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August Winnig (1)

Gibt es das doch noch, ein deutsches Nationalgefühl?

Zur Zeit ist die Fußball-Elf von Jogi Löw in Südafrika dabei, für „Deutschland“ die Weltmeisterschaft zu erkämpfen. Und Millionen Deutsche zittern um den Erfolg. Ist er eingetreten und sind „wir“ die Größten, dann jubeln die Deutschen: „Deutschland, Deutschland!“ Und alles spricht von „Wir“, als ob es die „Volksgemeinschaft“ und ein Nationalgefühl doch noch gäbe!

Denn bekanntermaßen hat es in Deutschland Tradition, kein Nationalgefühl zu bekunden. Daß das auch so bleibe, darüber wacht besonders

die sog. Antifa

(die Gruppe der „Anti-Faschisten“). Ich will ihr nicht zu nahe treten, aber mir scheint, daß sie bei ihrer Aufspürung und Verfolgung von „Faschisten“ vielfach übers Ziel hinausschießt und sich selbst faschistoid benimmt. Der große Sozialdemokrat Kurt Schumacher hat solche Leute als “rotlackierte Nazis” bezeichnet.

Der erste Schritt in die faschistoide Richtung ist immer die Selbstüberhebung über andere, daß man als „Gutmensch“, „Besitzer“ der „Wahrheit“ und Angehöriger der Gruppe der „Anständigen“ vergißt, was das Antifa-Idol Rosa Luxemburg angemahnt hat:

Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden.

Als Weltverbesserer ist man sich dann bald nicht mehr zu schade für Gesinnungsschnüffelei und Denunziantentum – Wesensmerkmale des Faschismus.

Mir scheint – nachdem, was ich bisher von der realexistierenden Antifa erfahren habe –, daß sie sich zu wenig um das Wesen des Faschismus kümmert und zu versessen auf Vokabeln reagiert, die ihr den Demokratie-Feind zu verraten scheinen, den aus der “rechten Ecke” mit dem „Deutsch-Bewußtsein“, das sie sofort mit „Rassismus“ und „Antisemitismus“ assoziiert.

Das ist reichlich oberflächlich, abgesehen von dem faschistoiden Meinungszwang, der dahinter lauert.

Diese Geisteshaltung in solcher Extremform ist auf Deutschland beschränkt und hat in Deutschland eine lange Tradition. Kein anderes Volk der Erde ist in dieser Beziehung so krank selbsthassend und neurotisch wie „die“ Deutschen in Bezug auf ihre Nation. Wie kam es nur dazu?!

August Winnig

 

August Winnig (Foto aus: A. Winnig, Rund um Hitler)

Vor einigen Wochen bin ich auf den heute in Vergessenheit geratenen Verfasser August Winnig gestoßen und habe die spannenden Bücher dieses Vordenkers der Arbeiterbewegung verschlungen.[1] August Winnig hat einiges und Erhellendes zum Thema beizutragen.

Sein Lebenslauf in Kurzform

Er wurde am 31.03. 1878 als 12. Kind seiner Eltern in Blankenburg am Harz in ärmlichsten Verhältnissen geboren. Der Vater war wie seine Vorfahren vieler Generationen Totengräber und Glöckner der Stadt. Er starb, als August noch ein kleiner Junge war. Nun lebte er – zunächst noch mit einem seiner Brüder, dann allein mit seiner Mutter zusammen, die als “Brotträgerin” ihren kärglichen Lohn für die Familie verdiente. Schon früh beteiligte er sich am Tragen der viel zu schweren Lasten.

Mit 14 Jahren kam er aus der Volksschule und sogleich in die Maurerlehre, wurde  1895 Geselle und machte sich von 1896 bis 1898 auf die Wanderschaft.

Von 1900 bis 1902 war er Soldat in Posen, wo er sich mit dem preußischen „Drill“ anfreundete, heiratete 1903 seine Jugendliebe, wurde 1904 Gewerkschaftsbeamter im Ruhrgebiet, 1905 bis 1912 Schriftleiter der Gewerkschafts-Zeitschrift „Grundstein“ und 1913 bis 1919 Vorsitzender des Bauarbeiterverbandes.

Seit Oktober 1918 befand er sich im Auftrage des Reichs im Osten, erst als Generalbevollmächtigter in den Baltischen Ländern, dann als Gesandter in Lettland-Estland, war Reichskommissar für Westpreußen und vom 1. Juli 1919 bis 23. März 1920 Oberpräsident von Ostpreußen. Dieses Amt verlor er, weil er anläßlich des Kapp-Putsches eine Solidaritätserklärung unterschrieben hatte. Er zog nach Berlin, immatrikulierte sich 1921 an der dortigen Universität und wohnte seit 1924 als freier Schriftsteller in Potsdam.

Winnig gehörte also zu dem Jahrgang, der die schicksalhaften deutschen Umwälzungen und Katastrophen des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hautnah miterlebt hat. Als Dabeigewesener, selbständig denkender, teils führend tätiger Deutscher und begabter Schriftsteller läßt er uns seine Zeit und den Wandel seiner eigenen Anschauungen miterleben.

Sein größter Wunsch war, daß die Arbeitermassen sich im Denken und in der Wirklichkeit vom Proletariat hin zu einem Arbeiterstand entwickeln würden, der seinen geachteten Platz im Volksganzen und die Kraft fände, das Leben des Volkes konstruktiv mitzugestalten. Dazu geht Winnig in die Tiefe des deutschen Wesens und seiner Geschichte. Aber vor allem aus eigenem Erleben der geistigen Strömungen innerhalb der Arbeiterschaft stellt er fest:

Die deutsche Arbeiterbewegung zieht nicht als ein Strom durch das Geschehen der Zeit, sondern in einer Aufgelöstheit, die dem Gesamtzustande des deutschen Lebens durchaus entspricht … (9)[2]

und betont:

„zerrissen, wie das deutsche Gesamtleben, ist auch die deutsche Arbeiterbewegung.“

Der Maurergeselle Winnig hatte sich als Autodidakt und später als Student in die europäische Bau- und Wirtschafts-Geschichte vertieft[3] und kam um 1930 zu folgenden Betrachtungen über die Ursachen der Arbeiterbewegung:

… für den Ausgang des Mittelalters, etwa für den Anfang des XV. Jahrhunderts, schätzt man die Bevölkerung des Reichs auf 12 Millionen, für Anfang des XIX. Jahrhunderts nimmt man sie auf 25 Millionen an. In vier Jahrhunderten ist also etwa eine Verdoppelung der Bevölkerungszahl eingetreten.

Nun sehen wir auf das XIX. Jahrhundert: jetzt wächst die Bevölkerung in weniger als hundert Jahren von 25 auf 50, sie wächst bald auf 60 und erreicht bis zum Weltkriege, Deutsch-Österreich eingerechnet, 75 Millionen. Im Verlaufe der ganzen biologischen Entwicklung unseres Volkes ist das ein ungewöhnlicher, ein unerhörter Vorgang; es ist ein Anschwellen der Fruchtbarkeit, ein Aufschäumen der Blutwelle, wie es in diesem Umfange sonst nicht in unserer Geschichte vorgekommen ist. (19)

In diesem – nicht zu bewältigenden – Bevölkerungszuwachs sieht Winnig den – wie er meint – unbestrittenen Grund für die Entstehung des Proletariats. Er berichtet dann von einer damals gängigen Ansicht, die sich als Irrtum herausstellen sollte:

Sobald es gelinge, die Lebensmöglichkeiten zu erweitern, werde der natürliche Vermehrungsdrang dieser Bewegung folgen. Die Bevölkerungsbewegung hänge von den ökonomischen Bedingungen des Lebens ab. (19-20)

Daß das tatsächlich ein Irrtum war, sehen wir einerseits in den heutigen kinderarmen Wohlstandsgesellschaften Europas, namentlich in Deutschland, und andererseits am Kinderreichtum der ärmsten Völker der Erde. Und so kann Winnig bereits zu seiner Zeit auf die Erscheinung hinweisen:

… Entvölkerung kündet sich in vielen Gegenden Mitteleuropas an … Diese Erscheinungen fallen in unsere Zeit, in der sich nicht nur der Weltverkehr sprunghaft weiterentwickelt, sondern zugleich die Chemie des Ackers und die Rationalisierung der Arbeit die Gütererzeugung weitersteigern und den Lebensraum des Menschen erweitern; und trotz dieser Erweiterung des Lebens- und Nahrungsraumes Stillstand und Rückgang! (21)

Zunächst aber hatte das deutsche Volk mit einem Bevölkerungsüberschuß zu kämpfen, der es nicht erlaubte, alle Menschen auf heimischem Boden in Lohn und Brot zu bringen. Deutschland kam in die Lage, sich seines Bevölkerungsproblems durch Förderung der Auswanderung zu entledigen. Der Druck aus seiner Mittellage in Europa auf seine Grenzen machte die umliegenden Völker gegen die Deutschen mißtrauisch.

Der Deutschenhaß und der deutsche Minderwertigkeitskomplex erhalten Nahrung

Winnig blickt tiefer zurück in die europäische Geschichte und entdeckt dabei weitere Ursachen für die Verachtung, die die europäischen Kulturnationen für Deutschland übrig hatten. Deutschland geriet mit seiner Fähigkeit, in der europäischen Kultur- und Wissenschafts-Entwicklung mitzuhalten, bereits ins Hintertreffen, als die Atlantik-Anlieger unter den europäischen Staaten den „großen Umschwung“ herbeiführten, der eintrat,

als der schon seit dem XIV. Jahrhundert bekannte Kompaß allgemeiner von der Schiffahrt angewendet wird, die dadurch endgültig die hohe See erobert … es beginnt zugleich das Zeitalter der Entdeckungen, die ozeanische Periode des Handels, die zu einer mächtigen Umwälzung der europäischen Machtverhältnisse führt. (64)

Bis dahin hatte deutscher Geist die europäische Welt maßgeblich befruchtet, und der

… deutsche Kaufmann, ob er in Genua oder in Bergen, in Paris oder in London oder Nowgorod seinen Geschäften nachging, blieb noch, was er war, und dachte nicht daran, sein volkseigenes deutsches Wesen zu verleugnen. Selbstbewußt blieb er bei seiner Sitte und war weit davon entfernt, seine Art für minderen Wertes als die Art der fremden Völker zu halten. (63-64)

Eigentlich können wir stolz darauf sein, an der Ausbeutung und Zerstörung der Kolonialvölker so lange Zeit nicht beteiligt gewesen zu sein. Doch Deutschland zahlt dafür – wie der Imperialist Winnig aufzeigt – einen hohen Preis. Es

… ist damit vom großen Geschehen abgedrängt, es verarmt und wird von heftigen Krisen und Kämpfen heimgesucht. Der Westen aber steigt in stolzer Linie empor. Spanien und Portugal erleben ihre große, so schnell welkende Blüte. Die Niederlande werden eine Weltmacht. Zuletzt bleibt England der Sieger im Ringen um die Vormacht im Welthandel. Neben ihm genießt Frankreich den hohen Vorzug seiner Lage, die ihm offenen Zugang zu drei Meeren bietet. (64)

Über Deutschland bricht darüber hinaus die Katastrophe des 30-jährigen Krieges von 1618 bis 1648 herein.

Deutschlands Niedergang … vollendet sich in einem furchtbaren Kulturzusammenbruch, der fast zwei Drittel seiner Menschen und Tausende von Siedlungen verschlingt, der seine Felder verwüstet, seine Schätze zum Raube ungezählter Feinde werden läßt und den Bevölkerungsrest einer hoffnungslosen Verwilderung überantwortet. (64)

Sicher ist August Winnig zuzustimmen, wenn er über die folgenden 300 Jahre sagt:

Nur eine solch beispiellose Katastrophe macht die folgende Entwicklung erklärlich. Der große Abstand von der Kultur des Westens mußte sich dem deutschen Bewußtsein einprägen und im Geistigen eine neue Beziehung schaffen. Man mußte in so vielen Stücken von vorn anfangen. Die Sorge um die Beschaffung der einfachsten Lebensnotdurft füllte die Deutschen aus. Hier war kein Sinn für die Künste und Wissenschaften möglich. Dürftige Reste der einstigen hohen Kultur hatten sich nur bei wenigen Fürstenhöfen und Universitäten erhalten. Es galt nicht zu philosophieren und zu dichten, sondern verwildertes Land neu urbar zu machen und niedergebrannte Dörfer und Städte wieder aufzubauen.

Das geschah um die gleiche Zeit, wo sich in den westlichen Ländern ein bürgerlich bestimmtes geistiges Leben immer reicher entfaltete. Dort vollendete jetzt der Bürger seinen Aufstieg … In den Westländern trat der Bürger seine Herrschaft an, in Deutschland mußte er sich tiefer als je zuvor unter der Hand des Fürstentums beugen.

Aus dieser Lage entwickelte sich das deutsche Minderwertigkeitsgefühl … Der Westen wird das Vorbild der Deutschen, und der Deutsche gerät in eine zunehmende geistige Abhängigkeit von seinem Vorbilde … Man kann diese Schwächung der inneren Kräfte zahlenmäßig feststellen, nämlich beim Verhalten der deutschen Sprache zu den eindringenden Fremdwörtern … Mit den fremden Ausdrücken übernimmt der Deutsche fremde Sitten und Trachten, fremden Kunstgeschmack und schließlich auch fremde Denkart, fremde Werte und Ideale. Das volkseigene Wesen der Deutschen wird so schwach, daß die Gebildeten die deutsche Sprache meiden. Die Höfe und ihr Anhang sprechen französisch, die Gelehrten Latein; deutsch ist nur noch die Sprache des niederen Volkes. (64-65)

Wer sich selbst verachtet, wird verachtet.

Das deutsche geistige Leben war seit jener Zeit in zwei Ströme geteilt.

Es gab diese schmachvolle Ausländerei, und es gab neben ihr ein von den härteren Kräften bewahrtes Deutschbewußtsein. (65)

Was nottat, war einerseits generell ein Umdenken, war Besinnung auf sich selbst, auf die eigenen Kräfte und vor allem auf die neuentstandenen eigenen Verhältnisse. Andererseits wurde das Volk dabei in zwei Teile zerrissen:

Die Konservativen hielten an den Werten fest, die das innere Wesen des Lebens betrafen wie das menschliche Bedürfnis nach Gemeinschaft (Nation), nach Bezug zum Göttlichen, wobei sie gleichzeitig an überkommenen Formen und Einrichtungen klammerten wie an „Thron und Altar“ und damit ihre Position schwächten, die sich mit den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft oft nicht mehr vereinbaren ließen und sich überlebt hatten.

In der Arbeiterbewegung, die nun aufkam, bedeutete die konservative Haltung, daß angestrebt wurde, was auch Winnigs Sehnen war: daß die Arbeiterschaft sich aus ihrer Lage als außerhalb des Staates stehende, ja gegen ihn gerichtete graue, gesichtslose Masse, aus ihrem Dasein als „Proletariat“ zu einem achtbaren Stand und damit Teil des Gesamtvolkes mauserte.

Demgegenüber befand sich in scharfem Gegensatz der Marxismus mit seinem Materialismus, dem „innere Werte“ nichts, Nützlichkeitsdenken dagegen alles galten, und der den gewaltsamen Umsturz als unausweichlich ansah und eine derartige Revolution wollte.

Dies beeindruckt den bildungsfernen Arbeiter, der sich nun von intellektuellen Gedankengebern dieser Art führen läßt. Es ist das Neue, es erscheint als hoffnungsvolles Licht am Ende des Tunnels. Die reine Vernunft hat sich zur geistigen Alleinherrschaft erhoben mit ihrer Forderung nach Beweisen für alles, auch für das, was die Seele angeht.

Der Konservativismus dagegen hängt am Alten, an Bewährtem wie Abgelebtem, erscheint rückwärtsgewandt und kann für seine Anhänglichkeit an seelische Werte und deren Gültigkeit für den Menschen keine Beweise anführen. Im Konservativen sträubt sich alles dagegen, dem Materialismus den Platz einzuräumen, den die Materialisten und Nihilisten, den die Marxisten fordern. Denn:

Dem Materialismus ist die Welt an sich notwendig ohne Sinn. Dieses gewaltige Weltwesen mit seiner unergründlichen Ordnung und Größe ist ihm ein sinnlos Seiendes. Es ist da, weil es da ist. Das Dasein der Welt hat keinen Grund – es ist ein Zufall. (26)

Weltanschauungen kommen und vergehen

Weltanschauungen müssen sich gefallen lassen, was Winnig als ihr Schicksal sieht:

Eine Weltanschauung überlebt sich, und daran geht sie zugrunde. Das Leben, das zum Welthintergrunde gehört und darum in seinem Wesen nicht erklärt werden kann, bildet in uns die Möglichkeiten und schließlich das Verlangen nach einer neuen Weltschau. Sobald das Verlangen wach wird, beginnt die alte Weltanschauung schwach und krank zu werden.

Dann kommen ihre Beschützer und Verteidiger ihr zu Hilfe und beweisen schreibend und redend ihre Richtigkeit und lamentieren gegen die neue Schau. Dann sprechen sie vom Glauben der Väter und fordern Treue. Die Leute hören sie an und sagen: ihr habt Recht. Aber sie glauben ihnen nicht mehr. Sie können nicht.

Nicht die Menschen entscheiden, was sie glauben wollen; sondern das Leben, das unbekannte Es in ihnen, zwingt sie, anzunehmen oder zu verwerfen. Ist es erst so weit, so ist die alte Weltanschauung verloren. Dann rettet sie keiner mehr. Dann stirbt sie. Sie stirbt am neuen Leben. Ihr Überwinder ist nicht der Professor X, der das große Werk gegen sie geschrieben hat, obwohl ihn die Historiker mit diesem Ruhme bekleiden, sondern ein Anonymus – das unbekannte Es. (25)

Das Christentum ist in seiner altüberbrachten Form nicht mehr zu halten. Die evangelische Kirche hat sich rechtzeitig von innen heraus im Einklang mit der Aufklärung reformiert, nachdem sich das Alte, das unglaubwürdig und unannehmbar Gewordene überlebt hatte. Sie tat gut daran. Denn auf diese Weise konnte sie den Wesensgehalt des menschenfreundlichen Teils der Lehren Jesu vor dem Untergang retten.

Vor allem Menschen wie z. B. Dorothee Sölle, die durch ihren tätigen Einsatz ein eindrucksvolles Glaubensbekenntnis ablegten, haben ihren Teil zu diesem Rettungswerk beigetragen. Sie und solche unkonventionell auftretenden Menschen wie Margot Käßmann als Bischöfin brachten ihren Beitrag auch zur Überwindung des hierarchischen Herrschaftssystems alter Prägung.

Aber die Kirche wird dranbleiben müssen und weiter über ihre Glaubensinhalte und die Sprache nachdenken müssen, in der sie die Menschen anspricht, wenn ihre Schäflein nicht nur zu Festtagen und Musikveranstaltungen die schönen Kirchenräume bevölkern sollen. Da sind Auseinandersetzungen zwischen konservativ und revolutionär Denkenden innerhalb dieser altüberbrachten Weltanschauung gut vorstellbar.

Wie viel schroffer aber stehen sich Konservative und Revolutionäre in der Arbeiterbewegung gegenüber! Winnig hält mit seiner vernichtenden Kritik dem Marxismus gegenüber nicht hinterm Berg:

Es mag wohl nie eine Weltvorstellung gegeben haben, die so armselig und flach war, wie dieser Materialismus. In ihm ist die äußerste Niedrigkeit menschlicher Weltdeutung zum Ereignis geworden … Wo der Mensch seine innere Beziehung zum Welthintergrunde zerstört, beginnt er das Werk der Selbstvernichtung. (28-29)

Dem von Marx als einzigen Antrieb des Menschen angenommenen Eigennutz setzt Winnig entgegen:

… alles menschliche Leben beruht auf Gemeinschaft … Gemeinschaft heißt Einordnung, und es hat noch keine Einordnung gegeben, die nicht zugleich Unterordnung wäre … Alle europäischen Länder, in denen der Materialismus die herrschende Lebenslehre wurde, stehen seit Jahrzehnten in einer Krisis der Gemeinschaft, die ganz sinnenfällig zu einem Kräfteschwund des Gemeinschaftsgeistes führt … der Geist des Anspruchs beherrscht das Leben … Das gesamte Denken und Trachten unserer Zeit ist auf die Steigerung der Vorteile gerichtet. (29-30)

Wie  kennzeichnet er damit zugleich, woran auch unsere Zeit krankt. Alles schaut aufs Geld. Für Geld verrät der Mensch den Menschen und sich selbst, seinen innersten Kern, den wir heute Menschenwürde nennen, den man früher in den Begriff Ehre miteinbezog.

Die Ehre, die ein metaphysischer Wert ist, für die der Mensch früherer Zeiten Gut und Leben gab, ist durch die materialistische Lebenslehre ein rückständiger Begriff geworden, über den man wegwerfend lächelt, den man unter Umständen bekämpft … Die Herrschaft der materialistischen Lebenslehre führt unerbittlich zu einer Profanierung des Lebens, sie bedeutet einen sittlichen Abstieg des Menschen. Das zeigt sich in der Toleranz, mit der man ehrlose Handlungen beurteilt. (30)

Das können wir Heutigen sicher nur bestätigen, wenn wir auch mit dem, was früher alles als ehrenrührig angesehen wurde, längst nicht übereinzustimmen brauchen. Der lächerlichen Beispiele gibt es die Hülle und Fülle. Ich halte aber August Winnig zugute, daß er unter dem Begriff „Ehre“ die Menschenwürde im Blick hatte.

An ein natürliches Schwinden alter Anschauungen aber dachten Marx und seine von ihm beeinflußten Anhänger nicht. Winnig erwähnt „ein kommunistisches Blatt“, das im Januar 1930 geschrieben habe:

“Wir werden nicht den Weg der S.P.D. gehen, den Weg des Kompromisses, sondern den russischen Weg, den Weg der restlosen Vernichtung.” Darauf geschieht nichts,

bemerkt Winnig dazu. Und im selben Jahr bietet sich ihm ein

… Bild der Arbeiterbewegung, wie es nicht für Erneuerung und Verjüngung der Gemeinschaft (spricht), sondern eher für Auflösung und Vernichtung. Wo sich die Arbeiterbewegung am stärksten zusammenballt, ist sie der Machtgeber aller auflösenden, aller gemeinschaftsfeindlichen Kräfte … Wir beobachten nicht eine Bildung neuer Werte und Ideale, sondern nur eine Zerstörung der überkommenen. (34)

Im Grunde stehen sich

Handwerksgeselle und ungelernter Fabrikarbeiter

innerhalb der Arbeiterbewegung gegenüber. Der Handwerksgeselle übersieht seine Arbeit und erkennt in ihr einen Sinn, fühlt sich verantwortlich und ordnet sich in eine überschaubare Gemeinschaft ein. In der Masse der Fabrikarbeiter – zumindest bei den damaligen Arbeitsverhältnissen – hat der Einzelne kein Gesicht. Bei der Aufteilung der Arbeitsgänge in kleinste Schritte entsteht für den Einzelnen geisttötende Einförmigkeit. Er wird selbst zum Schräubchen an einer unüberblickbaren Maschinerie, verliert nur allzu leicht das Werkstück als Ganzes aus den Augen, achtet den Wert der eigenen Handlangung gering und weiß sich fürs Ganze zu wenig verantwortlich.

Dagegen kann Winnig von einer Erscheinungsform des jungen Fabrikarbeiters seiner Zeit aus eigener Anschauung berichten:

Wo eine Fabrik eingerichtet wurde, fand sie selten in unmittelbarer Nähe die Arbeitskräfte, die sie brauchte … Der auf dem Lande und in den Kleinstädten entstehende und sich mehrende Bevölkerungsüberschuß war ihr Werbefeld … Sie kamen von der ländlichen Scholle und aus den Gassen der Klein- und Landstädte, wo das Brot für die sich mehrende Menge von Jahr zu Jahr knapper wurde. Sie lösten sich von ihren Orten, um der Enge und Dürftigkeit zu entfliehen, in der es kein Vorwärtskommen, keinen Aufstieg, sondern nur den täglichen Kampf mit der Armut gab … Es waren vermutlich die Beweglichsten und Mutigsten, die sich entschlossen, es mit der Fabrikarbeit zu versuchen. Die Schwächlichen und Zaghaften blieben zurück.

Ich habe Vorgänge dieser Art noch miterlebt und beobachtet und weiß, was sich hier begab. Ich sehe die Jugendgenossen, die aus meiner Heimat und den umliegenden Dörfern nach den Fabrikorten gingen, und kann darüber sprechen, was der Wandel für sie bedeutete. Diese Menschen suchten ein reichlicheres Brot und fanden es. Wenn sie auf einen kurzen Sonntagsbesuch zurückkamen, so trugen sie neue Anzüge, bunte Schlipse und blanke Uhrketten, und das Geld saß ihnen lose in der Tasche. Sie wußten erstaunliche Dinge aus der Fabrik zu erzählen. Aber wovon sie auch sprachen, sie taten es in einem neuen Ton. Es gab eigentlich nichts, wovon sie nicht wegwerfend gesprochen hätten, ob es nun ihre Aufseher und Meister, ihre Kameraden oder die Mädchen ihrer neuen Bekanntschaft waren. Sie hatten etwas verloren, was sie vorher gehabt hatten, mag man es nun Gemüt oder Anständigkeit oder Respekt nennen. Sie sahen nun feiner aus als früher, aber was in den bessern Kleidern steckte, war nicht besser, sondern schlechter geworden. (44)

Der Handwerksgeselle wehrt sich gegen diese Entwicklung. Doch vor

… dieser Wirtschaftsgesinnung, die uns der Westen über die Grenze schickt, die wir von der englischen Nationalökonomie und vom französischen Materialismus übernehmen – vor dieser Wirtschaftsgesinnung, die die Lehre aufbringt, daß die Arbeitskraft eine Ware sei (wodurch auch der Mensch zur Ware werden muß), kann sich die innere Haltung des Gesellen nicht behaupten. Er … verteidigt seinen Rang, aber er kann nicht verhindern, daß er schließlich doch in die Masse hinabgedrückt wird. (41)

Mögen sich die Ungelernten durch den in der Fabrik empfangenen Lohn erhöht gefühlt haben – der Handwerksgeselle fühlte sich erniedrigt:

Der proletarische Mensch – so nennen wir den erniedrigten Handarbeiter; denn eine Erniedrigung ist es, was der Mensch über sich ergehen lassen mußte, der sich der Fabrik auslieferte. Dieser Mensch des Dorfes und der Kleinstadt gab etwas auf, was er in der Welt der frühkapitalistischen Fabrik nicht wiederfand, nämlich seine Gemeinschaft … Er suchte Wärme und fand den eiskalten Eigennutz der neuen Wirtschaftsgesinnung.

Der alte Handwerker hätte nie ein kapitalistischer Unternehmer werden können. Dem war die Arbeit ein Amt, ein Auftrag, ein Dienst gewesen … Es war eine neue Auffassung der Arbeit aufgekommen, die im innersten Grunde der Arbeit feindlich war, weil sie den Sinn der Arbeit erniedrigte. (45)

Wir wissen es längst: Die kapitalistische Raffgier macht(e) vor nichts Halt:

… es ging jetzt nicht mehr um den gemeinen Nutzen, sondern um den Gewinn des Unternehmers und der Unternehmung, und zwar ausschließlich um ihn … Die Arbeit hatte jede Beziehung zu einem sittlichen Gesetz verloren. Die Schändung der Landschaft und die Zerstörung des Stadtbildes durch die Fabrikbauten, die Verschmutzung der Flüsse durch die Abfälle und Abwässer der Fabriken sind ein Ausdruck der neuen Auffassung, die sich mit einer unerhörten Frechheit und Gewaltsamkeit durchsetzte … Die Arbeit wurde jetzt der Fluch der Armut. Sie verlor den Sinn des Amtes und Dienstes, sie verlor ihre Beziehung zum Welthintergrunde, sie verlor ihre Ehre. Sie war mit dem Siege der neuen Auffassung ein degradierender Zwang geworden. (46)

Auch das Leben der Familie wurde zweitrangig, die Fabrik ging vor. Bis heute leiden wir darunter.

Der Frauenbewegung wird angelastet, daß zu wenige Kinder geboren werden, besonders qualifizierte Frauen bleiben häufig kinderlos. An der Misere hat aber nicht die Frauen-Emanzipation Schuld, sondern der Umstand, daß sich die Familie nach dem Wirtschaftsunternehmen zu richten hat und nicht umgekehrt das gesamte Wirtschaftsleben auf die Bedürfnisse der Familien Rücksicht nimmt.

… was mit seiner Familie geschah, dies alles ging die Fabrik nichts an und kümmerte sie nicht. Nicht das Geschöpf war ihr wesentlich, sondern nur seine Nützlichkeit. (47)

Die Gegenpole Weitling und Marx

August Winnig sieht in den beiden Vordenkern der Arbeiterbewegung Wilhelm Weitling und Karl Marx weltanschauliche Gegenpole, die die deutsche Arbeiterschaft in zwei Lager gespalten hätten, wobei das marxistische Lager den Sieg davontrug.

… nicht der Handwerksgeselle Weitling, sondern der jüdische Intellektuelle Marx (wurde) der Lehrer und Bildner der deutschen Arbeiterbewegung … Dieser Vorgang ist ein Schicksal geworden. Schon am Anfange der Arbeiterbewegung steht dieser Gegensatz: Arbeiter und Intellektueller, und schon der erste Zusammenstoß dieser beiden grundverschiedenen Wesenheiten ging so aus, wie er später immer wieder ausgegangen ist: immer wieder unterlag der Arbeiter dem Intellektuellen; immer wieder wurde der Arbeiter, wenn er die Hand nach der Führung seiner Bewegung ausstreckte, vom Intellektuellen zurückgedrängt. (52)

… Weitling hatte die Vision seines Standes, er sah ihn in Schmutz und Staub am Boden, sah ihn verachtet und in Elend und Lastern verkommen. “Es jammerte mich des Volkes.” Es war das Mitfühlen und Mitleiden, es war eine heiße Liebe zu den Armen und Elenden, denen er, der selber nicht im Elend steckte, der es aber doch wohl auch schon gespürt hatte, sich durch das Schicksal verbunden fühlte; eine heiße Liebe, die in diesem Falle mit einem heißen, heiligen Zorn einhergehen mußte … (52-53)

Karl Marx dagegen sieht er als „scharfen Denker“ und „furchtbaren Hasser“:

Marx hatte zum Arbeiter gar keine innere Beziehung … Das soziale Mitleid, also das, was wir heute unter sozialem Gefühl verstehen, hat Marx nie empfunden. Er fühlte nicht mit dem Arbeiter. Er wandte sich ihm und seiner Bewegung nicht zu, weil etwa sein Herz für den Arbeiter geschlagen hätte, er wandte sich an den Arbeiter nur, weil er ihn brauchte. Er brauchte ein Werkzeug seines Hasses. Er brauchte die Riesenkraft, die seinen furchtbaren Haß in die Welt tragen konnte …

Der Haß, aus welchem Marx lebte, richtete sich grundsätzlich gegen jede Autorität – seine eigene ausgenommen. Er haßte den Staat, haßte die Religion, er haßte jeden höhern Wert, der als solcher anerkannt wurde. Sein Kampf galt jeder inneren Bindung des Menschen durch die Mächte des Glaubens und des Herkommens. Er war in allem Revolutionär, aber er war es aus Haß. (53)

August Winnig glaubt, der Marx’sche Haß entstamme dessen unterdrücktem Judentum:

Dieser Haß läßt sich nicht ohne sein Judentum erklären. Marx … sah die Eigenschaften des Juden so deutlich, wie alles, was gedanklich zu erfassen war. Aber er sah den Juden auch so einseitig ökonomisch, wie es seinem Denken entsprach. Man kann nicht sagen, ob Marx sich selber noch als Jude gefühlt hat. Jene Zeit sah den Unterschied zwischen den Juden und ihren Wirtsvölkern im religiösen Bekenntnis – und Marx war ja getauft. Aber sein inneres Verhältnis zur deutschen Umwelt wurde durchaus von den Rückgefühlen des staats- und heimatlosen Volkes bestimmt. (53)

Winnig sieht in Marx einen

der flachsten Denker seines Jahrhunderts … Der Marxschen und marxistischen Geschichtsauffassung fehlt das, was in diesem Falle Tiefe wäre. Sie sieht in der Welt nur eine Kraft wirksam, nur das Streben der Individuen nach dem dinglichen Nutzen. Das ökonomische Interesse ist ihr der Schlüssel aller Zeiten und Zonen … (55)

Wie kam es nun zur Vorherrschaft des Marxismus, der sich für so viele Völker so verhängnisvoll auswirken sollte? Winnig erklärt sich dies Phänomen gerade aus der marxistischen Oberflächlichkeit. Durch sie

… konnte Marx das Welt- und Geschichtsbild der Primitiven schaffen und, indem er dieses Bild der Masse aufdrängte, eine geschichtlich wirksame Macht werden …

Der nach Erkenntnissen hungernde Arbeiter sah hier den dunkeln und verworrenen Lauf des großen Geschehens durch eine einfache Formel belichtet und erklärt … Das Gefühl der Überlegenheit des Marxisten, seine Gepflogenheit, auf alle anderen Betrachtungsweisen geringschätzig herabzublicken – diese Art des Primitiven ist mir nicht fremd geblieben. Hier war Klarheit und Sicherheit, und sie waren leicht zu erwerben – es gehörte wirklich nicht viel dazu; das mußte gerade den um die große Einsicht ringenden Arbeiter mächtig anziehen. (55)

Auch er selbst, so bekennt er freimütig, hatte sich vom Marxismus zunächst einnehmen lassen. Durch eigenes Erleben, Beobachten und Nachdenken hat er später seinen Weg gefunden, der in die Abkehr von seiner sozialdemokratischen Partei mündete.

Winnig faßt nun die gegensätzlichen Weltanschauungen der Symbolgestalten Weitling und Marx zusammen (57):

  • Der eine war heiß, der andere war kalt.
  • Den einen trieben Mitleid und Liebe vorwärts. Der andere war nur vom Hasse bewegt.
  • Der eine wollte eine neue Welt schaffen. Der andere wollte eine Welt zerstören.
  • Der eine war der erste Vorbote eines jugendlichen Volkstums. Der andere war ein Zerfallprodukt der alten Bildungsschicht.

Weitling ging als Verlierer von der politischen Bühne, Marx triumphierte.

Für Weitlings Einsatz für den Arbeiter als Menschen habe Marx nichts als Hohn übrig gehabt und es mit Ausdrücken wie „Geschwätz“ und „Liebessabbelei“ abgetan, so Winnig, der Marx denn auch als „die geistige Überfremdung der deutschen Arbeiterbewegung“ empfindet.

Er ist ein deutsches Verhängnis, er ist die furchtbarste Seite des deutschen Schicksals. Die Arbeiterbewegung anderer Länder kennt dieses Schicksal nicht. (58)

Und er fügt noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzu (61):

Für die deutsche Arbeiterbewegung wurde es schlechthin entscheidend, daß ihre treibenden Kräfte sich nicht mit der eigentlichen Oberschicht, sondern mit dem Abfall der Oberschicht berührten. Es war nicht der echte Bürger, der dem aufwärtsdrängenden Arbeiter seine Bildungsgüter gab, sondern der seiner Herkunft untreu gewordene, aus der bürgerlichen Geisteswelt ausgebrochene Bürger. Nicht der mit seiner Lebensordnung festverbundene, von ihren Werten und Idealen erfüllte Bürger wurde in Deutschland der Lehrer und Bildner der Arbeiterbewegung, sondern der abgefallene Bürger, der jenen Werten und Idealen den Krieg erklärt hatte – der Mensch ohne geistige Heimat. Dieser prägte das innere Gesicht der deutschen Arbeiterbewegung, und dieses Gesicht war nun den bleibenden Werten, die jeder Stand dem nachfolgenden übermittelt, abgekehrt.

Was der deutsche Arbeiter nicht empfing, das war das Gefühl der Verbundenheit mit seinem Volkstum, mit der Geschichte seiner Volksgemeinschaft. Das blieb ihm vorenthalten. Denn so kenntnisreich seine Lehrer auch waren: dies konnten sie ihm nicht geben, weil sie es selber nicht hatten. Die Verneinung der volkhaften Schicksalsverbundenheit, die Ablehnung und Leugnung der vom volkhaften Bewußtsein geformten Werte und Ideale war im Grunde das, was sie vom Stande ihrer Herkunft trennte. Gerade dadurch unterschieden sie sich von der Gemeinschaft, die sie verlassen hatten, daß sie deren Ideale zersetzten und dem Spott preisgaben. Volk, Staat und Vaterland, Glaube, Frömmigkeit, Ehrfurcht und Sitte waren für sie Ideologien, geschaffen, um die dumme Masse damit zu betören und im Zaum zu halten. Die Auflösung dieser Werte war ihnen daher eine Aufgabe von besonderer Bedeutung, und wo sie sich an den Arbeiter wenden, steht ihnen diese Aufgabe vor Augen.

Winnigs Vision, daß die Arbeiterbewegung zu einem Berufsstand, zu einer tragenden Säule des Volkes geworden wäre, dies, so Winnig, sei die „Sendung des deutschen Arbeiters“ gewesen. Doch dem entging

innerhalb seiner Bewegung, also dort, wo er sich auf seine geschichtliche Sendung vorbereitete, diese Erziehung zum Volksbewußtsein. (61)

Und nun kehren wir zur „Antifa“ unserer Tage zurück:

Was an ihm (dem deutschen Arbeiter) geschah, war das Gegenteil: man rottete aus, was etwa an Keimen eines solchen Bewußtseins in ihm vorhanden war. Man nannte es damals Patriotismus. Der Kampf gegen die patriotische Gefühls- und Betrachtungsweise wurde als eine unerläßliche Selbstverständlichkeit angesehen. (61-62)

Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Inzwischen hat sich der  „Hitlerismus“ in unserem Land ereignet und jenem Kampf enormen Auftrieb gegeben, indem Verbrechen – im Namen des deutschen Volkes und einer „nationalen“ Idee begangen – tagtäglich der Fernsehöffentlichkeit vor Augen geführt, die des Marxismus jedoch weitgehend verschwiegen werden.


[1] wie: Frührot – Ein Buch von Heimat und Jugend, Hamburg 1950; Das Reich als Republik, Stuttgart/Berlin 1930; Vom Proletariat zum Arbeitertum, Hamburg 1930; Der weite Weg, Hamburg 1932; Heimkehr, Hamburg 1935; Der Arbeiter im Dritten Reich, Berlin 1934; Europa – Gedanken eines Deutschen, Berlin 1937; Rund um Hitler – Aus zwanzig Jahren – Erfahrungen und Erinnerungen, 1946 (ohne Verlagsangabe); Die Hand Gottes, Hamburg 1948

 

[2] Alle Zitate, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, sind dem Werk „Vom Proletariat zum Arbeitertum“ entnommen; Seitenzahlen in Klammern.

[3] In seinem Buch „Der Deutsche Ritterorden und seine Burgen“, Königstein/Taunus und Leipzig 1939, legt er Zeugnis ab von seinem Geschichtswissen und seiner Einstellung zur Christianisierung und Eroberung des Ostens.

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J.kröger
J.kröger
13 Jahre zuvor

sehr gut gelungen,
und stellungnahmen zutreffend. das foto von a.w. ist aber aus 1928 in potsdam.
mfg
j.kröger

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[…] für die Arbeiterschaft den abgründigen, alttestamentarischen Haß des Karl Marx erkannt (mehr->). Der Marxismus mit seiner Leben zerstörenden Energie war unglücklicherweise erst in der in sich […]

Christina Rudolf
Christina Rudolf
10 Jahre zuvor

Guten Tag,

ein Buch von August Winnig, “Wunderbare Welt”, hat mich aufmerksam gemacht auf diesen Menschen. Und heute suchte ich im Internet nach Informationen und fand Ihre Seite.

Haben Sie vielen Dank für diese “wunderbare” Darstellung des Denkens von A. Winnig. Ich liebte ihn schon seines Buches wegen. Jetzt verehre ich ihn aus ganzem Herzen und hoffe, daß ich noch mehr Bücher von ihm über das Antiquariat erwerben kann. Ich danke Ihnen, für Ihre Schilderung der Denkweise von A. Winnig und dafür, daß Sie dem reinen Deutschtum, welches auch ich persönlich sehr hoch halte, eine solche klare Deutung geben.

Ich kann nur hoffen, daß es noch mehr so klar empfindende Menschen gibt, die sich aller Wirren zum trotz aufrecht und wahrhaftig halten.

Mit den herzlichsten Grüßen und besten Wünschen
Christina Rudolf

Andreas Winnig
Andreas Winnig
5 Jahre zuvor

Vielen Dank für diese schöne Zusammenfassung. August Winnig war mein Urgroßvater….

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