußland, Alexander I., in Memel.
Memel liegt auf halbem Wege zwischen Berlin und St. Petersburg.
Das Entzücken voneinander war groß auf beiden Seiten. Luise führt Tagebuch über dieses Treffen, und wir entnehmen ihren Eintragungen spannende Beschreibungen Alexanders, z.B.:
daß er keineswegs die Gêne (Unbequemlichkeit) noch die Repräsentation liebe, daß er lieber sähe, mit uns allein zu sein, und soviel als möglich von meinem Manne und mir zu profitieren.
Dann hebt sie seine Worte über deutsche Art hervor:
Ich liebe sehr diese Lebensart; es liegt etwas Aufrichtiges, Loyales, Natürliches in dieser Art; wenn das bei uns doch auch so wäre. Wir sind sehr weit davon entfernt!
Es entsteht große Begeisterung voneinander. Am Abend kam
der König … mit dem Kaiser an der Hand zu mir und sagte mir: „Siehe, was ich Dir versi-chern kann, ist, daß die Russen niemals einen Kaiser gehabt haben, wie diesen da; er hat lange mit mir gesprochen, und er hat Grund-sätze bekannt, welche ihm sehr viel Ehre machen und welche mich für das Leben an ihn knüpfen.
Der Zar lobte Luises freundlichen Umgang mit dem Militär und den Soldaten:
Er billigte sehr die Höflichkeit und die Freundlichkeit, mit der ich sie alle behandelte … Ich antwortete ihm, daß ich fände, daß man einem Stande, der so achtbar, aber von so vielen Mühen und Unfällen begleitet wäre, wie der Militärstand, nicht genug Achtung und Interesse beweisen könne.
Am letzten Tag sah das Königspaar russischem Exerzieren zu. Und nochmals versichert der Zar dem Königspaar,
daß er sich sehr glücklich fühle, diese ganze Welt, unsere ganze Art zu sein, kennenge-lernt zu haben …,
schreibt Luise. Übrigens waren der Zar und die Köni-gin Verwandte, Vetter und Base. Der Zar war der Enkel der Zarin Katharina der Großen, die ja von Anhalt-Zerbst stammt. Diesen Teil des deutsch-blütigen blonden Adels hatte die Guillotine noch nicht erfaßt.
Luise faßt in ihrem Brief an ihren geliebten Bruder Georg zusammen:
Die Memeler Entrevue war göttlich, die beiden Monarchen lieben sich zärtlich und aufrichtig, gleichen sich in ihren herrlichen Grundsät-zen, der Gerechtigkeit, Menschenliebe und … Beförderung des Guten. Auch ihr Geschmack ist gleich. … Einfachheit, Haß der Etikette und Gepränge des König- und Kaisertums. Alles ging erwünscht und gut, und es wird immer so gehen …
Der preußische Gesandte Lombard, der in Memel dabei war, erwähnt,
… daß die Zauberin nicht wenig beigetragen hat, die Bande zu festigen, die tatsächlich die beiden Fürsten verbinden.
Und Oberhofmeisterin Gräfin Voß vermerkt in ihrem Tagebuch:
Der Arme ist ganz begeistert und bezaubert von der Königin.
Das anzügliche Gerücht, zwischen Zar und Königin habe es eine Affäre gegeben, brachte ein polnisches Blatt auf – beiden Mächten nicht wohlgesonnen.
Doch schon bald zeigten sich die verschiedenen Ziele von Zar und Preußenkönig:
Während Friedrich Wilhelm III. den Frieden in Europa beinahe um jeden Preis erhalten wollte, sah der Zar seine Mission als Befreier Europas vom Joch Frank-reichs und hoffte, zu gegebener Zeit den neuen Freund zu seinem Zug nach Westen gewinnen zu können, den er ohne die „Armee Friedrichs des Großen“ – wie er sagte – nicht wagen wolle.
Das paßte nicht zu Friedrich Wilhelms Friedens- und Neutralitätspolitik, und schon 1803 erfuhr die preußisch-russische Freundschaft die erste Belastungsprobe. Sehr bald nach dem Treffen in Memel war die Depesche des Zaren in Berlin eingetroffen, in der er um die Erlaubnis des Durchzugs seiner Armee durch Preußen bat.
Friedrich Wilhelm III. sah die dadurch entstehende Herausforderung Frankreichs und lehnte um des Friedens willen ab.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland waren erkaltet. Indessen kam es zwischen Frankreich und England zu heftigen Auseinandersetzungen.
Napoleon war dabei, den Frieden in Europa zu stören. Am 20. März 1803 erschien der französische General Duroc in Berlin, um im Auftrage Napoleons anzukündigen, daß Frankreich bei Ausbruch eines Krieges mit England Hannover besetzen werde.
Hannover war kein Teil Englands, wie vielleicht mancher vermuten könnte. Hannover war nur insofern mit England verbunden, als der König von England zugleich Kurfürst von Hannover war und beides in Personalunion regierte.
Hannover war preußische Provinz. Das Ansinnen Napo-leons, es einfach zu besetzen, war also ein höchst unver-schämtes und gefährliches Vorgehen gegen Preußen.
Friedrich Wilhelm III. schickte nun ausgerechnet seinen französisch gesinnten Lega-tionsrat Lombard nach Brüs-sel, um sich nach dessen Eindrücken für eigene Ent-schlüsse zu entscheiden.
Lombard berichtete nach seiner Rückkehr dem König von den feierlichsten Versicherungen, Napoleon sei ausschließlich mit seinem Krieg gegen England be-schäftigt und wolle auf dem Festland Frieden.
Das bewog Friedrich Wilhelm dazu, nicht aufzu-rüsten und Napoleon zu schreiben:
Wenn ich in der Antwort, die mir Lombard zurückbringt, die Versicherung finde, daß jetzt nach der Besetzung des Kurfürstentums Hannover Ihre Gerechtigkeit alle anderen Folgen dieses unglücklichen Krieges von mir fernhalten wird, … daß Sie jede Maßregel zurückweisen, welche die britische Seemacht herausfordern könnte, die Freiheit der Ströme zu bedrohen und die Sicherheit des Handels zu vernichten, dann werde ich glauben, meiner Pflicht weiter nichts schuldig zu sein, als wie Ihre Freundschaft. Ihr Wort wird dann für mich gelten, als ein feierlicher Vertrag!
Wir sehen: Hier vertraut ein typisch argloser Deutscher einem arglistigen freimaurerisch-überstaatlich gebundenen Südländer.
Und der Preußenkönig kriegt seine Antwort von Napoleon, von Lombard überbracht:
Was wollen Sie. General Mortier ist in Han-nover eingerückt mit seinen zwölftausend Mann wie ein dreister Straßenjunge! Die Hannoveraner hätten meine erste Armee ganz gut hinausjagen können, allerdings: Ich würde dann eine weitere, stärkere, geschickt haben, die ihren Zweck schon erreicht haben würde.
Luise indes erhielt von Napoleons Frau Joséphine eine Sendung mit Brüsseler Spitzen, 12 Hüten und Hauben, einen Karton mit Blumen und einen Karton mit einem Spitzenkleid von ungeheurem Wert, ein schwarzes Spitzenkleid und ein Ballkleid in Stahl gestickt.
Toll! Aber die Bonapartes konnten das alles ja leicht aus ihrem hannoveranischen Raubzug bezahlen! Die 2 Jahre Besatzung hatten ihnen 26 Millionen Taler eingebracht.
Mit solchen plumpen Winken mit dem Zaunpfahl enthüllten sich die Geber.
Luise bedankt sich nie persönlich, sondern läßt erst im nächsten Jahr einen Dank ausrichten, und erst im übernächsten Jahr sendet sie als Gegengeschenk Vasen aus der Königlichen Porzellanfabrik!
Rußland fing nun an zu argwöhnen, zwischen Preußen und Frankreich gäbe es ein heimliches Einvernehmen. Der friedliebende Friedrich Wilhelm III. hatte Hannover nicht abgesichert, indem er der Besetzung Napoleons durch preußische Besetzung zuvorgekommen wäre.
Er ließ nicht mobilmachen, er versuchte mit Frank-reich und Rußland durch Verhandlungen zu einer Verständigung zu kommen, brach dann aber im April 1804 alle Verhandlungen ab mit der Erklärung, er erwarte mit Bestimmtheit, daß Frankreich seine Truppen in Hannover nicht weiter verstärke und die Neutralität der norddeutschen Staaten nicht mehr verletze. Dann werde Preußen sich nie an feindlichen Plänen gegen Frankreich beteiligen!
Rußland gegenüber gab er auf Alexanders Wunsch eine zweite Erklärung, die die Verbürgung gegen Rußland enthielt, bei allen friedlichen Maßnahmen Rußland miteinzubeziehen.
Die von Alexander gewünschte Allianz mit Rußland verwarf Friedrich Wilhelm, denn deren Spitze sei doch gegen Frankreich gerichtet. Er wollte der Freund der einen wie der anderen Seite sein.
Luise sah mit wachsender Sorge auf die Politik ihres Mannes.
Da sie aber im Februar 1803 ein weiteres Töchterlein geboren hatte – sie nannte es Alexandrine in Erinnerung an den Freund und Zaren Alexander – war sie eingespannt in ihren Mutterpflichten mit nunmehr 5 Kindern.
Der Zar kommt im Laufe der Jahre 1803 bis 1805 mehr und mehr in Sorge über die Entwicklungen im westlichen Europa und teilt Friedrich Wilhelm mit, daß er beabsichtige, am 25. Oktober 1805 in Berlin einzutreffen. Unter preußischem Kanonendonner hielt er Einzug in Potsdam. Jubelnd empfingen ihn die Deutschen.
Wieder machte der Zar am Berliner Hof den hinrei-ßenden Eindruck wie vor 3 Jahren in Memel. Selbst ein Mann wie der stolze Freiherr vom und zum Stein war so bezaubert, daß er beabsichtigte, in naher Zukunft in russische Dienste zu treten.
Der Zar war aber gekommen, um den König von Preußen für ein Kriegsbündnis zu gewinnen, das Österreich und Rußland bereits gegen Frankreich geschlossen hatten. Friedrich Wilhelm III. zögerte.
Luise aber, das fiel auch dem Zaren auf, ahnte die kommenden Konflikte, sah einem wahrscheinlich unausbleiblichen Krieg entgegen und gab allmählich ihre Zurückhaltung in Bezug auf die Regierungsge-schäfte auf.
Der „Potsdamer Vertrag“ über das Bündnis Rußland-Österreich-Preußen kam zustande.
Wie bewegt mich diese Schilderung.
Geschichtsschreibung, wie sie heute im Zuge der allgemeinen Unkenntnis nötiger denn je wäre! Ignoranten bis in die Spitzen der politischen Repräsentanz führen das große, nur auf Schuldbewußtsein angelegte Wort. Bei meinen Besuchen in Memel betrachtete ich das von Königin Luise bewohnte Haus immer wieder ganz bewußt, aber auch wehmütig.
Fritz, der Pastor:
Das war noch Politik vom Menschlichen, die alles mit einbezog.
Ehre und Würde, Verstand und die lichte Herzensseite. Wie konnte sich angesichts dieser Verbindungen europäisch wohlgesinnter adliger Häupter der menschenvernichtende Bolschewismus letztlich durchsetzen? Warum bewahrten die adligen Häupter Europas nicht die Zarenfamilie davor, brutalst abgeschlachtet zu werden? Dem russischen Volk ist es bis heute noch nicht gelungen, durch Reue diese teuflische Vergangenheit sich in ihrer ganzen Weite und Tiefe bewußt zu machen, um die Volksseele ethisch zu veredeln. Putin redet immer noch von den Massen unwidersprochen vom vaterländischen Sieg über einen verbrecherischen Faschimus, den er allein dem deutschen Volk anlastet.
In Sibirien werden heute noch Ikonen von Stalin verehrt. Wer die Macht unumschränkt – ob legal anvertraut oder usurpiert – an sich riß – mißbraucht, wird immer noch als kleiner oder großer Gott verehrt. Stalin ist nicht der Einzige. „Wie viele Straßen muß ein Mann erst begeh´n, bevor du sagst, er sei ein Mann? Wieviele Meere muß eine eine weiße Taube segeln, bevor sie im Sande schläft?“
Einige Menschen haben es begriffen, die sich vom Text und Melodie erreichen ließen. Ob diese wenigen eines Tages
zur Masse werden? Die Finsternis kann das Licht nicht überwältigen, so im ersten Kapitel des Joh. Ev. Also bleibt die Hoffnung.