Die Linke will über die Sprache verfügen, als wäre es ihr Besitz
Montag, 20. Oktober 2025 von Adelinde |
Ein Hauptschlachtfeld politischer Kämpfe ist auch unsere deutsche Sprache, über die die Linksextre-misten (sprich Bolschewisten) – wie über alles – als Alleinherrscher verfügen und das von ihnen in eine „Gesellschaft“ überführte Deutsche Volk verändern wollen.
Matthias Heine
in „Braunschweig im Focus“ v. 7. 9.2025:
Die alte marxistische Linke kämpfte um den Besitz der Produktionsmittel und des Bodens, die Linke des neuen Jahrtausends will über die Sprache verfügen, als wäre es ihr Besitz. Die alte Linke wollte – zumindest theoretisch – die Fabriken und den Grundbesitz ins Volkseigentum überführen, die neue macht sich ein Volkseigentum untertan und verän-dert es gegen den Willen der Volksmehrheit.
Die Sprache ist das einzige echte Volksei-gentum. Denn auch, wenn es immer wieder obrigkeitliche Regulierungsversuche gegeben hat, setzen diese doch erst sehr spät in der Geschichte des Deutschen ein und erfassen immer nur den offiziellen Bereich – Schule, Universitäten, Verwaltungstexte, Gesetze, Fahrpläne.
Jenseits davon wucherte und brodelte das Deutsche in den rund 1200 Jahren seiner Existenz wild, ungelenkt und unbeaufsichtigt vor sich hin. Geprägt wurde es durch Aber-milliarden Mikroentscheidungen, die Aber-millionen Deutschsprecher in jener Zeit zigmal täglich bei jeder einzelnen Kommu-nikation gefällt haben – von Martin Luther zu Goethe bis zum letzten Knechtsdialog im Schweinestell einer hinterpommerschen Kate.
Obwohl die Bereiche des linguistischen Wildwuchses heute durch Verschriftung und Massenmedien verengter sind als früher, geht dieser Sprachwandel von unten – der einzige Sprachwandel, der diesen Namen verdient – doch immer weiter.
Beispiele sind nicht nur neue Wörter, die erfunden werden, um auf neue Phänomene zu reagieren oder einfach aus Lust an sprachli-cher Kreativität. Auch neue Rechtschreib-normen gehören dazu, die anerkennen, daß etwas, das fast alle Schreiber über einen lan-gen Zeitraum falsch machen, irgendwann die neue Regel wird. Beispielsweise die Sanktio-nierung des sogenannten „Deppenapo-strophs“ („Mandy’s Nagelstudio“) durch den Rechtschreibrat.
Dem gegenüber steht seit rund vier Jahr-zehnten ein neuer obrigkeitlich verordneter oder zumindest geförderter Sprachumbau, bei dem sich „Baustellen“ identifizieren lassen, die von Gruppen mit ähnlichen Mo-tiven vorangetrieben werden.
Den Akteuren dieses Sprachumbaus ist ein Unbehagen an der deutschen Sprache ge-mein. Dieses Unbehagen äußert sich darin, daß das Deutsche in seiner bisherigen Form als nicht-inklusiv, als patriarchalisch, als rassistisch, als „heteronormativ“, als diskri-minierend und ganz allgemein als Hindernis auf dem Wege zum Fortschritt empfunden wird.
Die derzeit bekanntesten Baustellen sind einerseits die „gendergerechte Sprache“, die einer unwilligen Bevölkerung von Behörden, Universitäten, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Kommunikationsabtei-lungen des Großkapitals aufgezwungen wird.
Andererseits läuft der Kampf gegen ver-meintliche „diskriminierende Begriffe“, der längst nicht mehr nur N- und Z-Wörter im Visier hat, sondern auch Ausdrücke wie „Schwarzfahrer“ oder gar „Pizza Hawaii“ unter Verdacht stellt.
Die Akteure dieses Sprachumbaus sind nicht notwendig allesamt links. Der Begriff des Fortschritts hat auch bei Liberalen und Kon-servativen einen hohen Stellenwert …
Weil Diskriminierung heute vor allem durch das bloße Gefühl des Sich-diskriminiert-Fühlenden bestimmt wird, entstehen ständig neue marginalisierte Minderheiten. Auch der Superprivilegierte kann sich irgendwo dis-kriminiert fühlen: Der Sproß einer Milliar-därsfamilie, weil er vielleicht transsexuell ist, seine Mutter, weil sie in der „Männersprache“ Deutsch nicht „sichtbar“ genug ist.
Diese Inflation vermeintlich diskriminierter „Betroffener“ treibt den Furor derjenigen voran, die die Sprache umbauen wollen, um die Gesellschaft umzubauen.
Auch ein anscheinend unpolitischer Bereich wie der Gebrauch von Anglizismen gehört zu jenen umkämpften „Baustellen“. Wer sich gegen den massenhaften Import von Aus-drücken aus dem Englischen wehrt, wird als „rechts“ gebrandmarkt. In ihrer Leidenschaft für Anglizismen sind sich links-identitäre Gruppen einig mit den Vertretern des inter-nationalen Kapitals.
Beiden ist gemein, daß sie die deutsche Sprache als nicht modern genug empfinden. Es ist auch kein Zufall, daß die Schlüsselbe-griffe des neuen Linken alle aus dem Engli-schen übernommen wurden: woke, PC, LGBT+, queer, Person of Color, trans usw. Denn aus den USA stammt ja auch die Ideologie dahinter.
Die Mutter aller Sprachumbauten kam aber noch ganz ohne Vordenker aus Amerika aus. Gemeint ist die Rechtschreibreform von 1996. Auch ihr lag ein „inklusiver“ Gedanke zugrunde. Grob gesagt: Die Orthografie sollte einfacher werden, damit Arbeiterkinder leichter Zugang zur Bildung haben.
Mit diesem Argument erreichte eine seit 1970 überwiegend von linken Kräften betriebene Agitation, was früheren Reformern zur Kai-serzeit und im NS-Staat nicht gelang. Das Argument, es gehe um Fortschritt, überzeug-te schließlich auch konservative Bildungspo-litiker.
Produziert hat die Rechtschreibreform auch Begehrlichkeiten. Denn durch sie wurde unter Beweis gestellt, daß eine relativ kleine, ent-schlossene Gruppe an der deutschen Sprache herumfummeln kann, wenn es ihren „Exper-ten“ gelingt, ahnungslose politische Ent-scheidungsträger davon zu überzeugen, das diene dem Fortschritt.
Dieser Erfolg hat spätere Sprachumbauer ermuntert. Zusammen mit der importierten Ideologie hat er jene Entwicklung eingeleitet, die dazu geführt hat, daß die Sprache heute zu einem Hauptschlachtfeld politischer Kämpfe geworden ist – und die tatsächlichen Probleme dabei oft aus dem Auge geraten.
Über den Autor
Matthias Heine (geboren 1961) … war an der TU Braunschweig an der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs von Hermann Paul beteiligt. Er ist Feuilletonredakteur der Tageszeitung „Welt“ und Autor mehrerer Bücher.