„Waren Sie mal in Dachau?“
Montag, 25. August 2025 von Adelinde |
Der Besitzer eines Fachgeschäftes für Seh- und Hörhilfen kommt dazu, wie seine sehr tüchtige, intelligente Mitarbeiterin für Hörgeräte-Technik mich behandelt. Ich sage als seine alte Sehhilfe-Kundin zu ihm:
Nun bin ich soweit, daß auch die Ohren eine Hilfe gebrauchen könnten.
Der nette Besitzer lächelnd, ratlos, was er sagen soll. Ich:
Klar, gefällt Ihnen ja: „Wat den eenen sien Uhl, is den annern sien Nachtigall.“
Er ringt um Verstehen. Ich:
Ich stamme aus Hamburg, da wurde neben Hochdeutsch auch Plattdeutsch gesprochen, so daß ich als Kind in Mecklenburg gleich mit den andern Kindern plattdeutsch sprechen und mich verständigen konnte.
Dahin war ich gemeinsam mit meiner kleinen Schwester im Zuge der Kinderland-Ver-schickung gekommen. Mein Bruder zog indes mitsamt seiner Oberschulklasse und Lehrer-ehepaar in die Fränkische Schweiz.
Baldur von Schirach, der oberste Reichsju-gendführer, wollte mit der Verbringung der deutschen Kinder aus den Städten in vom Bombenterror weniger betroffene ländliche Gebiete die Zukunft des Deutschen Volkes retten.
Da hatte meine Mutter plötzlich keine Kinder mehr, und mein Vater befand sich an der rus-sischen Front.
Der Besitzer des Geschäftes:
Ach, Kinderlandverschickung – davon hat man noch nie etwas gehört. Schön, daß Sie uns davon erzählen.
Die plattdeutsche Weisheit übersetzte ich dann noch, ehe er aus dem Raum wieder verschwand. Die Hör-geräte-Fachfrau:
Aber Hitler war auch ein ganz großer Verbrecher.
Ich:
Ja, so lautet seit 80 Jahren die Propaganda.
Sie streng:
Waren Sie mal in Dachau?
Ich:
Nein, die von den Amerikanern nach dem Krieg eingebauten Vergasungs-„Duschen“ mußte ich mir nicht ansehen.
Natürlich lag ich Alte falsch, und sie, die Junge war viel besser informiert. Was sollen weitere Worte – ich wollte auch weiter nett behandelt werden. Wurde ich dann auch.
Etwas wurmte mich die von der Jungen so empfun-dene „Überlegenheit“ der Unwissenheit, wie man sie so oft bei den propaganda-verwirrten jüngeren Deutschen antrifft, und ich nahm mir vor, am Schluß des Verkaufsgesprächs noch eine Frage zu stellen:
Haben Sie mal was von Sefton Delmer gehört?
Sie:
Nein.
Aus dem Text von Delmer zitierte ich aus dem Ge-dächtnis nur einige Worte zur „Greuelpropaganda“, die er zur Gänze ja Prof. Grimm gesagt hatte, wie unten angeführt:
Man mag heute darüber sagen, was man will, Deutschland war im Jahre 1936 ein blühen-des, glückliches Land. Auf seinem Antlitz lag das Strahlen einer verliebten Frau. Und die Deutschen waren verliebt – verliebt in Hitler.
Und sie hatten allen Grund zur Dankbarkeit. Hitler hatte die Arbeitslosigkeit bezwungen und ihnen eine neue wirtschaftliche Blüte gebracht. Er hatte den Deutschen ein neues Bewußtsein ihrer nationalen Kraft und ihrer nationalen Aufgabe vermittelt.
Mit Greuelpropaganda haben wir den Krieg gewonnen. Und nun fangen wir erst richtig damit an! Wir werden diese Greuelpropa-ganda fortsetzen, wir werden sie steigern, bis niemand mehr ein gutes Wort von den Deutschen annehmen wird, bis alles zerstört sein wird, was sie etwa in anderen Ländern noch an Sympathien gehabt haben, und diese selber so durcheinander geraten sein werden, daß sie nicht mehr wissen, was sie tun.
Wenn das erreicht ist, wenn sie beginnen, ihr eigenes Nest zu beschmutzen, und das nicht etwa zähneknirschend, sondern in eilfertiger Bereitschaft, den Siegern gefällig zu sein, dann erst ist der Sieg vollständig.
Endgültig ist er nie. Die Umerziehung bedarf sorgfältiger, unentwegter Pflege wie engli-scher Rasen. Nur ein Augenblick der Nachläs-sigkeit, und das Unkraut bricht durch, jenes unausrottbare Unkraut der geschichtlichen Wahrheit.
Quelle: Die Deutschen und ich, Hamburg 1961, S. 288 – nach der Kapitulation 1945 zum deutschen Völkerrechtler Prof. Grimm
