Jungfräuliche Geburt
Mittwoch, 15. April 2009 von Adelinde
Prof. Dr. theol. Uta Ranke-Heinemann
findet es absurd, an die jungfräuliche Geburt Jesu zu glauben. Und wer wollte ihr da – im Zeitalter der Aufklärung – noch immer widersprechen?
Doch unverdrossen verkündete noch Weihnachten 1992 Kardinal Sterzinsky:
Heute feiern wir den Tag, an dem Maria in unversehrter Jungfräulichkeit ihren Sohn geboren hat.
Ranke-Heinemanns intellektuell hochbegabter Studienkollege Joseph Ratzinger war ihre Hoffnung auf den Sieg der Vernunft innerhalb der katholischen Kirche gewesen, als sie in seinem Buch Einführung in das Christentum (2. Auflage München 1968) die Sätze las:
„Die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum; kein Vorgang in der Zeit, sondern in Gottes Ewigkeit.“
Wegen ihrer ketzerischen Äußerungen über Jesu „Jungfrauengeburt“ hatte Kardinal Hengsbach der Professorin 1987 ihren Lehrstuhl (für Neues Testament und Alte Kirchengeschichte) an der Universität Essen weggenommen,
Exkommunikation eingeschlossen.
Das Rausschmeißen und Verfluchen von Nicht-Linientreuen
ist zwar ein typisches Merkmal der katholischen Kirche, ist aber auch bei vielen anderen Ideologie-Vereinen gang und gäbe, z. B.:
- trieben es mit dem jüdischen Philosophen und Aufklärer Baruch de Spinoza (1632 – 1677) ganz toll Rabbiner, die ihn am 27.7.1656 mit dem Großen Bann verfluchten, der da lautet:
… Verflucht sei er bei Tag, und verflucht sei er bei Nacht, verflucht sei sein Zubettgehen, verflucht sein Aufstehen, verflucht sei er beim Hinausgehen und verflucht beim Eintreten; möge der Herr ihm nicht verzeihen, so daß des Herrn Zorn und seine Eifersucht gegen diesen Menschen entbrennen … Es wird bekannt gemacht, daß niemand mit ihm sprechen darf, weder mündlich noch schriftlich, noch ihm einen Gefallen tun darf, noch mit ihm unter einem Dach sich aufhalten darf …
-
Diese Schrift wird Dir nie verziehen, nie bekommst Du eine Anstellung,
sagte Anselm Feuerbach seinem Sohn Ludwig voraus, der zwar 1830 seine Gedanken über Tod und Unsterblichkeit anonym herausgegeben hatte, aber enttarnt wurde. Der Vater sollte Recht behalten. Keine Universität gewährte Ludwig Feuerbach eine Anstellung. So hatte der zumindest nichts mehr zu verlieren, blieb ein freier Mann und konnte der Welt aufs Neue klarmachen, was vor ihm schon Xenophanes von Kolophon festgestellt hatte:
Nicht die Menschen sind Geschöpfe der Götter, sondern die Götter sind Geschöpfe der Menschen.
Bei Feuerbach lautet die „Lästerung“ der „altehrwürdigen“ Glaubenswelt:
Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
- Als die Partei der „Grünen“ sich als ökologische Opposition etabliert und sich mit JungsozialistInnen vereint und somit zahlenmäßig gestärkt hatte, ging sie daran, konservative Gründungsmitglieder zu stigmatisieren und rauszuschmeißen. Den Linken paßte nicht, mit Rechten in einem Boot zu sitzen.
- Umgekehrt gerät in Verruf und wird kaltgestellt, wer in einem zum Konservativismus erstarrten Verein zu offen denkt und Wahrheiten und Werke von Leuten anerkennt, die hier als Feindbilder bereits abgestempelt und als „erledigt“ in einer Schublade verstaut sind. Aus Treue zu denen, die urspünglich die Ideen gaben, schleichen sich Dogmatismus, Priestertum, Fanatismus, kurz: geistige Unfreiheit ein.
Nur Selbstdenkende, frei sich nach sich selbst richtende Unabhängige, denen der Sinn allein nach dem Wahren, Guten und Schönen steht, sind fähig, Wahrheit auch beim Andersdenkenden zu erkennen, Brücken zu schlagen und aus der Enge der „Wagenburg“ herauszutreten.
Kardinal Ratzinger
wurde Papst. Und die Hoffnungen Uta Ranke-Heinemanns auf Freiheit des Denkens und Sieg der Vernunft im Vatikan lösten sich in Nichts auf. Hatte er in seinem o. a. Buch festgestellt:
Der Mythos von der wunderbaren Geburt des Retterkindes ist in der Tat weit verbreitet –
und hatte seine einstige Kommilitonin daraus geschlossen,
daß der Mythos von der Jungfrauengeburt nichts spezifisch Christliches ist
– sie kann das mit etlichen Beispielen aus der Zeit bis vor 4500 Jahren belegen -, so lernte sie am Beispiel Ratzinger, der zum Papst Benedikt XVI. mutierte,
daß die Unfehlbarkeit der Vorgängerpäpste das selbstständige Denken der Nachfolgerpäpste lahm legt. Ein Papst ist dazu verdammt, der ewig Gestrige zu bleiben.
Als Benedikt schwenkte Ratzinger in die Spur seines polnischen Vorgängers Johannes Paul II. ein. Ranke-Heinemann 2006:
Johannes Paul II. wird neuerdings in amerikanischen Sendern „John Paul the Great“ genannt, weil er Bush zum Wahlsieg verholfen hat. Beide haben ja das gemeinsame Motto:
„Je ungeborener, ja ungezeugter das Kind, desto weniger darfst du es töten oder verhindern, je geborener, desto mehr davon darfst du unter Umständen umbringen.“
Das hatte nicht nur zur Folge, daß beide die Todesstrafe und
sogenannte gerechte Kriege, auch „humanitäre Einsätze“ genannt,
befürworteten, sondern auch die klare Anweisung an die Schäfchen, weiterhin an die „Jungfräulichkeit“ zu glauben. Ranke-Heinemann:
Johannes Paul II. hat gemäß seiner Junggesellentheologie den Inhalt der Botschaft Jesu klargestellt und neu definiert in seinem Apostolischen Schreiben „Die Würde der Frau“ 1980, Kapitel 20: Inhalt, Kern und Stern der Botschaft Jesu, das eigentlich Neue, das Jesus in die Welt brachte, war die Jungfräulichkeit.
Papst Benedikt wurde, meint die Professorin,
von Johannes Paul II. … völlig vereinnahmt, beeindruckt, geprägt, umgeprägt. Nichts wurde unter ihm anders.
Der ursprüngliche Mythos
Aber könnte der ursprüngliche Sinn des Bildes von der Jungfräulichkeit, als der Mythos entstand, vor Jahrzehntausenden vielleicht, nicht ein ganz anderer gewesen sein, basierend auf der Beobachtung des spontan sich offenbarenden Göttlichen, das keiner Ursache bedarf, ja auf Ursächlichkeit wie Absicht, Herbeiführenwollen mit Abwesenheit reagiert, sich augenblicklich verhüllt?
Das von selbst aus dem Nichts Auftauchende, das Uranfängliche – war es nicht das, was die Weisen erlebten und der Großen mütterlichen Schöpfungsmacht als deren Wesen zuerkannten, das sich auch in ihnen selbst offenbarte? Kennen wir es nicht alle, so wir ihm noch nicht ganz abgestorben sind, wie plötzlich eine Idee, ein Wissen in uns da ist, das wir willentlich nicht herbeigeführt hatten noch hätten herbeiführen können? Grübeln nützt nichts.
Ein Spaziergang im Grünen bringt es vielleicht, aber stets unbeabsichtigt. Es läßt sich nicht zwingen. Frei, von selbst erscheint es. Brahms ging frühmorgens aus dem Haus in die Natur. Da kamen ihm die musikalischen Ideen. Beethoven machte regelmäßig seine Wanderungen in der Natur, das Notizbuch dabei, um die angeflogenen Ideen festzuhalten. PhilosophInnen haben ihre Zettel bereitliegen für den Fall, daß sich ein Erkennen einstellt.
Unterschätzen wir die Weisheit unserer Altvorderen nicht! Was die Nachwelt daraus gemacht hat, kann vielleicht ihren eigenen geistigen Absturz bezeugen, nicht aber die ursprüngliche Weisheit der Ahnen.
Die jungfräuliche Geburt einem bestimmten Menschen ganz konkret als „biologisches Wunder“ anzudichten, ist so grotesk und widergöttlich, dazuhin Frauen und Mütter verachtend, wie der ganze naturentfremdete Glaube an Herrschergötter und das angeblich irdische „Jammertal“, aus dem – von christlichen Priestern als „Sünde“ verketzert – Freude und Lust verbannt sein sollten.
Ich jedenfalls erlaube mir nicht, auf die „Steinzeit“ herabzusehen und zu glauben, wir hätten es ihr gegenüber moralisch und religiös weitergebracht. Ich sehe eher den Absturz, die Trivialisierung der uralten Mythen, auch des Mythos von der jungfräulichen Geburt.
Liebe Adelinde,
Sie machen einen sehr eindrucksvollen Versuch, die Mythologie von der jungfraeulichen Geburt mit einer Erlebnistiefe zu interpretieren, die, fuer sich alleine nachempfunden, also ohne assoziativen Zusammenhang mit dem Jungfraeulichkeitsmythos betrachtet, Bestand haette.
Aber aus vielen Gruenden ueberzeugt mich diese Interpretation nicht. Ich glaube eher, dass Mythologien von sehr verschiedenartigen Rasse-seelen geschaffen werden.
Der biblische Mythos von der Erbsuende ist nach meinem Empfinden viel eher geeignet, den Mythos von der jungfraeulichen Geburt des Erloesers (!) realistisch zu erklaeren. Es ist der Mythos jener Rassen, die empfinden, dass die Menschen aus Suende geboren sind. Die jedem Menschen (also allen Menschen und allen Rassen!) gemeinsame Unvollkommenheit, mit der wir geboren sind, scheint jenen Rassen recht zu geben. Betonung „scheint“ recht zu geben.
Die von Ihnen als der Ursprung dieser Mythologie vorgeschlagene Sicht erinnert mich an Zeilen aus einem Hoelderlin-Gedicht:
„… ein Raetsel ist
Reingeborenes,
auch der Gesang
kaum darf es enthuellen.“
Es geht ihm wie Ihnen dabei um den Ursprung des Schoepferischen, um ein heiliges Raetsel.
Aber der hier zur Diskussion stehende Mythos entspringt einer Vorstellung von urspruenglich menschlicher Suendhaftigkeit. Uns sollte nicht entgehen, dass eine geschichtlliche Ueberlagerung der einen – rassebedingten – Mythologie ueber eine andere, die unsere, stattgefunden hat.
Uta Ranke-Heinemann wehrt sich gegen diese Ueberlagerung und setzt sich damit in Widerspruch sowohl zu den Dogmatikern, die es nicht wert sind, ernst genommen zu werden, aber viel seelischen Schaden anrichten, als auch zu jenen, deren Rasse-seele sich mit diesem Mythos im Einklang befindet. Letztere sollten wir ehren und in gegenseitigem Respekt Kulturgueter mit ihnen austauschen, selbst wenn uns wie ihnen diese Gueter im Tiefsten nicht nacherlebbar sind.
Ich denke in Jahr-Zehntausenden, wenn ich an die Entstehung des Mythos denke. Die Umdichtung der Bibel stammt dagegen aus überschaubaren Zeiten.
Dieser Eintrag ist übrigens eine Fortsetzung der Artikel über Isis/Ostara/Frau Holle. Auch sie eine uralte, Jahrtausende vor der Bibel-Redaktion erschaffene mythische Gestalt mit verschiedenen Namen.
Die Reihe wird fortgesetzt. Wir blicken in die Steinzeit mit ihrem Kunstschaffen vor 10 bis 20 000 Jahren.
Wenn schon am Anfang des Christentums die Weiche falsch(?) gestellt wurde, dann darf nicht erwartet werden, dass wir auf dem richtigen(?) Gleis unterwegs sind. Die „Jungfrauengeburt“ ist die logische Konsequenz aus einem der 7 Kardinalfehler des Christentums (s. Schnädelbach) und dessen Körperfeindlichkeit. Einer dieser Fehler ist die Erbsündenlehre. Wer die durch leibliche Geburt erblich unvermeidbar erworbene Sündhaftigkeit (Erbsünde) dogmatisch begründet und voraussetzt, muß erklären können, warum Jesus als der Erdensohn Marias nicht erbsündig geboren ist bzw. wie so ganz anders seine „leibliche Sendung“ stattgefunden haben soll. Das ist rational nicht möglich, deshalb das Ausweichen auf Mythen und Legenden, einer bewährten Methode der Theologie nach dem Muster des „deus ex machina“ Denkens.
Die kirchendogmatischen Lösungsvorschläge dieses Problems, durchaus in erkennbarer Nähe zu altägyptischen Mythologie (U. Ranke-Heinemann), sind geistige, theistische Krücken, die an den menschlichen Verstand und seine begrenzten Fähigkeiten überfordernde Anforderungen stellen.
Man bedenke dennoch, und das ist kein Widerspruch: Wer die „Verursachung“ allen Seins theistisch begründet, kommt nicht umhin, dieser/n Göttergestalt/en die Fähigkeit zur Schöpfung eines besonderen Menschen außergeburtlich zuzubilligen. Nach der Kreationstheologie sind Adam und Eva ja auch nicht „Geborene“, sondern „reine“ Schöpfung einer Gottesmacht. Könnte dies nicht auch für Jesus gelten? Nein! Er ist ein „eingeborener“ Sohn (die Trinitätsfrage lasse ich mal aus), dessen göttliche Reinheit durch Fiktion einer „jungfräulichen Geburt“ sichergestellt werden muß, denn der zur Geburt führende Zeugungsvorgang gilt als unrein. Geht es noch widernatürlicher, obgleich doch gottgewollte menschliche Ausstattung?
Der Mythenglaube hätte uns wieder, wenn wir den Mythen und Legenden uneingechränkt und unreflektiert folgen wollten. Ich habe mich daher für den a-theistischen Ansatz entschieden, der ohne geistige Zumutungen gut auskommt. Dabei bleibt all das Göttliche gerade nicht auf der Strecke, weil es von menschlichen Vorstellungen und Projektionen frei bleibt.
Mithus
Well said.