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Zwiespalte und keine Brücken?

Charlotte Knobloch

sieht die Brücke zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Vatikan zerbrochen. „Ausgerechnet der Deutsche“ auf dem Papst-Thron habe den Bruch herbeigeführt.

Sein Verbrechen: Die Aufhebung der Exkommunikation der 4 Bischöfe, die der erzkonservativen „Piusbruderschaft“ angehören, unter ihnen der aus London stammende Bischof Richard Williamson, der als „Holocaust-Leugner“ gilt.

Knobloch:

Wir haben die Rede des Papstes in Regensburg über die Muslime gehört, dann eine weitere Erklärung zur Beurteilung der protestantischen Kirche, dann die Missionierung der Juden, die tridentinische Messe – und jetzt die Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist. Der Papst ist ein hochgebildeter Mann. Er spricht das aus, was in der Kirche gedacht wird.

Wo sie Recht hat, hat sie Recht.

Papst Benedikt XVI.

ist ein erzkonservativer, rückwärtsgewandter katholischer Ideologe. Aber er hat bereits wiederholt seine volle Solidarität mit den Juden bekräftigt und beteuert, gegen jegliche Leugnung des Holocaust zu sein.

Doch das genügt Frau Knobloch und einigen Rabbinern nicht. Es müßten Taten folgen: Williamson müsse zur Rechenschaft gezogen, sprich: seines Amtes enthoben werden.

Bei allem Verständnis für die Ängste von Juden: In die inneren Angelegenheiten einer Organisation, der sie nicht angehören, sollten sie sich nicht einmischen. Sie fordern den Kniefall des Papstes vor offiziellen Vertretern von Juden. So kann man keine Brücken reparieren.

Bischof Richard Williamson

ist Sohn britischer anglikanischer Eltern. Mit 30 Jahren trat er zum Katholizismus über und 2 Jahre später – 1972 – in das internationale „Priesterseminar Pius X.“ im schweizerischen Econe ein. Dort wurde er nach 4 Jahren Ausbildung von Erzbischof Marcel Lefebvre zum Priester und 1988 mit 3 weiteren Anwärtern zum Bischof geweiht.

Diese Weihen wurden gegen den Willen des damaligen Papstes Johannes Paul II. erteilt. Die „Schwere dieses Vergehens“ führte zur Exkommunikation der 4 Geweihten sowie ihrer beiden Weiher Lefebvre und Antonio de Castro Mayer.

Die Weihen selbst blieben jedoch kirchenrechtlich gültig. Die Priesterbruderschaft erkennt die Exkommunikation nicht an und waltet weiter ihres „Amtes“.

Williamson trat mit Ansichten hervor wie:

  • Frauen dürfen nicht an Universitäten studieren
  • den Menschen droht Versklavung durch „allgegenwärtige Lügen“
  • der „Polizeistaat“ ist nicht mehr weit
  • die Bush-Regierung war an der Planung des Anschlags auf die Türme des WTC am 11.9.2001 beteiligt
  • der Vatikan steht unter „satanischer Kontrolle“
  • „I believe there were no gas chambers … I think that 200 000 to 300 000 Jews perished in Nazi concentration camps … but non of them by gas chambers“ („Ich glaube, es gab dort keine Gaskammern … Ich glaube, daß 200 000 bis 300 000 Juden in den Konzentrationslagern der Nazis umgekommen sind … aber keiner von ihnen in Gaskammern.“)

Bei dieser Ansichten-Sammlung ist es schwer, die richtige Schublade für den Mann zu finden. Er scheint Versklavung abzulehnen, macht aber eine Ausnahme bei den Frauen. In welcher Gestalt erscheint ihm der Satan? Als Frau, als Modernist, als Freimaurerei?
Auf jeden Fall hat Williamson Mut, sich zur „political correctness“ querzustellen. Den Mut, sich querzustellen, hatte auch sein Lehrer

Erzbischof Marcel Lefebvre:

1986 stellte er fest:

Ich bin kein Anführer einer Bewegung, noch viel weniger das Haupt einer eigenen Kirche. Ich bin nicht, wie man unaufhörlich schreibt, „der Anführer der Traditionalisten“. Ja man ist sogar soweit gegangen, gewisse Leute als „Lefebvristen“ zu bezeichnen, als ob es sich um eine Partei oder ein eigenes theologisches Lehrsystem handelte. Das ist eine unzulässige Redeweise. Ich vertrete auf religiösem Gebiet keine persönliche Lehre. Mein ganzes Leben habe ich mich an das gehalten, was man mich auf der Schulbank des Französischen Seminars von Rom gelehrt hatte, nämlich die katholische Lehre, wie sie das Lehramt seit dem Tod des letzten Apostels, der das Ende der Offenbarung bedeutet, von Jahrhundert zu Jahrhundert überliefert hat.

Er ist also ein treuer Vertreter „ewiger, eherner Wahrheit“, die „geschrieben stehet“ wie die der kirchlichen Gewalt als einer „höchsten Gewalt“, die aber immerhin noch unter der „göttlichen Gewalt“ stehe. Die Gewalt des Papstes habe ihre Grenze am Endzweck, dem sie zu dienen habe. Wenn also ein Papst wie Paul VI. durch seinen Liberalismus der Kirche mehr Schaden zugefügt habe als die Revolution von 1789, so sei ihm die Gefolgschaft aufzukündigen.

Der blinde Gehorsam ist nicht katholisch, niemand ist der Verantwortung enthoben, wenn er Befehle einer vorgesetzten Behörde, und sei es des Papstes, befolgt, obwohl es sich erweist, daß sie dem Willen Gottes widersprechen, den wir aus der Überlieferung mit Sicherheit erkennen können.

Stolz und mutig, der Erzbischof! Aber auch hier: „Es stehet geschrieben“, das allein will er gelten lassen. Was aus dem Inneren der Menschenseele spricht – die Achtung vor der Würde des Menschen und das Streben, ihr durch die Anerkennung der Menschenrechte Schutz zu gewähren – ist dagegen nichts:

Wegen des Abfalls vom Glauben, der in Rom herrscht, müssen wir mitansehen, wie die Seelen in Massen der Hölle zustreben … Der Atheismus beruht auf der Erklärung der Menschenrechte. Die Staaten, die sich seither zu diesem offiziellen Atheismus bekennen, befinden sich in einem Zustand dauernder Todsünde … Mit Recht können wir daher sagen, daß sich diese Massen zur Hölle hinabbewegen.

Und so predigt eine wie die andere Ideologie-Gruppe von ihrer „Wahrheit“, die ihr in „Heiligen Schriften“ überliefert ist, will die eigene Wahrheit durchsetzten und reißt Brücken ab zu denen, die sich ihr nicht unterwerfen wollen.

In Deutschland und Österreich müssen sich die Gerichte mit jährlich über tausend Menschen beschäftigen, die angeklagt sind, sich öffentlich dazu bekannt zu haben, an die Tötung von 6 Millionen Juden in Gaskammern deutscher KZs nicht zu glauben. Nach deutschem Strafgesetzbuch – §130 – gilt das als Tatbestand der „Volksverhetzung“.

Hier wird also ein Nichtglaube sowie die Überprüfung (Revision) geschichtswissenschaftlicher Aussagen strafrechtlich verfolgt. Auch hier soll „Geschriebenes“ wie „eherne, ewiglich“ geltende Wahrheit bestehen bleiben. Wie zu Zeiten der Inquisition werden Abweichler aus dem Verkehr gezogen. Was hat ein Maulkorb-Paragraph mit dem demokratischen Recht auf freie Forschung und Meinungsäußerung zu tun? Welche ideologische Interessengruppe steht dahinter?

Brücken der Verständigung lassen sich nur in Freiheit bauen. Glücklicherweise gibt es überall die Selbstdenkenden, die über den Lagern stehen, so z. B.

Geoffrey Alderman.

Er schrieb am 30.10.2008 im Jewish Chronicle:

Es ist die Aufgabe der Historiker, zu prüfen, zu bestreiten und, falls nötig, das geschichtliche Wissen der Gesellschaft zu korrigieren. In diesem Verfahren sollte der Staat keine Rolle spielen, in keinster Weise.

Für DemokratInnen eigentlich eine Selbstverständlichkeit, Frau Knobloch!

Die deutsche Justizministerin

Brigitte Zypries

aber will das „Leugnen des Holocaust“ und den „Antisemitismus“ nun sogar europaweit unter Strafe stellen. Das verbittet sich Gerard Menuhin, der Sohn des berühmten jüdischen Geigers, als ein wirklich judenfeindliches Unterfangen. Denn sie scheine mit ihrem Juden-Beschützer-Syndrom davon auszugehen,

wir litten unabwendbarerweise an „jüdischer Paranoja“ … Für wie realitätsfern halten Sie uns eigentlich? Trotz der täglichen Angstmacherei durch unzählige mit Antisemitismusüberwachung und -bekämpfung befaßte Stellen fühlt sich wahrscheinlich keiner der (von der Jewish Virtual Library 2005 zurückhaltend auf 1.121.000 bezifferten) Juden in EU-Europa von Holocaustleugnern bedroht. Von Einbrechern vielleicht. Von Ihrem Großen Lauschangriff möglicherweise, der Ihnen immerhin den „Big Brother Award“ 2004 einbrachte. Aber nicht von Holocaustleugnern.

Daß die Herabminderung der Opferzahl die jüdischen Herzen beleidigt, kann ich angesichts z. B. der Herabminderung der Opferzahl des Angriffs 1945 auf Dresden nur zu gut verstehen. Ebenso schneidet es mir ins Herz, in ein deutsches Herz also in diesem Fall, wenn den Ostvertriebenen hämisch die Schuld an ihrem erlittenen Unglück und Elend zugeschoben wird, und das von Deutschen!

Dazu ein anderer Jude, Victor Zander, der am 4.9.03 in einem Leserbrief an die FAZ seinen Abscheu vor solchem Tun bekundete:

Es ist fatal: Die Deutschen sehen nie den eigenen Schmerz, sondern immer nur den Schmerz anderer.

Er bezieht sich auf die Leiden der vielen Millionen Deutschen im und nach dem 2. Weltkrieg, an die hierzulande zu erinnern bedeutet, Gefahr zu laufen, in die Schublade mit der Aufschrift „Pariatum Rechtsextremismus“ geworfen zu werden:

Wie weit muß ein Volk seine Würde verloren haben, daß es nicht mehr den Anstand hat, zu seiner Geschichte zu stehen. Wie schrecklich ist das Fühlen eines Volkes, das es nicht wagt, seine Toten zu beweinen! Deutschlands Regierung und die angeblichen Vertreter verweigern ihm noch 58 Jahre nach dem ostdeutschen Genozid die Trauer um Millionen Tote und Vertriebene. Es darf nicht einmal historisch aufgearbeitet werden, was vor 58 Jahren an Mord, Vergewaltigung, Vertreibung und sonstigem Elend über ein Drittel des Landes hereinbrach. War das Wüten der Sieger so furchtbar, daß die Greueltaten unausgesprochen bleiben müssen? Wie Kleinkinder befragen deutsche Repräsentanten ihre Nachbarn, ob sie erlauben, daß und wie Deutsche ihre Opfer beklagen. Jene, die für den Massenmord und die Vertreibung im Osten Deutschlands Mitverantwortung tragen, sollen ihre Zustimmung geben, wie das deutsche Volk mit seinen Toten und deren Angehörigen umgeht. Wo bleibt das Schamgefühl?

Wie wahr! Welche Brücken schlagen hier frei und normal denkende Juden!
Es nützt nichts, Herr Lefebvre, die „satanischen“ Menschenrechte, die Geistesfreiheit, das Über-den-Ideologien-Stehen und der aus der Menschenwürde geborene Anstand allein sind es, die die Menschen befähigen, Brücken zu schlagen und Mauern niederzureißen.

Ideologien aller Couleur und ihre PriesterInnen sind von gestern. Den Menschenrechten gehört die Zukunft.

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Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

Ich finde diesen Beitrag ueberwiegend sehr gut gelungen und interessant. Was mich am meisten wundert, ist diese Mischung von Intelligenz, Mut und offensichtlichem Irrsinn, den dieser gutaussehende Mensch, Richard Williamson, in seinem Kopf mit sich herumschleppt.

Am schlimmsten erscheint mir seine Ansicht, Frauen sollten nicht an Universitaeten studieren.
Mit dem 11. September 2001 hat er sicherlich recht.
Was seine Ansichten ueber den Holocaust betrifft, so bleibt mir unverstaendlich, warum ihm deshalb „Antisemitismus“ vorgeworfen wird. Es kann ja durchaus sein, dass sein Glaube an eine weit geringere Zahl von ermordeten Juden in Wirklichkeit auf Philosemitismus beruht. Man glaubt doch an das, was man sich wuenscht. Hoffentlich riskiere ich nicht, bei meinem naechsten Deutschlandbesuch wegen dieser Bemerkungen im Gefaengnis zu landen. Denn im Umkehrschluss koennte mir ja einer jener fanatischen deutschen Staatsanwaelte vorwerfen, dass ich damit indirekt jenen, die an die 6 Millionen glauben, Antisemitismus vorwerfe.
Ich moechte also ausdruecklich feststellen, dass eine solche Beschuldigung nicht meine Absicht ist. Vielmehr glaube ich, dass die in Deutschland wuetende Antisemitenjagd mit der mittelalterlichen Jagd auf Hexen vergleichbar ist und auf einer Art Massenirrsinn beruht (oder sollte ich besser sagen „Medienirrsinn“?).
Im uebrigen finde ich die Auswahl ihrer Zitate von kritischen juedischen Zeitgenossenen sehr ermutigend.

Hape
Hape
15 Jahre zuvor

Sehr geehrte Adelinde, im Netz habe ich folgendes gefunden:

„Auf einen interessanten Artikel der israelischen Zeitung „Ha’arez“ vom 28. Oktober 2008 machte uns gestern unser Leser Alexander S. aufmerksam. In diesem ging es u. a. um Banken und Immobilienfirmen sowie beiläufig um den Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann. Ein Artikel, der uns zeigt, daß man auch das Kleingedruckte nie außer acht lassen sollte.

* Weiterhin bringt HAA (The Marker S. 8, Ora Coren) einen Beitrag über die Auswirkungen der Finanzkrise auf die israelischen Firmen im Ausland. Zu Deutschland heißt es:

„Die israelischen Immobilienfirmen, die von Darlehen deutscher Banken abhängig sind, haben bereits ein Problem“, sagt Stel Pinchasov-Beck, die israelische Wirtschaftsreferentin in Deutschland. „Die Firmen stellen Projekte ein, wie z.B. Einkaufszentren, denn es ist sehr schwierig, von den Banken Darlehen zu erhalten. Ich höre dies von vielen israelischen Firmen, die hier tätig sind. Gestern sprach ich mit vier Firmen, drei von ihnen sagten, es sei nicht sicher, ob sie in Deutschland bleiben werden und sie zögen in Erwägung, ihre Filialen in Deutschland zu schließen.“

Ein weiterer Sektor, der in Deutschland Schaden nimmt, ist der Bau von Hotels. Pinchasov-Beck: „Viele Israelis investieren in den Bau von Hotels, und dieser Sektor steht in Gefahr, Schaden zu nehmen, dies wegen der Reduzierung der ausländischen Flüge nach Deutschland. Überhaupt herrscht das Gefühl vor, als werde der Immobiliensektor in Deutschland in einen Stillstand geraten. Dies schafft Kaufmöglichkeiten für diejenigen, die nicht von Darlehen abhängig sind.“

Auch die Frage der Zusatzleistungen beschäftigt den geschäftlichen Sektor in Deutschland, aber hier, im Gegensatz zu anderen Ländern, ist bereits eine Entscheidung gefallen. So haben z.B. der Deutsche Bank Chef Josef Ackermann, einer der herausragendsten Juden auf dem deutschen Finanzsektor, sowie das gesamte Management der Bank bekannt gegeben, sie verzichteten auf ihre Prämien für das Jahr 2008. Stellen in der Branche erklären, Ackermann müsse sich nun mit seinem Jahresgehalt von 1,2 Millionen Euro „begnügen“.

Die Entlassungen in Deutschland konzentrieren sich auf die Bank- und Fahrzeugbranchen, aber auch die SAP hat bereits Einstellungen gestoppt, was auf eine Erweiterung der Krise hinweist. Die Fahrzeugbranche benützt die Krise als Ausrede für eine Welle von Entlassungen, die bereits geplant war. Das bedeutet, dass viele Firmen, die für Fahrzeugbranche produzieren, darunter auch israelische, in den nächsten Monaten und im Jahr 2009 ein Rückgang der Bestellungen erwartet…“

Quelle: Medienspiegel der dt. Botschaft in Tel Aviv 28.10.08

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

In dem vorzüglichen Artikel wird die Bestimmung des § 130 StGB erwähnt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass auch diejenigen in den Bereich dieser strafrechtlichen Bestimmung kommen, die die „Deutschen“ an sich als Tätervolk bezeichnen. Die individuelle Schuld einzelner Deutscher kann zu keiner pauschalen Volksschuld der Deutschen gemacht werden. Wer es dennoch tut, verletzt die Menschenwürde der heute überwiegend unschuldigen Deutschen, der deutschen Opfer des Naziregimes und jener der Nachkriegsgenerationen. Die Behauptung, jeder Deutsche gehöre dem Tätervolk an, ist nicht nur eine gezielt verfälschende Ausdrucksweise, nicht nur würdeabsprechend, sondern friedensgefährdend, die Achtung untergrabend und damit volksverhetzend. Es gibt nämlich keine Tätervölker, denn das setze zumindest sprachlich eine Mehrheit von Tätern immer noch voraus. Wenn man Täter ansprechen will, soll man dies konkretisiert tun, dabei ist es dann egal, ob der Zusatz der Nationalität hinzugefügt ist oder nicht. Nur so wird klar, dass nicht ein ganzes Volk gemeint sein kann, sondern der einzelne Täter. Dieser ist Täter, nicht weil er einer bestimmten Nation angehört, sondern weil er persönliche Schuld auf sich geladen hat. Was für die Juden in unserem Lande gilt, nämlich, dass man den Zusatz „Jude, jüdisch etc“ zum Namen oder Beruf wegzulassen hat, wenn dafür kein sachlich gebotener Grund vorliegt, so hat das auch bei den entsprechenden Zusätzen, wie „Deutscher, deutsch, usw“ zu unterbleiben. Das Deutschsein definiert sich nicht nach den wenigen, aber schlimmen Nazijahren, sondern nach ihrem unverkürzten geschichtlich-kulturellen Gesamtbild. Wer diesem Volk die Würde abspricht, was ja geschieht, wenn man es mit dem Begriff „Tätervolk“ verallgemeinernd schmäht, ist in meinen Augen ein Hetzer, ein Volksverhetzer.
Die Verallgemeinerung „Tätervolk“ ist auch ein Zeichen groben Undanks jenen gegenüber, die die Verantwortung für die Nazitaten tragen durch zeitlich noch nicht einmal begrenzte Zahlungen. Haftung aber ist nicht Schuld, sondern Einstehenmüssen als Nation! Gerade wegen der Bereitschaft, fremde Schuld, die im Namen Deutschlands begangen wurde, durch persönliche Haftung abzutragen, verdienen die heutigen Deutschen volle gleichberechtigende Achtung als Volk, das allenfalls ein Zahlvolk für die Welt ist. Denn die Zahlungen betreffen alle Deutschen und zwingen sie zum Verzicht auf manche Notwendigkeit im eigenen Lande.
Für meinen Teil habe ich jedenfalls dem Zentralrat der Juden mitgeteilt, dass ich Straf-Anzeige erstatten werde, wenn in öffentlichen Verlautbarungen vom „Tätervolk“ weiter gesprochen werden sollte. Weder erreichte mich bis heute eine Antwort noch eine Entschuldigung. Es wird Zeit, dass sich das deutsche Volk seiner Würde und seiner Tüchtigkeit
besinnt und sich nicht weiter wie das Kaninchen vor der Schlange ängstigt. Die Israelis zeigen ja gerade, dass sie selbst die Würde anderer Völker nur wenig achten – wenn überhaupt – und in der Mehrheit des Volkes jede Empfindsamkeit für ihre nächsten Nachbarn in Palästina der völligen gefühlslosen Abgestumpftheit geopfert wurde (Uri Avneri in Publik Forum 2/09). Das Leid des Anderen, des Nichtzionisten, scheint dieses Volk, das einen Jesus hervorbrachte, der Erbarmen predigte, nicht zu kennen oder nicht er-kennen zu wollen. Das macht diese „Täter“ so beliebt in der Welt.
Mithus

Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

An Mithus:
Sie schreiben: “ Gerade wegen der Bereitschaft, fremde Schuld, die im Namen Deutschlands begangen wurde, durch persönliche Haftung abzutragen, verdienen die heutigen Deutschen volle gleichberechtigende Achtung als Volk, das allenfalls ein Zahlvolk für die Welt ist. “

Klingt in meinen Ohren wie eine raffinierte Umdefinition des ehrlicheren Begriffes „Tributzahlung“, die seit uralten Zeiten von arroganten Eroberern den unterworfenen Voelkern aufgebuerdet wurde. Wenn Sie damit begruenden wollen, warum Sie als Deutscher Achtung verdienen, dann, bitte verzeihen Sie mir, leiden Sie an diesem „Vorauseilenden Gehorsam“-Syndrom gegenueber den Siegern, das fuer so viele Deutsche leider so typisch ist.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

An Helmut Wild:
Mit Ihrer Vermutung, sehr geehrter Herr Wild, liegen Sie wertend neben der Sache. Ich stelle zunächst einmal die Fakten ganz sachlich heraus – und diese Fakten verdienen durchaus, Anerkennung den zahlenden deutschen Nachkriegsgenerationen gegenüber zu zollen. Diese Anerkennung wird aber von bestimmten Kreisen einschl. deutscher Politiker nur schwerlich geleistet, weil man auf das „Mehr noch“ hofft. Mein Selbstbewußtsein läßt einen solchen Anspruch indes nicht zu!
Vielen Menschen ist der feine Unterschied zwischen persönlicher Schuld und allgemeiner Haftung nicht klar, deswegen meine juristisch zu verstehende Klarstellung. Ohne Wertung, wie gesagt.
Als deutsches Naziopfer bin ich natürlich nicht einverstanden, dass man uns zwar mitzahlen läßt, aber so völlig unser Leid vergißt und nur einseitig und offenbar unendlich entschädigt. Wir sind offenbar die „Negativ Auserwählten“. Die Zahlungen Deutschlands an israelische und jüdische Einrichtungen sind und waren in meinen Augen nie eine Ent-Schädigung, weil der Tod von Menschen – bei aller Zweifelhaftigkeit über deren Zahl – keine Schadenswiedergutmachung sein kann. Es ist nach allen uns bekannten christlich-ethischen Werten aber ein Gebot der Barmherzigkeit und billigen Gerechtigkeit, einen Ausgleich – soweit das möglich ist – zu schaffen. Dass das nicht grenzenlos sein kann, ist für mich ebenso klar wie selbstverständlich. Wir können doch nicht sehenden Auges den ewigen „Shylock“ hofieren wollen, oder? Damit täte man auch dem wachsenden Antisemitismus weltweit keinen Gefallen.
Bitte, halten Sie mich nicht für einen verkappten Philosemiten, ich verallgemeinere nämlich nicht, und schaue mir jeden Menschen genau an, ob er mein Vertrauen oder meine Unterstützung verdient. Der Krieg in Nahost aus zionistischen Eroberungsgedanken heraus wird von mir mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Dafür sollten unsere Geldüberweisungen nicht einmal mittelbar dienen.
Aber manche Naziopfer sind eben gleicher als gleich.
Mithus

Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

An Mithus:
Vielen Dank fuer die Erlaeuterung Ihres Denkens. Ich glaube Sie jetzt besser zu verstehen. Obwohl mir manches von dem, was Sie schreiben, durchaus problematisch erscheint. Das kann aber viel eher mein eigenes Problem sein als das Ihre.
Z.B.: der Begriff „allgemeine Haftung“ erscheint mir problematisch.
Schon eher kann ich dies in mir aufnehmen:
„Es ist nach allen uns bekannten christlich-ethischen Werten aber ein Gebot der Barmherzigkeit und billigen Gerechtigkeit, einen Ausgleich – soweit das möglich ist – zu schaffen.“

Dabei moechte ich nur betonen, dass man kein Christ zu sein braucht, um jenen einen Ausgleich zu goennen, denen offensichtlich Unrecht zugefuegt wurde. Wobei es mir eigentlich gleichgueltig ist, ob das Unrecht von den Nazis oder von Stalin oder von Churchill an wem auch immer geuebt wurde. Den Begriff der „Haftung“ kann ich in diese Haltung mitfuehlender Milde nicht mit hineindenken.

Aber ich wollte Ihre Einstellung mit diesen Bemerkungen nicht kritisieren.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

Lieber Herr Wild,
ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass die christlich-ethische Auffassung keine rein christliche ist – und wenn Sie so wollen, aus meiner Sicht auch keine, die gar auf jüdischen Wurzeln gründete. Das wollte ich auch gar nicht behaupten, sondern, dass diese Gesinnung hier die überwiegend unbestrittene ist. Als dem mystischen Glauben anhängender Mensch beziehe ich ohnehin alles auf die Gesamtheit des Großen Ganzen. Das aber mußten und konnten Sie nicht wissen, deshalb ist dies weder Vorwurf noch Rechtfertigung.
Die „allgemeine Haftungslage“ in Deutschland hat mit Mitleidsgefühlen – weil ein juristisches Element – nichts zu tun. Sie ist keiner Milde des Herzens entsprungen, sondern politischem Kalkül auf Seiten der Geber und Empfänger. Ich kann es kaum noch prosaischer ausdrücken. Empathie macht es indes leichter, diese Fron zu tragen, ein bißchen wenigstens, wenn man den Dauerkrieg der Zionisten mal für eine Sekunde vergißt.
Mithus

Elise
Elise
15 Jahre zuvor

Das heftige Beleidigtsein und Türen-Zuschlagen seitens des Zentralrats der Juden in Deutschland steht in keinem Verhältnis zu dem, was Israel der Welt in punkto Moral bietet, seit es den Judenstaat gibt.

Der israelische Bürger Uri Avnery ist entsetzt: „Israel hat im Weltbewußtsein ein schreckliches Image von sich selbst zurückgelassen. Milliarden von Menschen haben uns als blutrünstiges Monster wahrgenommen. Sie werden Israel nie wieder als einen sympathischen Staat sehen, als einen Staat, der Gerechtigkeit, Fortschritt und Frieden sucht.“

Den überall in der Welt aufflammenden Haß gegen das jüdische Volk sollten die Juden nicht länger einfach nur beklagen. Sie sollten anfangen, darüber nachzudenken, was sie selbst dazu beigetragen haben, um Wandel bei sich selbst und im Umgang mit anderen zu schaffen.

Noch haben sie in den westlichen Regierungen Freunde. Aber trifft – was deren Beziehungen zum jüdischen Volk angeht – allmählich nicht auch auf diese Regierungen und ihre Völker zu, was Uri Avnery bei den „Arabern rund um uns“ sieht: daß sie „ihre eigenen Regime in ihrer Nacktheit“ erkennen: „kriecherisch, schmachvoll, korrupt und verräterisch“?

Frau Knobloch sollte den Bogen nicht überspannen. Viel zielführender, als immer und immer wieder rückwärts auf den Holocaust zu verweisen, wäre hinzugucken, wer die neuen Völkermordverbrechen begeht. Avnery:

„Unter denen, die der Kriegsverbrechen verdächtigt werden, haben Rabbiner einen ,Ehrenplatz‘. Diejenigen, die zu Kriegsverbrechen anstacheln und Soldaten direkt oder indirekt aufrufen, Kriegsverbrechen zu begehen, können selbst eines Kriegsverbrechens schuldig sein .

Wenn man von ,Rabbinern‘ spricht, denkt man an alte Männer mit langen, weißen Bärten und großen Hüten, die ehrwürdige Weisheiten von sich geben. Doch die Rabbiner, die die Soldaten begleiten, sind eine andere Spezies.

Während der letzten Jahrzehnte hat das vom Staat finanzierte religiöse Bildungssystem ,Rabbiner‘ produziert, die eher mittelalterlichen christlichen Priestern ähneln als den jüdischen Weisen aus Polen und Marokko. Dieses System indoktriniert seine Schüler mit einem gewalttätigen Stammeskult, der völlig ethnozentrisch ist: die ganze Weltgeschichte sei nichts anderes als eine endlose Geschichte der Juden als Opfer.

Dies ist die Religion eines Auserwählten Volkes, anderen Völkern gegenüber gleichgültig, eine Religion ohne Mitleid für die, die nicht jüdisch sind, die den von Gott angeordneten Genozid – im biblischen Buch Josua beschrieben – verherrlicht.“

Meine Hochachtung gilt diesem mutigen jüdischen Wahrheitssucher!

Marina
15 Jahre zuvor

Vielen Dank für diesen wirklich gelungenen und aussagekräftigen Beitrag, den ich einerseits mit Interesse, andererseits mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen musste. Ich bin erschüttert, wie stur und starr manch einer mit gewissen Dingen umgeht, sei es nun die Leugnung des Holocaust oder die Strafe, die auf kritisches Hinterfragen der Zahlen steht. Es ist mehr als schade, in Deutschland solche Ausuferungen zu sehen, die eben die Menschenrechte für die freie Meinungsbildung und -äußerung aufs Gröbste beschneiden. Ich hoffe nur, dass dieser Beitrag zahlreiche Menschen anspricht und sie zum Nachdenken anregt.

Uschi
15 Jahre zuvor

Also das ist schon ein starkes Stück, was sich das Oberhaupt der Kirche da geleistet hat. Ich denke, dass wird uns noch sehr lange verfolgen. Denn ich glaube, dass diese Entscheidung nicht nur Deutschland spalten wird, sondern die ganze Gesellschaft. Die einen sehen das nämlich als „normal“ an, die anderen hingegen sind auf einer ganz anderen Schiene unterwegs. Ich muss sagen, dass ich es einfach nur übertrieben finde, was er da gemacht hat. Und ich glaube, dass es sehr große Folgen haben wird.

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[…] Zweifel an Art und Umfang des Holocaust jedoch dürften nicht gleichgesetzt werden mit Leugnung des Holocaust und mit Antisemitismus, wie es übliche Praxis geworden ist – siehe hier. […]

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