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Vom Odal zum Bauernkrieg

Wer kann sich nicht an die Aufstände zu Beginn des Jahres 2024 erinnern! Diese Bauern sind schon längst keine freien Bauern mehr. Sie sind abhängig von staatlichen Begünstigungen, von denen nun eine wegfallen sollte. Dagegen protestierten die Bauern von 2024.

Doch das einstige Bauerntum im germanischen Odal-Recht brauchte nicht zu betteln oder zu protestieren. Der Bauer war auf seiner Scholle frei. Darüber hat

Roswitha Leonhard-Gundel

einen aufschlußreichen Vortrag gehalten, bei dem sie zuerst einmal feststellte:

Unsere bäuerlichen Vorfahren waren seßhaft.

Um dann fortzufahren:

Nun mag man einwenden, daß die germani-schen Stämme immer wieder aus ihrer ur-sprünglichen Heimat weggezogen sind. Das geschah jedoch nicht aus Raublust oder Er-oberungssucht, sondern der Kinderreichtum erforderte in den meisten Fällen die Abwan-derung.

Trafen sie im Ausland bereits Siedler an, bo-ten sie ihnen wehrhaften Beistand an. Für unsere germanischen Vorfahren war es wich-tig, brachliegenden Grund und Boden als göttliches Geschenk urbar zu machen und den Menschen eigener Herkunft zu erschlie-ßen.

Schon vor anderthalb Jahrtausenden brach Bojokal, der Germanenführer eines kleineren germanischen Stammes der Ansivaren – als ihm die Römer das von seinem Volk gefor-derte brachliegende Land verweigerten – mit erhobenen Armen, zur Sonne aufblickend, in den Ruf aus:

Soll denn die Sonne auf menschenleeres Land niederschauen? Wie der Himmel den Göttern, so ist die Erde den Menschen gegeben, und alles Land, das brach liegt, kann jedermann unter den Pflug nehmen. (Grimm, Deutsche Sagen Nr. 367)

Den Landsuchenden ging es überwiegend um friedliche Verständigungspolitik,

„denn der Stolz und die Waffenfreudig-keit hatten nichts gemein mit dem Räuberwillen der Nomadenvölker“.

Außerdem ist durch die Spatenwissenschaft bewiesen, daß nie ALLE Angehörigen eines Stammes aufbrachen, Neuland zu besiedeln. Eindeutig zeigen alle aufgefundenen Gegen-stände und Geräte, daß unsere Ahnen seit den ältesten Zeiten seßhafte Bauern waren, von denen ohne Unterbrechung über die Jahrtausende hinweg der Boden bearbeitet worden ist.

 

Felsbild in Südschweden, Bronzezeit -1800-850

In der räumlichen Abgeschiedenheit unter zeitweise sehr harten klimatischen Bedin-gungen haben sich unsere Vorfahren ihre Kultur gemäß ihrer Wesensart geschaffen. So entstanden Menschenrassen als Erbgemein-schaften.

Die Verbundenheit der Germanen mit dem Boden kam aus dem stets gleichbleibenden Verhältnis zu ihm, das keiner Veränderung unterworfen war. Ein solches Volk mußte unter einer Eigengesetzlichkeit leben, dem seine Lebensart und Haltung und sein Ver-hältnis zum Boden entsprach. Diese Eigen-gesetzlichkeit fand in dem germanischen Bodenrecht, dem Odal lebendigen Ausdruck.

Es war etwa bis in das frühe Mittelalter (550 – 1050 n. d. Zw.) hinein Gemeingut aller ger-manischen Stämme. Bei dieser Bodenver-fassung sind drei verschiedene und streng voneinander getrennte Besitzarten zu unterscheiden:

 

Das Odal stand im Mittelpunkt als die unver-äußerliche, unbelastbare und erbpflichtige Ernährungsgrundlage der einzelnen Sippe mit Haus und Hof!

Es durfte nicht verliehen werden, war un-teilbar und anbaupflichtig. Ein Besitzwechsel durfte nur durch Erbschaft geschehen. Haus und Hof waren heilig und galten als Gottesle-hen. Es war nur zum Besitz und nicht zum Eigentum gegeben. Unveräußerliches Eigen-tum war der gesamte Heimatboden des gesamten Volkes.

Dadurch kam eine hohe sittliche Verpflich-tung der Volksgemeinschaft und der Gottheit gegenüber zum Ausdruck. Jedem germani-schen Ehe- oder Brautpaar stand ein eigenes Herdfeuer und damit Haus und Hof zu. Mit diesem Eigenbesitz war aber auch die Ver-pflichtung zur Ehe und zur Fortpflanzung des Geschlechts verbunden.

Das Feod war persönliches Eigentum, beste-hend aus dem Arbeitsertrag, bedeutete auch bewegliches Gut, fahrende Habe. Der Name bedeutet ebenso Viehgut.

Die Allmende als gemeinsamer Besitz der Mark- oder Volksgenossenschaft: Sie umfaß-te Weide, Wasser, Wege, Bodenschätze, alle Schätze der Natur.

Sich der Allmende zu bedienen, bildete für jede Familie, unbekümmert um die Größe ihres Eigentums, eine nicht unerhebliche Versorgung mit Holz, Fisch, Wildbret, Futter, Reet, Rohr und vielerlei anderen nützlichen Dingen für einen Bauernhof.

Infolge der gemeinschaftlichen Zusammen-arbeit der Markgenossen war die Hege und Pflege der Allmende gleichmäßig auf alle verteilt. Hierdurch war jeder Raubbau und jede Verwüstung ausgeschaltet; denn gleiche Rechte bedingten gleiche Pflichten und for-derten absolute Rücksicht auf Zukunft und Gemeinnutz. So beinhaltete das germanische Genossenschaftsrecht eine sittliche Ver-pflichtung und Erziehung.

In regelmäßigen Zeitabschnitten und zu bestimmten Jahreszeiten fanden in den Markgenossenschaften Thingversammlungen statt. Hierbei wurde der Gottheit in Dankbar-keit für alle Gaben der Natur und des Lebens gedacht.

Die germanische Gemeinschaftsordnung baute sich über Familie und Sippe zum Stamm hin auf. Innerhalb einer Sippe oder eines Stammes gab es nur Freie. Unfreie, sofern es sie gab, waren meistens bei Kriegszügen erbeutete Volksfremde. Der Einzelne war frei und lebte für seine Familie und Sippe. Alle Freien waren gleichberechtigt und hielten sich an ungeschriebene, im praktischen Leben bewährte Gesetze.    

Auf dem Thing fand die gemeinsame Bera-tung der öffentlichen Angelegenheiten statt, wurden Streitfälle geschlichtet oder Straftaten abgeurteilt. Ebenso wurde die zur Waffen-fähigkeit herangereifte Jugend gemustert und Gericht gehalten.

Zum Thing kamen aber nicht nur Männer, sondern auch weise Frauen, deren Plätze oft schon vor ihrer Ankunft mit Blumen ge-schmückt waren. Ihre Meinungen waren beim männlichen Geschlecht hoch angesehen, im Gegensatz zum christlich-orientalischen Glauben, der die Frau dem Tier gleichstellt. (Konzil zu Macon, 585 n. u. Zr.)

Tacitus dagegen berichtet:

„Bei einem Kampf befinden sich ihre Lieben in unmittelbarer Nähe … Die Frauen betrachtet jeder als die heiligsten Zeugen, und auf ihre Anerkennung legt der Kämpfende höchsten Wert.“

 

Diese Frauenverehrung geht auf eine lange, Jahrtausende alte Tradition zurück. Uns sind schon aus der Edda die drei Nornen, die am Fuße des Weltenbaumes sitzen, bekannt:

Urd = das Gewordene,
Werdandi = das Werdende,
Skuld = das Werdensollende.

Später sind es dann die drei Beten:

Ambede = Die göttliche Mutter Erde,
Borbede = Die göttliche mütterliche Sonne, Sonnenfrau,
Wilbede = die Mane, die die Zeit (die Wil/Weile) bestimmt, die Mondfrau.

Das germanische Bodenrecht und seine unantastbare Scheidung in Odal, Feod und Allmende bestand schon seit Jahrtausenden, obwohl es niemals schriftlich niedergelegt worden ist. Trotzdem ist es aber bis auf unsere Zeit in den Sitten und Gebräuchen unseres Bauerntums lebendig geblieben. (Maibaum, Flurumgehungen, Erntedankfest, Weihnachten, Ostern, Sommer- und Winter-Tag-und-Nachtgleiche usw.

Immer wieder kommt die Freude an der Natur, die innige Hinwendung zum Göttlichen und die Dankbarkeit für alles, was Mutter Erde uns schenkt, zum Ausdruck.

Diese ungeschriebene germanische Allod-Verfassung, die im Rechtsempfinden dem Volk voll und ganz entsprach, hatte ihren Ursprung nicht im kalten menschlichen Verstand, sondern wurzelte im ureigensten Wesen dieser nordischen Menschen. Bei Eike von Repgow, der im 13. Jahrhundert den Sachsenspiegel schrieb, heißt es:

„Das Recht habe ich mir nicht selbst ausgedacht. Es ist uns vielmehr seit alters von unseren rechtschaffenen Vorfahren überliefert worden. Es wird mit uns geboren und lebt in uns.“

So haben nordische Menschen immer wieder aus inneren Kräften heraus auch nordisch-germanisches Recht entwickelt. Hin und wieder treffen wir auch heute noch auf die Sitte, eine Abmachung mit Handschlag zu besiegeln oder eine mündlich getroffene Abmachung einzuhalten.

Noch immer gilt unter Deutschen als verachtenswert, Zusagen nicht einzuhalten. Ohne eine solche Verläß-lichkeit wäre eine Gemeinschaft von Menschen bei uns nicht denkbar.

Jedoch schon vor der Jahrtausendwende waren unsere Urahnen bereits dem Druck Roms ausgeliefert. Dazu gehörte, daß Grund und Boden seine Unveräußerlichkeit verlor und zur Handelsware herabsank. Eine der verheerenden Folgen besteht darin, daß dem Volk der Heimatboden unter den Füßen verkauft wird.

Die Germanen im Kampf gegen Rom

Von Rom, das sich zu seinen Kriegen fremder Söldner bediente, wurden ein Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (im Jahre -102) die Kimbern, Teutonen und Ambronen durch Hinterlist und Verrat vernichtet. Sie waren von Jütland aus – durch Hungersnöte und Mißernten gezwungen – nach Süden ausge-wandert.

Rom wurde immer mehr zur Bedrohung der germanischen Völker. Nicht zu vergessen Caesar, der den gallischen Krieg auf grau-samste Weise von 58 bis 50 v. d. Zw. führte. Am Ende war Gallien verwüstet und staatlich erledigt, ein Drittel der Bevölkerung ermordet oder in die Sklaverei verkauft, ganze Land-striche waren menschenleer geworden. Vernichtet war auch die reiche Kultur Galliens, somit verschwand die keltische Bronzekunst für immer.

 

Bild: glossar.wein.plus

Immer wieder drangen die römischen Legio-nen gegen das freie Germanien vor, um seine Bauernvölker zu unterjochen. Schließlich trat ihnen der junge geniale Cheruskerfürst Armin im Jahre 9 n. d. Zw. mit den verbündeten germanischen Stämmen, die alle einem Bauerngeschlecht entstammten, entgegen. Die Germanen hatten kein stehendes Heer, weil sie nur auf Verteidigung und nicht auf Angriff ausgerichtet waren, dennoch gelang ihnen der überwältigende Sieg.

Hermansdenkmal im Teutoburger Wald

In der denkwürdigen Schlacht im Teutoburger Wald gelang es ihm, das römische Heer restlos zu vernichten und seinen Ausdeh-nungsfeldzügen nach Germanien ein Ende zu bereiten. Diese Nie-derlage haben die Römer nie überwunden.

Für die Germanen bedeutete der Sieg aber im Verlauf der näch-sten Jahrhunderte eine freie Entwicklung aus eigener Kraft und die Abwehr der römischen Zersetzung.

Zum Glück waren die germanischen Bauern-völker im Mutterland von dem römischen Druck durch den Sieg Armins erst einmal entlastet. So hatten sich kräftige Stammes-staaten entwickelt wie die Bayern, Aleman-nen, Thüringer, Friesen, Hessen und Sachsen, um nur einige zu nennen. Dann aber begann nach und nach, sich das Großfränkische Reich zu bilden, was sich immer bedrohlicher für die Germanen auswirkte.

 

Fränkisches Großreich (Wikipedia)

Das Reich der Franken bildete sich im 3. Jahr-hundert aus verschiedenen Kleingruppen wie den Salfranken, den Rheinfranken, den Mo-selfranken. Noch während der Völkerwande-rungszeit (4.–6. Jahrh.) waren sie tief nach Gallien eingedrungen.

Unter ihrem Volkskönig Chlodwig, der von den Salfranken abstammte, eroberten sie im Jahre 468 die letzte römische Provinz um Orleans, nordwestlich von Paris.

Damit gelangten sie in den Besitz der römi-schen Verwaltung mit ihren riesigen Groß-grundbesitzungen. Von dem Reichtum der Güter geblendet, verhinderte Chlodwig ihre Aufteilung an die fränkischen Bauern, um sie sich selber widerrechtlich anzueignen.

Gleichzeitig versuchte er mit Hilfe der römisch-christlichen Bischöfe und deren Einfluß zum unbeschränkten Machthaber nach römischem Vorbild zu werden, was ihm auch gelang. Zu diesem Zweck ließ er sich im Jahre 492 taufen, das war die Bedingung, die seine Macht stärkte.

 

Chlodwigs Taufe 483 (Bild Wikipedia)

Bei der Taufe sprach der Bischof Remigius von Reims die „bedeutsamen“ Worte:

„Beuge nun dein Haupt und unterwirf es dem sanften Joche Christi. Bete an, was du bisher verbrannt hast und verbrenne, was du bisher angebetet hast.“ 

Damit war die Marschrichtung der brutalen Christianisierung angegeben.

Mit der Annahme des Christentums war Chlodwig nicht mehr fränkischer Volkskönig, sondern der auf kirchlicher Gnade fußende König seiner christlichen Untertanen, gleich-gültig welcher Art und Herkunft sie sein mochten. Fortan sahen die fränkischen Könige naturgemäß in der Kirche ihren besten Verbündeten.

Damit war die Freiheit untergegangen, selbst über die Geschicke der Stämme zu entschei-den. Ein schweres Schicksal für die Germa-nen, die ihre Freiheit über alles liebten. Zu Recht war Goethe der Ansicht, daß die Idee der Freiheit von den Germanen in die Welt kam.

An Stelle des Things trat das Königsgesetz. Aus den früheren lebendigen germanischen Volksrechten machte Chlodwig ein totes Buchstabenrecht, wobei er mit „königlicher Rechtsgewalt“ die rechtlichen Unterschiede zwischen den fränkischen Freibauern und den Römern aufhob, um einen gleichmäßigen Untertanenstand zu bilden.

Bei den Römern, die wie die fränkischen Freibauern unter Chlodwigs Herrschafts-gewalt lebten, handelte es sich häufig um freigelassene Sklaven und sittlich frag-würdige Personen, die sich um des Vorteils wegen rasch zum Christentum bekehren ließen.

Bei dieser Verrömerung und Christianisierung wurde nicht nur der Rechtsunterschied zwi-schen Franken und Römern beseitigt, son-dern damit zerbrach auch die alte germani-sche Volksgemeinschaft, und die Sippenver-bände der fränkischen Freibauernschaft lösten sich auf.

Fortsetzung folgt

__________________

Literatur

  1. Das Deutsche Bauerntum, Band I, Herausgeber W. Hansen u. W. Grimm, Deutsche Sagen, Nr.367
  2. Roms Kreuzzüge gegen Germanien, K. Fichtel
  3. 5000 J. Deutschland
  4. Die drei Ewigen, H. Ch. Schöll
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