Tangaloa – das große Sehnen
Sonntag, 17. Oktober 2010 von Adelinde
Wer kennt es nicht, das große Sehnen
nach dem fernen Geliebten, das Sehnen nach Widerhall, Freundschaft, Liebe, das große Sehnen nach Heimat, Harmonie, nach Vollkommenheit, Vollendung, das Sehnen nach Schönheit, Erkenntnis, Gerechtigkeit und Freiheit?
Was ist die Trauer anderes als das gemütstiefe Sehnen nach Verweilen eines Vergangenen, das einst Heimat bedeutete?
Was ist dieses große zehrende Sehnen? Wohin führt es uns? Lebt es in allen Menschen? Lebt es auch in der übrigen Schöpfung? War es gar der Antrieb zum Werden in der gesamten Schöpfungsgeschichte des Alls?
Das große Sehnen – Tangaloa –
schuf die Welt, antwortete auch Kifanga, die samoanische Häuptlingstochter von Fangatonga auf die Frage ihres deutschen Freundes Emil Reche. (1)
Und wer war es, der sich sehnte?
fragte der Deutsche sie weiter.
Das große Sehnen war es. – Und wonach sehnte es sich? – Sich selbst zu schaffen … sich selbst zu singen in tausendfältigem Akkord.
An anderer Stelle sagt sie ihm die Weisheit über das Göttliche:
Es ist ewig, aber nicht ein Ewiges. (2)
Wie der Gesang, die Musik ein Gleichnis des Ewigen ist, das von der Veränderung, vom Wandel lebt, so offenbart sich auch das Ewige nicht als ein Ewiges, ehern Unwandelbares, sondern zeigt sich als Lebensstrom in unendlicher Mannigfaltigkeit seines Ausdrucks.
Ein Volk in der Einheit seiner Urkultur
Mit den Samoanern stellt uns Emil Reche in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Volk vor, das damals noch ganz seiner eigenen, in Jahrtausenden entwickelten Urkultur lebte, obwohl christliche Mission und europäische Zivilisation durch die Kolonialmächte Deutschland und Großbritannien auch in Samoa schon ihr Zerstörungswerk begonnen hatten.
So haben wir das Glück, durch einen deutschen Zeitzeugen lebendigen Einblick zu erhalten in die Kultur eines noch lebenden Urvolkes, ohne uns wie bei untergegangenen Kulturen anhand von kläglichen Überresten, die wir aus der Erde kratzen, oder spärlichen Zeugenberichten mit viel Phantasie Bilder zusammensetzen zu müssen, die, durch die Brille unserer Vorurteile gesehen und gezeichnet, wahrscheinlich mit der gewesenen Wirklichkeit nicht viel gemein haben.
So berichtet Emil Reche, das Volk der Samoaner meine,
daß die geistigen Kräfte sich über das Weib vererben, daß sie also die Tochter in der Geschlechterfolge weitergibt, und so wird denn nach Landessitte der Häuptlingsrang in der weiblichen Linie vererbt.
Das erinnert ihn an Berichte wie vielleicht die von Tacitus über die einst hohe Stellung der Frau bei unseren germanischen Vorfahren, die auch die Weisheit der Seherinnen hoch achteten:
War’s nicht, wie in der Väter längstvergangener Zeit, die ihren Gottgedanken nicht in steinerne Tempelmauern noch in rauschender Kirchenzeremonien äußerliche Pracht hineinzwängen mochten? Die ihr sehnendes Herz hinaustrugen in das tiefe Schweigen ihrer heiligen Eichen und ihrer dunklen Wälder stille Einsamkeit. War’s nicht wie einst, daß wir’s empfanden: Die tiefere Innigkeit des weiblichen Gemütes, wo Innigkeit allein nur fühlt, was einzig nur zu fühlen ist? Daß wir’s empfanden als etwas Heiliges um das rechte Weib …
Der später sich durchsetzende Patriarchalismus verschüttete dieses Empfinden. Im Mantel der abrahamitischen Religionen brachte er eine andere Sicht auf die Frau.
Samoa aber war um 1920 herum von diesen Religionen – zumindest in der Person der Häuptlingstochter Kifanga – noch unversehrt. Kifanga weiß trotz ihrer Jugend schon zu sagen:
Tangaloa, das große Sehnen, sehnte sich nach sich selbst, will sich selbst schaffen, sich selbst singen.
Die Häuptlingstocher wählt ihren Gatten
Reche erklärt seinem deutschen Gesprächspartner:
Die Häuptlingstochter wählt sich also den Gatten und nach Art ihrer Erziehung und den herrschenden Anschauungen im Elternhaus gemäß immer nur den kühnsten, tapfersten, geistig und körperlich hervorragendsten Mann, wobei die Wahl bei der vorhandenen gleichen Erziehung und Weltanschauung auf der anderen Seite meist auf den Sohn eines benachbarten Häuptlingsgeschlechtes fällt.
Die sogenannte Ebenbürtigkeit ist aber keineswegs ein etwa bestehendes Familiengesetz, wie bei unseren deutschen Fürstengeschlechtern; sie … hört auf, wenn den Häuptlingssöhnen sich ein Mann aus dem Volke in den geforderten Eigenschaften überlegen erweist. Das ist immerhin selten, aber die Häuptlingstochter hat freie Wahl.
Der Samoaner vermeidet dadurch die Führerschaft eines nicht gut geratenen Sprosses aus herrschendem Hause. So werden Sie die der Häuptlingstochter von allen Seiten entgegengebrachte Achtung und die Hochachtung des Samoaners vor dem Weibe überhaupt als Trägerin der Erbeigenschaften seines Volkes verstehen.
Das samoanische Weib ist tabú, das heißt unantastbar an Leib und Leben, und so sind daher die jungen Mädchen die durch heiliges Recht von Freund und Feind in gleicher Weise geschützten Sendboten zwischen den einzelnen Stämmen und Parteien in Krieg und Frieden.
Von einem solchen Garten Eden können wir hierzulande nur träumen, wir sind längst daraus verstoßen!
Tangata
Die Samoaner nennen sich Tangata,
das Ich der Ichheit – das Einzelne der Einheit im Selbstbewußtsein (des Göttlichen).
Sie empfinden sich also als gottdurchdrungen, als Teil des Göttlichen, des großen Sehnens nach sich selbst. Welche Weisheit eines „primitiven“ Urvolkes!
Die europäischen Völker haben einen jahrtausendelangen Weg durch Fremdreligion, Glaubenszwang, Denksperren, Gottlosigkeit und Materialismus zu wissenschaftlichem Forschen der Erscheinungwelt bis an die Grenzen der Möglichkeiten vernunftmäßigen Erkennens zurückgelegt, ehe nun – wenn auch wohl nur vereinzelt – auch hier Menschen nachzuempfinden vermögen, was Kifanga von ihrem Gotterleben schildert.
O, Ihr lieben, guten Deutschen! Ihr und wir – wir gehören ja doch zueinander,
begeisterte sich Kifanga allerdings dem mitschwingenden deutschen Freund gegenüber. Sie muß Seelenverwandtschaft erspürt haben.
Europäer wußten ja auch einst, wie die isländischen Sagas und die Großskulpturen der Megalithkultur bezeugen, bereits in der Steinzeit um das “innere Auge”, das das Wesen der Schöpfung erschaut.
Sie schufen Skulpturen von Menschen mit dem seherischen Blick in die Ferne, wobei nur ein Auge – das nach außen in die Welt schauende, das Auge der Vernunft – in natürlicher Form, das andere – nach innen gerichtete, das Auge der Wesensschau – als helle, sternförmig gemusterte Scheibe dargestellt wurde. Dabei wurden naturgegebene Formen an Felswänden durch Bearbeitung mit Werkzeugen verdeutlicht. (3) Auch diese Urvölker scheinen erfüllt gewesen zu sein vom großen Sehnen des Ewigen nach sich selbst, in dessen Einheit sie sich als Teil erlebten.
Ganz anders
die abrahamitischen Religionen!
Sie lehren die Völker die Gottesfurcht, das Gegenüber zu einem personifizierten “Gott” außerhalb der Schöpfung. Als anmaßende Selbstüberhebung wird angesehen, wenn jemand behauptet, aus sich heraus das Göttliche erleben und erkennen zu können. Diese Religionen lehren die Menschen, sich als Nichtswürdige vor JHWH bzw. Allah in den Staub zu werfen und demütig auf Hilfe und Erlösung zu hoffen. Die europäischen Völker haben sich jedoch von dieser Extremform schon wieder weitgehend entfernt.
Wie wir Heidenkinder findet auch Kifanga:
… wir verstehen euch nicht, wenn ihr von euren Göttern redet, die keine Menschen sind und doch den Menschen gleich denken, fühlen und handeln – die allmächtig, allgütig und weise, eine Welt mit Menschen schufen, um sie darnach aus ihrer und ihrer eigenen Unvollkommenheit wieder befreien oder, wie ihr es nennt, erlösen zu müssen. Wir verstehen das nicht.
„Verlorenes Heidenkind!“ lautete das Urteil des christlichen Missionars.
1. Emil Reche, Kifanga – Ein Lebens- und Sittenbild des Volkes unserer ehemaligen deutschen Kolonie Samoa, 1924
2. Emil Reche, Tangaloa, 1926
3. Elisabeth Neumann-Gundrum, Europas Kultur der Groß-Skulpturen
“Ein Stück Sehnsucht will ich sein im großen Sehnen der Welt.”
Dieses polynesische Sprichwort spricht mich im Innersten an. Es meint das Sehnen nach Vollendung, Vollkommenheit, nach tiefen Erkenntnissen, nach dem Wesentlichen, nach dem Wesen dieser Schöpfung. Die Samoaner sprechen vom Ewigen als einem Lebensstrom in unendlicher Ausdrucksmannigfaltigkeit. Hat so nicht die Philosophin Mathilde Ludendorff ( 1877 – 1966 ) das Göttliche ausgedrückt? Das Göttliche oder das Ding an sich, wie es Immanuel Kant nannte, welches vom inneren Auge, von der Seele, vom Seelenauge gefunden wird, das was an Schönheit und an wunderbaren Gestzmäßigkeiten überall in der Natur zu entdecken ist, wenn man “ein Auge dafür hat,” wie unsere deutsche Sprache zurecht sagt.
Warum sollen “die geistigen Kräfte (nur) über das Weib vererbt” werden? Irrten sich da die Samoaner nicht? Erlebten sie ihre Männer so sehr den Trieben verhaftet, dass von diesen kein Geist auf die Kinder überging? Oder ist diese Ansicht der Samoaner viel mehr aus der Tatsache zu verstehen, dass die KInder in einer reinen Müttergesellschaft aufgezogen wurden?
Auch die Juden sagen: “Jude ist nur der, der/ die eine jüdische Mutter hat,” womit ja vor allem das geistige Judesein gemeint ist, das sich aus der Erziehung durch die jüdisch denkende Mutter ergibt, aber gekoppelt auch an die leibliche Blutsverwandtschaft.
Und dazu fällt mir ein, dass in der Biologie bekannt ist, dass die Mitochondrien, Bakterien, welche die Energiekraftwerke der Zellen darstellen, nur von der Mutter/ Frau vererbt werden können!!! Werden diese z.B. durch Zellgifte ( Chemopräparate, übliche Impfstoffzusätze wie z.B. Quecksilber und Formaldehyd in geringern Mengen) geschädigt, sind diese unwiederbringlich verloren!!
Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn so viele Chemo”therapierte” schließlich kraftlos die Augen für immer schließen, auch viele junge Mütter darunter. Wie sollen sie da noch die Kraft zur Sicht hinter die Dinge weitergeben können?
Vielen Dank für diesen schönen Kommentar!
Der Absatz: “Wie der Gesang, die Musik ein Gleichnis des Ewigen ist, das von der Veränderung, vom Wandel lebt, so offenbart sich auch das Ewige nicht als ein Ewiges, ehern Unwandelbares, sondern zeigt sich als Lebensstrom in unendlicher Mannigfaltigkeit seines Ausdrucks.”, stammt von mir und sollte das samoanische Denken aus meiner Sicht bestätigen.
Die Mitteilung: “die Hochachtung des Samoaners vor dem Weibe überhaupt als Trägerin der Erbeigenschaften seines Volkes”, müssen wir wohl einfach so hinnehmen. Es ist die alte Hochachtung mutterrechtlicher Kulturen, bei denen der Vater als Vererber nicht so wichtig erscheint wie die Mutter. Für die männliche Erziehung der Kinder sind daher in solchen Kulturen auch weniger die biologischen Väter gefragt als vielmehr die Brüder der Mutter.
Wenn die Juden nur diejenigen zu ihrem Volk rechnen, die von einer jüdischen Mutter geboren wurden, so wird diese Ansicht aus eben diesen mutterrechtlichen Zeiten stammen.
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Ein wunderbarer Beitrag!
Und jetzt zum Kontrast ein Blick auf die viele Jahrhunderte waehrende brutalste und systematische Ermordung germanischer Frauen in Europa.
Um die Ursachen zu erforschen, warum die Stellung der Frau in den europaeischen Voelkern heute eine ganz andere ist – immer noch weit unfreier – als dies bei unseren heidnischen Vorfahren der Fall war, ist es hilfreich, Beitraege anzuschaauen, die von Vertretern einer, sagen wir “neuheidnischen Bewegung” in England erarbeitet werden.
Meine Tochter Katya hat mich auf einen ausgezeichneten Beitrag dieser Art hingewiesen:
Geh zu YouTube:
Suche unter Videos den Titel: The burning times
eine sieben-teilige Dokumentation.
Auch wer der englischen Sprache nicht maechtig ist kann durch die Bilddokumentationen einen guten Eindruck erhalten von der sich ueber Jahrhunderte fortsetzenden, systematischen Ausrottung insbesondere von begabten Frauen und geleitet von der christlich-abrahamischen Priesterkaste.
Ein wundervoller und sehr lyrischer Beitrag. Ich bin begeistert, und mir wurde auch ein wenig warm uns Herz. LG. Marie