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Schicksale aus dem Jahr 1945

Thomas Engelhardt

trägt wieder bei zur Bewältigung „unserer“ Ver-gangenheit. Er zeigt wie schon andere vor ihm, wie am Kriegsende 1945 und damit am Anfang deut-schen Lebens unter der „bedingungslosen Kapi-tulation“ Verbrechen begangen wurden, zu denen sich die Täter hochmoralisch berechtigt fühlten. Siehe auch Adelinde.

Der von den US-amerikanischen Invasoren 1945 hingerichtete Hitlerjunge Heinz Petry[1] ist heute unbekannt. Auch er wurde am 8. Mai 1945 befreit, drei Wochen später dann auch von seinem jungen kaum 16-jährigen Leben.

Wer war Heinz Petry, und warum wurde er Ende Mai 1945 erschossen? Geboren wurde er 1928 in Euskirchen im Rheinland, er starb in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1945  in einer Kiesgrube in der Nähe von Braun-schweig. Ein Junge im Alter von 16 Jahren, als vermeintlicher Spion erschossen.

Heinz Petrys Eltern betrieben einen Gärtne-reibetrieb in Euskirchen im Rheinland. 1941 wurde Heinz Petry in einem Ausleseverfahren für den Besuch einer Adolf-Hitler-Schule ausgewählt und wechselte im selben Jahr auf die Adolf-Hitler-Schule in Schloß Drachen-burg bei Königswinter.

In der Kriegsnot Deutschlands zum Ende des Krieges griff die deutsche Regierung zu ihren letzten „Reser-ven“,  noch nicht volljährige Jungs.

Wie ich vom Falle meines Bruders weiß, der mit noch nicht 14 Jahren unsere Mutter um die Erlaubnis bat, sich an der Verteidigung der Heimat militärisch zu beteiligen, war also die Teilnahme der noch nicht volljährigen Jungen freiwillig und nur mit Einwilli-gung der Eltern möglich:

Dort in Königswinter erhielt Petry zusammen mit Mitschülern seines Jahrgangs in der Zeit vom 15.01. bis zum 5.02.1945 eine kurze militärische Grundausbildung im Schußwaf-fengebrauch von Gewehr und Pistole sowie in der Anwendung von Sprengstoffen, um für die Geheimorganisation Werwolf eingesetzt werden zu können.[2]

Danach wurden die Jugendlichen auf die Burg Zieverich in Bergheim versetzt. Am 21. Fe-bruar 1945 wurde Petry mit dem über Orts-kenntnisse verfügenden 17-jährigen Hitler-jugendführer Josef Schöner[3] aus Stolberg bei Aachen in das frontnahe Einsatzgebiet zwischen Erkelenz und Geilenkirchen kom-mandiert, um dort Kenntnisse über die Truppenstärke der US-amerikanischen Invasionsarmee zu gewinnen.

Bereits am Folgetag, dem 22.02.1945, wur-den beide unweit des Dorfes Birgden von gegnerischen Soldaten aufgegriffen. Da sie als Zivilpersonen und nicht in Uniform hinter feindlichen Linien operierten, wurden sie als Spione eingestuft. Im Verhör gestand Petry den Erkundungsauftrag.

Petry und Schöner wurden zunächst in einem Aachener Gefängnis inhaftiert.[4] Nach einer eintägigen Verhandlung vor einem US-Mili-tärgericht der Ninth United States Army wur-den sie am 29. März 1945 in einem Kriegsge-richtsverfahren in Mönchengladbach wegen Spionage zum Tod durch Erschießen verur-teilt.

Und hier beginnt das wirkliche Verbrechen, das des erbarmungslosen Tötungswillens gegenüber deut-schen Lebens. Das war die absichtsvolle Politik der Feinde des Deutschen Volkes, das auszulöschen sie gegen uns ausgezogen waren.

Das aus US-Offizieren der Ninth United States Army bestehende Gericht begründete das mit Zweidrittelmehrheit gefaßte Urteil damit, daß „dem deutschen Volk“ die Entschlossenheit der US-Amerikaner gezeigt werden müsse,

„den Gifthauch des deutschen Militaris-mus und der Nazi-Ideologie von dem Antlitz der Erde restlos zu tilgen.“

Am 30. Mai 1945 wurde Petry in die US-amerikanische Untersuchungshaftanstalt Braunschweig überstellt.[5] Dort wurde ihm am 31. Mai 1945 eröffnet, daß sein Gna-dengesuch durch General William Hood Simpson abgewiesen wurde und ihm seine baldige Hinrichtung angekündigt.

Er schrieb daraufhin in der Nacht vor seiner Hinrichtung auf drei Briefbögen einen sechs-seitigen Abschiedsbrief an seine Eltern und seinen Bruder.

Am 1.06.1945 wurde das Urteil in einer bei Braunschweig gelegenen Kiesgrube voll-streckt. Petry wurde als Erster hingerichtet, danach sein Kamerad Schöner. Insgesamt wurden sechs angebliche Spione durch Sol-daten der Ninth United States Army per Gewehr exekutiert.

Welche Heldentat dieser selbstgerechten, von der US-Propaganga zu induziert Irren gemachten ehr-losen „Sieger“! 

Der Letzte war der 19-jährige Angehörige der Waffen-SS Hans Becker, der am 5.04.1945 in Daseburg bei Warburg (Westfalen) in Zivil-kleidung aufgegriffen worden war.

Heinz Petry wurde am 4.06.1945 auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof bestattet, Josef Schöner auf dem katholischen Friedhof ebenda. Am 13.12.1948 erfolgte auf Veran-lassung der Familie von Heinz Petry die Ex-humierung des Leichnams und die Überfüh-rung ins rheinische Euskirchen.

Die Zahl der 1945 und 1946 wegen angebli-cher Werwolf-Mitgliedschaft[6] verhafteten Hitlerjugend-Mitglieder ist nicht bekannt. Angenommen wird, daß Zehntausende Ju-gendliche in allen vier Zonen bzw. den be-setzten (groß-)deutschen Gebieten verhaftet wurden.

Doch der Mord an Petry und Schöner war kein Einzelfall:

Schätzungen gehen von mindestens 10.000, möglichlicherweise aber auch 20.000 Verhaf-tungen zwischen 1945 und 1950 allein in der SBZ aus. Betroffen waren Jugendliche der Jahrgänge 1927 bis 1932.

Somit 13- bis 18-Jährigen!

Der Vorwurf:

Sie sollen angeblich der letzten Kampfreserve des nationalsozialistischen Deutschland an-gehört haben. 1946 sind in der SBZ allein wegen des Verdachts einer „Werwolf“-Akti-vität bereits mehr als 3.000 Jugendliche in Haft. Jeder größere Ort in Mitteldeutschland war betroffen.

Ein Beispiel sind die Greußener Jungs. Das war eine Gruppe von achtunddreißig Jugend-lichen aus der thüringischen Kleinstadt Greußen bei Sondershausen, die zwischen Oktober 1945 und Januar 1946 in Greußen denunziert und verhaftet wurden. Sie standen unter dem Verdacht, als Freischärler der Un-tergrundorganisation „Werwolf“ anzugehören.[7]

Die Jugendlichen wurden vom sowjetischen NKWD[8] verhaftet und von einem sowjeti-schen Militärtribunal zum Tode oder zu ho-hen Zuchthausstrafen verurteilt.

Vierundzwanzig von ihnen verstarben im „Speziallager“ genannten Sowjet-KZ Sach-senhausen, die vierzehn Überlebenden kamen erst im Jahr 1950 frei.

Das mecklenburgische Malchow ist bei Kriegsende von der Roten Armee besetzt. Zwischen 1945 und 1946 werden drei-unddreißig Jugendliche, Jungen und Mäd-chen, von der sowjetischen Geheimpolizei (GPU)[9] verhaftet.

Sie sollen kurz vor Kriegsende Angehörige des Werwolf gewesen sein – vor Kriegsende von nationalsozialistischen Funktionären rekrutiert mit dem Ziel, den Widerstands-kampf in den bereits besetzten Gebieten zu führen.

In Malchow nutzte der sowjetische Geheim-dienst die frühere Villa Blanck als Verhör-zentrum. Dreizehn der verhafteten Malchower Jugendlichen sterben in Folge der brutalen Verhöre im Keller dieser Villa.

Die Jugendlichen wurden damals verurteilt wie erwachsene Straf-täter. Denn nach sow-jetischem Strafrecht sind Menschen ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr voll straf-mündig!!!

Grundlage der Verhaftungen in der SBZ waren sehr oft Mitgliederlisten aus Wehrertüchti-gungslagern der HJ und Volkssturmverbän-den oder erwiesener illegaler Waffenbesitz, um zahlreiche Jugendliche, viele von ihnen erst 15 oder 16 Jahre alt, zu verhaften.

Im sowjetischen sog. „Speziallager“ Nr. 2 in Sachsenhausen waren über 1.300 Jugendliche inhaftiert, in der überwiegenden Zahl der Fälle mit dem Haftgrund „Werwolf“.

Diese jugendlichen Häftlinge machten etwa 5 % der Gesamtbelegung von 28.000 Insassen aus. Geht man von insgesamt 600.000 Insas-sen in den Sowjet-KZ in der SBZ und weiteren 1,2 Millionen verhafteten Deutschen in den preußi-schen Ostprovinzen jenseits der Oder-Neiße-Linie und im Sudetenland aus[10] (allein in Ostdeutschland, d. h. den preußischen Ostprovinzen, existierten acht-undzwanzig Sowjet-KZ) ergibt sich eine ungefähre Zahl von etwa 90.000- 100.000 verhafteten Jugendlichen im sowjetischen Machtbereich (SBZ, Ostgebiete, Sudetenland).[11]

Rund 8.000 der in der SBZ von sowjetischen Tribunalen verurteilten Jugendlichen in der SBZ überleben aber die Haft in Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Sie müssen nach ihrer Entlassung in der DDR eine Schweige-Erklärung unterschreiben und werden nach der Haftentlassung jahrzehnte-lang von der Stasi überwacht.

_______________

Anmerkungen

[1]Heinz Petri, * 31.12.1928 Euskirchen, Rheinprovinz, 1941-1945 Adolf-Hitler-Schüler, Mitglied der HJ.

[2]Zu diesem Zeitpunkt standen die US-amerikanischen Truppen bereits in Aachen, wo sie eine neue Stadtregierung eingesetzt hatten. Nach der Schlacht von Aachen (2.- 21.10.1944) und der Besetzung der Stadt kämpften US-Truppen etwa fünf bis zehn Kilometer südlich von Aachen im Hürtgenwald gegen die sich verbissen verteidigenden deutschen Kampfverbände (Schlacht im Hürtgenwald 6.10.1944 – 10.02.1945).

[3]Josef Schöner, * 1927 Stolberg/Rheinland (= Stolberg bei Aachen), † 31.05.1945 (1.06.1945) Braunschweig (hingerichtet).

[4]Aachen war seit dem 21.10.1944 in amerikanischer Hand.

[5]Braunschweig war seit dem 12. April 1945 amerikanisch besetzt.

[6]Heinrich Himmler rief im November 1944 die Organisation „Werwolf“ ins Leben. „Entschlossene Männer und Frauen“ sollten hinter den Linien des Feindes einen Guerillakrieg führen – zum Beispiel durch Sabotage. Auch zahlreiche Morde an Volksverrätern und Anschläge auf alliierte Soldaten in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges gehen auf das Konto dieser und ähnlicher Organisationen.

Bis Ende 1944 war es allein in der Reichshauptstadt gelungen, etwa 5.000 Freiwillige zu gewinnen, bei denen es sich um junge SS-Männer, Hitlerjungen, Mitglieder der SA und Parteifunktionäre handelte. Da diese Zahl zu gering war, gab auch die Wehrmacht Anweisungen zur Abstellung von Partisanenkämpfern. Am 10. März 1945 wurden alle NSdAP-Gauleiter dazu aufgefordert, aus Männern und Frauen jeden Alters und insbesondere Jugendlichen Werwolf-Gruppen zu bilden.

Durch einen Rundfunkappell des Senders Werwolf in Nauen (bei Berlin) wurde der „Werwolf“ am Ostersonntag, d. 1. April 1945, als angeblich „spontane Untergrundbewegung“ der deutschen Bevölkerung in den besetzten Gebieten des Reiches bekannt gemacht. Die hierbei eingeführte Losung „Haß ist unser Gebet und Rache ist unser Feldgeschrei“ sollte den fanatischen Auftrag der Unternehmung unterstreichen. Am 24. April 1945 stellte der Sender Nauen seinen Betrieb ein.

[7]Die Werwolf-Organisation stand unter der Führung von SS-Obergruppenführer Hans-Adolf Prützmann († 21.05.1945 Lüneburg). Ihre Aufgabe war: Durchführung von Attentaten und militärischen Anschlägen gegen die Invasoren, Angriffe auf die führenden Köpfe der Besatzer sowie gegen deutsche Kollaborateure, Sabotage im Rücken der alliierten Verbände, Stören des feindlichen Aufmarsches durch militärische Aufklärung, Decken der Rückzugsbewegungen der Wehrmacht durch Angriffe auf die Flanken der verfolgenden Angriffsspitzen, Stoppen der „Welle des Verrats“ durch Volksgenossen mittels harten Vorgehens gegen  diese Deutschen.

[8]NKWD, Volkskommissarat für innere Angelegenheiten.

[9]GPU, eigtl. OGPU, sowjetische Geheimpolizei, 1934 in den NKWD eingegliedert.

[10]Eine belastbare Gesamtzahl der Häftlinge in den sowjetischen Lagern kann nicht sicher angegeben werden.  Alle Zahlenangaben beruhen auf Schätzungen, Hoch- und Vergleichsrechnungen  (Bevölkerungszahlen vor der Invasion, Zahl der in die SBZ oder die Westzonen gelangten Flüchtlinge und Vertriebenen). Zu berücksichtigen ist, daß neben den 9,6 Millionen Bewohnern in den preußischen Ostprovinzen, von denen 5,5 Millionen entweder nicht geflüchtet  waren oder wieder in die Heimatorte zurückfluteten, weitere etwa 2 Millionen Deutsche in den beiden Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland sowie 3 Millionen im Sudetenland und im Protektoratsgebiet lebten.

[11]Im Zugriffsbereich der sowjetischen Geheim- und Nachrichtendienste (NKWD mit OGPU, sowj. Staatssicherheit  NKGB, SMERSch) befanden sich bei Kriegsende im Mai 1945 etwa 30 bis 32 Millionen Deutsche (Einwohner in Groß-Berlin, Mitteldeutschland/SBZ, Ostdeutschland, Sudetenland).

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Waffenstudent
Waffenstudent
1 Monat zuvor

Und in Aachen erschossen die Amis 3 zehnjährige Jungen. Davon gibt es Fotos, die ich aber leider nicht mehr finde

Rüdiger Lack
Rüdiger Lack
1 Monat zuvor

Die Tschechen haben jeden männlichen Deutschen, der das 10. Lebensjahr vollendet hatte, verhaftet und in Lager gesteckt.
Im Lager Postelberg wurden fünf Hitlerjungen aus Saaz im Alter zwischen 12 und 15 Jahren ermordet: Friedrich Körner, Heinz Körner, Eduard Pachmann, Anton Lanka und Walter Junker. Von diesen fünf Opfern kennt man die Namen, wieviel namenlose Jugendliche ermordet wurden, wird man wohl nie erfahren.

Nach dem Benes Dekret Nr. 115 vom 8. Mai 1945 waren alle Morde an Deutschen, die bis zum 28. Oktober 1945 begangen wurden, straffrei.

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