Der Feldherr Erich Ludendorff und die „Tendenz-Kriegsgeschichtler“
Dienstag, 28. Oktober 2014 von Adelinde
Wofür der heutige Zeitgeist Doktortitel vergibt (4. Teil)
Nicht erst Mathilde Ludendorff und Erich Ludendorff sind von der Masse der Zeitgenossen und deren Nachkommen verkannt, verhöhnt, verlästert worden, das gleiche Schicksal widerfuhr auch anderen Großen in ihren Völkern, besonders aber wohl im deutschen Volk.
Wer allerdings die Grundlagen der Weltreligionen erschütterte und das eigene Volk zu sich selbst wie auch alle andern Völker aus der Bevormundung durch Weltmachtgierige führen wollte wie die Ludendorffs, hat viele Feinde.
So kann es auch nicht ausbleiben, daß eine Doktorandin, will sie – inmitten des herrschenden Zeitgeistes – ihr Ziel, den Doktortitel, erreichen, sich nicht bei den Verstehenden, sondern lieber bei den Schmähern einreiht.
Was Annika Spilker allerdings sich Erich Ludendorff gegenüber leistet, überschreitet jedes bisherige Maß. Nicht nur daß sie die Feldherrnleistung Ludendorffs verkennt – wie in fast allen ihren Aussagen mit dem Hinweis: „Ich stütze mich auf …“, nämlich auf irgendeine Sekundärliteratur und ohne eigene gründliche Forschung an den Quellen -, sondern sie stellt Ludendorffs überragenden Charakter und die Lauterkeit seines Wollens und Handelns auf Lieschen-Müller-Niveau herabgemindert dar und unterstellt seinem Handeln niedere Beweggründe. Das Übliche: Man projiziert die eigene Seinsweise auf den anderen.
Derartigem Unterfangen setzt der
Historiker Gerhard Bracke
seine hier folgende Abhandlung entgegen:
Die geschichtliche Leistung des Feldherrn Erich Ludendorff –
Zum Gedenken an die Schlacht von Tannenberg vor 100 Jahren
Das gegenwärtige Jubiläumsjahr – 100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Zweiter Weltkrieg – wird von Politikern wie Medien ausgiebig genutzt, die nationalen Lebenslügen verstärkt in Erinnerung zu bringen. Dies sind, um Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof zu zitieren, die immer noch nachwirkende Fischersche Mär vom „Griff nach der Weltmacht“, wonach Deutschland wegen seines Großmachtstrebens die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges trage, und die nachhaltig tabuisierte Mär von der Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg. Jeder in offiziellen Verlautbarungen bemühte Hinweis auf „unsere belastete Geschichte“ postuliert die Gültigkeit der von den Siegermächten 1918 wie 1945 festgeschriebenen Geschichtsdeutung für alle Zeiten.
Doch nun beginnt sich eine neue Version durchzusetzen, die längst überholte Klischees zurechtrückt und in der Geschichtsforschung einen Paradigmenwechsel einleitet. Der in England lehrende Historiker Christopher Clark analysiert in seinem umfangreichen Werk Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog die Politik der Entente-Mächte und stellt ebenso wie Bruno Bandulet (Als Deutschland Großmacht war) die starren Vorstellungen von Deutschlands „Hauptschuld“ durch Faktennachweis in Frage.
Unser heutiges Thema soll jedoch daran erinnern, daß zu Beginn des Ersten Weltkrieges eine militärische Entscheidung fiel, die in einer Zeit historischen Analphabetentums und mangelnden Geschichtsbewußtseins nur noch wenigen bekannt sein dürfte.
Nicht jeder größeren Schlacht kommt eine kriegsentscheidende Bedeutung von weltgeschichtlichem Rang zu. Für die Schlacht bei Tannenberg im August 1914, die zu Recht mit der Schlacht bei Cannae im Jahre 216 v.d.Ztw. verglichen wurde, gilt dies jedoch in besonderem Maße. Und weil der Abwehrerfolg in Ostpreußen 1914 den Feldherrenruhm General Erich Ludendorffs begründete, bietet uns das Gedenkjahr erneut Gelegenheit, die wesentlichen Kenntnisse über die geschichtliche Wahrheit insbesondere an die jüngere Generation weiterzugeben und ihr die Quellen aufzuzeigen, aus denen allein solche Kenntnisse gewonnen werden können.
Wie ist daher das Verblassen unseres geschichtlichen Bewußtseins gerade im Falle dieses welthistorisch bedeutsamen Ereignisses zu erklären?
- Die Tatsache, daß infolge der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges mit dem Verlust unserer ostdeutschen Heimatgebiete, insbesondere Ostpreußens – als wirklicher Verlust von den meisten heute kaum noch empfunden – grundlegende Bewußtseinsänderungen eingetreten sind, hat ganz wesentlich dem Erinnerungsschwund Vorschub geleistet. Das wirkt sich zwangsläufig in Form von Bildungsdefiziten bei der jüngeren Generation weiter verheerend aus. Daß durch die Schlacht von Tannenberg Ostpreußen damals vor der Eroberung durch die russischen Armeen bewahrt werden konnte, gilt unter diesen Bedingungen eher als geschichtlich überholte Randerscheinung. Erschwerend kommt hinzu, daß die historische Örtlichkeit keinen Anlaß zu Schuld- und Bußbekenntnissen bietet, daß vielmehr Tannenberg seit 1914 im Gegenteil als Ort stolzen Erinnerns die Gemüter bewegte.
- Die seit der Weimarer Republik gepflegte und gesteigert im Dritten Reich politisch gewollte enge Verbindung des Hindenburg-Mythos mit dem Sieg von Tannenberg mußte nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges schon deshalb zum Bruch mit bisherigen Erinnerungstraditionen führen, weil 1933 der damalige Reichspräsident v. Hindenburg dem Diktator Adolf Hitler die Macht überantwortet hatte. Unabhängig von den Schuldzuweisungen im Sinne der Siegergeschichtsschreibung schienen indirekt die Konsequenzen, wenngleich nicht ursächlich, so doch immerhin symbolisch jeden öffentlich geförderten Verdrängungsbedarf zu rechtfertigen, um die ruhmreichen Seiten deutscher Geschichte allmählich aus dem Gedächtnis zu tilgen.
Um so mehr erachten wir es als innere Verpflichtung, 90 Jahre nach der siegreichen Schlacht von Tannenberg daran zu erinnern, daß mit diesem geschichtlichen Ereignis in Wahrheit der Feldherrnruhm des Mannes begründet wurde, dessen geistiger Freiheitskampf mit dieser geschichtlichen Leistung eine Einheit bildet: General Ludendorff.
Zum Verständnis dürfte ein kurzer Rückblick auf den militärischen Werdegang Erich Ludendorffs, das
Erinnern an seine Lebensstationen vor 1914
unverzichtbar sein:
Erich Ludendorff wurde am 9. April 1865 in Kruszewnia bei Posen als Sohn des Rittmeisters und Landwirtes Wilhelm Ludendorff und seiner Ehefrau Klara geb. v. Tempelhoff geboren.
Der Vater nahm als Reserveoffizier mit Auszeichnung an den Feldzügen 1866 und 1870/71 teil.
Den tiefsten Eindruck,
erinnerte sich der Sohn in späteren Jahren,
machten auf mich die Tränen meiner Mutter, als mein Vater während des Krieges 1870/71 nach kurzem Urlaub wieder ins Feld mußte, und ihre Unruhe, als nach einer Schlacht, an der der Truppenteil meines Vaters nach amtlichen Nachrichten teilgenommen hatte, lange Zeit von meinem Vater keine Nachrichten eintrafen. Diese Tränen schrieben in mein Kindergemüt, daß der Krieg etwas ungeheuer Ernstes war. (Erich Ludendorff, Mein militärischer Werdegang, 1933, S. 5)
Den „ersten Schritt ins Leben“ tat der Zwölfjährige 1877 mit der Aufnahme ins Kadettenkorps Plön, wo er sich beim Aufnahme-Examen „brillant gemacht“ hat, wie seine Mutter in einem Brief berichtete. (Walter Löhde, Erich Ludendorffs Kindheit und Elternhaus, 1938, S. 128)
1879 schoß sich die Ausbildung auf der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde an, wo Erich Ludendorff 1881 das Fähnrichexamen gut bestand.
Am 15. April 1882 wurde ich Leutnant,
schreibt er in seinem Werdegang,
und war sehr stolz darauf. (a.a.O., S. 9)
Anschließend diente er bis 1887 als Leutnant der Infanterie in Wesel.
Ein völlig neuer Lebensabschnitt begann 1887, denn der junge Leutnant Ludendorff wurde für 3 Jahre zum einzigen damals existierenden Seebataillon (Marine-Infanterie) nach Wilhlemshaven und Kiel versetzt, um auch durch Bordkommandos andersartige Erfahrungen sammeln zu können, so auf dem Segelschiff Niobe und „richtigen Kriegsschiffen“.
Nicht nur die Auslandsreisen, hauptsächlich in skandinavische Länder, aber auch nach England, stellten eine unvergeßliche Bereicherung dar, sondern, so lesen wir:
Das Meer wirkte gewaltig auf mich ein. (a.a.O., S. 22)
Nach der Aufnahmeprüfung für die Kriegsakademie begann am 1.10.1890 Ludendorffs dreijähriges Kommando zur Kriegsakademie für künftige Generalsstabsoffiziere.
Im Rahmen dieser Ausbildung entschied er sich, die Dolmetscherprüfung in Russisch abzulegen, und trat Anfang Januar 1894 eine dreimonatige Studienreise nach Rußland an, die ihn über Petersburg nach Moskau, zur Krim und nach Warschau führte.
Wieder nach Deutschland zurückgekehrt, meldete sich Ludendorff zum Dienstantritt im Großen Generalstab, in den er nach Abschluß der Ausbildung als Major endgültig aufgenommen wurde.
Damit war der Weg frei für verschiedene Verwendungen als Generalstabsoffizier bei der Truppe in Magdeburg, Thorn, Glogau und Posen.
Ausgestattet mit sehr guten Beurteilungen, nahm Erich Ludendorff von 1904 bis 1913 verantwortungsvolle Aufgaben im Großen Generalstab wahr. Mit Unterbrechung vom Herbst 1906 bis April 1908 durch die Tätigkeit als Taktik- und Kriegsgeschichtslehrer an der Kriegsakademie leistete er von Ende März 1904 bis Januar 1913 Dienst in der Aufmarsch – 2. Deutschen – Abteilung des Großen Generalstabes, erst als Sektionschef und seit März 1908 über vier Jahre als Abteilungschef, der im Mobilmachungsfall Chef der Operationsabteilung war.
Nicht nur die Vorkriegskrisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfüllten den jungen Generalstabsoffizier mit großer Sorge:
Ich erkannte die ungeheure Vernachlässigung der Wehrhaftmachung unseres Volkes, konnte nichts daran ändern und hörte Einwände, die von unglaublicher Kurzsichtigkeit zeugten und mich um so mehr empörten, je mehr meine Sorge für Volk und Heer wuchs.
Die Vorschläge für eine Mobilmachung der Ersatzformationen wurden abgelehnt. Das Kriegsministerium hielt die Frage der Ersatzgestellung für wichtiger als die Ausstattung des Heeres mit Verbänden, die eine schnelle Beendigung des Kriegs möglich und damit weitgehende Ersatzgestellung unnötig gemacht haben würde. (E. Ludendorff, Mein militärischer Werdegang, S. 102)
Durch das ernste Studium der Kriegsgeschichte festigte Ludendorff seine Anschauung, wie er selbst schreibt:
Ich hatte auch erkannt, welch ausschlaggebender Faktor ein zielbewußter Wille ist und wie sittliches Verantwortungsbewußtsein vor keinen Schwierigkeiten zurückschrecken darf und veraltete Anschauungen über Bord zu werfen hat. Kriegführen erschien mir als eine Kunst, der Feldherrr mußte Begabung haben, diese aber mit eisernem Fleiß vereinigen, damit er in der Krise, in der Zeit zu Erwägungen nicht mehr vorhanden ist, den geschuldeten Entschluß findet, der der Lage, aber auch dem Wert seiner Truppe im Vergleich mit der gegenerischen entspricht. Eine ungeheure Verantwortung liegt auf dem Feldherrn. (ebd., S. 109)
Mit unendlichen Schwierigkeiten und Hemmnissen auch innerhalb des Generalstabes mußte sich der Chef der 2. – Deutschen – Abteilung Ludendorff auseinandersetzen, der den Grundsatz vertrat,
daß ein Volk seine ganze Kraft an Menschen und materiellen Mitteln schon im Frieden für seine Erhaltung im Kriegsfall einzusetzen hat. (ebd., S. 110)
Im Gegensatz zur bekannten These Prof. Fischers vom Griff nach der Weltmacht konnte Ludendorff seine Heeresvorlage für den Reichstag nicht ohne Schwierigkeiten ausarbeiten und mußte er die „Schwäche unserer Regierung“ als peinlich empfinden. Es fehlte an Entschlußfreudigkeit im Kriegsministerium, der wehrpolitischen Lage des Deutschen Reiches in einer Zeit ernster Sorge Rechnung zu tragen. Wir lesen darüber:
Es lag auf mir neben der Bearbeitung des Aufmarsches nun die Sorge für das Heer, ja für die Sicherheit des Volkes. Die Sorge für das Volk und das Heer wurde immer drängender und der Heeresorganismus immer komplizierter, das Arbeitsgebiet dehnte sich aus, und damit wuchsen die Reibungsflächen mit dem Kriegsministerium. (ebd., S. 117)
Daß im Kriegsfall gemäß Schlieffen-Plan der Angriff im Westen mit dem Durchmarsch durch Belgien,
an dessen neutralitätswidriger Haltung nicht zu zweifeln war,
als
einfaches Gebot der Selbsterhaltung
erscheinen mußte und dennoch der Charakter des Verteidigungskrieges,
der für uns allein in Betracht kam, nicht geändert wurde,
dies sollte 1914 von vielen Deutschen nicht erkannt werden. (ebd., S. 125)
Unermüdlich wirkte Erich Ludendorff in verantwortlicher Wahrnehmung seiner Aufgaben für die Verstärkung des Heeres, denn Nachprüfungen der Heeresstärken hatten immer wieder die Überlegenheit der potentiellen Gegner ergeben.
Rußland hatte umfassende Heeresvermehrungen durchgeführt, Frankreich spannte seine Volkskraft vorbildlich an. (ebd., S. 130 „Selbst nach der Heeresvermehrung von 1913 hatte das Deutsche Heer eine Friedensstärke von rund 792 000, das Frankreichs eine solche von 910 000 Mann.“
Rußland: 1 445 000)
Bei 40 Millionen Einwohnern wurden dort etwa 82% aller Wehrtauglichen eingezogen, in Deutschland bei 64 Millionen nur etwa 54%. Dazu Ludendorff:
Das Ringen um starke Bataillone und der Ausbau der Landesverteidigung nahmen mich voll in Anspruch, und zwar um so mehr, je mehr ich mir unserer Unterlegenheit bewußt wurde und erkennen mußte, daß nichts Genügendes geschah, den gefahrvollen Übelstand abzustellen. Die großen Schwierigkeiten, denen ich in diesem Ringen begegnete, ließen mich nicht erlahmen, sie steigerten den Wunsch, dem Volke sein Leben zu erhalten.
… Der Hinweis muß genügen, daß ich endlich als unbequemer Mahner aus dem Generalstab versetzt wurde. (ebd., S. 131)
In Anträgen und Denkschriften bemühte sich Ludendorff, das Kriegsministerium zu bewegen. So wurde am 20. August 1910 nach seinem Entwurf erneut ein Schreiben an das Kriegsministerium gesandt, in dem es hieß:
Unsere politische und geographische Lage muß es uns zur Pflicht machen, alle verfügbaren Kräfte für einen Kampf bereitzustellen, der über Sein oder Nichtsein des Deutschen Reichs entscheiden wird.
Die Aufstellung
neuer vollständig vorbereiteter Verbände … würde das sicherste Mittel sein, einer schweren äußeren Krisis mit Aussicht auf Erfolg begegnen zu können. (ebd., S. 136)
Die Folge solcher Beharrlichkeit war Ludendorffs Versetzung aus dem Generalstab als Regimentskommandeur nach Düsseldorf am 27. Januar 1913. Der Chef des Militärkabinetts schrieb dazu an seinen Kommandierenden General v. Einem, wie dieser Jahre später mitgeteilt hat, er müsse ihm
Disziplin beibringen. (ebd., S. 157)
Nach dem Attentat in Sarajewo hatte Ludendorff vergebens auf die Überwindung der Julikrise gehofft, bis ihn in Straßburg, wo er als Brigadekommandeur am 22.4. zum Generalmajor befördert worden war, am 31. Juli 1914 die Weisung
DROHENDE KRIEGSGEFAHR
erreichte. Der Mobilmachungsbefehl vom 1. August erschütterte ihn aufs tiefste.
Für den Mobilmachungsfall nicht mehr weiterhin als Chef der Operationsabteilung vorgesehen wie in den letzten Jahren, hatte Ludendorff die Stellung als Oberquartiermeister bei der 2. Armee gewählt, der die Brigaden unterstellt waren, die mit dem Handstreich auf Lüttich den Vormarsch durch Belgien ermöglichen sollten. Als Chef der Aufmarschabteilung hatte er im Rahmen des Schlieffen-Planes mit General v. Moltke einst den Operationsplan selbst entwickelt.
Lüttich
An der Spitze der 14. Infanterie-Brigade, deren Kommandeur Generalmajor v. Wussow im Kampf gefallen war, gelang Erich Ludendorff durch persönliche Tapferkeit und mitreißende Führung in schwerem Häuserkampf der Durchbruch durch den Festungsgürtel von Lüttich und die Zitadelle in kühnem Handstreich zu nehmen. Von den sechs für Lüttich bestimmten Brigaden ist es nur der 14. gelungen, auf diese Weise den weiteren Vormarsch des deutschen Heeres sicherzustellen.
Es geschah am frühen Morgen des 7. August, als Ludendorff in der Annahme, Oberst v. Oven sei bereits auf der Zitadelle, mit dem Brigade-Adjutanten in einem belgischen Kraftwagen vor derselben erschien. Mit knappen Worten schildert er in seinen Kriegserinnerungen die Situation:
Kein deutscher Soldat war dort, als ich eintraf. Die Zitadelle war noch in feindlicher Hand. Ich schlug an das verschlossene Tor. Es wurde von innen geöffnet. Die paar hundert Belgier ergaben sich mir auf meine Aufforderung. (Erich Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen, Berlin 1919, S. 29)
An anderer Stelle lesen wir:
Der Sturm auf die Festung Lüttich ist mir die liebste Erinnerung meines Soldatenlebens. (ebd., S. 19)
Oder auf Seite 1 (ebd.):
Der Handstreich auf Lüttich eröffnete die Reihe deutscher Siege. Es war ein kühner Entschluß und verwegen die Ausführung.
Ostpreußen 1914 bevor Ludendorff kam
Den weiteren Vormarsch in Belgien machte Ludendorff in seiner Stellung als Oberquartiermeister mit. Da erhielt er in der Nähe von Namur im Hauptquartier der 2. Armee am 22. August um 9 Uhr vormittags die Mitteilung, daß er Chef des Generalstabes der 8. Armee in Ostpreußen geworden sei, wo sich die Frontlage inzwischen kritisch zugespitzt hatte.
Die Schreiben der Generale v. Moltke und v. Stein, die Ludendorff durch Kurier überbracht wurden, verdeutlichen die Dringlichkeit der Berufung nach Osten. Allgemein bekannt ist der Wortlaut des Briefes, in dem v. Moltke beschwörend formulierte:
Sie werden vor eine neue schwere Aufgabe gestellt, vielleicht noch schwerer als die Erstürmung Lüttichs … Ich weiß keinen anderen Mann, zu dem ich so unbedingtes Vertrauen hätte als wie zu Ihnen. Vielleicht retten Sie im Osten noch die Lage. … Auch der Kaiser sieht mit Vertrauen auf Sie. Sie können natürlich nicht für das verantwortlich gemacht werden, was geschehen ist, aber Sie können mit Ihrer Energie noch das Schlimmste abwenden. Folgen Sie also dem neuen Ruf, der der ehrenvollste für Sie ist, der einem Soldaten werden kann. (ebd., S. 32)
Der seit Frühjahr 1911 pensionierte General Paul v. Hindenburg, so hieß es, sollte Oberbefehlshaber werden, aber noch war ungewiß,
ob der General zu finden sei und annehmen würde. (ebd.)
Uhle-Wettler bemerkt dazu:
Ludendorffs Empfindungen sind leicht vorstellbar. Er war mit seinem Können und seinem Tatendrang unbequem geworden. Doch in der Stunde der Gefahr, nun, da man einen Mann brauchte, der das Eisen aus dem Feuer riß, da gab es nur einen, ihn, Ludendorff. … Sicherlich: Eine Stunde stillen Triumphs. Und berechtigten Triumphs. (Franz Uhle-Wettler, Erich Ludendorff in seiner Zeit, 1995, S. 120/1)
Doch Ludendorff wählte andere Worte für sein Empfinden:
Mein ganzes Inneres und mein deutsches Empfinden spornten mich zur Tat. (Kriegserinnerungen, S. 33)
So saß er denn in einer Viertelstunde im Kraftwagen und traf um 18 Uhr im Großen Hauptquartier in Koblenz ein, ließ sich von General v. Moltke in die Lage einweisen und meldete sich anschließend beim Kaiser, der ihm für die Eroberung der Festung Lüttich den Orden Pour-le-Mérite überreichte.
Während Deutschland im beginnenden Zweifrontenkrieg seinen militärischen Schwerpunkt nach Westen gelegt hatte, war eine Verstärkung der 8. Armee in Ostpreußen in absehbarer Zeit kaum zu erwarten. Und gegen Ostpreußen drangen nun – um fast das Doppelte überlegen – zwei russische Armeen vor.
- Die nördliche, die Njemen-Armee unter Führung von General Rennenkampf, stieß von Kowno aus auf Insterburg vor,
- die südliche, die Narew-Armee unter General Samsonow, war aus dem Raum Bialystok-Warschau in Richtung Allenstein angesetzt.
Die 8. deutsche Armee unter Generaloberst v. Prittwitz rückte zunächst gegen die Njemen-Armee vor, doch dann griff General v. François gegen den Willen und ohne Wissen des Armeeführers mit seinem Armeekorps bereits am 17. August den Gegner bei Stallupönen an, wobei drei deutsche Brigaden gegen drei russische Divisionen antraten. (Siehe dazu General Ludendorff, Unbotmäßigkeit im Kriege, 1935, S. 11 ff.)
Generaloberst v. Prittwitz entschloß sich am 19. August zum allgemeinen Angriff bei Gumbinnen, mußte jedoch am 21. den allgemeinen Rückzug befehlen, der bis hinter die Weichsel führen sollte. Der theoretisch oft durchgespielte Rückzug bis zur Weichsel konnte aber unter diesen Umständen die völlige Katastrophe bedeuten.
Vorbereitungen für den Kampf im Osten
Nach diesem Fehlschlag und angesichts der entstandenen Bedrohung der deutschen Ostgebiete insgesamt, sah sich die Oberste Heeresleitung (OHL) genötigt, den Kaiser um Abberufung des Generalobersten v. Prittwitz zu bitten. Im Großen Hauptquartier in Koblenz wünschte man,
den Feind an der Besitznahme von Ostpreußen zu hindern und der Bevölkerung furchtbare kriegerische Heimsuchung zu ersparen. Diese Aufgabe wurde mir zuteil,
schreibt Ludendorff in seiner Tannenberg-Schrift.
Mein Streben wurde, Ostpreußen zu retten und die Russen zu schlagen. (General Ludendorff, Tannenberg. Geschichtliche Wahrheit über die Schlacht, 1934, S. 16)
Den einzigen Ausweg aus der ernsten Lage erkannte Ludendorff in einer Angriffsschlacht gegen die Narew-Armee, was das Wagnis einer Schwächung der Abwehrfront gegen die Njemen-Armee einschloß. Folgen wir nun Ludendorffs operativen Grundgedanken:
Bei dem Entschluß zu dieser Schlacht rechnete ich damit, daß die russischen Armeeführer die starke Veränderung der Kriegslage, die mein Wille über unsere besiegten oder in der Verteidigung stehenden Truppen herbeiführen sollte, nicht rasch genug erkennen würden. Wie im Einzelnen zu handeln sei, war am 22. abends in Koblenz noch nicht zu übersehen, daß schnell gehandelt werden mußte, bevor die russischen Armeeführer sich in der neuen Lage zurechtfanden, war klar. Immerhin ließen sich aber bereits einige grundlegende Maßnahmen für die Schlacht treffen. So verlegte ich den Schwerpunkt der Armee nach dem verstärkten XX. A.K., das je nach der Lage vor der vormarschierenden Narew-Armee zurückgenommen werden müsse, eine Bewegung, die ein wirkungsvolles Eingreifen des I. R. und XVII. A.K., vielleicht sogar in den Rücken der Narew-Armee, ermöglichen könnte.
Auf meine Bitte wurde sogleich durch General v. Moltke nach dem Osten hin befohlen, daß die Eisenbahntransporte des I. A.K. möglichst weit an das XX. A.K. nach Deutsch-Eylau und Stationen in Richtung Soldau herangeführt würden. Gleichzeitig ließ ich in gleicher Richtung, aber weiter südlich längs der Südgrenze Ostpreußens über Strasburg alle noch irgendwie verfügbaren Kriegsbesatzungen aus den Weichselfestungen einschließlich Thorns … mit der Bahn versammeln. Hier mußte eine starke Gruppe gebildet werden, mit der der Narew-Armee das Gesetz vorgeschrieben und sie dadurch von vornherein an einem weiten Vordringen nach Norden gehindert werden könnte, daß sie soweit südlich als möglich angepackt würde.
In welchem Umfange und in welcher Richtung das Heranziehen von I. R. und XVII. A.K. zu der Entscheidungsschlacht möglich war, war am 22. abends in Koblenz natürlich noch nicht zu übersehen. Letzteres hing sehr wesentlich von dem Verhalten der Njemen-Armee ab. Beide A.K. wurden auf meinen Wunsch am 23. in ihrem Rückmarsch angehalten, um den durch Märsche und Kämpfe stark ermüdeten Truppen Ruhe zu geben und sie hierdurch zu weiteren großen Anstrengungen zu befähigen, denn das Gelingen der Operation konnte von der Schnelligkeit der Bewegung abhängen, sobald sie einmal eingeleitet war.
Endlich ließ ich noch anordnen, daß das A.O.K. [Armeeoberkommando] nicht bis Dirschau zurückgehen, sondern bereits in Marienburg das Hauptquartier errichten sollte, von wo aus es leicht an die Südgruppe herangeführt werden konnte. (a.a.O., S. 16 f.)
Hindenburgs Rolle
Wie Ludendorff später noch in Koblenz erfuhr, war ursprünglich nur vorgesehen, die Stellung des Chefs des Generalstabes beim Oberkommando der 8. Armee neu zu besetzen.
Erst später wurde dann der Entschluß gefaßt, auch General v. Prittwitz abzuberufen. Die Wahl war auf General v. Hindenburg gefallen, der in Hannover als pensionierter Offizier lebte. Ich erfuhr erst kurz vor meiner Abreise um 9 Uhr abends, daß General v. Hindenburg den Ruf angenommen habe. (a.a.O., S. 17)
Aber zu dem Zeitpunkt waren bereits die notwendigen Anordnungen an das A.O.K. in Ostpreußen ergangen.
Bevor der Sonderzug von Koblenz nach Marienburg in Hannover den neuen Oberbefehlshaber aufnehmen würde, konnte sich Ludendorff während der Reise zum erstenmal etwas entspannen:
Ernst dachte ich über die mir zuteil gewordene Aufgabe nach, und ich zweifelte nicht, daß ich sie lösen würde, falls ich ohne jede Einmischung die Operationen leiten könne. Es stand in mir fest, daß nur ein Kopf und ein Wille diese ernste Lage noch meistern werde. Mit Spannung sah ich daher dem Zusammentreffen mit dem Oberbefehlshaber entgegen, den ich bis dahin nicht kannte. Ich traf mit ihm am 23.8. 4 Uhr früh auf dem Bahnhof in Hannover zusammen. Ich trug ihm im Zuge kurz meine Auffassung der Lage und meine in Koblenz getroffenen Anordnungen vor und konnte rasch erkennen, daß er meinem Kopf und meinem Willen keine Schwierigkeiten bereiten würde. Nach der Unterredung legte ich mich in dem Bewußtsein schlafen, daß mir uneingeschränktes Betätigungsfeld und alle Verantwortung bei Erfüllung der mir gewordenen Aufgabe gesichert sei. (ebd., S. 18)
Erst Jahre nach dem Krieg bestätigte ein maßgeblicher Zeitzeuge, es sei dem General v. Hindenburg bei seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der 8. Armee vom Militärkabinett Weisung gegen worden, nicht in die Operationen Ludendorffs einzugreifen, sondern nur dafür zu sorgen, daß sein Generalstabschef ungehemmt und ungestört durch Widerstände älterer Offiziere die von ihm beabsichtigten Maßnahmen durchführen könne. (Mitteilung des Chefs des Militärkabinetts, General Frhr. v. Lyncker, an General Friedrich Bronsart v. Schellendorf 1924. Karl v. Unruh, Eine Legende durch Wahrheit zerstört!, Der Quell vom 9.9.1954, S. 772. Vollständige Wiedergabe der Niederschrift im Anhang des Buches Ludendorff – Studie einer Revolutionärs, Pähl 1985)
Uhle-Wettler kommentiert Ludendorffs persönliche Lage am 22. August mit den Worten:
Doch Ungewöhnliches geschieht. Ludendorff entscheidet sofort. An Entschlußkraft, Verantwortungsfreude und auch Selbstbewußtsein fehlt es ihm augenscheinlich nicht. Auch nicht an Gleichgültigkeit gegenüber dem Comment, dem überlieferten Stil. Es gilt nur die Sache, und gehandelt muß werden. Was Ludendorff befiehlt, befiehlt pro forma die Oberste Heeresleitung. So wird wenigstens die äußere Form gewahrt. (Uhle-Wettler, Erich Ludendorff in seiner Zeit, S. 123)
Ludendorffs kühnes Vorgehen
Der ehemalige Kommandeur des NATO Defense College in Rom spricht daher sachkundig von erstaunlich kühnen Befehlen, die Ludendorff von Koblenz aus erteilt.
Noch erstaunlicher und kühner sind die Befehle für das I. Reservekorps des Generals v. Below und das XVII. A.K. des Generals von Mackensen. Die beiden Korps haben sich befehlsgemäß vom Feind gelöst und marschieren derzeit nach Westen. Nun erhalten sie Befehl, einen Tag nichts zu tun, vornehmer ausgedrückt: zu rasten. Das bedeutete einen Tag Zeitverlust. Schon Napoleon hatte gelehrt, man dürfe alles verlieren, nur nicht Zeit. …
Dennoch läßt Ludendorff inmitten einer schweren Krise, die zu beheben man ihn gerufen hat, erst einmal vier Divisionen, fast die Hälfte der 8. Armee, „rasten“. Der Mut zu unkonventionellen Lösungen ist offensichtlich. …
Wer die Lage voll überblickte, hätte anders befehlen müssen. Aber Ludendorff sitzt in Koblenz an einer jammervollen Telephonleitung und muß dennoch befehlen. Für ihn ist die Lage zu ungewiß. Er glaubt, deshalb die endgültige Verwendung der beiden Korps noch nicht befehlen zu können. Zurecht. (ebd., S. 124)
Die Anordnungen, zitiert Ludendorff das Werk des Reichsarchivs Die Befreiung Ostpreußens,
setzten fast die gesamten östlich der Weichsel verfügbaren Streitkräfte, soweit sie für die Verwendung im freien Felde nur irgendwie in Frage kamen, zum Angriff auf die Narew-Armee in Bewegung. Zum 26. August sollten sie, wie am 23. abends der Obersten Heeresleitung gemeldet wurde, „beim XX. Armeekorps zum umfassenden Angriff“ vereinigt werden. 11 1/2 Divisionen Infanterie sollten zur Entscheidungsschlacht heranrücken, nur 1 1/2 Divisionen (Hauptreserve Königsberg mit 2. Landwehrbrigade) und die 1. Kavallerie-Division die Njemen-Armee abwehren.
Dazu General Ludendorff:
Es war ein Entschluß von unerhörter Kühnheit, gegenüber der siegreichen Armee Rennenkampfs nur so geringe Kräfte zu lassen, aber es war die einzige Möglichkeit, Ostpreußen zu retten. (Ludendorff, Tannenberg, S. 20)
Von größter strategischer Bedeutung für die Durchführung der Schlacht war die Lücke zwischen dem I. russischen und dem XXIII. russischen Armeekorps. So entwickelte Ludendorff die Idee vom Durchbruch bei Usdau für eine erfolgreiche Umfassungsschlacht. Eine wichtige Aufgabe war dabei dem I. deutschen Armeekorps zugedacht.
Es ist unglaublich, welche Widerstände es beim kommendierenden General v. François, dessen Unbotmäßigkeit an der Njemen-Front bereits 1200 Soldaten das Leben gekostet hatte, überwunden werden mußten. Ihm mußte in Hindenburgs Gegenwart sogar mit der Abberufung gedroht werden. (Vgl. Ludendorffs Schriften Unbotmäßigkeit im Kriege, 1935 und „Dirne Kriegsgeschichte“ vor dem Gericht des Weltkrieges) Da gewährten unverschlüsselte russische Funksprüche vielleicht einen gewissen Ausgleich zur Planungssicherheit.
Den Angriffsbefehl schrieb Ludendorff persönlich, General v. Hindenburg als Oberbefehlshaber zeichnete ihn lediglich ab.
Bereits nach Ludendorffs erstem Vortrag in den frühen Morgenstunden des 23. August, der kurz die Lage wiedergab, wie sie Ludendorff übernommen und durch seine Koblenzer Befehle ausgestaltet hatte, erwiderte Hindenburg zum erstenmal wie auch später sehr oft:
Ich weiß auch nichts Besseres. In Gottes Namen, machen wir es so.
(Generalleutnant Ritter v. Wenninger, Die Schlacht von Tannenberg, hrsg. von General Ludendorff, 1935, S. 18)
Das veranlaßte Uhle-Wettler zu der treffenden Bemerkung:
Hindenburg vertraut Gott, Ludendorff wohl mehr der eigenen Kraft.
(Uhle-Wettler, a.a.O., S. 125)
Aber auf den Führer stürmt viel ein, er muß gute Nerven haben, denn im Krieg handelt es sich keineswegs um Rechenexempel mit bestimmten Größen, wie Ludendorff betont.
Es ist alles andere, nur das nicht. Es ist ein gegenseitiges Abringen gewaltiger unbekannter physischer und seelischer Kräfte, und zwar um so schwieriger, je größer die eigene Unterlegenheit ist. Es ist ein Arbeiten mit Menschen von verschiedener Charakterstärke und mit eigenen Gedanken. Der Wille des Führers allein ist der ruhende Pol. (Kriegserinnerungen, S. 41)
Tannenberg
Auf die Einzelheiten der Abläufe, Entscheidungen, Befehle und Gefechtsvorgänge kann in diesem Rahmen selbstverständlich nicht näher eingegangen werden. Es mag der Hinweis genügen, daß der volle Erfolg der Schlacht, die Umfassung des Hauptteils der Narew-Armee nach geglücktem Durchbruch bei Usdau mehrfach gefährdet war infolge ungünstiger Frontentwicklungen und überraschender Reaktionen des Gegners an anderen Orten der Kampfhandlungen.
Etwa 2 1/2 russische Armeekorps wurden am 29. August eingeschlossen und mußten die Waffen strecken. Der Sieg wurde in der Tat durch kühnes Handeln errungen, das die Kriegslage vollständig umgestaltete. Der Feind hatte der zuvor zurückweichenden und schwer bedrängten deutschen Armee
rasches Handeln, entschlossenen Durchbruch und kühne Umfassung sicher nicht zugetraut,
schreibt General Ludendorff.
Er war zunächst ja Sieger. Solche Unwägbarkeiten, die zu Wägbarkeiten werden, hatte ich mit in meine strategischen Entschließungen eingestellt. Ich empfand den Segen, der darin lag, daß die Schlacht ausschließlich und einheitlich nach meinen Entschlüssen geschlagen war, der Oberbefehlshaber hatte mir ihre Gestaltung im großen wie im kleinen voll überlassen. So blieb es bis zum 26.10.1918. (Ludendorff, Tannenberg, S. 44)
In seinen Kriegserinnerungen hat sich General Ludendorff eine Zurückhaltung auferlegt, die ihm von manchen Offizieren schlecht gedankt und später zu Entstellungen mißbraucht worden ist. Über die Schlacht selbst urteilt er darin:
Ich konnte mich des gewaltigen Sieges nicht aus vollem Herzen freuen; die Nervenbelastung durch Rennenkampfs Armee war zu schwer gewesen. Wir waren aber stolz auf die Schlacht. Durchbruch und Umfassung, kühner Siegeswille und einsichtige Beschränkung hatten diesen Sieg zuwege gebracht. Trotz unserer Unterlegenheit im Osten war es gelungen, auf dem Schlachtfelde den feindlichen annähernd gleich starke Kräfte zu vereinigen. (Kriegserinnerungen, S. 45)
Aus der Zusammenstellung des Reichsarchivs sollte sich jedoch ergeben, daß die Deutschen in Wirklichkeit trotz allen Bemühens noch an Zahl unterlegen waren.
Nicht dieses Zahlenverhältnis,
wertet General Ludendorff 20 Jahre später,
ist für mich die einzige Genugtuung echter Feldherrnkunst, sondern diese besteht darin, daß gegenüber den 92 000 Gefangenen und – nach Angaben des Reichsarchivs – 50 000 Toten der Russen der Verlust der Deutschen 8. Armee in den Schlachttagen von Tannenberg sich auf nur 12 000 Mann beläuft, wovon höchstens 5000 als gefallen, 7000 dagegen als verwundet anzusprechen sind, die nach Heilung dem Heere und dem Volke erhalten wurden. (a.a.O.)
Über die Schlacht urteilt das Reichsarchiv:
Nach Leipzig, Metz und Sedan steht Tannenberg als die größte Einkreisungsschlacht da, die die Weltgeschichte kennt. Sie wurde im Gegensatz zu diesen gegen einen an Zahl überlegenen Feind geschlagen, während gleichzeitig beide Flanken von weiter Übermacht bedroht waren.
Die Kriegsgeschichte hat kein Beispiel einer ähnlichen Leistung aufzuweisen
– bei Kannäe fehlt die Rückenbedrohung. (zitiert bei Ludendorff, Tannenberg, S. 45)
Mit diesem Sieg war die Gefahr abgewendet, denn der Vormarsch gegen Rennenkampfs Armee konnte am 4. September beginnen. In den Kriegserinnerungen lesen wir:
Eine der glänzendsten Schlachten der Weltgeschichte war geschlagen. Truppen hatten die Tat vollbracht, die seit Wochen, zum Teil unglücklich, gefochten hatten. Das war nur unseren Heereseinrichtungen im Frieden zu danken. Die Schlacht ist für Führer und Truppen, für Offizier und Mann, für das ganze Vaterland ein Ruhmesblatt. (Kriegserinnerungen, S. 44)
Zum tatsächlichen Kräfteverhältnis führt Uhle-Wettler aus:
Auf dem Schlachtfeld von Tannenberg fochten 153.000 Deutsche gegen 190.000 Russen. Noch einmal soviel Russen, die Armee Rennenkampfs und die starke Warschauer Kräftegruppe, hätten in die Schlacht eingreifen können, sogar eingreifen müssen. Doch trotz ihrer Unterlegenheit schon auf dem Schlachtfeld konnten die Deutschen etwa zwei Drittel des Gegners im Kessel einschließen und vernichten. Dabei ist zu bedenken, daß der Russe im August 1914 nur aktive Truppen einsetzte, während mehr als die Hälfte der deutschen Truppen Reserve- oder gar Landwehr- und Festungsverbände waren. (Uhle-Wettler, Ludendorff in seiner Zeit, S. 140)
Die Bezeichnung Schlacht von Tannenberg geht auf Ludendorffs Vorschlag zurück
als Erinnerung an jenen Kampf, in dem der Deutsche Ritterorden den vereinigten litauischen und polnischen Armeen unterlag. (Kriegserinnerungen, S. 44)
Geschichtsklitterung
Eine Würdigung der geschichtlichen Leistung des Feldherrn Erich Ludendorff wäre unvollständig, fänden nicht auch die einerseits kläglichen, andererseits infamen Versuche Erwähnung, mit allen Mitteln der Geschichtsklitterung diese Leistung herabzusetzen oder gar in Frage zu stellen.
Der „Pflicht zum Schreiben“, wie der General sich ausdrückte, verdanken wir aber auch gerade deshalb die militärgeschichtlich aufschlußreichen Schriften Tannenberg, Unbotmäßigkeit im Kriege und „Dirne Kriegsgeschichte“, die allein dadurch unschätzbaren Quellenwert besitzen, daß sie aus der Feder des „Hauptbeteiligten“ stammen. Zuvor sah sich der General schon in den Jahren 1930 und 1932 veranlaßt, der Verunglimpfung seines Feldherrnruhms in Ludendorffs Volkswarte entgegenzutreten.
Ernste Erfahrung hatte mich gelehrt und lehrt mich so, daß Gleichgültigkeit gegenüber Ruhm und Urteil der Mit- und Nachwelt nicht zum Unrecht an der Pflicht werden darf, dem Volke die Wahrheit kundzutun. (Ludendorff, Tannenberg, S. 3)
Gestützt auf eine allgemein formulierte Stelle in Hindenburgs Buch Aus meinem Leben, die keinen konkreten Personenbezug enthält, konstruierte der frühere Hauptmann und spätere Privatdozent an der Universität Berlin Walter Elze in seinem 1928 veröffentlichten Buch Tannenberg die Legende, Ludendorff habe am 26. August 1914 während der Schlacht Schwankungen durch Versagen seiner Nerven gezeigt und sei von Hindenburg wieder aufgerichtet worden.
Das wird zwar von Hindenburg selbst nicht behauptet
(Wir überwinden die Krisis in uns, bleiben dem gefaßten Entschlusse treu und suchen weiter die Lösung mit allen Kräften im Angriff.) (Hindenburg, Aus meinem Leben, zitiert in „Dirne Kriegsgeschichte“, S. 19)
– eine diesbezügliche Anfrage Ludendorffs ließ er jedoch unbeantwortet -, aber von Elze trotz Widerlegung so dargestellt.
Tendenz-Kriegsgeschichtler
nannte der General diese Spezies von Wissenschaftlern. Wie hochgradig der Sohn eines Hochgradfreimaurers motiviert gewesen sein muß, dürfte sich aus dem Umstand erklären, daß Ludendorff ein Jahr zuvor sein Buch Vernichtung der Freimaurerei herausgebracht hatte. Scharf attackierte der General die Methode, die zu Elzes ungeheuerlicher Darstellung führte:
Der ehemalige Hauptmann und Professor nahm, da ihm hierzu Unantastbares nicht zur Verfügung stand, Hilfsmittel aller Art zur Hand, so die Psychologie, die ihm anscheinend gestattete, alles Mögliche zusammenzuphantasieren. Auch ließ er Unbekannte, „die nicht genannt sein wollen“, aufmarschieren u. dgl. m. („Dirne Kriegsgeschichte“, S. 7)
Auf Seite 19 a.a.O. schreibt der Feldherr:
Ich bemerke nochmals, daß an dem angeblichen Vorgang, soweit er auf mich bezogen wird, auch nicht ein einziges Wort wahr ist. General v. Hindenburg ist mir gegenüber nie als starker Mann aufgetreten. (ebd., S. 19)
Wie fern Ludendorff Gedankengänge gelegen haben, denen Hindenburg in seinem Buch Ausdruck gibt, beweist allein die Tatsache, daß er trotz seiner großen Zurückhaltung in seinen Meldungen an die OHL gerade an diesem 26. August seine Ansicht mit den Worten übermittelte:
Nach menschlichem Ermessen wird der Angriff erfolgreich sein. (ebd.)
Deshalb betont Ludendorff auch ausdrücklich:
Der Kriegsgeschichteschreiber hat sich nicht um seine subjektive Meinung, die er sich von dem Charakter eines Menschen macht, sondern um feste und klare Angaben zu kümmern, die keine Vieldeutigkeiten zulassen. Hat er nun von dem einen, nämlich von mir, eine ganz bestimmte Abstreitung seiner Annahmen in der Hand, von dem anderen, nämlich von General v. Hindenburg, nur jene anonyme Andeutung, die alle möglichen Deutungen zuläßt, so entwertet er seine Schrift vor jedem ernsten Forscher, wenn er bei seiner Behauptung bleibt. („Dirne Kriegsgeschichte“, S. 20)
Aber da der Verfasser trotz Auskunft von berufener Seite sich weiterhin erkühnte, die Unwahrheit zu verbreiten, galt es festzustellen:
Die Elzesche Darstellung ist einer der unerhörtesten Vorgänge, die sich Tendenz-Kriegsgeschichteschreiber je geleistet haben. (ebd.)
Immerhin reichte Prof. Elze nach Erscheinen der „Dirne Kriegsgeschichte“ die Erkärung nach, die umstrittenen Sätze über die „Krisis der Schlacht“ stammten von Generalfeldmarschall v. Hindenburg selbst,
der hierdurch seinen Anteil an dem Siege wahren wollte. (Erich Ludendorff, Meine Lebenserinnerungen, Bd. III, S. 111)
Zwar gab Reichspräsident v. Hindenburg nach Auskunft des Reichsarchivs am 9.2.1933 sein „Einverstanden“ zu einer zuvor nie veröffentlichten Klarstellung,
daß damals zwischen dem Oberbefehlshaber und seinem Generalstabschef keine Meinungsverschiedenheit über die Fortführung der Schlacht bestanden habe. (ebd., S. 114)
Ludendorff sah darin nur einen Versuch,
den General v. Hindenburg aus der Verlegenheit zu befreien, in die er gekommen war … (Lebenserinnerungen, S. 115 f.)
Und so beeilte sich denn auch Prof. Elze in einem persönlichen Schreiben an „Euere Exzellenz“ vom 20.12.1934, General Ludendorff zu versichern, er halte aufgrund dieser Unterschrift des „verewigten Herrn Reichspräsidenten“,
wodurch er ohne Bekanntgabe an mich die früheren Angaben selbst widerrufen hat, [seine bisherige] allein auf diesen Angaben des Herrn Generalfeldmarschall beruhende Darstellung der Krisis von Tannenberg nicht mehr aufrecht. (ebd., S. 117 f.)
Dennoch konnte sich Elze nicht zu der Konsequenz entschließen, sein Buch Tannenberg zurückzuziehen, so daß die darin verbreitete Unwahrheit von der In- und Auslandspresse unablässig aufgegriffen wurde. General Ludendorff blieb jetzt nur noch der Klageweg, obwohl ihm an einem Prozeß nichts lag.
Relativierende „Richtigstellung“
In diesem Zusammenhang erscheint mir auch an Uhle-Wettlers Ludendorff-Biographie – bei aller Würdigung seines Bemühens um eine gerechte „Neubewertung“ der Persönlichkeit – eine kritische Anmerkung erforderlich zu sein.
Die umstrittene Passage aus Hindenburgs Buch zitierend (Uhle-Wettler, a.a.O., S. 132), verweist der Autor in einer längeren Fußnote auf den daraus entstanden „umstrittenen Beleidigungsprozeß“. Wenn in der betreffenden Fußnote (S. 432 f.) zweimal von „Ludendorffs Sicht der Ereignisse“ die Rede ist, so wird damit das Wesentliche verfehlt oder auch nicht gesehen. Es handelt sich bei Prof. Elze, der gar zu nachsichtig bedacht wird, schließlich um eine umstrittene Interpretation der Sicht des Generals v. Hindenburg, der sich „hierdurch seinen Anteil an dem Siege wahren wollte“, gegen die Ludendorff in Wahrnehmung der Belange seiner Feldherrnehre eindeutig Stellung bezogen hat. Die Position ist damit unmißverständlich:
Wahr ist nur, was mit dem Tatsächlichen übereinstimmt. (Lebenserinnerungen, S. 113)
Wer jedoch die Wahrheit als Einklang mit der Tatsächlichkeit vertritt, legt nicht seine (subjektive) Sicht, sondern die (objektiven) Gegebenheiten dar, was durchaus gelegentlich der Entschiedenheit bedarf, unbekümmert um das Verständnis der Unverständigen. („Augenscheinlich haben auch Offiziere die Entschiedenheit, mit der Ludendorff seine Sicht durchzusetzen suchte, nicht verstehen können.“ Uhle-Wettler, a.a.O., S. 433)
Bewiesen ist: Erich Ludendorff – und kein anderer – ist der Sieger von Tannenberg
Im übrigen verweist der Feldherr selbst auf eine Übereinstimmung zwischen den Angaben des Generals v. Lyncker und denen des Generals v. Hindenburg. Wie der einstige Chef des Militärkabinetts General v. Lyncker dem Genlt. v. Bronsart 1924 mitteilte, ist v. Hindenburg nur deshalb ernannt worden, weil man sicher wußte, daß er seinem Generalstabschef Ludendorff nie Schwierigkeiten machen, sondern dessen Vorschlägen stets folgen würde. Hindenburg
hätte auch gewußt, so betont General v. Lyncker ausdrücklich, daß er abberufen werden würde, wenn bei ernstlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen uns er nicht nachgegeben hätte. (Lebenserinnerungen Bd. III, S. 119)
Paul v. Hindenburg bestätigt dies durchaus in seinem Buch Aus meinem Leben (1919) mit den Worten:
Eine meiner vornehmsten Aufgaben, nachdem ich den hohen Wert des Generals Ludendorff bald erkannt hatte, sah ich darin, den geistvollen Gedankengängen, der nahezu übermenschlichen Arbeitskraft und dem nie ermattenden Arbeitswillen meines Chefs soviel als möglich freie Bahn zu schaffen.
… Sein Einfluß belebte alle. Niemand konnte sich ihm entziehen, es sei denn auf die Gefahr hin, aus der einheitlichen Bahn geschleudert zu werden. Wie konnte auch anders die ungeheure Aufgabe erfüllt, die Triebkraft zur vollen Wirkung gebracht werden? (ebd.)
Dem entsprach aber auch absolut die übliche Verfahrensweise, die Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen so beschreibt:
Ich trug dem Generalfeldmarschall nach Rücksprache mit meinen Mitarbeitern kurz und knapp meine Gedanken für die Anlage und Leitung aller Operationen vor und machte ihm einen ganz bestimmten Vorschlag. Ich hatte die Genugtuung, daß der Generalfeldmarschall stets – von Tannenberg an bis zu meinem Abgang Oktober 1918 – mit meinem Denken übereinstimmte und meine Befehlsentwürfe billigte. (Kriegserinnerungen, S. 10)
Wäre die Herabsetzung seiner Kriegsleistungen unterblieben, General Ludendorff hätte keine Veranlassung gesehen, sich nachhaltig für die geschichtliche Wahrheit über die Schlacht von Tannenberg ohne Schonung anderer einzusetzen. Zwar ist der Hindenburg-Mythos inzwischen geschichtlich überholt, seine Nachwirkungen zeigt er indes noch heute, und die geschichtliche Wahrheit andererseits ist durchaus noch nicht zum gesicherten Allgemeingut geworden.
Auch Bilder können lügen
Nicht erst seit dem Zweiten Weltkrieg und der berüchtigten Wehrmachtsausstellung wissen wir, wie auch Bilder historische Zusammenhänge verfälschen können und damit der Legendenbildung dienen.
In diese Kategorie Geschichtsklitterung fördernder Bilder gehört auch die bekannte Aufnahme von der Vortragsszene im Schloß von Pleß, wie Hindenburg mit der Hand auf eine Stelle der Karte zeigt, während der Kaiser und Ludendorff zusehen. Die Szene ist aber
zum Zwecke dieser Aufnahme so gestellt, und zwar nicht auf des Kaisers und meine Anregung. Es entspricht nicht den Tatsachen und leistet der heutigen Geschichteklitterung Vorschub, die damals wohl weder der Kaiser noch ich [für] möglich hielten. („Dirne Kriegsgeschichte“, S. 14)
Der Feldherr schenkte dem seinerzeit keine Beachtung, da die Sorge um Heer und Volk ihn zu sehr erfüllte. In Wahrheit drang der Oberbefehlshaber nach Ludendorffs Bekunden
selten ganz in den Ernst der Lage ein und war deshalb oft von erschütternder Sorglosigkeit. (ebd., S. 21)
Auch hat General v. Hindenburg die schlachtentscheidende Tat des Durchbruchs bei Usdau „nicht in sich aufgenommen“, um es mit Ludendorffs Worten auszudrücken. (ebd., S. 23)
Warum Hindenburg Ludendorff zur Seite gestellt wurde
Es ist schon bemerkenswert, daß Hindenburg bei Besuchen von Fürsten oder Diplomaten, „denen er gern von der Schlacht sprach“, immer wieder von Ludendorff auf die Bedeutung dieses Durchbruchs für den Sieg hingewiesen werden mußte,
des Durchbruchs, der weit ab von dem üblichen strategischen Denken des Heeres lag. Wie oft hörte ich bei solchen Gelegenheiten seine Frage „Wie war das doch noch bei Tannenberg?“ Wie oft mußte ich sie beantworten. (ebd. In einem Privatgespräch äußerte Ludendorff gegenüber Karl v. Unruh: „Und denken Sie, die Sache mit Usdau – die hat er nie kapiert.“ Der Quell, 9.9.1954, S. 775)
Diese Auffälligkeit bestätigt offenkundig, was General v. Lyncker unumwunden 1924 als „Insider“-Wissen, wie man das heute nennt, preisgab:
… Er [Hindenburg] hatte seit 1913 … nicht mehr auf der Liste der im Mob.Fall wieder zu verwendenden Generale gestanden, weil er körperlich und geistig zu schwerfällig geworden war. Das war der Grund seiner Verabschiedung gewesen! Wir waren sicher, daß er alle Vorschläge Ludendorffs annehmen würde. Wir hatten zuerst Prittwitz in Ostpreußen belassen wollen und nur Waldersee [Chef d. St.] fortnehmen und ihn durch Ludendorff ersetzen. Aber das wäre nicht gegangen, denn Prittwitz war zu schwierig. Wir dachten dann an Goltz, der Ostpreußen ja gut kannte, aber der hätte nicht zu Ludendorff gepaßt. Bei Hindenburg wußten wir genau, daß er Ludendorff stets folgen würde! (Eidesstattliche Erklärung des Gen. v. Bronsart, zit. nach Ludendorff, a.a.O., Anhang)
Ein anderes wichtiges Zeugnis liefert der Brief General Groeners an Oberst a.D. Reinhold Laegler vom 22.3.1935:
Bei dem Kaiservortrag, bei dem die Wahl Hindenburgs zum Oberbefehlshaber der 8. Armee erfolgte, war ich anwesend und kann bestätigen, daß der einzige Grund für seine Wahl der Umstand war, daß man von seinem Phlegma absolute Untätigkeit erwartete, um Ludendorff völlig freie Hand zu lassen. …
Aber trotz Phlegma und Untätigkeit war der Alte ruhmsüchtig, nicht nur im Kriege, sondern bis an sein Ende.
(Dorothea Groener-Geyer, General Groener / Soldat und Staatsmann, Ffm. 1955, S. 339, zit. nach Ludendorff, Meine Lebenserinnerungen, Bd. III, Fußnote d. Hrsg. S. 124)
General Ludendorff selbst legte Wert auf die Feststellung:
Nicht ich habe diesen Kampf gewollt, der jetzt „literarische Auseinandersetzung“ genannt wird. Ich bin zu ihm, zur Schande des Volkes, gezwungen worden. Ich habe den General v. Hindenburg s. Zt. geschont, das Volk sollte ihn sehen, wie es ihn aus den Presseartikeln zu sehen gewohnt war. Er hat indes in den Kampf gegen mich persönlich eingegriffen. Es ist mein Recht und meine Pflicht, nun mich zu wehren. (Lebenserinnerungen, Bd. III, S. 118 f.)
Ansätze zu einer objektiveren Würdigung des Feldherrn Erich Ludendorff und seiner Leistungen sind gewiß erkennbar – neben Uhle-Wettlers Biographie wäre auch die Veröffentlichung des Preußen-Archivs aus dem Braunschweiger Archiv-Verlag zu nennen -, doch die Verpflichtung besteht weiter, für die geschichtliche Wahrheit entschieden einzutreten. Das dankbare Erinnern an die Schlacht von Tannenberg und an die Kämpfe bei den Masurischen Seen, die 1914 zur Rettung Ostpreußens führten – ebenso Ludendorffs Feldherrnruhm begründeten -, trägt diese Verpflichtung in sich.
(Zwischenüberschriften von Adelinde)
Literatur
Erich Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen, Berlin 1919
Erich Ludendorff, Mein militärischer Werdegang, München 1933
Erich Ludendorff, Meine Lebenserinnerungen 1933-1937 (Bd. III), Pähl 1955
Ludendorff / Studie eines Revolutionärs, Pähl 1985
Franz Uhle-Wettler, Erich Ludendorff in seiner Zeit. Soldat. Stratege. Revolutionär. Eine Neubewertung, Berg o. J. 1995
Tannenberg Deutsches Schicksal – Deutsche Aufgabe, hrsg. vom Kuratorium für das Reichsehrenmal Tannenberg, Oldenburg/Berlin 1939
General Ludendorff, Tannenberg – Geschichtliche Wahrheit über die Schlacht, 1934
General Ludendorff, Unbotmäßigkeit im Kriege, München 1935
General Ludendorff, „Dirne Kriegsgeschichte“ vor dem Gericht des Weltkrieges, o. J.
Genlt. Ritter v. Wenninger, Die Schlacht von Tannenberg, hrsg. von General Ludendorff, München 1935
Walter Löhde, Erich Ludendorffs Kindheit und Elternhaus, München 1938