Sie warb für einen neuen Heldentypus
Dienstag, 11. März 2008 von Adelinde
Maria Antonia Walpurgis
Pietro Graf Rotari, Maria Antonia Walpurgis 1754
Rebecca Bindewald in der Zeitschrift viva voce:
Maria Antonias Tätigkeit als Musikerin war zwar nicht ungewöhnlich, da es viele musizierende und komponierende Adlige gab. Indem sie aber ganze Opern textete, komponierte und selbst aufführte und darüber hinaus für die damalige Zeit äußerst fortschrittliche – wenn nicht gar kühne – Botschaften formulierte, ist ihrem Schaffen mit besonderer Bewunderung zu begegnen.
In ihrer Oper “Talestri, regina delle amazzoni”, für die sie das Libretto wie auch die Musik schreibt, stützt sie sich auf einen antiken Mythos, den sie aber umformt, um für einen andern als zu ihrer Zeit des Absolutismus üblich gewordenen Umgang der Menschen und Völker miteinander zu werben. Sie entwirft einen neuen Heldentypus:
Ihre Amazonenkönigin Talestri befindet sich in einem schweren Konflikt: Einerseits fühlt sie sich den ursprünglichen Amazonen-“Tugenden” von Krieg, Stolz, Rache, Grausamkeit, Härte, Männerhaß und damit der Gegnerschaft zum benachbarten Skytenreich verpflichtet, andererseits liebt sie den Mann und Skyten Oronte.
Oronte aber ist der Grund für die Skytenfeindschaft, denn er wurde gezeugt vom Skytenkönig mit einer geraubten und gedemütigten Amazone.
Maria Antonia zeigt die seelische Tiefe und Wärme einer Liebenden in Talestri, die entgegen den Amazonen-“Tugenden” ihren Geliebten vor dem Tod bewahren will, seine Flucht plant und nach Erhalt der Nachricht über seinen vermeintlichen Tod von Schmerz übermannt wird. In der Arie “Pallid’ ombra” verleiht Maria Antonia der Trauer ihrer Heldin
auf vortreffliche Weise Ausdruck.
Die politische Botschaft für Dresden
Maria Antonia definiert mit ihrer Opern-Botschaft die Staatstugenden und den Herrschertyp neu, offenbar so, wie sie sie selbst verwirklicht hatte, als sie im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) an Stelle des nach Warschau geflohenen Kurfürsten gemeinsam mit ihrem Gemahl, dem Kronprinzen Friedrich Christian von Sachsen, die Regierungsgeschäfte übernommen hatte.
Sie leitete einen Großteil der Staats- und Finanzgeschäfte Sachsens und soll an den Friedensverhandlungen von Hubertusburg beteiligt gewesen sein. Der Siebenjährige Krieg war zu Ende, der Kurfürst kehrte zurück und übernahm wieder die Regierung.
Es liegt somit nahe, daß mit Talestris friedensbringender Herrschaft sowie der ersten Dresdner Aufführung der Oper von 1763 auf Maria Antonias gute Vertretung des Kurfürsten angespielt und ihr Engagement bezüglich zukünftiger politischer Tätigkeit ausgedrückt werden sollte. In jedem Fall bleibt bemerkenswert, daß sie eine Oper zur Aufführung brachte, die etwas vermittelte, das der noch machthabenden Regierung keineswegs behagen konnte.
Friedrich der Große
schrieb in einem Brief an Maria Antonia Walpurgis am 20. Dezember 1767:
Wenn man Künste und Tugenden in einer Person vereinigt findet, ist es möglich zu verhindern, sie zu lieben? Diese Liebe ist nicht der Art, die vor Scham errötet, deren Flamme nicht den Brand in das Herz der Liebenden trägt, aber eine unwiderstehliche Anhänglichkeit, von Bewunderung begleitet. Das, Madame, ist das Gefühl, welches Sie in meiner Seele erwecken, und das keine Macht darin zerstören kann.
Dass Friedrich II, der Große, so zärtliche Zeilen findet, kann uns ja nicht verwundern. Musiker und von philosophischem Geist geprägt – ganz das Gegenteil des Vaters (zunächst) – mag er sich im 27. Jahr seiner Regierung gern an einer hoch geistreichen und sehr tüchtigen Frau erfreut haben nach all den Kriegswirren. Das besonders Auffallende daran ist, dass er es – ansonsten den „Weibern“ eigentlich nicht so recht zugetan – so liebevoll schrieb. Menschlich einfach schön und deswegen überzeugend.
Daß Friedrich der Große seinen Schreibfreund Voltaire beinahe beneidete um seine Lebensgefährtin, die Physikerin und freidenkerische Philosophin Èmilie du Châtelet, geht aus einem Brief des Jahres 1737 hervor: „Wie selten dergleichen Frauen sind! … Europa zählt sie zu den größten Männern.“
Seiner Zeit gemäß übersah er bei seinen hochfliegenden Plänen zur Neugestaltung seines zukünftigen Staates die Frauen (vor seiner Thronbesteigung in seinem “Antimachiavell”). Er läßt sie fast durchweg unerwähnt. Erst nach den Erfahrungen im Siebenjährigen Krieg schien ihm klar geworden, was fehlte, denn 1769 schrieb er an Voltaire:
„Ich war oft empört bei dem Gedanken, wie gering man in Europa diese Hälfte des Menschengeschlechtes schätzt. Das geht so weit, daß man alles vernachlässigt, was ihren Verstand ausbilden kann. Es gibt so viele Frauen, die den Männern nicht nachstehen! Es gibt in unserem Jahrhundert große Fürstinnen, die ihre Vorgänger weit überragen. Männlichere, kraftvollere Erziehung würde dem weiblichen Geschlecht das Übergewicht über das unsere verleihen …“
Wahrlich, wahrlich, das ist ja gerade die Angst der “Mickrigen”,
dass da was über sie komme, dem sie nicht gewachsen sind.
Silvio Gesell:
“Das Fundament des Zukunftsstaates kann nur die Liebe sein, die aus dem Geist der göttlichen Ordnung (Original: aus dem Glauben an Gott) erwächst, die unendliche Liebe zum Menschen aller Sprachen, aller Staaten, aller Farben (erg.: und jeden Geschlechts) – die große Liebe, die keinen Sinn hat für Macht, Militär, Gewalt, Zölle, Monopole, Monarchie und Parteistandpunkte.”
Silvio Gesell (1927)
Aus: Siegfried Pater, Faire Welt. Von der Schönheit der Gerechtigkeit. Retap-Verlag, Bonn 2005, 36; zitiert aus: initiativ, rundbrief juni 2006 der Ökumenischen Initiative Eine Welt (ÖIEW), 112.