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Gerhard Bracke

Gerhard Bracke

Heute ist er, der Historiker und ehemalige Studiendirektor, 92 Jahre alt, geistig – wie sein Leben lang – frisch, wach, warmherzig und immer mit Tiefgang im Denken und Fühlen – ein wahrer Freund einer Gleichge-sinnten wie mir. Er kam meiner Bitte nach, seine Erinnerungen an den

frühen Beginn seines Weges zur Philosophie

hier bei Adelinde zu veröffentlichen:

Mit 19 Jahren hat der Oberstufenschüler es gewöhnlich mit den unterschiedlichsten fachlichen Aufgaben zu tun. Zwar bemühte unser Deutschlehrer in Klasse 12 einmal den großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724 – 1804) mit dem bekannten Zitat:

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit im-mer neuer und zunehmender Bewunde-rung und Ehrfurcht, je öfter und anhal-tender sich das Nachdenken damit be-schäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

Doch wer von uns Schülern erfaßte damals den tieferen Sinn?

Erst die Begegnung mit dem philosophischen Werk Mathilde Ludendorffs und dessen ver-heißungsvollem Titel „Triumph des Unsterb-lichkeitwillens“ brachte mir die  grundlegende Erkenntnis, als ich die Verse las:

„Wie Schatten flüchtig gleiten die Menschengeschlechter über die Erde,
Sie blühn und vergehen und singen dabei das hohe,
Das niemals verstummende Lied unsterblichen Lebens!“

Damit ist die Endlichkeit des Lebens und dessen somit bestimmter Wert als Tatsäch-lichkeit erwiesen („… ohne Hoffnung künf-tigen Seins“, wie  Theodor Storm in einem seiner Gedichte sagt). Denn du selbst bist Glied in einer Kette von Menschengeschlech-tern seit der Vorzeit, seit  vielen  Jahrhunder-ten und den Generationen deiner Vorfahren.

Das Werk „Triumph des Unsterblichkeitwil-lens“ ist eingeteilt in eine dichterische, in freien Rhythmen gestaltete Darstellung („Wie die Seele es erlebte“) und  den Prosatext „Wie die Vernunft es sah“.

Der dichterische Anfang gibt auf die Frage

„Was hieß sie so hoffen und wollen
Im Reich des allgewaltigen Todes?“

die klare Antwort:

„Seit Menschen gedacht, umkreiste ihr Sinnen dies Rätsel,
Ihr Glauben, ihr Dichten, es stammelt
In Mythen und Liedern ihr höchstes Erleben. –
In ihrem gläubigen Chor
Klingt Torheit, klingt klägliches Fürchten,
Klingt kleinliches Hoffen und Wollen,
Gemischt mit ew’ger, erhabener Wahrheit.

Der von diesen Erkenntnissen ausgehende Weg stand damit offen, als in späteren Jahren außer dem Studium der Fächer Germanistik, Historik auch Philosophie bis zur Prüfung des Philosophicums bei Herrn Prof. Dr. Günter Ralfs mit einer Arbeit über John Lockes‘ „Ver-such über den menschlichen Verstand“ eine Vertiefung philosophischer Betrachtungswei-se möglich wurde.1

Im 17. Jahrhundert stellte bereits Giordano Bruno fest:

„Religionen sind keine göttliche Offenbarung, sondern werden von Menschen gemacht.“2

Kant „zermalmte“ die traditionelle Metaphy-sik,

„erklärte die Entstehung unseres Plane-tensystems und formulierte den kate-gorischen Imperativ.“3

„Im Mittelpunkt seiner Philosophie steht der Mensch als freies und aktives Wesen.“ (a.a.O.)

„Bevor man also überhaupt sinnvoll danach fragen kann, ob Gott existiert oder die Seele unsterblich ist, muß man, so Kant, zunächst einmal die Reichweite und Leistungsfähigkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens prüfen.“

So lautet denn die Kernaussage Kants nach den Worten Prof. Willascheks:

„Alle für uns erkennbaren Eigenschaften der Dinge sind an unsere Anschauungs-formen Raum und Zeit gebunden. Indem wir solche Eigenschaften erkennen, er-kennen wir die Dinge als ,Erscheinun-gen‘. Diesen Erscheinungen liegen aber andere, für uns als solche nicht erkenn-bare Eigenschaften zugrunde, die erklä-ren, warum uns die Dinge so und nicht anders erscheinen. Das sind die Eigen-schaften, die ihnen als Dinge an sich zukommen.“ (a.a.O., S. 343)

Auf der Grundlage von Kants Erkenntnis der Grenzen menschlicher Vernunft blieb „Der Triumph des Unsterblichkeitwillens“ von Frau Dr. med. Mathilde von Kemnitz, später Frau Dr. Mathilde Ludendorff, wie auch die fol-genden Werke im Einklang mit den naturwis-senschaftlichen Erkenntnissen, von gleicher Bedeutung für meine philosophische Orien-tierung.

140 Jahre  nach Erscheinen der „Kritik der reinen Vernunft“ und somit Immanuel Kants Bestimmung der Grenzen der Vernunfter-kenntnis entstand der „Triumph“, Erstauflage 1921.

Das Besondere der Philosophie Mathilde Ludendorffs ergibt sich aus der Tatsache, daß das Jenseits der nach Kant als Erscheinungs-welt begriffenen, jenseits der Grenzen von Zeit, Raum und Kausalität, einem anderen Erkenntnisvermögen, nämlich dem seelischen Erleben nicht nur zugänglich ist, sondern dem Leben seinen eigentlichen Sinn verleiht:

Das bewußte Erleben der göttlichen Wünsche des Schönen, Wahren und Guten, nach Kant „Dinge an sich“ genannt und damit jenseits der Erscheinungswelt, befähigt die Men-schenseele zum Gotterleben in Natur, Kunst und vor allem im Reichtum klassischer Musikwerke.

Wo der Vernunft und ihren Maßstäben Gren-zen gesetzt sind, erschließen sich durch innerseelisches Bewußtsein die der Vernunft nicht zugänglichen Werte jenseits der Kate-gorien von Zeit, Raum und  Ursächlichkeit. Im Prosateil ihres ersten philosophischen Werkes führt Mathilde Ludendorff  zur Religionskritik dazu aus:

„Kants Kritik der reinen Vernunft hat in uns die ,zwei Welten‘, …die Welt der Erscheinung, der Kausalität, Zeit und Raum eingeordnet, und jene unsichtbare Welt des unerforschlichen ,Dinges an sich‘, so wunderbar klar getrennt, daß wir ein sehr verfeinertes Erleben dafür haben, ob sich in die religiösen Vor-stellungen Kausalzusammenhänge der Erscheinungswelt einschmuggeln.“ 

Womit sämtliche Übergriffe der Vernunft in den Religonen gemeint sind, was diese  letztlich für den von seiner „selbstverschul-deten Unmündigkeit“ (Kant) befreiten Bürger obsolet macht.

Der aufgeklärte Preußenkönig Friedrich der Große urteilte in seinen Politischen Testa-menten über Religion:

„Ein altes metaphysisches Märchen voller Wundergeschichten, Widersprüche und Widersinn, aus der glühenden Einbil-dungskraft des Orients entsprungen, hat sich über Europa verbreitet. Schwärmer haben es ins Volk getragen, Ehrgeizige sich zum Schein davon überzeugen las-sen, Einfältige es geglaubt, und das Ant-litz der Welt ist durch diesen Glauben verändert worden.

Die heiligen Quacksalber, die diese Ware anboten, haben sich zu Ansehen ge-bracht, sie sind Herrscher geworden, ja, es gab eine Zeit, wo sie Europa durch ihr Machtwort regierten. In ihrem Hirn ent-stand jener Priesterhochmut und jene Herrschsucht, die allen geistlichen Sek-ten zu eigen ist, wie auch ihr Name laute. Ehedem mischte sich die Geistlichkeit in alle Staatsangelegenheiten; heute scheint der Brauch außer Mode gekommen zu sein.“4

In diesem Punkt über das Heute irrt sich der aufgeklärte Monarch allerdings, was aber den Philosophen in seiner Aussage nicht im ge-ringsten entwertet. Aufklärung und Urteils-kraft haben stets eine befreiende, die Denk-fähigkeit fördernde, der Verdummung  sich widersetzende Wirkung.

Von der Philosophie werden Antworten auf wesentliche Sinnfragen erwartet und keine in Spekulationen ausartende Gedankenakro-batik.

Die Philosophie Mathilde Ludendorffs befaßt sich in Übereinstimmung mit den naturwis-senschaftlichen Erkenntnissen zur  Lösung der Frage nach Wesen und Wirken der Men-schenseele, nach der menschlichen Unvoll-kommenheit, dem Todesmuß, nach dem Sinn des Menschenlebens, nach der realen Schöp-fungsgeschichte und der Bedeutung des Weltalls.

Die so gewonnene Gotterkenntnis darf begrifflich keineswegs in Verbindung gebracht werden mit jenen Fremdglau-bensvorstellungen, die einen persönlichen Gott annehmen, der die Geschicke der Menschen lenkt und gegebenenfalls durch „Gebete“ gnädig gestimmt werden kann.

Die philosophischen Werke Mathilde Ludendorffs:

– Triumph des Unsterblichkeitwillens

– Der Seele Ursprung und Wesen

  1. Teil: Schöpfungsgeschichte

  2. Teil: Des Menschen Seele

  3. Teil: Selbstschöpfung

– Der Seele Wirken und Gestalten

  1. Teil: Des Kindes Seele und der Eltern Amt

  2. Teil: Die Volksseele und ihre Machtgestalter

  3. Teil: Das Gottlied der Völker

– Das Jenseitsgut der Menschenseele

  1. Teil: Der Mensch – das große Wagnis der Schöpfung

  2. Teil: Unnahbarkeit des Vollendeten

  3. Teil: Von der Herrlichkeit des Schöpfungszieles

– Das Hohe Lied der göttlichen Wahlkraft

– In den Gefilden der Gottoffenbarung

– Wunder der Biologie im Lichte der Gotterkenntnis meiner Werke

– Der Siegeszug der Physik – Ein Triumph der Gotterkenntnis meiner Werke

Das Gesamtwerk erschließt sich nur durch Überzeugtsein im Nacherleben, enthält keine Dogmatik, die anderen zu übermitteln wäre. Es bedarf jedoch des Willens zur Wahrheits-findung als Übereinstimmung mit dem Tat-sächlichen und den Grundlagen durch die Philosophie Kants und Schopenhauers.

„Wer da weiß, daß die Erhebung der Seele in edlen Taten, in edlem göttlich gerich-teten Fühlen, in Kunsterleben und im Naturerleben den göttlichen Sinn des Menschenlebens erfüllen hilft und daß dies der einzige Anteil an dem Göttlichen ist, der dem Menschen zugänglich, wer da weiß, daß im Tode solches heilige Kön-nen für immer erlischt, der wird das ge-samte Volksleben und das persönliche Leben nun anders werten!“ (Mathilde Ludendorff)

________________

Anmerkungen

1John Locke (1632 – 1704), englischer Philosoph und Hauptvertreter des Empirismus mit erkenntnistheoretischen Untersuchungen

2Volker Reinhard: Der nach den Sternen griff. Giordano Bruno. Ein  ketzerisches Leben. C.H. Beck, München 2024, S. 168

3Marcus Willaschek: Kant – Die Revolution des Denkens, Beck Verlag, 2. Aufl. 2024, Professor für Philosophie der Neuzeit an der Universität Frankfurt a.M., gilt als international führender Kant-Experte

4Friedrich der Große: Die Politischen  Tetamente. Übersetzt von Friedrich v. Oppeln-Bronikowski. Mit einer Einführung  von Gustav Berthold Volz. Dritte, neu durchgesehene Auflage, München 23, 1941, S. 194

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