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Mitdenken statt verdächtigen!

“Gender-Mainstreaming”

In einer kleinen Zeitschrift versucht Adelheid D. die Frage zu beantworten: „Was ist ,Gender-Mainstreaming‘?“ Sie hat wirklich recht, wenn sie beanstandet, daß dieser Begriff reichlich undurchsichtig ist.

Sie sucht nach einer Übersetzung, auch beim Netz-Auftritt des Bundesfamilienministeriums, wird nicht fündig und schließt daraus: „Das legt den Verdacht der Absichtlichkeit nahe“, was wohl soviel bedeuten soll wie: Das Bundesfamilienministerium will seine geheimen feministischen (soll heißen: volksverderbenden) Absichten vor der deutschen Öffentlichkeit verschleiern.

Feminismus gilt den Konservativen gleichsam als Schimpfwort, und ihr Haß auf Ursula von der Leyen findet hier aufs Neue – scheinbare – Berechtigung.

Aber es ist ja wahr: Können wir in Deutschland nicht Deutsch sprechen? Damit würden wir manches Mißverstehen von vornherein vermeiden. Die Anglizismen nerven!

Einfach übersetzen lassen sie sich meistens nicht, weil unsere deutsche Sprache – anerkanntermaßen die Sprache der Philosophie – dazu neigt und dazu befähigt, genau auszudrücken, was gemeint ist. Somit brauchen wir mehrere Wörter, um „Gender-Mainstreaming“ zu erklären.

Adelheid D. hat sie nicht gefunden, aber das Bundesfamilienministerium gibt unter Familienministerium: Gender Mainstreaming – Definitionen durchaus eine verständliche Begriffserklärung:

“Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.”

Richtig, so war es doch 3000 Jahre lang: Man sprach vom „Menschen“, meinte aber den Mann. Frauen lagen nicht im Blickfeld. Sie mußten sehen, wie sie in einer Welt irgendwie zurechtkamen, die männlich bestimmt und auf die Lebensart von Männern ausgerichtet war. Dem versuchte die europäisch-amerikanische Frauenbewegung der letzten 150 Jahre beizukommen. Sie wollte die eine Hälfte des Menschengeschlechtes so gut wie die andere berücksichtigt wissen. Diese Forderung hat sich nun heute durchgesetzt.

Sollten wir uns da nicht freuen?

Die Macht des Faktischen hat’s gebracht: Frauen sind auf breiter Front gebildet, teils hochgebildet. Auf den Hochschulen überragt die Zahl der Studentinnen die der Studenten, Frauen übernehmen in steigendem Maße hohe und höchste Ämter, Deutschland hat eine Kanzlerin.

Da war’s fällig, daß „Gender-Mainstreaming“ zum allgemeinen Gesetz erhoben wurde. Aber will man denn unter diesem Schlagwort Männer und Frauen – wie die Konservativen mutmaßen – tatsächlich gleichmachen? Ginge das überhaupt? Das Familienministerium definiert weiter:

Gender kommt aus dem Englischen und bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Diese sind – anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit auch veränderbar.”

Stimmt doch: Rollen sind erlernbar, nicht aber das „biologische Geschlecht“. Das kann niemand lernen, das ist gegeben, körperlich so gut wie seelisch. Und daran will – wie wir sehen: ausdrücklich – auch das Bundesfamilienministerium nicht drehen.

Früher lernten wir Mädchen, daß wir alles mögliche nicht könnten, wozu nur Männer befähigt wären, und umgekehrt. Ein Mann kann sich nicht einmal ein Spiegelei braten, hieß es. Eine Frau kann nicht Latein lernen, und überhaupt: Sie interessiert sich für nichts Geistiges und ist unschöpferisch. Wir waren in der Tat „gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägt“.

Knusperhaus

Der „Alte Fritz“ war da mit seinem höchsteigenen Ansatz zum „Gender-Mainstreaming“ seiner Zeit ganz schön voraus, als er 1769 an Voltaire schrieb:

„Ich war oft empört bei dem Gedanken, wie gering man in Europa diese Hälfte des Menschengeschlechtes schätzt. Das geht so weit, daß man alles vernachlässigt, was ihren Verstand ausbilden kann. Es gibt so viele Frauen, die den Männern nicht nachstehen! Es gibt in unserem Jahrhundert große Fürstinnen, die ihre Vorgänger weit überragen. Männlichere, kraftvollere Erziehung würde dem weiblichen Geschlecht das Übergewicht über das unsere verleihen …“

Heute sind wir soweit, daß die Definition des Bundesfamilienministeriums weiter lauten kann:

“Mainstreaming (englisch für “Hauptstrom”) bedeutet, daß eine bestimmte inhaltliche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nun zum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen und Prozessen gemacht wird.”

Na, Gott sei Dank! Endlich! Bisher haben wir in unserer einseitig männlich bestimmten Arbeitswelt trotz aller Veränderungen weiter so getan, als gäbe es keine Frauen mit ihren besonderen Lebensläufen, zu denen sie ihre weibliche Veranlagung zur Mutterschaft vorherbestimmt. Wer als Frau im Berufsleben mithalten wollte, mußte sich an die Männerwelt anpassen, sonst konnte sie gehen. Basta! Damit wird jetzt Schluß gemacht.

Lesen Sie mal in aller Ruhe unter Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen: Mut zur Familie. Da bekommen Sie ausführlich Auskunft über die Begründungen für die Absichten der Bundesfamilienministerin.

Vielleicht kommen dann auch die VerdachtschöpferInnen dahin, sich – wie ich – über die Entwicklungen zu freuen. Diese werden auch aus der deutschen Geburtenmisere herausführen. Dem Ruf Eva Hermans : „Frauen zurück ins Haus!“ wird von all den gut ausgebildeten Frauen wohl kaum eine folgen. Der Zug ist abgefahren. Unsere Devise muß lauten:

Mitdenken statt verdächtigen und verteufeln!

[1] Farbliche Hervorhebungen von mir

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Karl Münch
16 Jahre zuvor

“Gender mainstreaming” – in der Tat ein schwieriger Begriff. http://www.leo.org, das große online-Wörterbuch Deutsch-Englisch/Englisch-Deutsch löst das Problem der mangelnden Übersetzbarkeit ganz gut. Im angeschlossenen Diskussionsforum erhält man schon nach wenigen Sätzen Klarheit, dass es keine wörtliche Übersetzung ins Deutsche gibt.

Eine sehr gute – und m.E. auch ausgewogene Darstellung – enthält wieder einmal wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Mainstreaming, einschließlich einer Zusammenfassung der Kritiken von feministischer wie anitfeministischer Seite. Allein anhand von Adelheid D.’s Aufsatz lässt sich das Problem in der Tat nicht richtig einordnen.

Was mich persönlich besonders gefreut hat, ist folgender auf wikipedia auftauchender Satz:
“Häufige Kritikpunkte sind, dass erstens bei der Auswahl der „Gender Mainstreaming“-Themen überwiegend frauenspezifische Themen fokussiert werden und zweitens Männerbeauftragte zur Gestaltung von „Gender Mainstreaming“-Prozessen selten eingeladen werden.”

Wenn schon, dann soll doch bitte der Gleichbehandlungsgrundsatz auch für uns Männer gelten 😉

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