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Der jüdische Nobelpreisträger

Prof. Aaron Ciechanover

nobel2004chemistrylaurets-ciehanover.jpgerhielt im Jahr 2004 zusammen mit Avram Hershko und Irwin Rose den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung des Ubiquitin-gesteuerten Proteinabbaus. Wikipedia:

Ciechanover erhielt 1981 am Technion (Israel Institute of Technology) in Haifa seinen Doktortitel. Derzeit ist er Professor für Biochemie und Direktor des Rappaport Family Institute for Research in Medical Sciences am Technion.

Große Worte weist er in einem Interview mit der Jüdischen Zeitung zurück und erklärt kurz und bündig :

Im Dienste der Menschheit – ich mag diese bedeutungsschweren Worte nicht.

Wir haben ein fundamentales System innerhalb des Körpers enträtselt. Dieses System zerstört Proteine zu zwei Zwecken: Es entsorgt benutzte, inaktive Proteine, die nicht mehr gebraucht werden, ja sogar schädlich sind, wenn sie nicht beseitigt würden.

Zudem entsorgt es Proteine, die zwar gesund und aktiv sind, jedoch zu einem bestimmten Moment nicht gebraucht werden …

Anfangs wurde nicht erkannt, welche Bedeutung dieser Prozess hat: Abfallentsorgung auf der einen, Kontrolle auf der anderen Seite. Ist dieses System gestört, kann es zu zahlreichen Krankheiten beitragen – Krebs, Alzheimer.

Der Zeitung Die Welt erklärte er (22.7.2005):

Tag für Tag ersetzen wir drei bis fünf Prozent aller Proteine in unserem Körper durch neue. Das ist wirklich eine gigantische Zahl. Und sie alle müssen entsorgt werden.

Dankbar für diese Erkenntnisse können wir nur staunen über das stille, weise Wirken der Natur in uns zu Nutzen unserer Erhaltung im Dasein.

Von Müllabfuhr, komplexen Maschinen und Gewehrkugeln

Doch der Nobelpreisträger bleibt ganz nüchtern. Er vergleicht – pädagogisch gutgemeint zur Veranschaulichung – diese ungeheure Leistung der Natur

gern mit der Müllabfuhr in einer großen Stadt. Der Abfall muß aus den Straßen entfernt werden – sonst drohen Krankheiten. Und wenn die defekten Proteine nicht aus den Zellen entfernt werden, dann drohen auch hier Krankheiten, weil sie gesunde Proteine in ihrer normalen Funktion stören können.

Die Müllabfuhr einer Großstadt ist zwar auch äußerst wichtig und eine beachtliche logistische Leistung, steht aber im Vergleich mit der Leistung der feinst strukturierten Natur bei deren Auswahl und Behandlung der Proteine ziemlich grobschlächtig und armselig da.

Diese mechanistische Betrachtungsweise jedoch ist heute die gängige, so auch in der Schulmedizin, die sich als Reparaturwerkstatt für Menschen versteht. So vergleicht der Nobelpreisträger den menschlichen Körper,

diese komplexe Maschine,

mit dem Auto und ist mit seinen Kollegen in der Molekular- und Genforschung ungebrochen zuversichtlich, daß sie

eines Tages … die Struktur der Proteine richtig verstehen (und dann) genau wissen

werden, wie die Proteine

agieren und warum sie eine bestimmte Form haben müssen, um zu funktionieren.

Diese Zukunftsmusik nährt einerseits den Glauben an den eigenen Forschungserfolg, andererseits den Glauben und damit die Bereitschaft der Menschen, ihre Steuern und Versicherungsbeiträge weiter fließen zu lassen und damit einer so gearteten Forschung zu ermöglichen,

ganz neue Medikamente

zu entwickeln.

Es wird beispielsweise Arzneien geben, die auf die genetischen Bedingungen eines Patienten präzise abgestimmt sind.

So hofft und verheißt der Professor, weiß es aber nicht und verschwendet – wie in seiner Zunft üblich – keinen Gedanken an einen sorglichen Umgang mit dem Körper und daran, wie Störungen seiner natürlichen Vorgänge von vornherein vermieden werden könnten.

In der Zukunft wird man noch viel gezielter wirkende Medikamente entwickeln können,

freut sich dagegen der Nobelpreisträger, und seine Wortwahl entlarvt die ganze in den Naturwissenschaften übliche Denkweise:

Diese werden wie Gewehrkugeln wirken, die ihr Ziel ganz genau treffen und daher weniger Nebenwirkungen haben.

Die erste Munition ist auch bereits auf dem Markt, obwohl doch Treffgenauigkeit – nach Ciechanover – noch Zukunftsmusik ist:

Pharmafirmen stiegen in dieses Forschungsfeld ein, und inzwischen gibt es auf dieser Basis ein Medikament zur Krebsbehandlung auf dem Markt. Das mag der Menschheit geholfen haben, könnte man sagen.

Welcher Menschheit? Der leidenden wohl weniger, viel eher doch wohl dem US- Pharma-Konzern, der

damit einen Umsatz von mehreren hundert Millionen Dollar pro Jahr erzielt

hat, wie Ciechanover berichtet, der außerdem versichert:

Ich mache Grundlagenforschung. Weder berate ich irgendwelche Pharmafirmen, noch bin ich über Aktien an solchen Unternehmen beteiligt … Aber die Unternehmen denken natürlich daran, unsere Erkenntnisse für die Entwicklung weiterer Medikamente zu nutzen …

Doch welcher Forscher kann sich dem – samt Einkünften – entziehen, zumal das alles doch dem hehren Ziel „menschlicher Gesundheit“ dienen soll!

Ciechanover indes schwärmt, die Menschen werden durch die noch zu erringenden Erkenntnisse in Zukunft 120, ja 150 Jahre alt werden können. Leider werde sich damit allerdings die Zahl der Alzheimer-Kranken drastisch erhöhen!

… ich sehe mich nicht als Retter der Menschheit, sondern als Wissenschaftler. Wir sind keine Politiker, die die Welt retten – oder begraben.

Nur keine Ideale! Das scheint das Ideal moderner Wissenschaftlichkeit zu sein, teils mit Recht:

Es ist wohl einfach so, daß gute Forschung gute Ergebnisse bringt. Forschung sollte nicht eingeschränkt und nicht gerichtet sein. Man beginnt nicht im Kern, Forschung gleicht mehr dem Zwiebelschälen.

Und dennoch hat dieser Israeli ein Ideal:

aaronciechanoverlindabuck.jpgIch bin sehr jüdisch.

Natürlich nicht im religiösen Sinne, nicht so, daß ich bestimmte Gebote befolgen oder ständig zum Gebet in die Synagoge rennen würde. Ich glaube nicht an Gott in diesem simplen Sinne – nicht unbedingt nur, weil ich Wissenschaftler bin. Was das Judentum betrifft, so begreife ich es als tiefgehende Kultur mit langer Geschichte.

Wie auch mich interessierte die Interviewer der Jüdischen Zeitung

eher die Frage von Moral und Ethik, die oft in Zusammenhang mit naturwissenschaftlicher Forschung diskutiert wird, zum Beispiel in der Genforschung…

Worauf der Nobelpreisträger erklärte:

Nun, die Religion steht nicht über der Wissenschaft, und es gibt da keine Widersprüche für mich. Ich bin einfach jüdisch.

Der Glückliche! Stellen Sie sich vor, ein deutscher Professor würde von sich sagen:

Ich bin sehr deutsch. – Ich bin einfach deutsch.

Entweder wäre er ein Humorist, oder – wenn er’s ernst meinte – er könnte „einpacken“.

Inzwischen

mehren sich die Meldungen über Pleiten beim Gen-Lobbyisten Monsanto. Das ist die gute Nachricht zum Abschluß, wenn wir davon absehen, daß die betroffenen Menschen in schlimme Not geraten sind.

Hätten sie’s nicht wissen können?

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Christina Schuster
15 Jahre zuvor

Das hebt sich recht positiv von anderen Blogs ab

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