Feed für
Beiträge
Kommentare

Anmerkungen zu Deutschland 2. Teil

Thomas Engelhardt

bringt hier den 2. Teil seiner Anmerkungen zu Deutschland:

1949 wurde durch den Parlamentarischen Rat die amtliche Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland“ eingeführt. Diese sollte zum einen in Abgrenzung zur SBZ/DDR den Alleinvertretungsanspruch des westdeut-schen Staates, zum andern dessen bundes-staatlichen Charakter zum Ausdruck bringen. 

Die Staatsbezeichnung stand fest, die Bundeshauptstadt Bonn ebenso. Der neue Staat aber existierte noch immer nicht. Der 23. Mai 1949 wird heute allgemein als der Gründungstag der Bundesrepublik angesehen – obwohl an diesem Tag die Gründung des neuen Staates nicht erfolgte, gar nicht erfolgen konnte.

Denn die Organe dieses neuen Staatsgebil-des, der sog. Bundestag und der Bundesrat, existierten noch gar nicht (sic.). Der Aufbau der sog. Bundesorgane begann erst am 14. August 1949 mit der ersten Wahl zum 1. Deutschen Bundestag.[1]

Die konstituierenden Sitzungen von Bundes-tag und Bundesrat fanden am 7. September 1949 in Bonn statt (entsprechend Art. 123 Abs. 1 Grundgesetz). Der eigentliche (und tatsächliche) Staatsgründungstag ist demzu-folge der 7. Sept. 1949 und nicht wie immer wieder behauptet der 23. Mai 1949.

Aufgezeigt werden sollte, daß dieser Staat „BRD“ allen anderslautenden Verlautbarungen und Interpretationen zufolge weder demo-kratisch legitimiert ist noch seine Gründung und Konstituierung allgemeinen Rechtsauf-fassungen entsprechend erfolgte.

(1) Eine verfassungsgebende Versammlung wurde nicht einberufen.

(2) Die (West-)Deutschen hatten keine Möglichkeit, Mitglieder einer verfassungs-gebenden Versammlung in geheimer, unabhängiger und freier Wahl zu wählen.

(3) Ein Verfassungsreferendum des west-deutschen Teils des deutschen Volkes war von Beginn an nicht vorgesehen.

Dennoch gilt: Auch wenn die Gründung dieses Staatsgebildes BRD auf Unrecht, Willkür und Gewalt fußt, ist die Existenz dieses Staates aufgrund der normativen Kraft des Faktischen anzuerkennen und letztlich Realität.

Ein Beharren auf die vermeintliche Existenz des nicht mehr existierenden (oder anderen Ansichten zufolge lediglich handlungsun-fähigen) Deutschen Reiches lähmt eher als daß es bei der Auseinandersetzung mit den politisch maßgeblichen Kräften Großwest-deutschlands nutzen könnte.

Vor einigen Wochen ergab sich am Rande eines Treffens volkstreuer national-patrioti-scher Kräfte ein nicht uninteressantes Ge-spräch mit einem Reichsbürger.

Sein zentrales Argument, daß das Deutsche Reich 1945 nicht untergegangen wäre, lau-tete, daß im Mai 1945 lediglich die Deutsche Wehrmacht kapituliert hätte, nicht jedoch die Waffen-SS.

So interessant auch dieses Argument zu-nächst scheinen mag, ändert es nichts, aber auch gar nichts an der Tatsache, daß die Kriegssieger im Frühjahr 1945 Deutschland zertrümmerten.

Es muß daher seltsam anmuten, die norma-tive Kraft des Faktischen auszublenden und auf der Fortexistenz des Deutschen Reiches zu beharren. Ebenso wenig greift der Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 (»Zum rechtlichen Fortbe-stand des „Deutschen Reichs“«).[2]

Dieses Urteil wird in der Regel falsch inter-pretiert. Gegenstand des Verfahrens war nicht die Feststellung, ob das Deutsche Reich fortbesteht oder nicht, sondern der Grund-lagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Festgestellt werden sollte die Rechtmäßigkeit dieses zwischen beiden Teilstaaten abgeschlossenen Vertrages.[3]

Am 15. Juni 1972 nahm die damalige SPD-geführte Regierung (Bundesregierung Brandt/Scheel) Verhandlungen mit der Regierung der DDR über einem Grundlagenvertrag auf, um die Beziehungen beider deutscher Staaten zueinander für die Zeit der Teilung zu regeln.

Die Gespräche wurden für die Bundesregie-rung von Staatssekretär Egon Bahr und für die Regierung der DDR von Staatssekretär Michael Kohl abwechselnd in Ost-Berlin und in Bonn geführt.

Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl am 19. November 1972 standen die Verhandlun-gen unter großem Zeitdruck. Trotzdem konnten sich beide Seiten bereits am 8. No-vember 1972 über den Vertragstext verstän-digen.[4]

Mit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrags war die beziehungslose Zeit zwischen den beiden deutschen Staaten beendet und bis zur Wiedervereinigung 1990 durch einen neuen Modus Vivendi abgelöst worden. Der Grundlagenvertrag bedeutete jedoch keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD.

Einige Staats- und Völkerrechtler interpre-tieren diesen Grundlagenvertrag (geschlossen am 21. Dezember 1972 und am 11. Mai im Bundesstag zugestimmt bzw. 13. Juni 1973 von der DDR ratifiziert, in Kraft getreten am 21. Juni 1973) zwischen beiden deutschen Teilstaaten[5] als das eigentliche Ende der Existenz des Deutschen Reiches.

Daß das Deutsche Reich angeblich fortbe-steht, wurde 1973 im Text des Urteils deutlich gemacht:

… daß das Deutsche Reich den Zusam-menbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okku-pationsmächte noch später unterge-gangen ist“.

Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um Beurteilungen und Interpretationen bundes-deutscher Juristen. Diese aber denken und handeln keineswegs unabhängig wie ge-meinhin angenommen. Bundesverfassungs-richter handeln im Auftrag des Staates, dem sie dienen. Mehr noch.

Sie gehören zu den Führungseliten dieses Staates, sind in hohem Maße existentiell abhängig und gehören zu den geistigen Stützen desselben.

Wenn heutige Reichsbürger sich auf ein Urteil eben dieses höchsten Gerichts des bundes-deutschen Staates berufen und unkritisch wiederholen, daß das Deutsche Reich 1945    n i c h t  untergegangen wäre, wird diese Falschbehauptung dadurch nicht wahrer.

Es braucht deshalb auch keiner neuen Wiederholungen von wem auch immer, um ein Luftschloß mit Leben zu erfüllen. In der Zeit von 1945 bis 1949 existierte kein deutscher Staat.

Die Kriegssieger herrschten unumschränkt und etablierten ein brutales, hartes und unbarmherziges Besatzungsregime, dem in den Westzonen etwa 800.000, in der SBZ 600.000 Menschen zum Opfer fielen.[6]

Die Nachkriegsjahre waren von allgemeiner Rechtlosigkeit, Gewalt, Übergriffen,  Plün-derungen, Enteignungen, Unsicherheit, ungesicherter Ernährungslage, fehlender medizinischer Versorgung gekennzeichnet.

Angesichts dieser historischer Tatsachen zu fabulieren, das Deutsche Reich wäre 1945 nicht untergegangen, sondern nur hand-lungsunfähig gewesen ist, ein ausgesprochen theoretischer Ansatz.

Juristisch mag es von Belang sein anzuneh-men, daß das Deutsche Reich die Kapitulation der Streitkräfte überdauert hätte. Und bis heute ist diese Frage tatsächlich nicht ab-schließend geklärt.[7]

Deshalb mag es auch durchaus berechtigt erscheinen, vom Fortbestehen des Deutschen Reiches auszugehen. Alle historischen Fakten sprechen jedoch gegen diese Annahme!

Die Herrschaftsgewalt in Deutschland lag ab 1945 in der Hand des sog. „Alliierten Kon-trollrates“.[8]

Die Besatzungsherrschaft wurde in erster Linie mittels einer Vielzahl von sog. Kon-trollratsgesetzen ausgeübt.

Kontrollratsgesetze sind die in den Jahren 1945 bis 1948 in Ausübung der Besatzungs-regimes der vier Siegermächte vom sog. Alliierten Kontrollrat erlassenen Gesetze („zur Überwindung des Nationalsozialismus und Militarismus in ganz Deutschland“).

Die alliierte Gesetzgebung umfaße darüber hinaus eine Reihe von Proklamationen, Befehlen, Direktiven und Instruktionen. Den heutigen Bundesdeutschen sind diese von den Alliierten den besiegten Deutschen auferlegten Bedingungen und Grundsätze heute meist nicht bekannt und nicht geläufig.

Ein Grund, weshalb landauf landab heute jeder von Befreiung faselt, die 1945 vorgeblich stattgefunden haben soll.[9]

Die Alliierten verletzten mit ihren Maßnah-men, Eingriffen, Vorschriften, Grundsätzen, erlassenen Bedingungen und den von ihnen vorgenommenen administrativen Verände-rungen, die vorgeblich sämtlich der Entna-zifizierung, Entmilitarisierung und Umer-ziehung  dienen sollten, die Prinzipien und Regularien der Haager Landkriegsordnung. Auch das war jedoch kein Thema in der großwestdeutschen BRD.

Auf dem Gebiet der Deutschen Demokrati-schen Republik wurden die Kontrollratsge-setze durch einen Beschluß des Ministerrates der UdSSR vom 20. September 1955 aufge-hoben.

In der Bundesrepublik Deutschland blieben die Gesetze dagegen in Kraft, insofern sie nicht durch andere Bestimmungen aufge-hoben wurden (sog. vorkonstitutionelles Recht).

Mit der sog. Berliner Erklärung der Vier Mächte (Juni-Deklaration der Alliierten vom 5. Juni 1945) übernahmen die Kriegssieger auch die politische Gewalt in Deutschland (Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland)[10].

In fünfzehn Artikeln wurden Forderungen formuliert, die Deutschland auferlegt wurden und sofort zu erfüllen waren.[11]

_____________

Anmerkungen

[1]  Die erste Bundestagswahl 1949 fand am 14. August 1949 statt.

[2] Im Urteilsspruch vom 31. Juli 1973 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Grundlagenvertrag zwischen der sog. Bundesrepublik und der „DDR“ als „in der sich aus den Gründen ergebenen Auslegung mit dem Grundgesetz für vereinbar“. Der Vertrag sei kein Vertrag über die Teilung Deutschlands, so die damalige Interpretation.

Qu.: BVerfG, Urteil vom 31. Juli 1973, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 36. Band, 1 (15f.) = Neue Juristische Wochenschrift 1973, 1539. Das BVerfG hat in seinem Urteil zum Vertrag vom 21. Dezember 1972 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik festgestellt: Das Grundgesetz geht davon aus, „daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat    und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist“.  Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland sei nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet worden, sondern „ein Teil Deutschlands neu organisiert […].“

Die Bundesrepublik Deutschland sei demnach also nicht ‚Rechtsnachfolger’ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich’, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings nur „teilidentisch“, so daß insoweit diese Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. Das BVerfG hat diese Rechtsprechung seit der Wiedervereinigung nicht geändert. Mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 ging die Deutsche Demokratische Republik im Rahmen einer sogenannten Staateninkorporation unter. Das Territorium der Bundesrepublik erweiterte sich um das Gebiet der neuen Bundesländer. Am Fortbestand des Deutschen Reichs in der Gestalt der Bundesrepublik Deutschland änderte sich durch den Beitritt nichts. (weiterführend: Ingo von Münch: Deutschland: gestern – heute – morgen – Verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Probleme der deutschen Teilung und Vereinigung, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 865).

Siehe auch:  Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Dokumentation Zum rechtlichen Fortbestand des „Deutschen Reichs“, Nr. WD 3 – 292/07, Berlin: Deutscher Bundestag, FB Verfassung und Verwaltung, 2007.

[3]  Beide Staaten Bundesrepublik Deutschland und DDR werden in der veröff. Literatur als deutsche Teilstaaten bezeichnet. Sowohl der Weststaat als auch der mitteldeutsche Staat waren jedoch Suzerän- und Modellstaaten der Kriegssiegermächte. Deutsch waren sie, beide unter alliierten Vorbehalts-, Aufsichts- und Kontrollrechten stehend, allenfalls dem Namen nach. Historisch können diese von den Kriegssiegern zum Zweck der Beherrschung der Deutschen gegründeten Staatsgebilde mit den französischen Modellstaaten der apoleonischen Zeit verglichen werden (Königreich Westphalen 1807-1813, Großherzogtum Berg 1806-1813, Großherzogtum Frankfurt 1810-1813), in gewisser Weise möglicherweise sogar mit dem seit 1939 unter deutscher Herrschaft stehenden Protektorat Böhmen und Mähren. Alle in der Vergangenheit Beteiligten, darunter zuvorderst und ganz besonders heutige bundesdeutsche Politiker, werden einen solchen Vergleich strikt ablehnen und Widerspruch einlegen.

[4]  Gegen die überwältigende Mehrheit der CDU/CSU-Opposition stimmte die Regierungskoalition am 11. Mai 1973 dem Grundlagenvertrag im Bundestag zu. Nachdem er auch den Bundesrat passiert hatte, konnte der Vertrag am Juni 1973 in Kraft treten. Aus Sicht von CDU und CSU gab die Bundesregierung damit das Ziel der Wiedervereinigung auf.

[5] Ab Juni 1945 (Berliner Erklärung v. 5.06.1945 ) bis 1949 (doppelte Staatsgründung am 7.09.1949 bzw. 7.10.1945) wurde Deutschland faktisch als Kondominium der Alliierten beherrscht. Die von den Kriegssiegermächten 1949 auf deutschem Territorium geschaffenen neuen Staatsgebilde stellten Modellstaaten der jeweiligen alliierten Mächte dar. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich diese als Protektorate. Der mittdeldeutsche Zwangsstaat sowjetischer Provenienz ebenso wie der Weststaat, der den Begriff Deutschland anmaßender- und unberechtigterweise in seiner Staatsbezeichung verwendete. Beide Staatsgebilde waren alles andere als deutsch bzw. deutschgeprägt. Vgl. Fußn. 12.

[6]  Siehe hierzu auch: NN (Autorenkollektiv): Großdeutschland am Galgen. (unveröff. Manuskript), o. O. u. o. J., [ca. 2001]. nm.: Die in der veröff. Lit. gemachten Zahlenangaben insbesondere auch zu den Opferzahlen in den Westzonen weichen zum Teil erheblich voneinander ab. Auffällig ist eine Minderung und Marginalisierung der tatsächlichen Opferzahlen (Stichworte Rheinwiesenlager, Hungerwinter 1946/1947, hohe Kindersterblichkeit in den Nachkriegsjahren, ungenügende Ernährungslage, Internierungslager etc.). Zu den Bevölkerungsverlusten insgesamt vgl. Heinz Nawratil: Die deutschen Nachkriegsverluste. Vertreibung. Zwangsarbeit. Kriegsgefangenschaft, Stalins deutsche Kzs (überarbeitete und erweiterte Neuauflage). Graz: Ares-Verlag, 2008.

[7]  Nach der Dismembrationstheorie würde gelten, dass das Deutsche Reich in die beiden deutschen Staaten Bundesrepublik und DDR zerfallen sei, von denen keiner mit dem Deutschen Reich identisch sei, und das Deutsche Reich daher aufgehört habe zu existieren. Der genaue Zeitpunkt erscheint bis heute unsicher (1949, 1954/1955, 1973). Gemäß der Debellationstheorie wäre das Deutsche Reich infolge der occupatio bellica Deutschlands durch die alliierten Streitkräfte untergegangen, spätestens aber mit der Vier-Mächte-Erklärung v. 5. Juni 1945, mit der die Kriegssieger die vollständige und oberste Regierungsgewalt übernahmen.  Mit der Vier-Mächte-Erklärung (Berliner Erklärung) wiederholten die Alliierten die militärischen Kapitulationsbedingungen und legten die Bedingungen der Besatzungspolitik fest: „In Anbetracht der Niederlage Deutschlands“, unterwerfe sich das besiegte Land „allen Forderungen, die ihm jetzt oder später auferlegt werden“. Darüber hinaus wurde festgelegt, daß mit der Kapitulation Deutschlands sämtliche „Befugnisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen oder Behörden der Länder, Städte und Gemeinden“ an die Siegermächte übergegangen waren. Deutschland hatte damit seine staatliche Souveränität verloren und bildete ein von den Alliierten beherrschtes Kondominium. Vgl. Fußn. 12.

Mit Debellatio bzw. Debellation (lat. für ‚vollständige Besiegung‘, ‚Kriegsbeendigung‘; zu bellum ‚Krieg‘), auch kriegerische Niederwerfung, bezeichnet man das durch vollständige Zerstörung und militärische Niederringung eines feindlichen Staates herbeigeführte Ende eines Krieges. Die (inzwischen jedoch veraltete) völkerrechtliche Debellatio-Definition (eigtl. Völkergewohnheitsrecht) beinhaltete, daß ein militärisch vollständig besiegter Staat, dessen Institutionen zerstört sind, keinVölkerrechtssubjekt mehr ist.

Als Voraussetzung für eine Debellation gilt, daß eines der drei für einen Staat konstitutiven Elemente durch kriegerische Handlungen verloren gegangen ist, also die Staatsgewalt, das Staatsvolk oder das Staatsgebiet. Nach 1945 wurde seitens (west-)deutscher Stellen bestritten, daß infolge der Kriegsniederlage die Staatsgewalt ersetzt worden sei (diese Interpretation steht jedoch in Widerspruch zu den historischen Tatsachen). (jedoch erfolgten Annexionen von Teilgebieten Deutschlands).

Der US-Amerikaner Hans Kelsen (aus Prag stammender tschechischer Jude!) hatte bereits 1944 geschrieben, dass im Falle einer occupatio bellica Deutschlands durch die Alliierten, bei der die Staatsgewalt verdrängt wird, diesen nach der Haager Landkriegsordnung ein bestimmtes Maß an Verwaltungsbefugnissen zu fallen müßte.

Lit.: Hans Kelsen: The International Legal Status of Germany to be established immediately upon Termination of the War. In: American Journal of International Law (AJIL), 38 (1944), S. 689 ff. of Berlin. In: Ebda., 39 (1945), S. 518 ff.

Nach allgemeiner Anschauung (Völkerrecht, das eigtl. als Völkergewohnheitsrecht bezeichnet werden müßte) muß einer Ersetzung von Staatsgewalt ein Akt der Unterwerfung (debellatio) vorausgegangen sein. Aber weder stellte die Kapitulation der deutschen Streitkräfte im Mai 1945 einen formalen Unterwerfungsakt deutscher Stellen dar noch wurde die Vier-Mächte-Erklärung vom 5. Juni 1945  von einem solchen formalen Akt deutscher Stellen  bekleidet.

[8] Alliierter Kontrollrat, gegründet am 5.06.1945 (Berliner Viermächteerklärung). Der Alliierte Kontrollrat beschloß bis 1948 in über 80 Sitzungen über einhundert Proklamationen, Gesetze, Befehle, Direktiven und Instruktionen für die vier Besatzungszonen. Die drei alliierten Militärgouverneure für die westlichen Besatzungszonen waren der französische General Pierre Koenig (* 1898, † 1970, Militärgouverneur 1945–1949), der britische General Brian Robertson, * 1896, † 1974, Militärgouverneur 1947–1949) und der US-amerikanische General Lucius D. Clay (* 1898, † 1978, Militärgouverneur 1947–1949). Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland trat am 30. Juli 1945, während der Konferenz von Potsdam, zu seiner ersten Sitzung zusammen. Der Alliierte Kontrollrat trat als Souverän über Deutschland letztmalig im Jahre 1990 zusammen.

[9]  „Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen. Bei der Durchführung der Besetzung und Verwaltung müssen Sie gerecht, aber fest und unnahbar sein. Die Verbrüderung mit deutschen Beamten und der Bevölkerung werden Sie streng unterbinden.“

Qu.: Direktive JCS 1067 der US-amerikanischen Joint Chiefs of Staff zur Besatzungspolitik an die Combined Chiefs of Staff (CCS) in Deutschland. Trotz mehrfacher Überarbeitungen abgelehnt. Im April 1945 wurde die sechste Fassung JCS 1067/6 in Kraft gesetzt (gültig nur für die US-Streitkräfte). Sie löste die Combined Directive For The Military Government in Germany Prior To Defeat Or Surrender, abgekürzt CCS 551, ab, die für die Zeit vor der deutschen Kapitulation galt. JCS 1067 legte die Grundlinien der US-amerikanischen Besatzungspolitik für die erste Zeit nach der Kapitulation Deutschlands fest. Ihre Bestimmungen blieben bis zum Inkrafttreten der Direktive JCS 1779/1 im Juli 1947 gültig. https://de.wikipedia.org/wiki/JCS_1067 https://de.wikipedia.org/wiki/JCS_1779

[10]engl. „supreme authority“.

[11] Wortlaut der 15 Artikel in: „Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik“ [vom 5. Juni 1945]. http://www.documentarchiv.de/in/1945/niederlage-deutschlands_erkl.html

0 0 votes
Beitragsbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

1 Kommentar
Inline Feedbacks
Lese alle Kommentare
Der Wolf
Der Wolf
1 Stunde zuvor

Werter Herr Engelhardt,

erstmal mein Dank für Ihre ausführlichen Anmerkungen zu Deutschland. Aus ihren Darlegungen geht klar hervor, daß die BRD eine alliierte Gründung ist, die ohne Zustimmung des Deutschen Volkes erfolgte. Zum Großteil auch gegen dessen Willen.

Zweitens ist festzustellen, daß die BRD bis heute keine volle Souveränität besitzt.

Drittens hat sie sich die BRD – durch Beitritt zur UNO – zum Feindstaat bzw. zur Feindorganisation des Deutschen Reiches erklärt. Dasselbe gilt auch für die DDR, auch wenn sie mittlerweile in der BRD aufgegangen ist. Im übrigen ist der Fortbestand der UNO-Feindstaatenklausel ein Indiz dafür, daß das Deutsche Reich doch noch irgendwie existiert.

Viertens: Auch in ihrer konkreten Politik handeln die offiziellen Organe der BRD fortgesetzt sowie mit Vorsatz gegen die Interessen des Deutschen Volkes – offensichtlich auf versteckte Anweisung.

Doch selbst wenn das Deutsche Reich zertrümmert ist – ein Vorhaben das möglicherweise doch nicht so ganz geklappt hat – bleibt immer noch das Deutsche Volk mit seinen natürlichen Rechten bestehen.

Die BRD ist somit nicht der Staat des Deutschen Volkes, sondern allenfalls ein unter der Suzeränität, d.h. der Oberherrschaft eines anderen Staates oder einer anderen Macht stehendes Gebilde, das dem Deutschen Volk aufgenötigt wurde und dessen Zweck es ist, das Deutsche Volk – notfalls mit staatlichem Terror – an seiner politischen Willensbildung zu hindern und auf diese Weise jedes souveräne Bestreben des Deutschen Volkes zu sabotieren. Eine Abhängigkeit allerdings, die nach außen äußerst raffiniert versteckt wird (vgl. hierzu die Tatsache, daß es für Angehörige der BRD weder einen Personenausweis noch eine klare staatliche Zuordnung gibt. Ein weiteres Indiz.) Nicht umsonst hat der Staatsrechtler Prof. Dr. Carlo Schmid in seiner Grundsatzrede vor dem sog. Parlamentarischen Rat am 8. September 1948 betont: „Wir haben keinen neuen Staat zu gründen.“ Ein folgenschwerer Satz. Weiter führte er aus:

„…wo ein Volk sich unter Fremdherrschaft und unter deren Anerkennung zu organisieren hat, konstituiert es sich nicht – es sei denn gegen die Fremdherrschaft selbst -, sondern es organisiert sich lediglich, vielleicht sehr staatsähnlich, aber nicht als Staat im demokratischen Sinn. (…). Diese Organisation als staatsähnliches Wesen kann freilich sehr weit gehen. Was aber das Gebilde von echter demokratisch legitimierter Staatlichkeit unterscheidet, ist, daß es im Grunde nichts anderes ist als die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft; denn die trotz mangelnder voller Freiheit erfolgende Selbstorganisation setzt die Anerkennung der fremden Gewalt als übergeordneter und legitimierter Gewalt voraus. Nur wo der Wille des Volkes aus sich selber fließt, nur wo dieser Wille nicht durch Auflagen eingeengt ist durch einen fremden Willen, der Gehorsam fordert und dem Gehorsam geleistet wird, wird Staat im echten demokratischen Sinne des Wortes geboren. Wo das nicht der Fall ist, wo das Volk sich lediglich in Funktion des Willens einer fremden übergeordneten Gewalt organisiert, sogar unter dem Zwang, gewisse Direktiven dabei befolgen zu müssen, und mit der Auflage, sich sein Werk genehmigen zu lassen, entsteht lediglich ein Organismus mehr oder weniger administrativen Gepräges. Dieser Organismus mag alle normalen, ich möchte sagen, «inneren» Staatsfunktionen haben; wenn ihm die Möglichkeit genommen ist, sich die Formen seiner Wirksamkeit und die Grenzen seiner Entscheidungsgewalt selber zu bestimmen, fehlt ihm, was den Staat ausmacht, nämlich die Kompetenz der Kompetenzen im tieferen Sinne des Wortes, das heißt die letzte Hoheit über sich selbst und damit die Möglichkeit zu letzter Verantwortung. Das alles hindert nicht, daß dieser Organismus nach innen in höchst wirksamer Weise obrigkeitliche Gewalt auszuüben vermag.“
Alle Heraushebungen von mir)

Sich gegen die Fremdherrschaft zu konstituieren, das wäre nun freilich eine Option, die unter allen Umständen verhindert werden soll. Die zunehmend hysterischere Verfolgung jeglicher nationaler Opposition in der Groß-BRD beweisen dies. Anscheinend sieht die BRD ihren Auftrag darin, daß Deutsche Volk – als natürlichen Träger aller seiner Rechte, einschließlich seiner staatlichen Rechte und Ansprüche, die sich auf das Deutsche Reich gründen – auf möglichst elegante Weise auch physisch auszulöschen. Das ist schwer zu verdauen, aber beliebige Stadtbildbesichtigungen veranschaulichen dies mit aller alarmierenden Deutlichkeit.

Die von Ihnen erwähnte normative Kraft des Faktischen, d.h. die historische Machtkonstellation, die diese Faktizität begründet, ist allerdings u.a. abhängig von den inneren und äußeren Vorgängen und Entwicklungen z.B. im deutschlandfeindlichen Lager, und kann daher auch umgekehrt werden, solange von deutscher Seite – von welcher ist dabei egal – gegen die alliierte Vernichtungspolitik Widerstand geleistet wird. Deswegen ist dies – zum Glück! – kein wirkliches Argument. D.h., ob wir diese Faktizität anerkennen oder nicht, ist allein unsere Entscheidung. Der Rest wird durch Macht bzw. durch die jeweilige historische Konstellation entschieden.

Im übrigen könnte sich auch eine, wie im Falle der BRD, abhängige Regierung durchaus entscheiden, ihre Souverränität voll in Anspruch zu nehmen, wenn die Bedingungen dafür günstig sind. Einer der Gründe, weswegen man die AfD so fürchtet, obwohl diese – in Teilen – bereits zum Feind übergelaufen ist.

Dieser Teil der Geschichte ist allerdings noch nicht entschieden. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

In jedem Falle ist es richtig, die Rechte des Deutschen Reiches nicht einfach aufzugeben, auch wenn dies im Augenblick obsolet erscheint.

Die Geschichte ist jedenfalls noch lange nicht zu Ende und hält für alle Beteiligten – davon können wir ausgehen – noch große Überraschungen bereit.

Die Frage der Taktik ist dabei allerdings noch nicht entschieden. Diese steht auf einem vollkommen anderen Blatt. Es wird noch Gelegenheit geben, sich darüber auszutauschen. Auch über diverse untauglichen Versuche, die Souveränität des Deutschen Reiches wiederherzustellen.

1
0
Deine Gedanken interessieren mich, bitte teile diese mit!x