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Ostfalen

Thomas Engelhardt

kommt aus Ostfalen. Und ich stelle zum ersten Mal und zu meiner Überraschung fest, daß ich einstmals 40 Jahre in Ostfalen gelebt und gewirkt habe, in dem Teil, das sich im äußersten Osten Nieder-sachsens als „Wendland“ befindet! Keine Ahnung von Ostfalen!

Vielleicht geht es dem einen oder andern Adelinde-Leser nicht viel anders als mir und er erfährt nun durch Thomas Engelhardt etwas über ein Gebiet unserer deutschen Heimat in Geschichte und Gegenwart, das auch ihn persönlich betrifft, ohne daß er bisher da-rüber Bescheid wußte:

Das Gros der Bundesdeutschen verwechselt in der Regel die Begriffe bzw. Bezeichnungen Ostfalen und Ostwestfalen.

Der noch in der 2. Hälfte des 20. Jh. im heutigen Niedersachsen bekannten Begriff Ostfalen ist heute so gut wie verschwunden bzw. weithin unbekannt.

Dagegen ist Ostwestfalen eine bundesdeut-sche Kunstschöpfung, die beispielsweise auch auf Autobahnhinweisschildern (z.B. auf der BAB A 2) auftaucht.

Das gesamte östliche Westfalen ist damit jedoch nicht gemeint, sondern das ehemalige heute zu Nordrhein-Westfalen gehörige Land Lippe (Fürstentum Lippe, ab 1918 Freistaat Lippe), heute im Westen der  Kreis Lippe, und weitere historische Gebiete (Fürstentum Min-den, Grafschaft Ravensberg) umfassend  (nicht jedoch das eigentliche östliche West-falen).

Ostfalen dagegen spielt in der Kommuni-kation heute nur noch eine untergeordnete Rolle.

Vor fünfundzwanzig Jahren wurde seitens lokaler und regionaler Verwaltungen der Versuch unternommen, den Begriff wieder zu beleben (bundesdeutsches Neusprech: als „Marke“).

Dieser Versuch, eine Region Ostfalen zu etablieren, scheiterte, weil ihm die politische Unterstützung des Landes Niedersachsen versagt blieb.

Niedersachsen hatte 2004 die bestehenden Regierungsbezirke als mittlere Verwaltungs-behörde aufgelöst.

Neue Regionalstrukturen wurden nicht ge-schaffen (mit Ausnahme des 2011 begründe-ten Kommunalverbandes Hannover unter der Bezeichnung Region Hannover).

Historisch begegnete der Begriff Ostfalen auch dem vereinsorganisierten Genealogen.

Bedeutung über Niedersachsen hinaus hatte die Ostfälische Familienkundliche Kommissi-on, gegründet 1927, 1945 verboten und faktisch aufgelöst, 1947 de facto wieder gegründet, 1950 de jure unter dem Namen Familienkundliche Kommission für Nieder-sachsen und Bremen sowie angrenzende ostfälische Gebiete e.V. neu gegründet, mit Sitz und Archiv in Hannover, zuletzt in Garbsen bei Hannover, 1996 aufgelöst.

Rudimente des Begriffes Ostfalen begegnen dem Betrachter und Interessierten dennoch. Das auf die Wirtschaft ausgerichtete vierteljährliche Periodikum „Ostfalen“ wurde eingestellt (eingestampft), jetzt „Wirtschaftsmagazin für Braunschweig, Gifhorn, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel und Wolfsburg“, seit 2015 mit dem Untertitel und unter der Bezeichnung „Standort 38.de“, jetzt herausgegeben von der IHK Braunschweig (Erscheinungsweise 10mal jährlich).

Und da haben wir sie wieder, die Reduzierung auf „Markt“ und „Standort“ …

Dagegen existiert seit 1991 eine den Begriff Ostfalen tragende Institution, die Deuregio, als Deuregio e.V. mit Sitz in Helmstedt.

Gegründet wurde der auf Vereinsrecht basierende Zusammenschluß im September 1991 vom Kreis Helmstedt, dem angren-zenden Bördekreis (Sachsen-Anhalt) und dem Ohrekreis (Sachsen-Anhalt). Heute gehören dem Verein „Deuregio Ostfalen“ die Landkrei-se Börde und Helmstedt sowie die Städte Haldensleben, Helmstedt, Königslutter und die Kreisgruppe Helmstedt des niedersäch-sischen Städte- und Gemeindebundes an.

Seit 2009 existiert darüber hinaus eine Fachhochschule Ostfalia, früher FHS Braunschweig/Wolfenbüttel, als „Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften“.

Im niedersächsischen Königslutter existiert ein Freilicht- und Erlebnismuseum Ostfalen. Einmal im Jahr findet ein (ebenfalls auf die Wirtschaft ausgerichteter) sog. Ostfalen-Tag statt (eingebettet in die Wirtschaftsaus-stellung Elm-Lappwald-Messe).

Im heute niedersächsischen Homburg (bis 1941 zum Landkreis Wernigerode; auf-grund des Salzgitter-Gesetzes Zuordnung zum Landkreis Wolfenbüttel) erscheint ein Ostfalen-Magazin.

https://www.ostfalen-portal.de/

https://de.wikipedia.org/wiki/Salzgitter-Gesetz

Dennoch scheint der Begriff faktisch tot. Im kollektiven Bewußtsein der hier lebenden Menschen spielt er keine, noch nicht einmal eine untergeordnete, Rolle.

Eine hiesige, aus der Region stammende Lehrerin (Jg. 1958), kannte den Begriff nicht, wie ein zufälliges Gespräch im Bekannten-kreis ergab. Im Gegenteil wies sie mich darauf hin, daß es Ostwestfalen heißen müsse !!! (sic.)

Versuche, den Begriff, wo und wann dies möglich erscheint, im Gespräch, in Dis-kussionen usw. auch nur zu erwähnen, werden belächelt, bleiben unverstanden.

Meine oft geübte Standardgrußformel „Freundliche Grüße aus Ostfalen“ wurde und wird auch von genealogischen Ansprech-partnern teils mit Unverständnis, teils mit Zurückweisung kommentiert („rückwärtsge-wandt“, „altbacken“, „Griff in die historische Mottenkiste“ usw. usf.).

Meist sind es dieselben Leute, die Breslau als Wrocław bezeichnen und in Polen verorten. Schlesien existiert demnach nicht mehr. Das aber ist ein Trugschluß.

Auch Ostfalen existiert weiter, auch wenn es heute weithin unbekannt ist.

In diesem Sinne und nichts für ungut, Thomas (Engelhardt) aus Ostfalen

https://www.region-ostfalen.de/zur Karte einmal runterscrollen

Werner Rutz (Geograph und Raumord-nungsplaner) schlug 1994 eine Neuaufteilung der Bundesländer vor, darunter die Bildung eines Bundeslandes Ostfalen, das auch wirklich Sinn gehabt hätte anstatt des künstlichen Bindestrich-Bundeslandes Sachsen-Anhalt.

Das war kein historisches Land, sondern beinhaltet sehr verschiedene Territorien (Altmark, historisch zu Kurbrandenburg, Herzogtümer Magdeburg und Fürstentum Halberstadt, Teile des kursächsischen Thüringen (der sog. Thüringer Kreis) und eben Anhalt).

https://de.wikipedia.org/wiki/Neugliederung_des_Bundesgebietes

In Teilen des heutigen Mitteldeutschland wurde beispielsweise noch im 16. Jh. sächsisches Platt als Volks- und Um-gangssprache gesprochen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß das Verbreitungsgebiet des ostfälischen Sächsisch im Entstehungszeitraum des Sachsenspiegel noch wesentlich größer war als im 16. oder 17. Jahrhundert.

Das niederdeutsche Sprachgebiet reichte noch im 13. Jh. bis in den Raum Halle/Saale und Merseburg und umfaßte ebenso Nord-thüringen und die Randgebiete des Thüringer Beckens.

Im heutigen Nordthüringen bildeten die Helme und Unstrut die Grenze zwischen Thüringen und Ostfalen und die Heimatdörfer meiner Engelhardt-Vorfahren, Memleben und Donndorf/Unstrut, lagen (bzw. liegen) unmittelbar an der Grenze zum (historischen) Ostfalen.

Nach MEICHE 1905, S. 341, waren um 1300 noch Walkenried, Hohnstein am Harz, Mans-feld, Eisleben, Magdeburg, Merseburg, Halle/S., Bernburg, Göthen (Köthen) und Dessau niederdeutschsprachig, und in Halle a.d. Saale wurde noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts niederdeutsch gesprochen.

[A. Meiche: Die Herkunft der deutschen Siedler im Königreich Sachsen nach den Ortsnamen und Mundarten. In: Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde III, J . 1905, H. 11, 327-344].

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Rüdiger Lack
Rüdiger Lack
2 Monate zuvor

Ostfalen war ein Teil des alten Stammesherzogtums Sachsen. Nach Westen hin schlossen sich Engern an und daran Westfalen.

Wie ich schon geschrieben habe, ist die BRD ein Feind Deutschlands. Ihr Auftrag ist die Vernichtung alles Deutschen.

In Bayern haben die Bezirke noch alte landschaftliche Namen. Niederbayern, Oberbayern, Oberpfalz, Ober-, Mittel- und Unterfranken und Schwaben mit dem jeweils entsprechenden Wappen.

Aber wie lange noch, denn der Begriff Ostbayern wurde schon geschaffen und wird auch inoffiziell verwendet.

Jörn Uhl
Jörn Uhl
2 Monate zuvor

Wie ich schon geschrieben habe, ist die BRD ein Feind Deutschlands. Ihr Auftrag ist die Vernichtung alles Deutschen. – Diese wenigen Worte sollte man jeden Tag in allen möglichen Schriften immer wieder lesen, damit die Urbevölkerung dahinter kommt, was hier läuft und jederzeit immerwieder bewiesen wurde.

Doris Mahlberg
2 Monate zuvor

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht angebracht, an das grausame Schicksal des Eifeldörfchens „Wollseifen“ zu erinnern. Ähnlich wie die Vertriebenen aus den Ostgebieten, lebten die Menschen in Wollseifen seit dem 14. Jahrhundert. Es waren meistens Bauern, aber auch andere Familien, weil die Erde um Wollseifen herum sehr fruchtbar war.

Im Herbst 1946 beanspruchten die Briten das ganze Dörfchen für sich als Truppen-Übungsplatz, obwohl genügend anderer Raum zur Verfügung gestanden hätte. Sie verteilten Räumungsbefehle, und die Wollseifener mußten binnen weniger Tage ihre Häuser verlassen und konnten auch nie zurück in ihre Heimat, denn die Briten kamen und schossen die Ställe, die Höfe und Häuser in Brand. Sie zerstörten fast das ganze Dorf.

Der Pfarrer von Wollseifen bemühte sich, Unterkünfte für die Menschen zu finden, was nicht einfach war. Manche kamen vorübergehend bei Verwandten unter. Bis heute haben die Menschen von Wollseifen keine Entschädigung für ihre verlorene Heimat erhalten. Was man über das Schicksal von Wollseifen im Internet findet, ist teilweise nur schöngeredeter Mist, der gerade noch für ein Touristenblättchen taugt.

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