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Anmerkungen zu Deutschland 4. Teil

Thomas Engelhardt

bringt hier nun den 4. und damit Schlußteil seiner „Anmerkungen zu Deutschland“:

Ein Nachtrag zum Zwei-plus-Vier-Vertrag (1990)[1].

Kaum bekannt ist die Tatsache, daß die Sie-germächte des Zweiten Weltkriegs darauf bestanden, daß der Artikel 7 des Überlei-tungsvertrags von 1954, der alliierte Ho-heitsrechte in Deutschland festschreibt, inhaltlich unverändert übernommen wurde.[2]

Im Annex zum Vertrag wird darüber hinaus ausgeführt, daß die Vorbehaltsrechte ins-besondere der US-Amerikaner auch weiterhin Gültigkeit besitzen.

Es gibt demzufolge ausreichende Hinweise, für die die Annahme und hinreichende In-dizien für den Vorhalt, die belegen, daß diese BRD ein besonderer Staat ist, jedenfalls ein Staat mit nach wie vor nur eingeschränkter bzw. kontrollierter (beaufsichtigter) Souveränität.

Die Frage, weshalb Rußland die ungeklärte deutsche Frage bis heute nicht politisch instrumentalisiert, ist berechtigt. Die ein-fache Antwort lautet: Die Zeit hierfür ist noch nicht reif.

Noch dominieren die Vereinigten Staaten in Europa, erscheinen als übermächtige Macht, geopolitisch, militärisch, wirtschaftlich.

Das amerikanische Jahrhundert neigt sich jedoch seinem Ende entgegen, das Imperium erscheint überdehnt und ist nicht mehr in der Lage, die gigantischen Militärausgaben zu leisten (kaum berücksichtigt wird, daß die Vereinigten Staaten in erster Linie eine mari-time Macht sind. Mit ihren weltweit operie-renden Flotten ist US-Amerika in allen Welt-meeren präsent und in der Lage, zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort der Welt militärisch einzugreifen und zu intervenieren).

Wenn sich die geopolitischen Bedingungen grundlegend ändern, wird die oben genannte Nachkriegsperiode ihrem Ende entgegenge-hen. Die sog. westliche Welt, der sich der bundesdeutsche Staat zugehörig fühlt, tau-melt von einer Krise zur anderen.

Die De-facto-Niederlage im Afghanistan-Abenteuer, der faktische Rückzug aus dem Mittleren Osten, die sich abzeichnende Niederlage im ukrainischen Krieg sind In-dizien für die nachlassende Kraft des Westens und die Unfähigkeit, die Probleme der Welt zu lösen.

Die Welt ordnet sich neu, künftig wird der Globus von den neuen Herausforderern China und Indien und anderen aufstrebenden Mächten[3] dominiert werden.

Dann – aber auch erst dann – werden neue politische Rahmenbedingungen auch eine Neubewertung der deutschen Frage zulassen. Möglicherweise, denn die Neudeutschen scheinen sich kollektiv von der Weltbühne verabschieden zu wollen. So jedenfalls der gegenwärtige Eindruck.

Mit dem Zusammenbruch des Sowjet-Impe-riums waren die Tage des sowjetischen Modellstaates DDR gezählt. Sobald US-Amerika kollabiert (und hierfür stehen mehrere Szenarien zur Auswahl; ein Krieg mit China, ein Währungszusammenbuch des $-Systems, eine globale Wirtschaftskrise, ein neuer Bürgerkrieg) wird auch die Existenz der sog. BRD zur Disposition stehen.

Bis dahin verbieten sich im Grunde genom-men jedoch alle Spekulationen und die nicht zielführenden Diskussionen, ob das Reich nun existiert oder nicht.

Das Gebot der Zeit lautet vielmehr, sich auf diese neue Umbruchszeit so gut wie möglich vorzubereiten, materiell, existentiell und geistig-weltanschaulich.

Fazit

Die neudeutschen Bundesrepublikaner, die Deutsche zu nennen man sich zunehmend versagen muß, erkennen bis heute die hi-storische Bedeutung und Schicksalshaftigkeit des größten Waffenganges der Weltgeschich-te nicht.

Denn der 2. Dreißigjährige Krieg wird als Europäischer Bürgerkrieg überlagert von der Auseinandersetzung des internationalen Kapitals mit der staatsgewordenen Idee des nationalen Sozialismus.

Primär war also der II. Weltkrieg Ausruck des Hauptwiderspruchs der Epoche, des sich ver-schärfenden Widerspruchs zwischen dem raffenden und zerstörerisch wirkenden inter-nationalen Groß- und Finanzkapital[4] und schöpferischer tätiger Arbeit.

Die südwest-/westdeutsche BRD (seit 1989 Großwestdeutschland) ist weder de facto noch de jure der Nachfolgestaat des Deut-schen Reiches. Die deutsche und die öster-reichische Bundesrepublik sind nicht Deutschland.

Beide Bundesrepubliken sind territorial jedoch mit dem Deutschen Reich teil-identisch.

Staatsrechtlich befindet sich der alliierte Besatzungssprößling und Modellstaat BRD in einem Kriegszustand mit dem Deutschen Reich. Jede Aussage, der Staat BRD stünde in irgendeiner Nachfolgebeziehung zum Deut-schen Reich, muß deshalb als unsinnig bewertet werden.

Die westdeutsche Föderation, 1990 erweitert um Mitteldeutschland, könnte sich allenfalls Bund deutscher Länder oder Deutsche Bun-desrepublik, nicht aber Deutschland nennen.

Die durch und durch amerikanisierte groß-westdeutsche „Republik“ ist nicht nur ein Konstrukt der Sieger des Großen Krieges. Nein, mehr als das. Sie ist ein Gespenst, das den heiligen Namen DEUTSCHLAND entehrt und beschmutzt.

Die indoktrinierten, manipulierten Neudeut-schen sind darüber hinaus der irrigen Mei-nung, daß dieser Suzeränstaat Bundesre-publik ein mit vollständiger und uneinge-schränkter staatlicher Souveränität ausge-statteter Staat sei, ihr Staat der Deutschen.

Er ist es definitiv nicht. Im Gegenteil ist diese BRD vielmehr als „Besonderes politisches Gebiet ,BRD‘“ als auch weiterhin unter Vorbe-haltsrechten der Siegermächte des Jahres 1945 stehend zu definieren.

Die Bundesrepublik stellt insofern ein Novum nicht nur der jüngeren deutschen Geschichte dar. Vordergründig und in der Außenschau sicherlich ein Staat wie jeder andere auch und international anerkannt.

Dem aufmerksamen Betrachter bietet sich jedoch ein differenziertes Bild:

Eine gründlichere Analyse fördert die Tat-sache zutage, daß wir es hier mit einem weiterhin unter Aufsicht stehenden Selbst-verwaltungsgebilde der Deutschen zu tun haben.

Erstaunlicherweise aber wird diese Tatsache kaum angesprochen, ist kein Thema in den Parlamenten oder in der politischen Debatte.

Aber: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.

* Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen.

In diesem Sinne verbleibt wie stets sachlich, kritisch und dennoch optimistisch Thomas Engelhardt, Ostfalen, Norddeutschland

Zitate und Quellenbelege:

„Die Bundesrepublik Deutschland ist die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft.“

Carlo Schmid, Rede am 18.09.1948 in der Zweiten Sitzung sog. Parlamentarischen Rats in Bonn (wörtlich im Abschnitt „Was heißt eigentlich: Grundgesetz?“:

„Was aber das Gebilde von echter demokratisch legitimierter Staatlichkeit unterscheidet, ist, daß es im Grunde nichts anderes ist als die Organisations-form einer Modalität der Fremdherr-schaft; denn die trotz mangelnder Freiheit erfolgende Selbstorganisation setzt die Anerkennung der fremden Gewalt als übergeordneter und legitimierter Gewalt voraus.“[5]

Tatsächlich waren es die westlichen Besat-zungsmächte, die die Entstehung des Grund-gesetzes beherrschten. Sie dekretierten den Erlaß des Grundgesetzes, nahmen massiv Einfluß auf seinen Inhalt und stellten sein Inkrafttreten unter den Vorbehalt ihrer Genehmigung.

(Hans Herbert von Arnim in „Die Deutschlandakte“, München: C. Bertelsmann, 2008, ebda. S. 16)

Es wäre langsam an der Zeit, daß einmal grundsätzlich geklärt wird: Welche Relikte aus der Besatzungszeit gelten immer noch?

„Die deutsche Souveränität ist ja 1955 erklärt worden, aber sie war gleich Null (…), und das, was dann 1990 draufge-setzt worden ist, hat das auch noch nicht grundsätzlich verändert.“ (Interview mit Egon Bahr, in der Sendung Monitor/WDR, 7.11.2013)

„Wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“ (Wolfgang Schäuble, Rede auf dem European Banking Con-gress, Frankfurt/ M. 18.11.2011)

„Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ (Horst Seehofer in der TV- Sendung ,Pelzig unterhält sich‘, BR3, 20.05.2010)

„Die alte Bundesrepublik war ein Pro-tektorat Amerikas. Auch nachdem Deutschland 1990 nach eigener Defini-tion den Zustand voller Souveränität erreicht hatte, bewahrte es seine Loyalität gegenüber der Schutzmacht ohne Abstriche. Lehenstreue über 45 Jahre hat jedoch ihren Preis, und der besteht darin, daß die Zustimmung der Deutschen zur amerikanischen Politik für selbst-verständlich genommen wird.“

Robert Gerald Livingston: Die Treue des Vasallen. In: Der Spiegel, Nr. 8/1997 (16.02.1997).

„1955 wurden die Pariser Verträge ge-schlossen. Damals wurde das Besat-zungsstatut für Deutschland aufgehoben. Konrad Adenauer wollte seiner Bevölke-rung zeigen, daß er in der Lage ist, diesen Status zu überwinden.

Andererseits wollten die USA aber kaum auf ihre Rechte verzichten. Deshalb wur-den Geheimverträge geschlossen, die den USA weitgehend ihre Rechte zubilligten, die sie bis 1955 hatten.

Diese Geheimverträge wurden auch bei den Zwei- plus- Vier- Verhandlungen nicht aufgehoben. ( …) Es wäre schön, wenn es einen Friedensvertrag gäbe, aber ich glaube nicht mehr daran, daß er entstehen wird.“

(Gregor Gysi, Bundestag, Plenarsitzung, 4.09.2013)

Anmerkung: Der Interessierte findet im Netz (z.B. bei Youtube) Filmausschnitte bzw. auch die kompletten Textpassagen, aus denen hier lediglich Ausschnitte zitiiert wurden. Alle Zitate sind belegbar und quellensicher.  Th. E., Steiner Archiv Zeitgeschichte/Publizist. Archiv, Ostfalen, Norddeutschland.

_____________

Anmerkungen

[1]  Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 (in: BGBl. II,. 1318).  In Kraft seit dem 15. März 199 (BGBl. II, 585).

[2]  Der Artikel 7 legte fest, daß die Urteile und Entscheidungen der alliierten Gerichte nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam bleiben, das heißt, sie haben die gleiche Wirkung wie rechtskräftige Urteile von deutschen Gerichten.

[3]U. a. Brasilien, Mexiko, Indonesien, Nigeria. Nigeria beispielsweise wird in 75 Jahren eine Bevölkerung von ca. 1 Milliarde Menschen umfassen und Brasilien ist neben Rußland einer der potentiell wohlhabendsten Staaten der Welt.

[4]Mit den beiden Hauptzentren City of  London und US-amerikanische Ostküste.

[5]Carlo Schmid, eigentlich Karl Johann Martin Heinrich Schmid. * 03.12.1896 in Perpignan ( Pyrénées-Orientales), Frankreich, † 11.12.1979 in Bad Honnef (Nordrhein-Westfalen), Deutschland.

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