Elternlose deutsche Kinder im Polen der Nachkriegszeit
Donnerstag, 17. Oktober 2024 von Adelinde
Karlheinz Lau
berichtet in der Preußischen Allgemeinen am 17.10.2024 über
Vertreibungsfolgen
Elternlose deutsche Kinder im Polen der Nachkriegszeit – Preußische Allgemeine Zeitung (paz.de)
Elternlose deutsche Kinder im Polen der Nachkriegszeit
Die in Krakau geborene Autorin Theresa Willenborg beschäftigt sich in ihrem akribisch recherchierten Buch „Kinder im Schatten des Krieges. Heimerzie-hung in Polen nach 1945“ mit einem wenig beach-teten Thema:
Theresa Willenborg ist in Krakau geboren und lebt heute in der Bundesrepublik. Sie be-schäftigt sich mit dem Schicksal der Ost-deutschen, die als Fachkräfte überwiegend im Bergbau und in der Elektroindustrie in der Republik Polen gebraucht wurden. Ihre erste Publikation zur Thematik
„Fremd in der Heimat. Deutsche im Nachkriegspolen 1945-1958“ erschien 1958.
„Kinder im Schatten des Krieges“ beginnt mit einem Überblick über die Entwicklung der Kinderfürsorge und Pädagogik in der Repu-blik Polen. Den Anfang bildet die Teilungs-zeit, es folgen der Erste Weltkrieg, 1918 die Bildung eines selbstständigen Staates nach über hundertjähriger Teilung sowie der deut-schen Besatzung von 1939 bis 1944/45.
Das zweite Kapitel ist der Heimerziehung der Kinder in der Republik Polen nach 1945 ge-widmet. Es muß zwischen deutschen, polni-schen, russischen und jüdischen Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren unterschieden werden. Das Hauptaugenmerk legt die Auto-rin auf die Schicksale der deutschen Kinder. Dies wurde auch ihr Forschungsschwerpunkt.
Die gesamte Darstellung ist sehr dicht und faktenreich. Willenborg hat zahlreiche Quellen ausgewertet und in vielen persönli-chen Begegnungen in Polen und in Deutsch-land mit noch lebenden Zeitzeugen, Ver-wandten oder Bekannten der Betroffenen gesprochen. Ausgewertete Tagebücher und Erinnerungen, Spurensuche in Archiven, Bibliotheken und Museen zeugen vom Ausmaß der Arbeiten für dieses Buch. Es sind in erster Linie polnische Quellen und Einrichtungen.
Dieses geballte Material als Grundlage berechtigt die Kernaussage des Buches, daß das Foltern, das Quälen und Mißhandeln von Kindern zeit- und systemübergreifend sei.
Ab Seite 109 schildern elternlose Kinder nach 1945 ihre Lebenswege. Es sind Erinnerungen, die erst gegenwärtig ausgesprochen wurden, weitere beeindruckende Zeugnisse werden im Buch dokumentiert. Sie zeigen die unter-schiedlichsten Schicksale: Kinder deutscher Eltern, aus deutsch-polnischen Mischehen, Halbwaisen, elternlose und von polnischen Familien adoptierte Kinder – „Wolfskinder“.
Beeindruckende Zeugnisse
„In der Volksrepublik Polen ist die staatliche Kinderfürsorge eine der wichtigsten Formen der Fürsorge für die Menschen. Es ist notwendig, die Zahl der Kinderheime zu erhöhen, damit alle bedürftigen Waisenkinder in staatliche Obhut kommen und in den Heimen zu nützlichen Bürgern der Volksrepublik heranwachsen.“
Diese offizielle Aussage zeigt den Anspruch der kommunistisch-sozialistischen Volks-republik nach einer gemeinsamen soziali-stischen Erziehungspolitik und einer gleich-zeitigen Polonisierung der zu Erziehenden. Zielgruppe waren eindeutig deutsche Kinder in der Republik Polen.
Das richtete sich klar gegen den großen Konkurrenten, die Erziehungsprinzipien der katholischen Kirche, die sich am christlichen Menschenbild orientieren. Die Kirche hat bekanntlich einen erheblichen Einfluß auf die polnische Bevölkerung.
Die Wendejahre brachten Auflockerungen. Im letzten Kapitel „Danach: Deutscher oder Pole?“ werden ältere Herrschaften – Deutsche und Polen – vorgestellt, die in ihrer Entwick-lung in polnischen Fürsorgeeinrichtungen unterschiedliche Identitäten erfahren haben und sich heute als Pole oder Deutscher sehen. Dies sind in beiden Ländern keine Einzelfälle.
Das Buch arbeitet ein Stück Geschichte des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen auf, die bisher hierzulande wenig zur Kenntnis genommen werden. Es stellt aber auch wegen der Fülle seiner Informationen eine wichtige fachliche Publikation für die im Pflegedienst Beschäftigten und Interessenten dar.
Es ist verständlich geschrieben, die Ortsna-men sind überwiegend zweisprachig, zahl-reiche Schwarz-Weiß-Fotos sind an den Texten orientiert, die beiden Skizzen in den Innenseiten des Umschlages sind eine große Hilfe. Das gilt auch für das Abkürzungsver-zeichnis am Beginn der Texte. Insgesamt ein wichtiges Buch über ein Spezial-Thema.
Teresa Willenborg„Kinder im Schatten des Krieges. Heimerziehung in Polen nach 1945“, Wissenschaft-licher Verlag Berlin, Berlin 2024, broschiert, 262 Seiten, 36 Euro.
Ich habe auf dem Weg zur Ahnenforschung meiner Familie in Ostpreußen eine in Polen aufgewachsene Deutsche kennengelernt, die das Kirchenbuch der Gemeinde meiner Oma hierher mitgenommen hat und mir eine Liste meiner Vorfahren zusammenstellte, mit der ich auch telefonierte.
Ihr hatte meine Familie gefallen, weil die Mädels früh heirateten, aber erst Jahre später Kinder bekamen. Sie erzählte aus ihrem Leben. Ihre Familie wurde 1945 vollständig getötet, sie als Kind kam in ein polnisches Waisenhaus.
Als ich sie vor 3 Jahren fragte, wo das Grundbuch ist und – wenn wir es haben – sie es aus dem Polnischen übersetzen kann, da wehrte sie ab. Das könne/wolle sie nicht. Die Polen hätten sie aufgezogen.
Auch das wird sich klären, wenn wir unsere fremdverwaltete Erde der Väter wieder zurückbekommen haben. Vorerst ist nicht daran zu denken, es bewegt sich nichts.
„Auch das wird sich klären, wenn wir unsere fremdverwaltete Erde der Väter wieder zurückbekommen haben.“
Das kann dauern, liebe Kersti, es wäre mehr als gerecht!
„Verzicht ist Verrat!“ – Willy Brandt 1957 in einem Grußwort an die Schlesier zum Pfingsttreffen.
„Wer die Oder-Neiße-Linie als eine Grenze bezeichnet, die innerlich vom deutschen Volk akzeptiert ist, der belügt die Polen.“ – Willy Brandt am 9. Juni 1963 auf dem 10. Schlesiertreffen in Köln.
Am 7. Dezember 1970 fiel allerdings derselbe Mann in Warschau auf die Knie.
Naaa-ja…