Irrungen und Wirrungen im Rätseln um Beethovens „Unsterbliche Geliebte“ oder: Von Schindlers Liste zu Waldens Pond (1)
Samstag, 10. März 2012 von Adelinde
Wie John Klapproth schon in einem Kommentar bei Adelinde ankündigte, hat er eine verbesserte und erweiterte 2. Auflage seines Buches
Josephine – Beethovens einzige Geliebte
im Manuskript fertiggestellt und Adelinde erlaubt, daraus im Vorhinein den neu hinzugefügten Abschnitt
„Irrungen und Wirrungen um das Geheimnis der ‚Unsterblichen Geliebten‘, oder: Von Schindlers Liste zu Waldens Pond“
zu veröffentlichen. Der Abschnitt ist zwar lang, aber für Beethoven-LiebhaberInnen in keiner Weise langweilig, weil hier erstmals in klarer Übersichtlichkeit zusammengestellt ist, welche Fehlleistungen von welchen AutorenInnen zu schlimmen Verleumdungen Beethovens geführt und welche AutorInnen endlich, 185 Jahre nach Beethovens Tod, mit all dem Wust von Irrtum und Spekulation aufgeräumt haben.
Sie, meine lieben Adelinde-Leser und -Leserinnen, gehören zu dem bevorzugten Kreis derjenigen, denen hier – kostenlos – John Klapproths neueste Arbeitsergebnisse in Fortsetzungsfolgen vorgelegt werden.
Hier nun Klapproths Text:
Der Brief
Als nach Beethovens Tod seine Freunde Holz, Schindler und Breuning und sein Bruder Johann seine Räume durchsuchten (auf der Suche nach Geld und Wertsachen), entdeckten sie in einer Schublade einen dreiteiligen Brief, der mit den Worten begann:
Mein Engel, mein alles, Mein Ich![1]
So weit blieb auch der Beginn des Films „Immortal Beloved“ (1994) noch im Rahmen dessen, was als historische Realität angesehen werden kann. Doch während die Film–Version sich dann in un-
glaublicher Fiktion verliert, die, wenn überhaupt, nur den Erfindungsreichtum des Drehbuchautors widerspiegelt,[2] waren diejenigen, die diesen Brief fanden, völlig ratlos:
Nie zuvor hatte irgend jemand gehört, daß Beethoven in einem solchen Zustand leidenschaftlicher Liebe (und auch der Verzweiflung) gewesen war, und niemand hatte die leiseste Ahnung, wer diese Frau gewesen sein könnte.
Anton Schindler lernte Beethoven um 1814 kennen, und von 1823 an war er für eine Weile dessen Privatsekretär, aber im Jahre 1825 wurde er von Karl Holz abgelöst, einem wahren Freund des Komponisten (der Schindler wohl nicht recht traute – wie wir sehen werden, aus gutem Grund).
Aber es war Schindler, der diesen geheimnisvollen Brief an sich nahm und auch viele andere Dokumente aus dem Nachlaß Beethovens, vor allem musikalische Skizzenbücher und sogenannte Konversationshefte (die seit 1818 verwendet wurden, um Gespräche mit dem Gehörlosen zu führen).
Später – zu spät, um viele der mittlerweile etablierten Mythen zu zerstreuen – konnten viele Forscher akribisch nachweisen, daß Schindler eine Menge dieser Unterlagen gefälscht hatte, durch Hinzufügen oder Ändern von Text, und vor allem, so scheint es, zerstörte er mehrere Konversationshefte – wie viele, weiß niemand.[3]
Vom Jahr 1821 zum Beispiel überlebte kein einziges Konversationsheft, es gibt keinen einzigen Brief an Beethoven, und der Komponist selbst (der in seinen späteren Jahren doch sehr viele Briefe geschrieben hatte) schrieb nur eine Handvoll.[4]
1821 war das Jahr, in dem Josephine Gräfin von Brunsvik starb.
Josephine? Wer?
Spekulationen
Schindlers Biografie über Beethoven erschien 1840, und sie enthielt den Text dieses Briefes – ebenso wie Schindlers Angabe über die Identität der Empfängerin: Julie („Giulietta“) Gräfin Guicciardi, Widmungsträgerin der sogenannten „Mondschein“–Sonate.
Aber ihre Cousine Therese Gräfin von Brunsvik hatte sofort einige Zweifel (nicht öffentlich geäußert, wohl aber in ihrem privaten Tagebuch):
Drei Briefe von Beethoven, angeblich an Giulietta. Sollten es Machwerke sein?[5]
Franz Graf von Brunsvik, Bruder von Therese und Josephine, stand in Verbindung mit Schindler, und er hat ihm wahrscheinlich einen Tip gegeben,
da Giulietta ihre Affären nicht verheimlichte.[6]
So begann das zweite Begräbnis von Josephine Gräfin von Brunsvik, diesmal das der Erinnerung an sie, der einzigen Frau, der Beethoven viele leidenschaftliche Liebesbriefe geschrieben hatte – obzwar 150 Jahre lang der Öffentlichkeit unbekannt.
Therese schwieg aus Diskretion, Franz Brunswick aber hat … alles getan … das Andenken Josephines … auszulöschen.[7]
Thayer fand es schon verdächtig, daß
das gräfliche Taschenbuch für 1850 in der Reihe der Schwestern des Grafen Franz Brunswick den Namen Josephine nicht enthielt.[8]
Und selbst 100 Jahre später liest man:
In der großen Brockhaus–Enzyklopädie von 1967 werden zwar Therese und Franz Brunswick als Freunde Beethovens genannt, Josephine kommt jedoch nicht vor.[9]
In Schindlers Biographie (die vor allem vom Streben nach Selbstverherrlichung geprägt war, und voller Erfindungen)
werden zwar Franz und seine Frau … mehrmals mit Achtung genannt; Josephine und Therese werden jedoch … nicht ein einziges Mal erwähnt. Dabei kannte der Verfasser Therese persönlich…! Schindlers Zuweisung des großen Briefes Beethovens an „seine geliebte Giulietta“ ist auffallend lakonisch… Dabei war ihm genau bekannt, was Beethoven später von Giulietta hielt.[10]
Als Schindler im Jahre 1845 seine Biographie in einer zweiten Auflage neu herausgab, bemerkte Therese bald danach in ihrem privaten Tagebuch (aber wiederum nicht in der Öffentlichkeit) in ziemlich klaren Worten:
3 Briefe Beethovens … sie werden wohl an Josephine sein die er leidenschaftlich geliebt hat.[11]
Therese wußte Bescheid.
Thayers Suche nach der Wahrheit
Während Schindler seine Zeit im Rampenlicht genoß (und dabei den Mythos von sich selbst als dem allwissenden, intimen Adlatus des großen Meisters schuf), begann ein Amerikaner eine lange, niemals abgeschlossene Suche, um die Wahrheit herauszufinden – denn er spürte sehr wohl, daß Schindlers eigennützige Interpretationen mehr verbargen als enthüllten:
Alexander Thayer, der trotz seiner ausgezeichneten Deutsch–Kenntnisse seinen deutschen Kollegen und Mitarbeiter Hermann Deiters die ersten drei Bände einer wahrhaft monumentalen Biografie schreiben ließ,[12]
mit vielen dokumentarischen Nachweisen, Briefe oft vollständig zitiert, und Kommentare eher knapp als spekulativ.
Thayer war betroffen über die Diskrepanzen zwischen den Erinnerungen von Anton Schindler … und den biographischen Notizen von Ferdinand Ries und Franz Wegeler.[13]
Kurz bevor Schindler seine Biographie herausgab, veröffentlichten Beethovens Freunde Wegeler & Ries (1838) einige biographische Notizen über den Komponisten und begründeten damit eine lange Tradition von Sammlungen von Anekdoten, Legenden und Erinnerungen, vielfach im Nachhinein beschönigt – und inzwischen war Beethoven ja weltberühmt, zu einer Institution geworden, jemand, mit dem bekannt gewesen zu sein ein echtes Privileg war.
Eine bestimmte Bemerkung Wegelers ist häufig zitiert worden (aber aus dem Zusammenhang gerissen!):
In Wien war Beethoven, wenigstens solange ich da lebte, immer in Liebesverhältnissen.[14]
Nicht nur war Wegeler in Wien, das heißt, zusammen mit Beethoven, nur etwa zwei Jahre (in den 1790ern), er machte diese Bemerkung nach dem Zitat eines langen Briefes, den ihm Beethoven im November 1801 geschrieben hatte, über
ein liebes zauberisches Mädchen…, das mich liebt und das ich liebe… Es sind seit 2 Jahren wieder einige seelige Augenblicke, und es ist das erstemal, daß ich fühle, daß – heirathen glücklich machen könnte, leider ist sie nicht von meinem stande – und jetzt – könnte ich nun freilich nicht heirathen.[15]
Wegeler konnte Julie Gräfin Guicciardi nicht identifizieren, in die Beethoven damals für eine kurze Zeit verliebt war. Und weder Wegeler noch Ries wußte irgend etwas über Josephine!
Und „2 Jahre“! – seit Josephine verheiratet wurde (mehr oder weniger gegen ihren Willen), kurz nachdem Beethoven sich zum ersten Mal in sie verliebt hatte! Im Jahre 1805 würde er dann andeuten, daß seine Liebe zu Josephine in der Tat mit ihrem ersten Treffen im Mai 1799 be-
gonnen hatte, denn
als ich zu ihnen kam – war ich in der festen Entschlossenheit, auch nicht einen Funken Liebe in mir keimen zu laßen.[16]
Einer der größten Stolpersteine für Thayer war, diesen Brief sinnvoll einzuordnen: Nirgendwo gab es einen Hinweis auf eine Bekannte, die dazu passen könnte (er schloß Schindlers Julie Guicciardi aus), nicht eine einzige zeitgenössische oder anderweitig sachkundige Person, die er interviewte, konnte einen Hinweis auf die Identität dieser „Unsterblichen Geliebten“ geben. Er hatte eine Ahnung, daß es vielleicht Therese gewesen sein könnte, die von dem Komponisten offensichtlich sehr angetan war – und Thayer schloß deshalb, daß der Brief im Jahre 1806 geschrieben wurde, und dachte, Beethoven müßte einen Fehler bei der Datierung „Montag, 6. Juli“ gemacht haben! (Dieses Datum war nur im Jahre 1807 möglich – und 1812.)
Somit entschied sich Thayer klugerweise dazu, aufzugeben und die Angelegenheit unentschieden zu lassen, und verwies den Brief in den Anhang seines Werkes.
Mehr Spekulationen
Inzwischen
entstand eine Menge Literatur, viel fantasievoller als das, was Schindler je über Beethovens Leben geschrieben hatte. Diese deutsche Prosa bildete einen seltsamem Kontrast zu dem sorgfältigen und methodischen … Text … den Thayer an Deiters übergeben hatte.[17]
Eine dieser Fantasien war von Mariam Tenger (1890), die die Therese–Hypothese aufgriff, und damit den eigentlichen Kern der Tradition der „Irrungen & Wirrungen“ begründete, nämlich zu verwirren, verdutzen, verblüffen, disorientieren, verwechseln, verdecken, mystifizieren, blenden, verschleiern … in diesem Fall durch reine Fiktion. Das von ihr gefälschte Tagebuch Thereses wurde bald von (deutschen) Beethoven–Forschern entlarvt[18]
– aber das hat es nicht daran gehindert, in englischer Sprache veröffentlicht zu werden!
Die Musik–Historikerin La Mara (1909) veröffentlichte Thereses authentische Memoiren (und hielt sie zunächst für die „Unsterbliche Geiebte“), voller Bewunderung und Anbetung Beethovens – jedoch kein einziges Wort über die Liebe zwischen ihrer Schwester Josephine und Beethoven!
In der Zwischenzeit sichtete Thomas–San–Galli (1909) die offiziellen Gästelisten in Böhmen (in der – richtigen – Annahme, daß der Brief im Jahre 1812 geschrieben wurde), und er spekulierte, daß Amalie Sebald die „Unsterbliche Geliebte“ gewesen sei. (Beethoven traf sie etwas später mehrere Male, und er schrieb ihr ein paar freundliche Briefe, aber sicherlich keine Liebesbriefe.)[19] Amalie war Anfang Juli 1812 definitiv nicht in Prag,[20] und dann meinte Thomas–San–Galli (1910), daß es wohl doch Therese gewesen sei, da er annahm, sie könnte (heimlich) nach Prag gereist sein.
Zweifel wurden sofort von Unger (1910) angemeldet über Amalie Sebald,[21] und von de Hevesy (1910), der Therese ausschloß.[22]
Es gab auch einen gefälschten Beethoven–Brief von Paul Bekker (1911), von Newman (1911) sofort als Fälschung entlarvt[23] – wirklich ein letzter verzweifelter Versuch, die mittlerweile in Verruf geratene Julie Guicciardi–Hypothese zu retten.
Doch „Giulietta“ würde immer wieder von neuem auftauchen…[24]
Die Entdeckung Minonas
La Mara (1920), nach Entdeckung der
Korrespondenz von 1804 und 1805 zwischen den Mitgliedern der Brunsvik–Familie, die Beunruhigung über die Entwicklung der Beziehung zwischen Beethoven und Josephine ausdrückt…[25]
bekannte, es
drängte sich mir die Überzeugung auf, daß … Josephine verwitwete Gräfin Deym die „unsterbliche Geliebte“ Beethovens … sei.[26]
Rolland, der durch Marianne Czeke einige von Thereses Tagebuch–Notizen[27] kannte, ist auch schon aufgefallen, daß Beethoven in Josephine verliebt gewesen war.
Aber es war Kaznelson (1954), ein polnischer Zionist, der eine Entdeckung veröffentlichte, die ihn nicht gerade beliebt machte beim Beethoven–Establishment, vor allem in West–Deutschland: Er fand noch mehr Dokumente im Brunsvik–Nachlaß, aus denen sich ergab, daß Josephines zweite Ehe mit dem estnischen Baron Stackelberg ca. Mai/Juni 1812 irreversibel zerstört war (als er eine Szene machte und danach verschwand). Therese übernahm die Kinder, Josephine wurde allein gelassen, jedoch gab es
keine Einträge in Thereses Tagebuch zwischen dem 9. Juni und 6. August 1812. Am 9. April 1813 [28] gebar Josephine eine Tochter, Minona. Da Stackelberg über 10 Monate[29] vor diesem Datum nicht mit Josephine zusammen war, konnte er kaum der Vater gewesen sein.[30]
Sicherlich haben wir hier – nicht gerade eine „Rauchende Pistole“ – aber auf jeden Fall etwas, das Sherlock Holmes (Thoreau zitierend) eine „Forelle in der Milch“ genannt hätte.[31]
Denn wer sonst hätte der Vater Minonas (= die „Forelle in der Milch“) sein können? Sicher, es gibt (noch) keinen Beweis dafür, daß Josephine in Prag war (und Beethoven dort traf), aber sie hat auch kein Alibi!
Der Umstand, daß man … als Folge dieser Begegnung eine natürliche Tochter in Kauf zu nehmen hatte, erschien der professionellen Welt als so abenteuerlich, daß die Widerstände gegen die Josephinen–Hypothese sich merklich versteiften.[32]
Die deutsche Beethoven–Forschung war offensichtlich äußerst unwilllig, Kaznelsons Entdeckung zu akzeptieren – nicht nur, weil er nicht einer von ihnen war, oder sich ins Rampenlicht gedrängt hatte – nein: seine Argumentation hatte etwas für sich. Aber solch ein Fehltritt des vergötterten Komponisten – zu ungeheuerlich, auch nur daran zu denken!
Fortsetzung folgt
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[1] in Brandenburg (1996), Nr. 582. Der Begriff „Unsterbliche Geliebte“, unter dem dieser Brief – und dessen Empfängerin – seitdem bekannt geworden ist, erscheint nur einmal, im zweiten Postskript.
[2] Siehe dazu Lockwood (1997).
[3] Siehe Stadlen (1977), Goldschmidt (1977, S. 470, N. 138), Herre & Beck (1978), Beck & Herre (1979), Howell (1979), Newman (1984), Beck & Herre (1988), und Albrecht (2010).
[4] Siehe Albrecht (1996, Bd. 1, S. xxix), und die Kommentare und Statistiken für jedes Jahr in Brandenburg (1996, Bd. 1, S. XVII).
[5] Thereses Tagebuch, 12. November 1840, in Tellenbach (1983), S. 15. (Der Brief war in 3 Teilen.) Weitere interessante Details – und Korrekturen vieler Mythen – über „Giulietta“ in Steblin (2009).
[6] Tellenbach (1983), S. 17.
[7] Tellenbach (1983), S. 16. Siehe auch Goldschmidt (1977), S. 287.
[8] Thayer (1907–1917), Bd. 2, S. 62; zitiert in Tellenbach (1983), S. 16.
[9] Tellenbach (1983), S. 292, N. 4.
[10] Tellenbach (1983), S. 18. Nach ihrer Heirat (im Jahre 1803) lebte Julie etwa 20 Jahre in Italien, kehrte aber mehrmals nach Wien zurück. Einmal wurde sie dabei von Beethoven sogar schroff zurückgewiesen (Steblin 2009, S. 151).
[11] Thereses Tagebuch, 15. Januar 1847, in Goldschmidt (1977), S. 295.
[12] Alexander Thayers Ludwig van Beethovens Leben, übersetzt und bearbeitet von Hermann Deiters, wurde erstmals 1866, 1872 und 1879 in 3 Bänden veröffentlicht.
[13] Forbes (1967), S. viii.
[14] Wegeler & Ries (1838), S. 43.
[15] in Brandenburg (1996), Nr. 70; und in Wegeler & Ries (1838, S. 38–41), genau vor der zuvor zitierten Bemerkung abgedruckt.
[16] Beethoven an Josephine, März/April 1805, in Brandenburg (1996), Nr. 216.
[17] Forbes (1967), S. ix.
[18] La Mara (1909, S. 17) nannte es eine „Chimäre“.
[19] Siehe Brandenburg (1996), Nr. 593, 595, 596, 597, 598a, 598b, 599, 600, 601.
[20] Cooper (2000, S. 416) schloß sie daher als eine mögliche Kandidatin aus.
[21] „Der Ton der Briefe an Amalie Sebald im September 1812 ist unvereinbar mit dem des Briefes an die ‚Unsterbliche Geliebte‘.“ (Forbes 1967, S. 1090.)
[22] Der „Louis“, den Therese in ihrem Tagebuch erwähnt, war in Wirklichkeit Graf Louis Migazzi, einer ihrer späteren Freunde.
[23] Abgedruckt in Goldschmidt (1977), S. 535 f. Diese Fälschung täuschte viele Gelehrte jener Zeit: „Die Redaktion der ‚Musik‘ legte dieses Beethoven–Manuskript vielen bekannten Fachleuten vor, welche alle unabhängig voneinander das Stück für echt erklärten.“ (Goldschmidt 1977, S. 537.) Doch dann „veröffentlichte Bekker, der von ihm publizierte Beethoven–Brief sei eine Fälschung. Viele Beethoven–Forscher wollten dies aber nicht glauben und gaben in Tages– und Fachzeitschriften ihrer Überzeugung Ausdruck, daß es sich zweifellos um ein wertvolles echtes Stück handle.“ (Goldschmidt 1977, S. 538.)
[24] Der herzzerreißende Film „Un Grand Amour de Beethoven“ von Abel Gance (Frankreich 1936) präsentierte diesen Mythos. – Karbusickỳ (1968) schaffte später noch mehr Verwirrung in Deutschland; seine „Giulietta“–Hypothese wurde von Tellenbach (1983, S. 46) zurückgewiesen, denn „was er dafür an Beweisen anführt, ist alles irreführend.“ – Er-
staunlicherweise findet man 200 Jahre, nachdem dieser Brief definitiv nicht an sie geschickt war, dies auf einer österreichischen Website: „Beethoven komponiert[e] die [‚Mondschein’–]Sonate eigentlich für seine Schülerin Giulietta Guicciardi, seine angeblich ‚unsterbliche Geliebte‘.“ (http://www.beethovencenter.at/Materialien/saner.htm, 1. März 2012.) Auch komponierte Beethoven diese Sonate durchaus nicht „für“ Julie; er widmete sie ihr (und nannte sie dabei „Giulietta“ und sich selbst „Luigi“).
[25] Forbes (1967), S. 1090.
[26] La Mara (1920), S. 1.
[27] Rolland (1928, S. 299–332); Czeke (1938).
[28] In Wirklichkeit war es am 8. April 1813, einer von vielen (manchmal kleineren, manchmal signifikanten) Fehlern, die sich in die Literatur einschlichen und dann perpetuiert wurden. Der Fehler entstand mit Thereses – nicht immer zuverlässigen – Memoiren (in La Mara 1909, S. 101).
[29] Stackelberg kehrte im August 1812 wieder für einige Zeit zurück (Goldschmidt 1977, S. 223).
[30] Forbes (1967), S. 1091 f.
[31] Sherlock Holmes erläuterte: „Meine ganze Untersuchung diente dazu, meine Vermutung in Gewißheit zu verwandeln. Indizien sind manchmal sehr überzeugend, wie wenn man eine Forelle in der Milch findet, um Thoreaus Beispiel zu nennen.“ (Conan Doyle 1892, S. 250.) Das Zitat von Thoreau bezog sich auf einen Milchkutscher–Streik in 1849, als der Verdacht aufkam, daß die Milch verwässert wurde: mittels Eimern aus dem Kanal (in dem es wohl Forellen gab).
[32] Goldschmidt (1977), S. 15.
Warum kommt Niemand auf den Gedanken, die beiden Liebenden zu der Erfüllung ihrer Liebe und zu dem Kind von Herzen zu beglückwünschen?
Sehr wahr, lieber Hape. Wie schön wäre es gewesen, wenn sich die beiden Liebenden zu ihrer Liebe und zu ihrem Kind hätten bekennen dürfen. Statt dessen mußten sie sich verstecken – so diktierten es der Zeitgeist wie vor allem auch der Standesdünkel der Brunsviks, und die außereheliche Zeugung ihres Kindes Minona galt als ein schweres Vergehen.
Daß es einer wahren detektivischen Spurensuche bedurfte, um das Liebesverhältnis zu entdecken und zu verstehen, ist dem Schweigen der beiden Liebenden zu „verdanken“.
Tragisch! Und diese ganze Seelennot bezahlten beide mit ihrem frühen Tod.
Besonders widerlich sind dann die späteren Spekulationen einiger phantasiebegabter Leute, die an eine so lautere Seelenverfassung, wie die Beethovens und Josephines, wohl nicht glauben konnten. Nichts war ihnen zu schlecht, als daß sie es ihnen zutrauten – nach dem Motto: „Was ich selber denk und tu, das trau ich auch dem andern zu.“
Seit ca. 1964 betreibt eine Freundin Beethovenforschung und hat sich mit allen als ausgewiesen möglichen unsterblichen Geliebten beschäftigt. So sind wir dann gemeinsam 1987 an alle Orte gefahren, in denen Beethoven sich zu der Zeit um 1812 aufgehalten hat, also in Karlsbad, Prag und haben auch Marienbad und Franzensbad besucht.
Und durch unsere Erkenntnisse im Hause Brentano unter Zuhilfenahme der Aussagen von Clemens Brentano und Maynhard Solomon sind wir auf die Familie Franz Brentano gestoßen, wo es deutlich wird, dass die vier Kinder der Antonie Brentano geb. Birkenstock italienische Gesichtszüge zeigten, doch das fünfte Kind nach Kindergemälden Beethoven ähnlich sieht.
Beethovens Sohn:
http://www.bilder-hochladen.net/files/big/e63g-2-c81e.jpg
Die Antonie-Thesen des Maynard Solomon wurden durch La Mara, Tellenbach, Klapproth u. a. widerlegt, was aber nicht bedeutet, daß sie in Deutschland nicht immer noch vertreten werden.
Doch zugegeben: Das Knabenbild hat Ähnlichkeit mit Beethoven.
Nun, ich hatte damals das Bild Frau Susan Lund zur Verfügung gestellt, was sie dann in Ihrer Buchausgabe unter Angabe der Finderin veröffentlicht hat: http://www.writersguildbookscoop.co.uk/susan-lund.html
es gab ja nur zwei nur angeblich logische belege, die beweisen sollten, dass es keine kinderzeugende begegnung zwischen antonie brentano geb. birkenstock und beethoven gegeben haben kann. das war zum einen die aussage, dass beethoven es postolierte, dass er keine ehebrecherischen begenungen mit frauen eingehen würde, und dass auch später ein gutes verhältnis zu franz brentano bestand, der ihn finanziell unterstützte. es wurden jedoch aussagen von clemens brentano unterschlagen, wo ihr von clemens unsittliches verhalten vorgeworfen wurde, doch dazu müsste man die bildfinderin fragen, sie hatte die abwertenden worte von clemens in bezug auf ihre moral seinerzeit im archiv in frankfurt gefunden. und der nicht abgeschickte dreiteilige brief deutet ja darauf hin, dass eine beziehung nicht gelebt werden kann. aufällig ist jedoch die ähnlichkeit von karl joseph und beethoven der sich dadurch erheblich von den gesichtern der kinder von franz brentano unterscheidet, denen man den italinischen einschlag ansieht, doch auch diese kinder sind nicht auf fotos im internet zu finden. so ist die wahrscheinlichkeit größer, dass man eine in der gesellschaft als honorige person angesehene antonia, die sich auch für ärmere sehr einsetzte nicht zu kompomitieren, und so wurden argumente gesucht um das verhältnis zu widerlegen. denn heute wissen wir, je rigoroser jemand etwas ablehnt, desto gefährdeter ist er, dass ihm so etwas passiert, und in anbetracht der bürde, die antonia durch das kind von beethoven hatte, häufige epileptische anfälle, ist es verständlich, dass der illegitime vater verleugnet werden musste, und deshalb beethoven auch nie den brief abgeschickt hat, jedoch wie goethe durch seinen faust II und die anklage der ermordung schillers offenbarte, so auch beethoven, durch die hinterlassenschaft seines dreiteiligen briefes hinweise liefern wollte, hinweise in bezug auf die unsterblichkeit seiner liebe. doch genauso, wie goethes aussagen auch heute noch größtenteils nicht durch die medien wahrgenommen werden, so ist das auch mit der beziehung von antonia zu beethoven. da fällt mir ein ausspruch von alfred delp sj ein, der seine brüder nicht verriet und deshalb von den nazis gefoltert wurde und sogar seine peiniger viel hochachtung vor ihm hatten, so dass er am abend vor seiner hinrichtung durch den strang noch mit gebundenen händen an seine brüder folgendes schreiben durfte: „WENN MAN SEIN SEGEL IN DEN UNENDLICHEN WIND STELLT – FÜHLT MAN ZU WELCHER FAHRT MAN FÄHIG IST“ in diesem sinne war auch beethoven bedingungslos bis über seinen tod hinaus. http://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/klassik/beethoven/brief_ug.htm „Kann unsre Liebe anders bestehn als durch Aufopferungen, durch nicht alles verlangen, kannst du es ändern, daß du nicht ganz mein, ich nicht ganz dein bin – Ach Gott blick in die schöne Natur und beruhige dein Gemüth über das müßende – die Liebe fordert alles und gantz mit recht, so ist es mir mit dir, dir mit mir – nur vergißt du so leicht, daß ich für mich und für dich leben muß, wären wir gantz vereinigt, du würdest dieses schmerzliche eben so wenig als ich empfinden “ hier wird deutlich, dass keine ungebundenen kandidatinnen gemeint sein können, sondern eine frau, die ihn liebt, jedoch das aus gesellschaftlichen gründen nicht statthaft ist, erinnert uns das nicht an hölderlin und seine „DIOTIMA“ was ihn in die irre getrieben hat? so müssen erst alle regeln gebrochen werden, damit die inneren regeln der wahlverwandtschaft deutlich werden, oder wer an wiedergeburt glaubt auch wieder erscheinen können. oder was verstehen wir unter dem verlorenen sohn der zum inneren vater zurück kehren will, muss er nicht alle konventionen verlassen, also
Liebe Frau Beißwenger,
gerade hab ich eine Art Rezension zu der neuen Beethoven-Biographie von Jan Caeyers geschrieben. Noch habe ich mich nicht ganz durch die 800 Seiten durchgequält, aber immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, weil mich vieles sehr geärgert hat.
Ich bin nun bis zum Jahre 1822 vorgedrungen. Ich war vor allem gespannt darauf, was er zur „Unsterblichen Geliebten“ sagen würde. Und tatsächlich schlägt er sich auf die Seite von Frau Tellenbach. Sogar Klapproth wird in den Anmerkungen erwähnt. Die Josephine-These erhält also Verstärkung.
Allerdings wird nach einem dieser Frage gewidmetem Kapitel ansonsten nur sporadisch und sogar banalisierend darauf eingegangen. Er hat das Tellenbach-Buch aber ziemlich gründlich gelesen. Viele Beispiele, die er anbringt, hat er daraus gezogen, ohne es anzugeben. Da ich das Tellenbachbuch in- und auswendig kenne, ist mir das natürlich aufgefallen. Ich könnte viele Beispiele nennen, erspare mir aber im Moment die Mühe.
Wie gesagt, ich war nun besonders auch darauf gespannt, wie er die Tatsache des Todes von Josehpine in seine Schilderung einbringen würde. Hier ein Zitat (S.647):
„Einige Beethovenforscher können der Versuchung nicht wiederstehen, eine Verbindung mit dem Tod von Josephine herzustellen. Zwar gibt es keine Dokumente und Briefe oder Notizen, die auf einen solchen Zusammenhang hindeuten. Doch wie das ganze Drama um die ‚Unsterbliche Geliebte‘ zeigt, kann dies auch kein Beweis dafür sein, dass Josephines Tod Beethoven gleichgültig ließ. Das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein.“ Immerhin!
Anschließend geht er noch eine halbe Seite auf die beiden letzten KL.-Sonaten ein:
„Dieselben Forscher sind der Ansicht, dass …“ diese Sonaten die „emotionale Aufgewühltheit Beethovens nach dem Tod wiederspiegeln…“ – “ Es ist reizvoll, die Sonate unter diesem Aspekt zu hören…“ – ( reizvoll?)
„… Der ganze Satz klingt eher wie eine Art lyrisches Menuett und erinnert sofort an das Andante favori, Josephines Lieblingsstück. (Josephines Lieblingsstück, so’n Quatsch!) Die fanatischsten Anhänger (wen meint er eigentlich damit ???) der Josephine-These hören in den Anfangstakten sogar einen letzten Liebesseufzer ihres ewigen Anbeters.“
Dann folgt ein Notenbeispiel des Motivs mit der Beschriftung Lie-be Jo-se-phi-ne. – An dieser Stelle hatte ich genug und bin zur Tat geschritten, habe mir die Caeyers Biographie bei amazon rausgesucht und geschrieben unter der Überschrift „Gekniffen!“
Davor, vor der eben zitierten Passage schreibt Caeyers 17!!! nichtssagende Seiten über die Vermarktungsprobleme Bs. mit seiner Missa Solemnis.
So, jetzt ist mir leichter!
Elisabeth Galle
Nachtrag: Es ist nicht zu fassen. Gerade habe ich das Kapitel 6: „Der Kreis schließt sich: Die späte Klaviermusik“ zu Ende gelesen (S. 641-656). Das müssen Sie mal lesen!!!
Es ist schon unverfroren dreist, die Ergebnisse von Frau Tellenbach einfach zu klauen und als die eigenen auszugeben. Frau Tellenbach weist nach, wie das Andante-favori-Motiv in den letzten Klavierstücken von Beethoven verwendet wurde, und genau diese Beispiele führt Caeyers ebenfalls an. Wie schäbig von ihm, den Namen Tellenbach dabei nicht zu erwähnen. Ohne ihr mutiges Kapitel „Spuren in der Musik“ wären Caeyers Aussagen doch gar nicht denkbar gewesen!
Liebe Frau Galle,
das Buch von Jan Caeyers wird auf der Rückseite des Einbandes und auch von der FAZ über den Klee gelobt: Es sei eine Beethoven-Biographie von nie dagewesener Qualität! Und nun Ihre Rezension bei amazon!
Die kann man lesen unter:
http://www.amazon.de/gp/cdp/member-reviews/A3UMFDY7SOW3SP/ref=cm_pdp_rev_title_1?ie=UTF8&sort_by=MostRecentReview#R2SKMRNGWDB4GP
Ich habe sie und die der andern Rezensenten gelesen! Wie unterschiedlich fallen die aus! Niemand aber geht – so wissend sie Sie – auf die epochal wichtigen Vorgänger-Werke Tellenbachs und Klapproths ein, von denen Caeyers – wie Sie herausgefunden haben – abschreibt ohne Quellenangabe. Andern werden ihre Doktortitel aberkannt, weil sie Plagiate abgeliefert haben, und hier wird jemand in höchsten Tönen belobigt.
Hochachtung für Ihren Mut und Ihren Einsatz!
Zu Caeyers‘ Wälzer schrieb ich 1 Rezension & einige Kommentare – siehe http://www.amazon.de/product-reviews/3406631282/ref=cm_cr_dp_see_all_btm?ie=UTF8&showViewpoints=1&sortBy=bySubmissionDateDescending: „Ziemlich viel und doch zu wenig“. Sagt wohl alles.