Beethoven “in den Gefilden der Gottoffenbarung”
Donnerstag, 31. Dezember 2020 von Adelinde
Das „Beethoven-Jahr“ 2020 geht zu Ende. Doch
Beethoven lebt
durch sein Werk in lebendigen Seelen bis ans Ende der Tage.
Er selbst lebte unscheinbar, dabei „auf dem Gebiet des Ethos und des Geistes an den Grenzen des Menschenmöglichen“, wie Marie Elisabeth Tellenbach in ihrem epochemachenden Buch „Beethoven und seine unsterbliche Geliebte Josephine Brunswick“ schreibt.
Aufgrund seiner Seelentiefe verwand er bis an sein Lebensende das Unglück seiner unerfüllten Liebe zu Josephine von Brunswick nicht, ja erkrankte auch körperlich daran.
Der geniale ärztliche Selbstdenker Ryke Geerd Hamer erklärt die allmähliche Ertaubung Beethovens als Hörkonflikt, der 1799 ausgelöst wurde, als Josephine ihm eröffnete, den Grafen Deym zu heiraten. Beethoven wird ein DHS, einen „Einschlag“, erlitten haben. Diese Absage zu hören, war ihm entsetzlich.
Als dann seine Schwerhörigkeit einsetzte und er sie bemerkte, wird dies den zweiten Einschlag bewirkt haben. So schritt die Ertaubung voran und nahm ihm nicht nur die Möglichkeit, sich mit Menschen normal zu unterhalten, sondern vor allem auch allmählich die seines schöpferischen Schaffens am Klavier, das Improvisieren, das die Miterlebenden als so hoch, wenn nicht höher einschätzten als seine großen niedergeschriebenen Werke. Er konnte die Töne nicht mehr hören.
Zu ihrem Schritt aber wurde Josephine durch ihre Mutter gedrängt. Die adlige Verwandtschaft war bereit, Josephine aus ihrer Gemeinschaft auszu-stoßen, ja ihr Leben zu verderben, wenn sie ihre Liebesbande zu Beethoven, dem bürgerlichen Musiker, nicht trennte.
In seinem „Heiligenstädter Testament“ bekennt Beethoven seinen Brüdern:
… es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück. Ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte, und so fristete ich dieses elende Leben – wahrhaft elend, einen so reizbaren Körper, daß eine etwas schnelle Veränderung mich aus dem besten Zustande in den schlechtesten versetzen kann – Geduld – so heißt es, sie muß ich nun zur Führerin wählen, ich habe es – dauernd hoffe ich soll mein Entschluß sein auszuharren, bis es den unerbittlichen Parzen gefällt, den Faden zu brechen (…).
Diesen am 6. Oktober 1802 in Heiligenstadt niedergeschriebenen Worten fügt er am 10. Oktober hinzu:
So nehme ich denn Abschied von dir – und zwar traurig – ja die geliebte Hoffnung – die ich mit hierher nahm, wenigstens bis zu einem gewissen Punkt geheilet zu sein – sie muß mich nun gänzlich verlassen, wie die Blätter des Herbstes herabfallen, gewelkt sind, so ist auch sie für mich dürr geworden, fast wie ich hierher kam – gehe ich fort – selbst der hohe Muth, der mich oft in den schönen Sommertägen beseelte – er ist verschwunden – O Vorsehung – laß einmal einen reinen Tag der Freude mir erscheinen – so lange schon ist der wahren Freude innigerer Widerhall mir fremd – o wann – o wann o Gottheit – kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen – Nie? nein – o es wäre zu hart.
Auch Josephine erkrankte schwer an dem Unglück und seinen Folgen für sie und auch für ihre Kinder. Sie starb früh. Ihrem Arzt schreibt sie:
Der Körper nämlich ist nur mitleidend, die Seele leidet unerträglichen Schmerz …
Adelsschranken menschlicher Überheblichkeit ließen also zwei Menschen in seelisches und damit auch körperliches Leiden stürzen, von dem sich beide nicht erholten. Beethovens Hörkonflikt konnte sich nicht lösen. Die Schwerhörigkeit schritt unaufhalt-sam voran.
Zudem bekam er ein Unterleibsleiden, das sich chronisch verfestigte.
Beethoven litt bis an sein Lebensende an seiner unglücklichen, tiefen, unauslöschlichen Liebe. Fanny Giannatasio hatte mitgehört, was Beethoven dem Leiter des Erziehungsinstituts mitteilte, in dem sein Neffe aufgenommen wurde. In ihrem Tagebuch hielt sie fest:
Ich erfuhr, … er liebe unglücklich! … er (hatte) eine Person kennengelernt, mit welcher sich näher zu verbinden er für das höchste Glück seines Lebens gehalten hätte. Es sei nicht daran zu denken, fast eine Unmöglichkeit, eine Chimäre.
„Dennoch ist es jetzt wie am ersten Tag. Ich hab’s noch nicht aus dem Gemüth bringen können …“
Somit kamen seine Leiden nicht zur Heilung. Welche ungeheure Schuld hatte das Adelssystem auf sich geladen den beiden unglücklichen Liebenden, insbesondere dem Genie ohnegleichen Beethoven gegenüber.
Der jedoch schuf dennoch Werke unerreichter Seelentiefe und -größe. Wie war das möglich? Beethoven beantwortet die Frage selbst:
Jede echte Erzeugung der Kunst ist unabhängig, mächtiger als der Künstler selbst und kehrt durch ihre Erscheinung zum Göttlichen zurück und hängt nur darin mit dem Menschen zusammen, daß sie Zeugnis gibt von der Vermittlung des Göttlichen in ihm.
Das ist bereits Gotterkenntnis, wie sie gut 100 Jahre nach ihm in aller Ausführlichkeit Mathilde Ludendorff ebenso wie Beethoven aus dem Göttlichen in ihrem Innern schuf und die wie die Musik Beethovens nur von einer Menschenseele aufgenommen werden kann, die in ihrem Innern das Göttliche lebendig hält, ja entfaltet.
Beide suchten die Natur auf. Dort auf einsamen Pfaden – meist in der Bergwelt – ließ Mathilde Ludendorff „es wieder über sich kommen“, die Gottoffenbarungen in einer Klarheit ohnegleichen, und Beethoven strömten die Einfälle in aller Mächtigkeit zu.
Es war Beethovens große Lust, auf einsamen, oft ungebahnten Pfaden durch Wald, Tal und Berg zu streifen,
erzählte der Schriftsteller Ludwig Rellstab dem Beethoven-Schüler Ferdinand Ries einmal und fährt in seinen Lebenserinnerungen fort:
Freudig gingen wir (Beethoven und er) dann zusammen hinaus und befanden uns bald mitten im einsamen Walde an den schönen Bergabhängen von Baden.
Ich bemerkte, daß Beethoven innerlich sehr beschäftigt war und vor sich hinsummte; aus Erfahrung wußte ich, daß er in solchen Augenblicken am mächtigsten zum Schaffen aufgelegt war, und hütete mich wohl, ihn zu stören, sondern ging stumm neben ihm her.
Bei anderer Gelegenheit schildert Beethoven seine Eingebungen mit diesen Worten:
Woher ich meine Ideen nehme? Das vermag ich mit Zuverlässigkeit nicht zu sagen. Sie kommen ungerufen, mittelbar, unmittelbar, ich könnte sie mit Händen greifen in der freien Natur, im Walde, auf Spaziergängen, in der Stille der Nacht, am frühen Morgen, angeregt durch Stimmungen, die sich bei dem Dichter in Worte, bei mir in Töne umsetzen, klingen, stürmen, bis sie endlich in Noten vor mir stehen.
So konnte es sein, wenn er einem Maler, wie z. B. Blasius Höfel, sitzen sollte, daß er es fünf Minuten aushielt …
dann sprang er plötzlich auf, lief zum Klavier und begann zu phantasieren, zu Höfels großer Qual. Der Bediente half ihm aus seiner Verlegenheit, indem er versicherte, daß er sich jetzt nahe ans Instrument hinsetzen und mit Muße arbeiten könne; denn sein Herr habe ihn völlig vergessen und wisse nicht mehr, daß überhaupt noch jemand im Zimmer sei.
Gewöhnlichen Sterblichen mag Beethovens Verhalten manchesmal rätselhaft erschienen sein. Ludwig Rellstab aber fand 1825 – also zwei Jahre vor Beethovens Tod – einen ganz anderen Beethoven, als welcher er immer gern geschildert und gemalt wurde. Er hatte ihm einen warmherzigen, verehrungsvollen Brief von Zelter überbracht und traf ihn nun in einem Zimmer an, das er kurz schildert:
Es … hat zwei Fenster: unter diesen steht ein Flügel; sonst ist nichts darin zu entdecken, was irgend Behaglichkeit, Bequemlichkeit, vollends Glanz oder Luxus verriete. Ein Schreibschrank, einige Stühle und Tische, weiße Wände mit alten verstaubten Tapeten – das ist Beethovens Gemach …
Dann fährt er fort:
Den Brief von Zelter hielt er in der einen Hand, die andre reichte er mir freundlich entgegen mit einem solchen Blick der Güte und zugleich des Leidens, daß plötzlich jede Scheidewand der Beklemmung fiel und ich dem im Tiefsten Verehrten mit der ganzen Wärme meiner Liebe entgegenschritt.
So saß ich denn neben dem kranken, schwermütigen Dulder … Die (Gesichts-)Züge erschienen auf den ersten Blick wenig bedeutend: das Gesicht war viel kleiner, als ich es mir nach den in eine gewaltsam geniale Wildheit gezwängten Bildnissen vorgestellt hatte. Nichts drückte jene Schroffheit, jene stürmische Fessellosigkeit aus, die man seiner Physiognomie geliehen, um sie in Übereinstimmung mit seinen Werken zu bringen.
… Die Nase schmal, scharf, der Mund wohlwollend, das Auge klein, blaßgrau, doch sprechend. Wehmut, Leiden, Güte las ich auf seinem Angesicht; doch, ich wiederhole es, nicht ein Zug der Härte, nicht einer der mächtigen Kühnheit, die den Schwung seines Geistes bezeichnet, war auch nur vorüber-gehend zu bemerken. Er büßte trotz allem eben Gesagten nichts von der geheimnisvoll anziehenden Kraft ein, die uns so unwider-stehlich an das Äußere großer Menschen fesselt.
Denn sein Leiden, der stumme, schwere Schmerz, der sich darin ausdrückte, war nicht die Folge des augenblicklichen Unwohlseins, da ich diesen Ausdruck auch nach Wochen, wo sich Beethoven viel gesunder fühlte, immer wieder fand, sondern das Ergebnis seines ganzen, einzigen Lebensschicksals.
Beethoven ist in seiner Abgeschiedenheit, ja beinahe Unscheinbarkeit im persönlichen Leben, dabei jedoch einer Seelengröße und Schöpferkraft ohnegleichen ein Beispiel für das, was Mathilde Ludendorff in ihrem Werk „In den Gefilden der Gottoffenbarung“ im Hinblick auf gewaltigste Naturkräfte beschreibt, die aus unscheinbarsten, fast ohne räumliche und zeitliche Ausdehnung wirkenden Ursachen entspringen, sich somit nahe der Nichterscheinung bewegen, nahe dem Reich des ungebundenen, ursachlos ohne Raum und Zeit waltenden göttlichen Wesens.
In der Gottgeeintheit der Natur strömten Beethoven die göttlichen Harmonien zu. Und unsere Seele empfängt sie, wenn wir sie hören, als göttliche Wahrheit, ohne zu wollen, unmittelbar.
Der erste Teil hatte viel Worte, erklärend, ja.
Dieser Teil, er läßt erahnen, erfühlen über den Hintergrund des Antriebs, den dieses Genie führte.
Zwei Stunden vor dem Jahreswechsel war es für mich ein starker Impuls für unser Schicksal, besonders das Schicksal der Deutschen,
was leitete Beethoven in seiner Partnerwahl, und heute?
wie verbunden war Beethoven mit der Natur, und heute?
Wer könnte heute empfinden, so stark, wie damals dieses kaum begreifbare Genie?