Die Rente ist sicher. Oder auch nicht.
Montag, 11. August 2025 von Adelinde
Th. Engelhardt
nimmt sich eines Themas an, das vielen unter den Nägeln brennt:
In der 32. Kalenderwoche üben sich Politik und Medien erneut in der üblichen Masche. Die Balkenüberschriften der Zeitungspresse und die Leitsätze der Funkmedien verlaute-ten, wie die Rente wieder sicher werden soll.[1]
Demnach soll eine nachhaltige Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 % des Nettover-dienstes und eine Ausweitung der Mütter-rente erfolgen. Die aktuelle Bundesregierung unter Kanzler Merz hat damit ihre ersten Renten-Vorhaben auf den Weg gebracht.
Die eigentliche Reform soll aber erst später folgen. Eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung stellt aufgrund der widerstreitenden Interessen, der voneinander abweichenden Lösungsansätze und der erforderlichen Generationengerechtigkeit jedoch ein äußerst heikles Vorhaben dar.
Denn einerseits muß das Rentensystem trotz der fortschreitenden Alterung der Gesell-schaft finanziell tragfähig bleiben. Anderer-seits birgt jeder Reformansatz aber auch die Gefahr eines Gerechtigkeitskonflikts.
Kabinett Merz beschließt milliardenschweres Rentenpaket
Die aktuellen Beschlüsse des Kabinetts Merz laufen im Wesentlichen auf die Stabilisierung des Rentenniveaus sowie eine Ausweitung der Mütterrente hinaus.
Daß die Mütterrente aber eine versicherungs-fremde Leistung ist, für deren Zahlung die Rentenversicherung an und für sich gar nicht zuständig sein soll wird geflissentlich unter-schlagen.
Auch das also wieder ein Indiz dafür, daß die Politik nicht bereit ist, den Bürgern sozusa-gen reinen Wein einzuschenken und Zahlen und Fakten zu präsentieren. An und für sich marginale Geldgeschenke wie die Erhöhung der Mütterrente (für vor 1992 geborene Kin-der erhöht sich die monatliche Rente pro Kind um 20 €) kosten die bereits jetzt unterfinan-zierte gesetzliche Rentenversicherung Milliarden Euro (!).
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie brisant die Lage der Rentenversicherung ist. Kamen im Jahr 1992 noch 2,7 Beitragszahler auf einen Rentner, sind es inzwischen weniger als zwei. Bis zum Jahr 2050 wird prognostiziert, daß einem Rentenempfänger dann nur noch 1,3 Beitragszahler gegenüberstehen.
Gleichzeitig wuchs jedoch die durchschnitt-liche Rentenbezugsdauer von 1998 bis 2023 von 13,6 auf 18,8 Jahre bei Männern und von 18,4 auf 22,1 Jahre bei Frauen. Langfristig gilt das System nach dem bisherigen Modell deshalb als nicht mehr finanzierbar.
Im Jahr 2024 beliefen sich die für die Ren-tenzahlungen aufgewendeten Gesamtkosten von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Bund laut Angaben aus dem Arbeitsmini-sterium auf 408 Milliarden Euro.[2]
Das ist ein Anstieg um mehr als 60 % ge-messen am Niveau des Jahres 2010. Der Bund (genauer: der Steuerzahler) muß deshalb massiv Geld zuschießen, um den Rentenkol-laps abzuwenden: 2024 waren es 116,3 Milliarden Euro, die in die Rentenversiche-rung flossen.
Auch zu dieser Thematik werden von den Medien teils gezielt falsche oder doch irre-führende Zahlen genannt. Nicht differenziert wird zwischen den speziellen Zuwendungen des Bundes an die Rentenversicherungsträger und dem darüber hinaus notwendigen Zu-schuß, der aus dem laufenden Haushalt an die Rentenversicherung geht.
Inzwischen werden die Rentenauszahlungen mit erheblichen Mitteln des Staatshaushaltes mitfinanziert.[3] Diese Tatsache dürfte nur einem kleinen Teil der Rentenbezieher klar und bekannt sein. Wenn überhaupt werden allenfalls die zusätzlichen Aufwendungen des Bundes, hier also der jährliche zusätzliche Zuschuß des Bundes an die allgemeine Ren-tenversicherung, erwähnt. Dieser betrug zuletzt rund 31 Milliarden Euro (2024) . Eine Summe, die in Relation zum gesamten nur wenig ins Gewicht fällt.[4] An dieser Stelle erscheint ein
Blick auf die Geschichte der Rentenversicherung
notwendig. Allgemein geistert die Auffassung durch das Land, die Rentenversicherung in der heutigen Form sei ein Ergebnis der Bismarck‘schen Sozialreformen Ende des 19. Jahrhunderts. Ganz falsch ist das nicht. Je-doch steht die heutige Rentenversicherung nur noch mittelbar mit den frühen Sozialver-sicherungen in Zusammenhang.
Durch einen Erlaß Kaiser Wilhelms I. v. 17. November 1881 wurde der Aufbau einer Arbeiterversicherung eingeleitet, in der Arbeiter, nicht jedoch Angestellte, gegen Krankheit, Unfall und materielle Not im Alter oder bei Invalidität versichert werden sollten.
Die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes[5] wurde durch den Reichstag zum 1. Januar 1891 als Rentenversicherung der Arbeiter eingeführt. Sie sah bei einer we-sentlich geringeren Lebenserwartung als heute (!) eine Altersrente ab dem 70. Lebens-jahr vor sowie eine Invalidenrente bei Erwerbsunfähigkeit.
Voraussetzung für die Altersrente waren mindestens 30 Jahre Beitragszahlung (mit der damals üblichen 60-Stunden-Woche). Dieser Versicherungszweig war nach Einführung der Regelungen zur Krankenversicherung (1883) und der Unfallversicherung (1884) die letzte Regelung zur Sozialversicherung Otto von Bismarcks.
Dieser begründete die Entscheidung für eine rein staatliche und eben nicht privatwirt-schaftliche Organisation der Rentenversi-cherung damit, daß man nicht den „Sparpfen-nig der Armen“ einem Konkursrisiko ausset-zen oder gestatten könne,
„daß ein Abzug von den Beiträgen als Dividende und zur Verzinsung von Aktien gezahlt würde“.
Bei Einführung der Rentenversicherung im Jahr 1891 betrug der Beitragssatz 1,7 %, finanziert zu je einem Drittel von den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und staatlichen Zuschüssen, also Steuergeldern.
Damals verdiente ein (ungelernter) Arbeiter etwa 80 Reichsmark im Monat (heutige Kaufkraft ca. 650 €) und mußte dafür ein Drittel von 1,7%, also 0,567%, als Arbeit-nehmerbeitrag abführen, das waren monat-lich 45 Pfennige (heutige Kaufkraft 3,65 €).
Die Versicherungspflicht galt anfänglich nur bis zu einem Jahreseinkommen von 2000 Mark (heutige Kaufkraft: 16.213 €), was monatlich 167 Mark (heutige Kaufkraft: 1.354 €) entspricht, womit damals alle Arbeiter bzw. „gewerblich“ Tätigen und die „kleinen“ Angestellten erfaßt waren.
Durch das Versicherungsgesetz für Ange-stellte vom 20. Dezember 1911 wurde für die Angestellten dann noch eine eigenständige Rentenversicherung eingeführt.
Das nur auf Ansparen gegründete faktisch kapitalgedeckte System erwies sich länger-fristig jedoch als nicht tragfähig. Es basierte eben nicht – wie heute vielfach angenommen – auf einem Umlageverfahren. Vielmehr war ein angesparter Deckungsfonds, d. h. ein kapitalfinanziertes Verfahren die Grundlage des Rentensystems und der Rentenzahlun-gen.
Ungeachtet dessen wurde im Jahr 1916 die Altersgrenze für Renten von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt. Zu berücksichtigen ist aber, daß die geringe Rentenhöhe nicht als allei-nige Altersversorgung angesehen wurde und die ausgezahlten Beträge dafür auch nicht ausreichen konnten.
Die Rente hatte damals weitestgehend nur eine Unterstützungsfunktion. Alte Menschen wohnten zumindest auf dem Lande in der Regel mit anderen Familienangehörigen in einem Haushalt.
Nebenerwerbslandwirtschaft, Kleintier- und Geflügelzucht und intensiv betriebene Gar-tenwirtschaft waren die Grundlage der über-wiegend auf Selbstversorgung beruhenden Lebensweise.
Die in den Städten wohnende Arbeiterschaft dagegen erreichte in der Regel nicht die Al-tersgrenze für einen Rentenbezug. Ansonsten war Altersarmut in dieser sozialen Schicht eine allgemeine Erscheinung.
In der Zwischenkiegszeit erfolgte eine be-ginnende Umstellung der kapitalgedeckten Rentenversicherung auf eine (anteilige) Um-lagefinanzierung. Auch damals erhielt die Deutsche Rentenbank jedoch schon Zuschüs-se aus dem Staatshaushalt. Dennoch waren massive Leistungskürzungen, insbesondere infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 ff. unvermeidlich.
Die Gesetzliche Rentenversicherung war da-mals demzufolge weit davon entfernt, den vorherigen Lebensstandard im Alter zu ge-währleisten. Für die sogenannten kleinen Leute war die Rente daher nicht mehr als ein kleines Zubrot.
Hauptsächliche Quelle von Alterseinkünften waren Versorgungsleistungen der eigenen Kinder, in den seltensten Fällen Ersparnisse oder aber, im äußersten Notfall, der staat-lichen Fürsorge.
Nach dem Ende des II. Weltkriegs war die gegebene Kapitalbasis der Rentenversi-cherung faktisch weitgehend zerstört. Das allgemeine Rentenniveau war demzufolge niedrig, die Altersarmut deshalb weit verbreitet.
Die Grundzüge des aus der Weimarer Republik herrührenden Rentensystems wurden in den frühen Jahren der BRD fortgeführt. Nach der Währungsreform von 1948 wurden die Versicherungsleistungen zu demselben Nennbetrag in Deutscher Mark ausgezahlt wie sie vorher in Reichsmark gezahlt wurden.[6]
Mit dem Rentenanpassungsgesetz v. 17. Dezember 1948 wurde das Rentensystem an die neuen Währungsverhältnisse angepaßt, jedoch gab es keine Reaktion auf die nun steigenden Löhne und Preise, so daß die Renten hinter den Löhnen zurückblieben.
Im Jahr 1950 lag die durchschnittliche mo-natliche Rente von Arbeitern bei 60,50 DM und damit nur etwa 10 DM über der gesetzlichen Mindestrente von 50 DM.
In Schritten erfolgten beginnend mit dem Rentenzulagengesetz von 1951 Rentener-höhungen, die jedoch das allgemeine Rentenniveau nicht wesentlich erhöhten.
1954/1955 gab es im Bundesgebiet (Westdeutschland) 13,9 Mio. laufende Renten- und Unterstützungsfälle. Der durchschnittliche Nettobetrag lag bei 62,90 DM und damit deutlich unter den Fürsorge-Richtsätzen. Rentenbezieher lebten in der Regel am Existenzminimum.
Das durchschnittliche Rentenniveau betrug etwa 28 bis 32 % der vergleichbaren Löhne und Gehälter, was der Situation in der Weimarer Republik entsprach. Erst die rückwirkend zum 1. Januar 1957 in Kraft getretene Rentenreform führte zu einer massiven Erhöhung der Renten um mehr als 60 %.
Die Höhe der nunmehr gezahlten Renten folgte in gewissen Abständen den Löhnen, wodurch die Rentner nach dem Ende ihres aktiven Arbeitslebens am Wirtschaftswachs-tum partizipierten.
In den Jahren 1957 bis 1969 stiegen die Löhne um 115,7 %, die Renten folgten und stiegen um 110,5 %. Ein Paradigmenwechsel lag darin begründet, daß die Altersrente nun nicht mehr als Zuschuß zum Lebensunterhalt galt, sondern als Lohnersatzleistung und somit allein zur Sicherung des Lebensstan-dards ausreichen sollte.
Es wurde festgesetzt, daß die Standardrente 60 % der aktuellen durchschnittlichen Bruttobezüge aller Versicherten umfassen sollte, so daß im Alter kein Absinken des individuellen Lebensstandards zu gewärtigen war.
Dieser Exkurs in die Geschichte scheint nowendig, um aufzuzeigen, daß eine den Lebensunterhalt sichernde Altersrente sehr lange durchaus keine Selbstverständlichkeit war und bislang im Grunde nur drei Genera-tionen in ihren entsprechenden Genuß kamen.
Das sind aber genau die Angehörigen der beiden Kriegs- und Wiederaufbau-Gene-rationen der Jahrgänge 1880-1940, die noch intakte Familien und die entsprechende Kinderzahl aufwiesen, wesentliche Basis des ab 1957 geltenden umlagefinanzierten deutschen Rentensystems.
Seit mehr als drei Jahrzehnten tönen nun Angehörige der politischen Klasse Bundes-deutschlands, die Rente sei sicher. Angesichts der mit dem sog. „Pillen-Knick“ einbrechenden Geburtenzahlen aber war vielmehr absehbar, daß die umlagefinanzierte Rente alles andere als gesichert ist.
Von Norbert Blüm[7] stammte dieser berühmt geworde Satz „Die Rente ist sicher“. Der da-malige Bundesarbeitsminister prägte ihn im Rahmen einer Kampagne seines Ministeriums. Blüm hatte im Jahr 1986 um Vertrauen für die Rentenversicherung geworben. Auf 15.000 großen Plakaten wurde bundesweit verkün-det:
„Denn eins ist sicher: Die Rente.“
Immer wieder betonte er fortan: „Die Rente ist sicher.“ Man sollte Blüm heute nicht verteufeln. Der Mann meinte es sicherlich ernst und vor vierzig Jahren und auch noch vor dreißig Jahren hätte die Möglichkeit bestanden, umzusteuern und das deutsche Rentensystem langfristig abzusichern.
Mögliche Stellschrauben waren eine den Herausforderungen entsprechende Famili-enpolitik und eine Steuerreform, die insbesondere junge Familien finanziell entlastet. Mehrheiten hierfür ließen sich jedoch nicht herstellen.
Im Jahr 1987 sagte die spätere Bundesfami-lienministerin Renate Schmidt[8] in einem Interview des Bayerischen Rundfunks:
„Die Frage, [ob die Deutschen ausster-ben], das ist für mich eine, die ich an allerletzter Stelle stelle, weil dieses ist mir, also so wie sie hier gestellt wird, verhältnismäßig wurscht.“[9]
Sicherlich mit dieser Aussage qualifizierte sie sich 2002 im bundesdeutschen Narrenschiff für das Amt als Familienministerin.
Vergleichbare Aussagen von bundesdeut-schen Politikern finden sich allerdings quer durch das gesamte etablierte Parteienspek-trum. Ihnen allen gemeinsam ist die Mißach-tung des eigentlichen Souveräns, der deut-schen Bevölkerung, deren Interessen zu vertreten sie eigentlich verpflichtet wären. So äußerte sich im Jahr 2005 etwa Jürgen Trittin:
„Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig.”[10]
Die Abwendung der politischen Klasse von ihrem eigentlichen Auftrag wird anhand konkreter Entscheidungen noch deutlicher: Der sog. Landtag des Bundeslandes Nord-rhein-Westfalen beschloß 2010 die Abschaf-fung der Eidesformel „Zum Wohle des deut-schen Volkes“. Einstimmig wohlgemerkt! Antragsteller war ein Türke, Arif Ünal, Bündnis90/Die Grünen.[11]
Der oben genannte Norbert Blüm war nicht der erste und nicht der einzige, der sich hin-sichtlich der Rente irren sollte. Bereits der Altkanzler Konrad Adenauer hatte hinsicht-lich der Entwicklung und Fortführung der alten „Bismarck’schen“ Rentenordnung die falschen Schlußfolgerungen gezogen. Vor nunmehr bald 70 Jahren stellte der damalige Bundeskanzler in der damals anstehenden Rentenreform von 1957[12] fest,
„Kinder kriegen die Leute immer“.
Für die nächsten Jahre sollte er noch recht behalten, denn in den Endfünfziger- und Sechzigerjahren wurden mit Abstand die meisten Kinder geboren. Danach ging es rapide bergab. Der „Pillenknick“ forderte seinen Tribut, und es setzte der Trend ein, der bis heute anhält.
Im Jahr 1964 wurden noch 1,36 Mill. Kinder in Deutschland (BRD und DDR) geboren, 2023 waren es 693 000. Ein Rückgang um mehr als 50 %. Mit dramatischen Folgen.
Bei der Rentenversicherung kommt nicht das Kapitaldeckungsverfahren wie bei Versiche-rungen zur Anwendung sondern das Umlage-verfahren. Zu berücksichtigen ist außerdem die gestiegene Lebenserwartung.
Hatten um 1950 geborene Jungen bei ihrer Geburt noch durchschnittlich 64,6 Lebens-jahre zu erwarten, waren es um 2020 bereits 78,5 Jahre. Bei den Mädchen stieg die Le-benserwartung im gleichen Zeitraum von 68,5 Jahren auf 83,4 Jahre.[13]
Das Rentenumlageverfahren kann unter Be-rücksichtigung dieser veränderten Bedin-gungen nicht mehr funktionieren, da auch die durchschnittliche Rentenbezugsdauer wächst. Darüber hinaus werden aus dem Rententopf versicherungsfremde Leistungen finanziert, die mit Rente an und für sich nicht in Bezie-hung stehen.[14]
Und der Staat bedient sich aus Gutdünken aus der von den Beitragszahlern finanzierten Rentenversicherung, um „Geldgeschenke“ an Bevölkerungsgruppen zu verteilen, die nie oder in geringerem Maße in die Rentenver-sicherungen eingezahlt haben.
Auch die Mütterrente für die Kindererzie-hungszeiten gehören in diese Rubrik. Im Ganzen gesehen werden aus dem Renten-versicherungstopf Leistungen entnommen, die etwa zwei Fünftel (!) des Gesamtbei-tragsaufkommens entsprechen.
Diese Tatsache bleibt in der Regel unerwähnt. Letztlich stellen auch die üppigen Rentenzah-lungen an die Rentenbezieher im sog. Bei-trittsgebiet einen Regelverstoß im Sinne der beitragsgestützten gesetzlichen Rentenversi-cherung dar, zumal etwa ein Fünftel der Rentenbezieher in den neuen Bundesländern Zusatzrenten und Sonderbezüge aus für ehemalige DDR-Behörden und Institutionen geltenden Sonderbestimmungen[15] bzw. aus individuell abgeschlossenen Zusatz-Rentenverträgen beziehen.
Dieser Personenkreis hat jedoch in der Regel nie oder nur in einem begrenzten Zeitraum Beiträge in die bundesdeutsche Rentenver-sicherung eingezahlt. Das geltende Prinzip der Versicherung wurde hier ad absurdum geführt. Die sog. Rentenanpassung (Über-führung der rentenberechtigten ehemaligen DDR-Bürger in das bundesdeutsche Renten-versichrungssystem) erwies sich als komple-xes Regelwerk, abgesichert durch eine ganze Reihe von Gesetzen, hier insbesondere des sog. Rentenüberleistungsgesetzes v. 25.07.1991, weiteren Durchführungsbestim-mungen und Überleitungsverträgen.[16]
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Anmerkungen[1] Agenturmeldungen v. 6.08.2025: „Kabinett beschließt milliardenschweres Rentenpaket“ (Beispiel: ARD Tagesschau 6.08.2025).
[2] Beiträge der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, Ausgleichs-Aufwendungen des Bundes für die einzelnen Rententräger und Zuschüsse des Bundes für die allgemeine Rentenversicherung. Vgl. Fußn. 3.
[3] Mit 4,76 Milliarden € (2024: 5,05 Milliarden €) beteiligt sich der Bund 2025 an der knappschaftlichen Rentenversicherung. 48,03 Milliarden € (2024: 44,85 Milliarden €) gehen als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung, 12,64 Milliarden € (2024: 12,02 Milliarden €) an die Rentenversicherung in den sog. neuen Ländern. Der zusätzliche Zuschuß des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung beläuft sich auf 31,23 Milliarden € (2024: 30,83 Milliarden €). Qu.: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1015554
[4] Bundeshaushalt (2024 2.082,1 Milliarden Euro, davon 476,8 Millarden € Gesamtausgaben, hiervon Zuweisungen an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Höhe von 175,68 Milliarden Euro (Gesamtetat). )
[5] Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung v. 22. Juni 1889 (nach Beschlussfassung im Reichstag am Mai 1889).
[6] Das Rentensystem in der SBZ/DDR erfordert eine gesonderte Betrachtung. Die Geschichte der Rentengesetzgebung weicht von jener in Westdeutschland (ab 7. September 1949 BRD) ab. Auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 28 vom 28.01.1947 erfolgte eine grundsätzliche Neuordnung der Sozialversicherung auf dem Gebiet der SBZ: Die Gesamtaufsicht und Kontrolle über die Sozialversicherung wurde der Deutschen Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge übertragen und als Versicherungsträger die SV-Anstalten der neugebildeten Länder eingesetzt.
Lit.: Elke Hoffman: Das Alterssicherungssystem in der DDR 1946 – 1990. Berlin 1995.
[7] Norbert Blüm, * 21. Juli 1935 Rüsselsheim, † 23. April 2020 Bonn, 1982 bis 1998 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in der ersten CDU/CSU/FDP-Bundesregierung unter Helmut Kohl.
[8] Renate Schmidt, * 1943 Hanau, 1990 bis 1994 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und im Kabinett Schröder II von 2002 bis 2005 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend).
[9] Renate Schmidt, SPD-Politikerin und spätere Bundesfamilienministerin, am 14.3. 1987 in einem Inerview im Bayerischen Rundfunk.
[10] Jürgen Trittin, Bündnis90/Die Grünen, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 2.01.2005, Seite 6.
[11] Anläßlich seiner Vereidigung als Abgeordneter i. J. 2010 stellte er im Namen seiner Fraktion den Antrag, die traditionelle Eidesformel „zum Wohle des deutschen Volkes“ in „zum Wohe aller Menschen in NRW“ abzuändern. Ünal begründete den Antrag mit den etwa zwei Millionen Menschen ohne deutschen Paß, die in Nordrhein-Westfalen leben (sic.). Der Antrag wurde vom Landtag angenommen, da die Eidesformel jedoch in der Landesverfassung festgelegt ist, trat diese Änderung bislang nicht in Kraft, ist jedoch ein Punkt bei der Arbeit der Verfassungskommission.
[12] Die Rentenreform von 1957 beinhaltete eine wesentliche Änderung der gesetzlichen Rentenversicherung in Westdeutschland. Das bisherige Kapitaldeckungsverfahren wurde durch das Umlageverfahrens abgelöst, die Rentenhöhe dadurch spürbar erhöht und die dynamische Anpassung der Rentenhöhe an die Bruttolohnentwicklung eingeführt. Bis zur Rentenreform wurden die auszuzahlenden Rentenbeträge einem angesparten Deckungsfonds entnommen.
[13] Qu.: Statistisches Bundesamt (destatis.de).
[14] Versicherungsfremde Leistungen, die aus der Rentenversicherung gezahlt werden, beispielsweise für sog.
(1) Anrechnungszeiten (= Zeiten, für die keine Beiträge gezahlt wurden, wie z.B. Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Kindererziehungszeiten), die jedoch rentensteigernd angerechnet werden. (2) Fremdrenten (Renten für Personen, die aus dem Ausland stammen oder im Ausland gelebt haben). (3) Renten für Aussiedler.
(4) Leistungen zur Kompensation von Rentennachteilen, die durch das DDR-Unrecht entstanden sind.
(5) Bestandsschutz für Renten in den neuen Bundesländern (Leistungen zur Angleichung der Renten an das Westniveau. (6) Frührenten (Altersrente vor dem 65. Lebensjahr, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten wegen Arbeitsmarktlage). Anm.: Die „normalen“ EU-/BU-Renten (also nicht wegen Arbeitsmarktlage) gehören allerdings zu den Risiken, welche die Rentenversicherung abdecken soll.
[15]Im Gebiet der DDR existierten zahlreiche Zusatz- und Sonderversorgungssysteme (Militär, Polizei, Staatssicherheit, Feuerwehr, Zollverwaltung, Deutsche Reichsbahn, Behörden, Organisationen, Parteien, Hochschulen, Universitäten usw.).
[16]Siehe hierzu https://de.wikipedia.org/wiki/Rentenangleichung