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Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.

Und auch der bekannte jüdische Publizist Henryk M. Broder scheut sich nicht, die Wahrheit über den Zustand Europas klar heraus zu sagen, und das sogar ziemlich genial und mit Humor.

Die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten (DWN) druckten seine Rede ab, die er auf einer Weihnachtsfeier 2012 in Berlin gehalten habe. Sie soll auch hier im vollen Wortlaut folgen:

Liebe Europäerinnen und Europäer,

Ein altes russisches Sprichwort sagt: Es gibt keine häßlichen Bräute, es gibt nur nicht genug Wodka. Für die Wirtschaft gilt das nicht. Man kann sich keine schlechte Stimmung schönfeiern, nicht einmal, wenn man die Betriebsfeier in einen ungarischen Puff verlegt. Mies bleibt mies. Man kann auch nicht in aller Ruhe und Gemütlichkeit „Oh, du schöne Weihnachtszeit“ singen, wenn man weiß, daß beim Nachbarn die Hütte brennt. Denn man ahnt, daß das Feuer entweder auf das eigene Haus übergreifen wird oder daß man die obdachlos gewordenen Nachbarn bei sich wird aufnehmen und verpflegen müssen. Schwer zu sagen, welche Aussicht einem noch schlimmer als die andere vorkommt.

Wir erleben die letzten Tage Europas. Nicht im physischen, eher im philosophisch-metaphorischen Sinne. So wie Karl Kraus in seinem 1922 erschienenen Monumentalwerk „Die letzten Tage der Menschheit“ vorhersah, so liegen „Die letzten Tage Europas“ unmittelbar vor uns. Nein, sie liegen nicht einfach da, sie springen uns geradezu an.

Ich habe am letzten Montag die Live-Übertragung der Feier zur Übergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union gesehen, live im Fernsehen, der ARD sei Dank. Ich hatte gerade einen Nachtflug von Washington nach Frankfurt hinter mir und war noch ein wenig benommen. Aber diese Art von Benommenheit schärft die Sinne, man sieht zwar alles ein wenig undeutlich, hört aber die feinen Zwischentöne viel klarer. Ich nehme an, ich bin der einzige in diesem Raum, der diese Feier gesehen hat. Denn sie fand zu einer Zeit statt, da normale Menschen arbeiten und nur allein erziehende Mütter, königliche Hoheiten und die Angehörigen der Brüsseler Bürokratie es sich leisten können, vor dem Fernseher zu sitzen, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie sie die GEZ-Gebühr bezahlen sollen.

Also, ich verfolgte die Verleihung des Friedensnobel-Preises an die EU und wußte nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Die EU auszuzeichnen, weil sie den Frieden in Europa bewahrt habe, ist so albern, als würde man die Heilsarmee dafür auszeichnen, daß sie nicht in das Geschäft mit Alkohol, Drogen, Nutten und Waffen eingestiegen ist. Oder als würde man das Internationale Rote Kreuz dafür ehren, daß es keine Konzentrationslager betreibt. Im Übrigen ist das friedliche Europa nicht der Garant des Friedens, sondern das Ergebnis einer militärischen Intervention, ohne die wir heute nicht so gemütlich beisammen sitzen würden, und falls doch, dann vermutlich nur, um den letzten erfolgreichen Einsatz der Legion Condor zu feiern.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU erinnerte mich an irgendwas, das tief in meinem Gedächtnis abgespeichert war. Und weil ich müde war, dauerte es eine Weile, bis die Erinnerung den Weg an die Oberfläche geschafft hatte. Ja, das war es! Genauso feierte das ZK der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sich selbst! Man verlieh sich gegenseitig Orden und bestätigte sich reihum, einen extrem wichtigen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in Europa und in der Welt geleistet zu haben.

Als jemand, der die ersten Jahre seines Lebens in Polen verbracht hat, habe ich eine leichte Allergie gegen den Begriff „Frieden“. Nicht weil ich für den Krieg bin, sondern weil „Frieden“ das General-Alibi ist, mit dem jede Barbarei rechtfertigt werden kann. Auch die Berliner Mauer wurde uns als eine friedensstiftende bzw. friedenserhaltende, in jedem Falle aber unvermeidliche – heute würde man sagen: alternativlose – Maßnahme präsentiert. Und wenn ich mir heute die Aktionen der Friedensbewegung anschaue, die dem Massaker in Syrien ungerührt zuschaut, aber nicht müde wird, gegen den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan und gegen die Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei zu demonstrieren, dann weiß ich, daß Pazifismus und Kretinismus nahe Verwandte sind.

Einen Tag nach der Preisverleihung in Oslo, der Hauptstadt eines Landes, dessen Bevölkerung zweimal den Beitritt zur EU abgelehnt hat, las ich in der Welt einen Artikel über den Brüsseler „Jahrmarkt der Eitelkeiten“, auf dem bis zum letzten Moment darüber gestritten und gefeilscht wurde, wer bei der Preisverleihung reden und die Auszeichnung entgegennehmen darf. Der Präsident der EU-Kommission, Barroso, der Ratspräsident van Rompuy und der Präsident des Parlaments, Schulz, hätten trotz voller Terminkalender „wie die Kesselflicker“ gestritten und versucht, einander auszustechen. Bis schließlich, wie in Brüssel üblich, ein Kompromiß gefunden wurde. Van Rompuy und Barroso nahmen die Urkunde gemeinsam entgegen, wobei van Rompuy sie als erster berühren durfte. Vermutlich durfte er sie auch mit nach Hause nehmen, sie dort kosen und herzen und sie schließlich unter sein Kopfkissen legen. Martin Schulz mußte sich damit zufrieden geben, seinen Kopf für eine Medaille am Halsband hinhalten zu dürfen. Immerhin. Aber am Ende gab es ein Gruppenfoto, das Einheit und Einigkeit suggerierte – auch dies eine weitere Parallele zu den Sitten im ZK der KPdSU.

Wenn Sie eine Erklärung für diese Vanity Fair der Brüsseler Alpha-Männchen suchen, dann empfehle ich Ihnen einen Besuch auf deren jeweiligen Webseiten.

Jose Manuel Barroso hat immerhin Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert und an einigen Universitäten unterrichtet. Seine Sozialdemokraten sind eine konservative Partei, die im Europaparlament zur Fraktion der Europäischen Volkspartei gehört. Er war Außenminister und Regierungschef Portugals, bevor er 2004 zum Präsidenten der EU-Kommission berufen wurde.

Herman van Rompuy, der erste ständige Präsident des Europäischen Rates, hat seine politische Karriere als stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation der flämischen Christdemokraten begonnen und sich wegen seines unscheinbaren und zurückhaltenden Auftretens den Spitznamen „die Sphinx“ erworben. Auch während seiner Zeit als belgischer Premierminister von Dezember 2008 bis November 2009 blieb er den meisten Belgiern unbekannt. Ebenso rätselhaft ist, welche Funktion er als ständiger Präsident des Europäischen Rates ausübt.

Sein Terminkalender, den man auf der Homepage des Europäischen Rates einsehen kann, zeigt für den Donnerstag der vergangenen Woche folgendes an:

17 Uhr Treffen zu einem Meinungsaustausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz
17.30 Uhr Gruppenfoto
17.45 erste Arbeitssitzung
20 Uhr Arbeitsessen, gefolgt von einer Pressekonferenz

Was für eine aufregende, erfüllte Existenz im Dienste der europäischen Idee!

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, ist ein fröhlicher Rheinländer, mit dem man jede Woche Weiberfastnacht feiern möchte. In seinem vorigen Leben war er Bürgermeister der Gemeinde Würselen bei Aachen und in dieser Eigenschaft, so lesen wir es bei Wikipedia, „insbesondere für den Bau des Spaßbades Aquana verantwortlich“; angesichts der Haushaltslage der Stadt werde diese Entscheidung inzwischen „kritisch gesehen“. Soll heißen: Das Spaßbad liegt der Gemeinde schwer auf der Tasche. Aber damit hatte sich Schulz für eine wichtige Aufgabe in der EU qualifiziert. In seinem Kabinett beschäftigt er

  • einen Bürochef,
  • einen stellvertretenden Bürochef,
  • eine Anzahl von Assistenten und Beratern;
  • dazu Berater der Assistenten und Assistenten der Berater,
  • vier Pressesprecher,
  • einen Spokesman,
  • einen Redenschreiber,
  • einen Terminverwalter,
  • einen Büroboten,
  • einen Kammerdiener und
  • einen Fahrer.

Alles in allem 38 Mitarbeiter, die mit ihm zwischen Brüssel und Strasbourg hin- und herfahren. Der veritable Hofstaat eines Eurokraten.

Wie es der Genosse Zufall will, haben Hamed Abdel-Samad und ich Martin Schulz vor kurzem besucht, um ihn für eine Folge unserer Europa-Safari zu interviewen. Dabei sagte er uns u.a. auch folgenden Satz:

„Wäre die EU ein Staat und würde einen Antrag zum Beitritt in die Europäische Union stellen, dann würde der Antrag abgelehnt. Mangels demokratischer Substanz.“

So habe zum Beispiel das EU-Parlament kein Recht, Gesetze zu initiieren, es segne nur die Beschlüsse der Europäischen Kommission ab. Einer der Abgeordneten, die wir trafen, sprach von einem

„Protokollparlament“

und fühlte sich an die Zustände in der Volkskammer der DDR erinnert. Ein Kommissar erklärte uns, warum kein Widerspruch darin liege, daß die EU den Anbau von Tabak subventioniert und zugleich Kampagnen über die Gefahren des Rauchens finanziert.

Das sei doch eine Win-Win-Situation, von der alle profitieren würden, sowohl die Tabakindustrie wie die Raucher. Und im Übrigen sei ein Kommissar für die Tabak-Subventionen und ein anderer für die Anti-Rauch-Kampagne zuständig.

Seit unserem Besuch in Brüssel und Strasbourg gebe ich mich keinerlei Illusionen mehr hin. Die EU löst keine Probleme, sie ist ein Problem. Seit dem Ende des real existierenden Sozialismus, zu dem es nach Meinung seiner Repräsentanten ebenfalls keine Alternative gab,

ist die EU der massivste Versuch, die Bürger zu entmündigen und die Gesellschaft zu entdemokratisieren.

Man erklärt uns immer wieder, es gebe zur EU keine Alternative, denn das Auseinanderfallen der Union würde nicht nur das Ende des Wohlstands bedeuten, sondern auch das Aufleben längst überwundener Konflikte, bis hin zu Klassenkämpfen in den einzelnen Ländern und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihnen.

In die Praxis umgesetzt bedeutet das: Wir sind aufgefordert, bedingungslos jenen zu vertrauen, die den Karren an die Wand gefahren haben und nun versichern, sie wären in der Lage, die Reparatur zu übernehmen, sowohl des kaputten Wagens wie des beschädigten Hauses.

Aber: Würden wir einem Arzt eine zweite Chance geben, der uns statt der Mandeln den Blinddarm entfernt hat? Würden wir uns einem Vermögensverwalter anvertrauen, der unser Vermögen verjubelt hat? Würden wir noch einmal ein Hotel buchen, in dem wir ausgeraubt wurden, weil die Alarmanlage nicht funktioniert hat? Nein, würden wir nicht. Aber wenn es um Europa geht, tun wir es, weil wir eben keine Wahl haben. Die Sache ist alternativlos.

Also machen wir weiter, nicht weil wir davon überzeugt sind, daß es richtig ist, sondern weil wir den Point of no Return überschritten haben.

Meine Damen und Herren, ich hatte wirklich nicht vor, Ihnen die Weihnachtslaune zu vermiesen. Aber ich wollte die Gelegenheit nicht verpassen, Sie auf ein Desaster aufmerksam zu machen, auf das wir alle zusteuern.

Erlauben Sie mir zum Schluß eine Frage: Wer von Ihnen glaubt, daß es in drei Jahren die EU in der jetzigen Form noch geben wird? Ich bitte um ein Handzeichen.

Offenbar eine knappe Mehrheit.

So wäre auch eine Abstimmung unter den Passagieren der Titanic ausgefallen, kurz nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Southampton. – Ich wünsche uns allen eine gute Reise.

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Ingo Bading, M.A.
10 Jahre zuvor

Ich würde einem Denunzianten wie Henryk Broder http://de.wikipedia.org/wiki/Ken_Jebsen , mag ein solcher Denunziant ansonsten inhaltlich so viel Richtiges sagen, wie immer er will, nicht ein so breites Forum geben. Ich würde nicht dazu auffordern, ihm so lange zuzuhören. Noch dazu zustimmend. Über einen Menschen wie Henryk Broder sollten von seiten kritischer Menschen ganz andere Blogartikel erscheinen, WENN denn auf ihn die Sprache überhaupt kommen “muß”.

Wir Europäer sollten uns, wenn wir uns über unseren eigenen Zustand orientieren und verständigen wollen, dies nicht ausgerechnet gerade mit Denunzianten tun.

Da hat mir der Bezug zur Kna’anim-Bewegung im vorletzten Beitrag viel, viel besser gefallen. Bitte mehr DAVON! Ich habe dazu weiter recherchiert und werde über diese Bewegung noch einen umfangreicheren Blogartikel schreiben, wenn ich erst mal das Material einigermaßen zusammen habe.

Helmut Wild
Helmut Wild
10 Jahre zuvor

Wenn Henryk Broder schreibt:

“Im Übrigen ist das friedliche Europa nicht der Garant des Friedens, sondern das Ergebnis einer militärischen Intervention, ohne die wir heute nicht so gemütlich beisammen sitzen würden, und falls doch, dann vermutlich nur, um den letzten erfolgreichen Einsatz der Legion Condor zu feiern.”

……, dann empfinde ich das als historische Frechheit. Den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts diese Sinndeutung zu geben, zeigt eine Huldigung der Vernichtungsabsichten gegenueber dem deutschen Volk. Typisch fuer politischen Korrektheitsfaschismus.

Verdaechtig ist mir auch sein Mangel an Kritik am Euro-Finanzsystem, das in Wirklichkeit 33 (!) internationalen Grossbanken, darunter Goldman Sachs, das Recht der Geldschoepfung gibt, unter dem EZB-Deckmantel.

Ansonsten sind seine Kritikpunkte allgemein bekannt, jedoch, zugegeben, mit gekonnt-humorvollem Stil vorgetragen.

Mithus
Mithus
10 Jahre zuvor

Liebe Adelinde,

ich bin doch sehr überrascht, dass gerade in Deinem Blog, der gestern noch mit den brauchbaren Vorschlägen der Wahlalternative werbend auftrat, H. M. Broder dafür sprechen darf, was in Europa in der Tat nicht gut läuft, um damit sogleich aber unterschwellig dazu beizutragen, die Europa-Idee als solche ganz im amerikanisch-angelsächsisch-israelischen Interesse zu begraben. Diese potentielle Konkurrenz mit zwangsläufiger wirtschaftlicher Vormachtstellung Deutschlands ist unerwünscht, wie es im Rahmen der angelsächsischen “balance of power-Ideologie” stets unerwünscht war, dass Deutschland im Konzert der europäischen Völker ein auch nur angemessenes Mitspracherecht erhält (innereuropäische Verkehrssprache ist englisch, nicht deutsch, auch nicht ersatzweise! Das stelle man sich mal für das volksreichste Land in der Eurozone vor).

Da gibt es wahrlich neutralere Sachkundige, diese aber kommen mit Verbesserungsvorschlägen statt wie M. Broder mit Destruktion aufzuwarten (z. B. pars pro toto: Prof. W. Hankel.)

Broder als Anti-Deutsch-Europäer amerikanisch-angelsächsischer und israelischer Interessen-Prägung muß mal wieder die “Europa-Idee” als solche, wenn auch in seinen auf Ausschnitte begrenzten Ausführungen zutreffend, zuerst einmal kaputtreden und in der Sache als Missgeburt brandmarken. Amerikanische Politik arbeitet hartnäckig seit Jahrzehnten an der Überdehnung der Europa-Idee (Einbeziehung der Türkei und Israel!!!).

Ich stehe zwar immer wieder allein als Rufer in der Wüste, wenn ich darauf hinweise, dass die an sich vernünftige “Europa-Idee” über die trickreiche Falle der “€-Idee” mißbraucht wird, und zwar zu einer Art neuer, aber diesmal taktisch klügeren Form des Versailler-Vertrags gegen Deutschland. Auch dieses Mal will man Deutschland faktisch und klandin ausbluten, nur eben das üble Ergebnis des Versaillervertrages (Hitler) vermeiden. An dem Ergebnis der Verarmung breiter Schichten wird das nichts ändern. Es passt einfach zu gut in den Friedman’schen Neoliberalismus, den Souverän aus der Wirtschaftsdiktatur ganz herauszuhalten. Genau aber dort liegt das vorrangig anzugehende Poblem mit Europa.

Die friedensschaffende Europa-Idee ist richtig, die politische Umsetzung indes ganz fatal, weil die Wirtschaft die Politik selbst macht und die Unternehmenskulturen nicht auf demokratische Verhältnisse verpflichtet sind. Art. 14 GG mit seiner Sozialbindung des Eigentums ist grundlegend verdrängt und außer Kraft gesetzt. Zufall? Die Wirtschaft braucht für ihr Regime objektiv keinen Parlamentarismus, sie besitzt kein demokratisches Mandat, sondern sie steuert die nur an ihrer Pfründe hängenden Politik-Marionetten, die über einen hinreichenden Wirtschaftsverstand nicht verfügen.

Die r.-k. Kirche zeigt doch, dass man jahrhundertelang auch ohne Demokratie überleben kann. Da der Mammon zum neuen Gott geworden ist, lernt man von den Apologeten absolutistischer Machtausübung aus Rom. Wir werden so bald wieder die gleichen Voraussetzungen in vielen Teilen der Welt haben, die denen von 1789 in Frankreich gleichen: keinerlei Mitspracherechte der Völker im Wirtschaftsimperium Friedman’scher Unart.

Die Mitsprache in der Sache wird diesmal schon durch die Komplexität der globalen Wirtschaftsentwicklung erschwert. Der normale Bürger wird sich daher nur an den Ergebnissen orientieren können, die vermutlich eine deutliche Tendenz der Verschlechterung der Verhältnisse aufzeigen werden. In diesem Zusammenhang – aber nur in diesem – wäre die interessante Hypothese von Frank Schirrmacher in seinem neuesten Buch “Ego” zu studieren, die beinhaltet, dass der Mensch nach den mathematischen Gesetzen der “Spieltheorie” (Begriff aus der Informatik) manipulierbar, sprich: ohne eigene Entscheidungebefugnis, sein wird.

Helmut Wild
Helmut Wild
10 Jahre zuvor

Ich finde die Analyse von Mithus ausgezeichnet.

Helmut Wild
Helmut Wild
10 Jahre zuvor

Anmerkung zur Analyse von Mithus:

Der Begriff “Wirtschaft“ deckt zwei Bereiche ab, die, von der Interessenlage her betrachtet, einander prinzipiell feindselig gegenueberstehen. Den einen Bereich bilden die produzierenden, werteschaffenden Teinehmer der Wirtschaft. Das sind sowohl die Unternehmer als auch alle produktiv arbeitenden Menschen. Den anderen Bereich bilden die parasitaeren Finanzeliten, die die Grossbanken und auch die Zentralbanken besitzen oder dominierend kontrollieren (kurz das Finanzsystem).
Durch das Monopol fuer Gelderzeugung bringen sie den produktiven Bereich, per Kreditvergabe, in totale Abhaengigkeit. Natuerlich auch die politischen Eliten. Ich nehme an, dass auch die Medien total vom Finanzsystem kontrolliert sind und dass die babylonische Querverbindung zwischen Tempel (Priesterkasten) und Finanzsystem (Geldverleiher) nach wie vor und mehr denn je froehliche Urstaend feiert.

Deshalb schlage ich vor, den Begriff “Wirtschaft“ mit grosser Vorsicht zu gebrauchen und die Produzierenden nicht in einen Topf zu werfen mit der uebermaechtigen, schmarotzenden Finanzkaste.

Mithus
Mithus
10 Jahre zuvor

Es ist leider Fakt, dass auch ein großer Teil der “produzierenden Wirtschaft”, z. B. Versicherungskonzerne, mehr Einnahmen aus den Finanzgeschäften erzielen als aus dem reinen versicherungstechnischen Geschäft. Ich kann das anhand von Geschäftsberichten belegen.

Und aus interner Kenntnis weiß ich ebenfalls, dass Unternehmen über ihre Verbände nicht nur die Medien beherrschen, sondern unmittelbar die Politik.

Mithus
Mithus
10 Jahre zuvor

Lieber Herr Wild,

vielen Dank für das lobende Echo. Sie haben die Hintergrundabsichten auch eines H. M. Broder erkannt, die leider viele nicht sehen, weil er mit geistigem Florett sehr geschickt kämpft.

Inhaltlich bleibt er jedoch bei der Destruktion, die sich daraus ergibt, dass er
a) keine konstruktiven Verbesserungsvorschläge macht, auch gar nicht machen will;
b) nur auf die zutreffenden Fehler, die er zur Gesamtverurteilung der Europa-Idee heranzieht, hinweist, die wir indes alle längst kennen (sollten) und bekämpfen, ein jeder an seiner Front, wenn er denn aus dem bequemen Sessel herauskommt;
c) mit keinem Wort darauf eingeht, wie die neoliberalisierte, globale einerseits, die EU-Marktwirtschaft andererseits funktioniert, nämlich qua Diktat des Geldes. Beispiel hier: die Fa. Monsanto und andere Lebensmittelkonzerne, die Grundgesetze der Natur ökonomisieren, indem sie sich Patentrechte weltweit gutschreiben lassen.

Wer sieht denn hier nicht die allmähliche Versklavung der Menschen. Unsere Gegner sind doch nicht dumm, dass wir es uns erlauben könnten, mit Halbwissen länger stillzuhalten. Wie es in der Theologie soetwas wie die “billige Gnade” gibt (Jesus nimmt alles auf sich), so gibt es auch eine solche Gnade im Zeitalter der Informationsfluten: andere nehmen uns die Entscheidung (= Freiheit der Wahl) ab – und wir sind die Dummen.

Die Evolution regelt so etwas meist mit Aufruhr. Muß es denn wirklich soweit kommen?

Steffen
Steffen
10 Jahre zuvor

Machen wir uns nichts vor, liebe Freunde. Der EU-Zug ist schon lange abgefahren! Wir werden einen Crash erleben und uns anschliessend in den Vereinigten Staaten von Europa wiederfinden.
Steffen

Ingo Bading, M.A.
10 Jahre zuvor

Obwohl ich den Verlag sonst ja nicht gerne bewerbe. Aber vielleicht paßt denn doch einmal diese Publikation zur Thematik:

Günter Scholdt: Vergeßt Broder! Sind wir immer noch Antisemiten? Schnellroda: Antaios (= kaplaken, Bd. 36) 2013. 96 S., 8.50 €

http://www.sezession.de/37723/henryk-broders-verfolgende-unschuld-vergest-broder.html

Ich wiederhole den Buchtitel – zum Einprägen: VERGESST BRODER.

Lowell Austin
10 Jahre zuvor

acharistos 884 bedeutet auch “keinen Dank, keinen Lohn, keine Gnade gebend”. Heute ist alles selbstverständlich. Die Menschen sehen nicht, welche Vorzüge wir heute noch haben, dass wir einen nie da gewesenen Wohlstand haben (zumindest in Westeuropa). Dass wir eine Freiheit haben, wie sonst kaum in der Welt, dass wir noch intakte Sozialsysteme haben und dass wir eine medizinische Versorgung haben, wovon andere nur träumen können, wird bei uns viel zu wenig wahrgenommen. Aber all das wird als selbstverständlich angeschaut und man sieht nur das, was man nicht hat oder was noch besser werden könnte. Es fehlt an der Dankbarkeit gegenüber Gott und gegenüber den Menschen, die sich für andere abmühen. Politiker machen viele Fehler, aber sie bemühen sich auch sehr und sie arbeiten viel für das “Wohl des Landes”. Es wäre sehr schön, wenn wir auch als Christen unserer Regierung immer wieder mal sagen würden, wie dankbar wir für ihre Bemühungen sind und dass wir für sie im Gebet, immer wieder auch einstehen wollen. Solches wäre wesentlich erbaulicher, als die ununterbrochene Kritik an den Verantwortlichen des Staates, die eine ungeheure Last zu tragen haben. Auch wenn wir endzeitliche Entwicklungen kritisch im Auge behalten müssen; es ist völlig destruktiv, wenn wir hinter jedem Staatspräsidenten, schon einen halben Antichristen sehen.

archelys
archelys
10 Jahre zuvor

Lieber Lowell Austin,
ich stimme der Theorie Ihrer Gedanken zu, weiß aber nicht, ob Sie es grundsätzlich aufrichtig oder taktisch meinen.
Wie sollen wir einer Obrigkeit vertrauen, die uns glauben läßt, dass Hochhäuser (im Gegensatz zu fundamentalen Gesetzen der Physik) in zeitweiliger Freifallgeschwindigkeit in sich zusammenfallen können, ohne gesprengt worden zu sein?

archelys
archelys
10 Jahre zuvor

Partose
Ist mir ein Mensch als Mensch sympathisch
und als Partei verflixt suspekt,
dann frage ich kompensatorisch,
was die Partei damit bezweckt.

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