Anmerkungen zu Deutschland
Samstag, 1. November 2025 von Adelinde
Thomas Engelhardt
verdanken wir seine Anmerkungen zu Deutschland vom 3.05.2024:
Alle Jahre wieder wird von verschiedenen Autoren die alte These wiederholt, der gemäß das
Deutsche Reich 1945 n i c h t untergegan-gen sei. Jüngst erneut von dem in St. Peters-burg lebenden Thomas Röper („Anti-Spie-gel“).[1] Sicherlich ist Thomas Röper ein kluger Kopf und eine wichtige journalistische Stimme im Ausland. Aber die alte Mär, daß das Deutsche Reich 1945 n i c h t unter-gegangen sei, ist ein Griff in die politische Mottenkiste und hilft uns heute nicht mehr weiter.
Vor einigen Wochen ergab sich am Rande eines Treffens volkstreuer national-patrioti-scher Kräfte ein nicht uninteressantes Ge-spräch mit einem Reichsbürger.
Sein zentrales Argument, daß das Deutsche Reich 1945 nicht untergegangen wäre, lau-tete, daß im Mai 1945 lediglich die Deutsche Wehrmacht kapituliert hätte, nicht jedoch die Waffen-SS.
So interessant auch dieses Argument zu-nächst scheinen mag ändert es nichts aber auch gar nichts an der Tatsache, daß die Kriegssieger im Frühjahr 1945 Deutschland zertrümmerten.
Es muß daher seltsam anmuten, die norma-tive Kraft des Faktischen auszublenden und auf der Fortexistenz des Deutschen Reiches zu beharren. Ebenso wenig greift der Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 (»Zum rechtlichen Fortbe-stand des „Deutschen Reichs“«).[2]
Dieses Urteil wird in der Regel falsch inter-pretiert. Gegenstand des Verfahrens war nicht die Feststellung, ob das Deutsche Reich fortbesteht oder nicht sondern der Grundla-genvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR.
Am 15. Juni 1972 nahm die damalige SPD-geführte Regierung (Bundesregierung Brandt/Scheel) Verhandlungen mit der Regierung der DDR über einem Grundlagenvertrag auf, um die Beziehungen beider deutscher Staaten zueinander für die Zeit der Teilung zu regeln.
Die Gespräche wurden für die Bundesregie-rung von Staatssekretär Egon Bahr und für die Regierung der DDR von Staatssekretär Michael Kohl abwechselnd in Ost-Berlin und in Bonn geführt. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl am 19. November 1972 standen die Verhandlungen unter großem Zeitdruck. Trotzdem konnten sich beide Seiten bereits am 8. November 1972 über den Vertragstext verständigen.[3]
Mit dem Inkrafttreten des Grundlagenvertrags war die beziehungslose Zeit zwischen den beiden deutschen Staaten beendet und bis zur Wiedervereinigung 1990 durch einen neuen „Modus Vivendi“ abgelöst worden. Der Grundlagenvertrag bedeutete jedoch keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD.
Einige Staats- und Völkerrechtler interpre-tieren diesen Grundlagenvertrag (geschlossen am 21. Dezember 1972 und am 11. Mai im Bundesstag zugestimmt bzw. 13. Juni 1973 von der DDR ratifiziert, in Kraft getreten am 21. Juni 1973) zwischen beiden deutschen Teilstaaten als das eigentliche Ende der Exi-stenz des Deutschen Reiches.
Daß das Deutsche Reich angeblich fortbe-steht wurde 1973 im Text des Urteils deutlich gemacht:
„… daß das Deutsche Reich den Zusam-menbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okku-pationsmächte noch später unterge-gangen ist“.
Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um Be-urteilungen und Interpretationen bundes-deutscher Juristen. Diese aber denken und handeln keineswegs unabhängig wie gemein-hin angenommen. Bundesverfassungsrichter handeln im Auftrag des Staates, dem sie dienen. Mehr noch. Sie gehören zu den Füh-rungseliten dieses Staates, sind in hohem Maße existentiell abhängig und gehören zu den geistigen Stützen desselben.
Wenn heutige Reichsbürger sich auf ein Urteil eben dieses höchsten Gerichts des bundes-deutschen Staates berufen und unkritisch wiederholen, daß das Deutsche Reich 1945 n i c h t untergegangen wäre wird diese Falschbehauptung dadurch nicht wahrer.
Es braucht deshalb auch keiner neuen Wiederholungen von wem auch immer, um ein Luftschloß mit Leben zu erfüllen. In der Zeit von 1945 bis 1949 existierte kein deutscher Staat.
Die Kriegssieger herrschten unumschränkt und etablierten ein brutales, hartes und unbarmherziges Besatzungsregime, dem in den Westzonen 800.000, in der SBZ etwa 600.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Nachkriegsjahre waren von allgemeiner Rechtlosigkeit, Gewalt, Übergriffen, Plünde-rungen, Enteignungen, Unsicherheit, unge-sicherter Ernährungslage, fehlender medizi-nischer Versorgung gekennzeichnet.
Angesichts dessen zu fabulieren, das Deut-sche Reich wäre 1945 nicht untergegangen sondern wäre nur handlungsunfähig gewesen ist ein ausgesprochen theoretischer Ansatz. Juristisch mag es von Belang sein anzuneh-men, daß das Deutsche Reich die Kapitulation der Streitkräfte überdauert hätte. Und bis heute ist diese Frage tatsächlich nicht ab-schließend geklärt.
Deshalb mag es auch durchaus berechtigt erscheinen, vom Fortbestehen des Deutschen Reiches auszugehen. Alle historischen Fakten sprechen jedoch gegen diese Annahme!
Die Herrschaftsgewalt in Deutschland lag ab 1945 in der Hand des sog. „Alliierten Kon-trollrates“.[4]
Die Besatzungsherrschaft wurde in erster Linie mittels einer Vielzahl von sog. Kon-trollratsgesetzen ausgeübt.
Kontrollratsgesetze sind die in den Jahren 1945 bis 1948 in Ausübung der Besatzungs-regimes der vier Siegermächte vom sog. „Alliierten Kontrollrat“ erlassenen Gesetze („zur Überwindung des Nationalsozialismus und Militarismus in ganz Deutschland“).
Die alliierte Gesetzgebung umfaßte darüber hinaus eine Reihe von Proklamationen, Be-fehlen, Direktiven und Instruktionen.
Auf dem Gebiet der Deutschen Demokra-tischen Republik wurden die Kontrollrats-gesetze durch einen Beschluß des Minister-rates der UdSSR vom 20. September 1955 aufgehoben. In der Bundesrepublik Deutsch-land blieben die Gesetze dagegen in Kraft, insofern sie nicht durch andere Bestimmun-gen aufgehoben wurden (sog. vorkonstitu-tionelles Recht).
Mit der sog. Berliner Erklärung der Vier Mächte (Juni-Deklaration der Alliierten vom 5. Juni 1945) übernahmen die Kriegssieger auch die politische Gewalt in Deutschland (Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland). In fünfzehn Artikeln wurden Forderungen formuliert, die Deutschland auferlegt wurden und sofort zu erfüllen waren.
Die vier Hauptsiegermächte deklarierten mit ihrer Vier-Mächte-Erklärung vom 5. Juni 1945 auch eine staatlich-politische Kapitu-lation Deutschlands (des Deutschen Reiches). Dieser Hoheitsakt stellt ein völkerrechtliches Novum allerersten Ranges dar, einmalig in der gesamten bekannten Geschichte.[5]
Nach Adolf M. Birke entsprach die Berliner Erklärung dem „General Instrument of Sur-render“, also den allgemeinen Kapitulati-onsbestimmungen, die die Kapitulationsur-kunden v. 7.05.1945 (Reims) und 8.05.1945 (Berlin) bzw. 9.05.1945 (Moskauer Zeit) explizit offen gelassen hatte. Hierin sei der Wille der Siegermächte zum Ausdruck gekommen, „die rechtliche Lage Deutsch-lands durch einseitige alliierte Akte zu gestalten“. Die Frage nach dessen völkerrechtlichem Zustand sei von den Zeitgenossen 1945 in ihrer Brisanz noch gar nicht erfaßt worden.[6]
Wie tiefgreifend die Gesetzgebung der Kriegssiegermächte war wird aus der Liste der Kontrollratsgesetze deutlich.[7]
Das alte Deutschland wurde 1945 ff. voll-ständig zertrümmert. Ob das Reich nach 1945 fortbestand stellt sich insofern als eine rein theoretische Frage dar, die bis heute je nach Ansatz und Interpretation von Staats- und Völkerrechtlern unterschiedlich beant-wortet und interpretiert wird.
Realistisch gesehen existierte in den Nach-kriegsjahren kein deutscher Staat. Diese These wäre ausführlich zu begründen. Als ein Beispiel und Beleg soll hier jedoch lediglich das Kontrollratsgesetz Nr. 39 genannt werden.[8]
Die Sichtweise der Reichsbürger, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überstanden hätte und per se weiter existier-te, bis heute fortbesteht und lediglich hand-lungsunfähig sei, ist deshalb möglicherweise bereits vom Ansatz her falsch.
Hilfreicher und richtiger wäre die Forderung und die Formulierung eines entsprechenden politischen Ziels, das von den Kriegssiegern geschaffene staatsähnliche deutsche Selbst-verwaltungsgebilde Bundesrepublik zu elimi-nieren und Deutschland als Staat wiederher-zustellen.
Hinsichtlich der gegebenen Rechtslage Deutschlands (Deutsches Reich) und der sog. Bundesrepublik Deutschland liegen eine Vielzahl von Ausarbeitungen, Denkschriften und Veröffentlichungen vor. Diese theoreti-schen Abhandlungen stellen primär juristi-sche, d. h. in erster Linie staats- und völ-kerrechtliche Einschätzungen und Bewer-tungen dar, die die deutsche Tragödie und die deutsche Frage jedoch nur unterschied-lich erklären und interpretieren, in keinem einzigen Falle aber einen Lösungsansatz erkennen lassen und die Existenz des Suzeränstaates BRD grundsätzlich auch nicht infrage stellen.
Staats- und Völkerrechtler erklären die staatliche Realität Deutschlands unter-schiedlich, es kommt aber darauf an, die gegebene Situation zu verändern und die vollständige Souveränität wiederherzustellen. Erstrangiges politisches Ziel muß daher die Wiederherstellung Deutschlands sein.
Wer also heute fabuliert, das Deutsche Reich bestehe fort, ist ein Narr. Mindestens aber nimmt er die historischen Tatsachen nicht zur Kenntnis. Daher noch einmal. Die norma-tive Kraft des Faktischen führte zur Zertrüm-merung Deutschlands. Dieses war das erst-rangige und vordringliche Ziel der Feind-mächte.
Zu welchem Zeitpunkt das Deutsche Reich aufgehört hat zu bestehen muß offen bleiben.
Alle nachstehend genannten Daten kommen ggf., je nach Standpunkt und Interpretation, in Betracht:
8.05.1945, Bedingungslose Kapitula-tion der Deutschen Wehrmacht (nach Auffassung der DDR und der Sowjet-union Ende der Existenz des Deutschen Reiches)
23.05.1945 Verhaftung der Reichsre-gierung (Regierung Karl Dönitz)
5.06.1945, Vier-Mächte-Erklärung (Berliner Erklärung, Juni-Deklaration) vom 5. Juni 1945,
Übernahme der Regierungsgewalt in Deutschland („Deklaration über die Nie-derlage des faschistischen Deutschland und die Übernahme der Regierungsgewalt durch die vier alliierten Staaten“)[10]
7.09.1949 Gründung der „BRD“ (Kon-stituierung von Bundestag und Bun-desrat) (die BRD wurde nicht wie zumeist falsch behauptet am 23.05.1949 mit der Verkündung des Grundgesetzes gegründet !) bzw. 7.10.1949 Gründung der „DDR“
Ende des Besatzungsregimes der West-alliierten in der Bundesrepublik (Pariser Verträge) (mit den 1955 in Kraft getre-tenen Pariser Verträgen vom 23. Okto-ber 1954 wurde das Besatzungsregime der Westalliierten in der Bundesrepublik beendet)
21.06.1973, Inkrafttreten des Grund-lagenvertrages zwischen beiden deut-scher Teilstaaten
Wir sollten Realisten sein und die geschicht-lichen Abläufe anerkennen. Leopold von Ranke erhob die Forderung, Geschichte so darzustellen, wie sie war (Ranke: „wie es eigentlich gewesen“). Dazu gehört, Realitäten anzuerkennen.
Historisch betrachtet leben wir in der Nach-periode des Großen Krieges von 1939-1945. Deutschlands Hauptziel in diesem Krieg war die Neuaufteilung der Rohstoff- und Absatz-märkte und der geopolitische Umbau Euro-pas. Nicht mit dem Ziel, die europäischen Völker zu beherrschen, sondern Europa zu befähigen, den Herausforderungen der welt-weiten Veränderungen zu begegnen.
Mit dem Sieg über Deutschland und seine Verbündeten schwangen sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion zu den neuen Weltmächten auf und beherrrschten fortan Europa. Die Sowjetunion ist Geschichte, an ihren eigenen Widersprüchen und Unzu-länglichkeiten gescheitert.
Die Allianzpartner Vereinigtes Königreich und Frankreich sind zu Mittelmächten herabge-sunken. Einzig die Vereinigten Staaten si-chern heute die Nachkriegsergebnisse ab.
Es verhält sich in der Tat so, daß alle Welt und jeder auch hier im Land so tut, als ob diese im Ergebnis der Nachkriegsordnung gegründete BRD ein normaler Staat wäre. Aber alle wissen, daß dem nicht so ist. Es ist wie mit des Kaisers neuen Kleidern. Das ist Politik. Ein dreckiges, unehrliches Geschäft, stets von politischen Interessen und deren Durchsetzung geprägt.
So lange niemand ein Interesse hat, die deutsche Frage erneut auf die Tagesordung zu setzen (bzw. anzuerkennen, daß die Deutschen selbst, indem sie die BRD zur Disposition stellen, die gegebene Nach-kriegsordnung infrage stellen), wird sich am Zustand unseres Landes nichts ändern.
In Rußland wird die Gesamtlage sehr real eingeschätzt. Deshalb auch der jüngste Vorstoß, den sog. 2 plus 4-Vertrag ggf. aufzukündigen (die Kündigung völkerrecht-licher Verträge ist ein Fall für sich und ein ausgesprochen schwieriges Feld; relativ einfach bei bilateralen Verträgen, kompliziert bis gar nicht durchführbar bei mehrseitigen Verträgen. In der Regel werden abgeschlos-sene völkerrechtliche Verträge durch die lfd. Entwicklung gegenstandslos, oder sie werden als nicht mehr gültig deklariert, d. h. politisch überholt).
Die weitaus interessantere Frage bezüglich des sog. „Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ ist, ob und inwieweit die beiden deutschen Teil-staaten überhaupt berechtigt waren, diesen Vertrag abzuschließen. Nach Auffassung der sog. BRD war diese nicht nur Rechtsnachfol-ger des Deutschen Reichs, sondern als Nach-folgestaat angeblich mit diesem identisch.
Hieraus erwächst dann die Frage, was dann die DDR eigentlich war. Der Alleinvertre-tungsanspruch der BRD war allgemein an-erkannt (sowohl im In- als auch im Ausland). Praktische Folge war, daß keine bundesdeut-sche Staatsbürgerschaft existierte, sondern nur eine deutsche Staatsbürgerschaft. Eben das war das große Defizit der DDR und der große Ärger der Pankow-Genossen.
Denn nach bundesdeutschem Recht waren Bürger der DDR (nach bundesdeutscher Auffassung) deutsche Staatsbürger, die DDR als Staat demnach nicht existent oder doch nur eine besondere Form eines Staates. Interessanterweise wurde aber seitens der DDR diesem bundesdeutschen Alleinver-tretungsanspruch nur bis Mitte der 1950er-Jahre begegnet.[11]
Da aber Verträge zu Lasten Dritter (hier des Deutschen Reiches) im Völkerrecht nicht anerkannt werden und daher ungültig sind, könnte auch der deutsche Regelungsvertrag (Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland; Zwei plus Vier-Ver-trag) als ungültig deklariert werden.
Voraussetzung hierfür wäre der Verfall der Nachkriegsordnung und die Veränderung des politischen Status quo (d. h. die Wieder-herstellung des Status quo ante).
Im gegebenen Zusammenhang aufschlußreich ist, was der ehem. US-Präsident vor fünfzehn Jahren bei einem Besuch auf der US-Basis in Rammstein äußerte (5. Juni 2009). Kein Ge-ringerer als dieser vormalige Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama erklärte in einer Rede vor amerikanischen Soldaten in Ramstein im Jahre 2009:
„Germany is an occupied country and it will stay that way.“ (Deutschland ist ein besetztes Land und wird es auch blei-ben.)[12]
Im November 2011 lieferte der spätere Bun-destagspräsident Wolfgang Schäuble, zu dieser Zeit Finanzminister, vor dem European Banking Congress in Konstanz, eine entspre-chende Bestätigung:
„… wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“[13]
Ein Nachtrag zum Zwei-plus-vier-Vertrag (1990)[14]. Kaum bekannt ist die Tatsache, daß die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs darauf bestanden, daß der Artikel 7 des Überleitungsvertrags von 1954, der alliierte Hoheitsrechte in Deutschland festschreibt, inhaltlich unverändert übernommen wurde.[15] Im Annex zum Vertrag wird darüber hinaus ausgeführt, daß die Vorbehaltsrechte insbesondere der US-Amerikaner auch wei-terhin Gültigkeit besitzen.
Es gibt demzufolge ausreichende Hinweise für die die Annahme und hinreichende In-dizien, die belegen, daß diese BRD ein be-sonderer Staat ist, jedenfalls ein Staat mit nach wie vor nur eingeschränkter bzw. kontrollierter Souveränität.
Die Frage, weshalb Rußland die ungeklärte deutsche Frage bis heute nicht politisch in-strumentalisiert ist berechtigt. Die einfache Antwort lautet, die Zeit hierfür ist noch nicht reif.
Noch dominieren die Vereinigten Staaten in Europa, erscheinen als übermächtige Macht, geopolitisch, militärisch, wirtschaftlich. Das amerikanische Jahrhundert neigt sich jedoch seinem Ende entgegen, das Imperium er-scheint überdehnt und ist nicht mehr in der Lage, die gigantischen Militärausgaben zu leisten (kaum berücksichtigt wird, daß die Vereinigten Staaten in erster Linie eine mari-time Macht sind.
Mit ihren weltweit operierenden Flotten ist US-Amerika in allen Weltmeeren präsent und in der Lage, zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort der Welt militärisch einzugreifen und zu intervenieren. Wenn sich die geopolitischen Bedingungen grundlegend ändern, wird die oben genannte Nachkriegsperiode ihrem Ende entgegengehen.
Die sog. westliche Welt, der sich der bundes-deutsche Staat zugehörig fühlt, taumelt von einer Krise zur anderen. Die de-facto-Nie-derlage im Afghanistan-Abenteuer, der fak-tische Rückzug aus dem Mittleren Osten, die sich abzeichnende Niederlage im ukraini-schen Krieg sind Indizien für die nachlassen-de Kraft des Westens und die Unfähigkeit, die Probleme der Welt zu lösen. Die Welt ordnet sich neu, künftig wird die Welt von den neuen Herausforderern China und Indien dominiert werden.
Dann, aber auch erst dann werden neue politische Rahmenbedingungen auch eine Neubewertung der deutschen Frage zulassen.
Mit dem Zusammenbruch des Sowjet-Impe-riums waren die Tage des sowjetischen Mo-dellstaates DDR gezählt. Sobald US-Amerika kollabiert (und hierfür stehen mehrere Sze-narien zur Auswahl; ein Krieg mit China, ein Währungszusammenbuch des $-Systems, eine globale Wirtschaftskrise, ein neuer Bürgerkrieg) wird auch die Existenz der sog. „BRD“ zur Disposition stehen.
Bis dahin verbieten sich im Grunde genom-men jedoch alle Spekulationen und die nicht zielführenden Diskussionen, ob das Reich nun existiert oder nicht. Das Gebot der Zeit lautet vielmehr, sich auf diese neue Um-bruchszeit so gut wie möglich vorzubereiten, materiell, existentiell und geistig-weltan-schaulich.
________________
Zitate und Quellenbelege:
Tatsächlich waren es die westlichen Besatzungsmächte, die die Entstehung des Grundgesetzes beherrschten. Sie dekretierten den Erlass des Grundgesetzes, nahmen massiv Einfluss auf seinen Inhalt und stellten sein Inkrafttreten unter den Vorbehalt ihrer Genehmigung. (Hans Herbert von Arnim in „Die Deutschlandakte“, München: C. Bertelsmann, 2008, ebda. S. 16)
Es wäre langsam an der Zeit, daß einmal grundsätzlich geklärt wird: Welche Relikte aus der Besatzungszeit gelten immer noch? Die deutsche Souveränität ist ja 1955 erklärt worden, aber sie war gleich Null (…), und das, was dann 1990 draufgesetzt worden ist, hat das auch noch nicht grundsätzlich verändert. (Interview mit Egon Bahr, in der Sendung Monitor/WDR, 7.11.2013)
Wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen. (Wolfgang Schäuble, Rede auf dem European Banking Congress, Frankfurt/ M. 18.11.2011)
Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ (Horst Seehofer in der TV- Sendung „Pelzig unterhält sich“, BR3, 20.05.2010)
Die alte Bundesrepublik war ein Protektorat Amerikas. Auch nachdem Deutschland 1990 nach eigener Definition den Zustand voller Souveränität erreicht hatte, bewahrte es seine Loyalität gegenüber der Schutzmacht ohne Abstriche (Der Spiegel, Nr. 8/ 1997)
1955 wurden die Pariser Verträge geschlossen. Damals wurde das Besatzungsstatut für Deutschland aufgehoben. Konrad Adenauer wollte seiner Bevölkerung zeigen, daß er in der Lage ist, diesen Status zu überwinden. Andererseits wollten die USA aber kaum auf ihre Rechte verzichten. Deshalb wurden Geheimverträge geschlossen, die den USA weitgehend ihre Rechte zubilligten, die sie bis 1955 hatten. Diese Geheimverträge wurden auch bei den Zwei- plus- Vier- Verhandlungen nicht aufgehoben. ( …) Es wäre schön, wenn es einen Friedensvertrag gäbe, aber ich glaube nicht mehr daran, daß er entstehen wird. (Gregor Gysi, Bundestag, Plenarsitzung, 4.09.2013)
P.S. Man findet im Netz (z.B. bei Youtube) Filmausschnitte bzw. auch die kompletten Textpassagen, aus denen hier lediglich Ausschnitte zitiiert wurden. Alle Zitate sind belegbar und quellensicher.
Th. E., Steiner Archiv Zeitgeschichte/Publizist. Archiv, Ostfalen, Norddeutschland
____________
Anmerkungen
[1] Thomas Röper verweist auf die vorgeblich weitgehend unbekannte Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (Anm.: Diese Dokumentation ist hierzulande durchaus nicht unbekannt, aber auch sie hilft nicht weiter, insbesondere nicht, weil das Urteil des BfG v. 31.07.1973 nicht das Deutsche Reich bzw. dessen Fortexistenz zum Gegenstand der Betrachtungmachte sondern den sog. Grundlagenvertrag). [Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Dokumentation Zum rechtlichen Fortbestand des „Deutschen Reichs“, Nr. WD 3 – 292/07, Berlin: Deutscher Bundestag, FB Verfasung und Verwaltung, 2007].
[2] Qu.: BVerfG, Urteil vom 31. Juli 1973, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 36. Band, 1 (15f.) = Neue Juristische Wochenschrift 1973, 1539. Das BVerfG hat in seinem Urteil zum Vertrag vom 21. Dezember 1972 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik festgestellt: Das Grundgesetz geht davon aus, „daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist“. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern „ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger’ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich’, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht.“ Das BVerfG hat diese Rechtsprechung seit der Wiedervereinigung nicht geändert. Mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 ging die Deutsche Demokratische Republik im Rahmen einer sogenannten Staateninkorporation unter. Das Territorium der Bundesrepublik erweiterte sich um das Gebiet der neuen Bundesländer. Am Fortbestand des Deutschen Reichs in der Gestalt der Bundesrepublik Deutschland änderte sich durch den Beitritt nichts. (weiterführend: Ingo von Münch: Deutschland: gestern – heute – morgen – Verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Probleme der deutschen Teilung und Vereinigung, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 865).
Siehe auch: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Dokumentation Zum rechtlichen Fortbestand des „Deutschen Reichs“, Nr. WD 3 – 292/07, Berlin: Deutscher Bundestag, FB Verfasung und Verwaltung, 2007.
[3] Gegen die überwältigende Mehrheit der CDU/CSU-Opposition stimmte die Regierungskoalition am 11. Mai 1973 dem Grundlagenvertrag im Bundestag zu. Nachdem er auch den Bundesrat passiert hatte, konnte der Vertrag am Juni 1973 in Kraft treten. Aus Sicht von CDU und CSU gab die Bundesregierung damit das Ziel der Wiedervereinigung auf.
[4] Alliierter Kontrollrat, gegründet am 5.06.1945 (Berliner Viermächteerklärung). Der Alliierte Kontrollrat beschloß bis 1948 in über 80 Sitzungen über einhundert Proklamationen, Gesetze, Befehle, Direktiven und Instruktionen für die vier Besatzungszonen. Die drei alliierten Militärgouverneure für die westlichen Besatzungszonen waren der französische General Pierre Koenig (* 1898, † 1970, Militärgouverneur 1945–1949), der britische General Brian Robertson, * 1896, † 1974, Militärgouverneur 1947–1949) und der US-amerikanische General Lucius D. Clay (* 1898, † 1978, Militärgouverneur 1947–1949). Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland trat am 30. Juli 1945, während der Konferenz von Potsdam, zu seiner ersten Sitzung zusammen. Der Alliierte Kontrollrat trat als Souverän über Deutschland letztmalig im Jahre 1990 zusammen.
[5] Qu.: Adolf M. Birke: Nation ohne Haus. Deutschland 1945–1961. Berlin: Siedler, 1994, S. 42; ähnlich Joachim Rückert: Die Beseitigung des Deutschen Reiches – die geschichtliche und rechtsgeschichtliche Dimension einer Schwebelage. In: Anselm Doering-Manteuffel (Hrsg.): Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts (= Schriften des Historischen Kollegs, Bd. 63), München: Oldenbourg, 2006, S. 77 (abgerufen über DeGruyter Online).
[6] Vgl. Joachim Rückert: Die Beseitigung des Deutschen Reiches – die geschichtliche und rechtsgeschichtliche Dimension einer Schwebelage. In: Anselm Doering-Manteuffel (Hrsg.): Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. München: Oldenbourg, 2006, S. 77 sowie Adolf M. Birke: Nation ohne Haus. Deutschland 1945–1961. Berlin: Siedler, 1994, S. 42.
[7] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kontrollratsgesetz
[8] Gesetz Nr. 39 vom 30. Oktober 1946: Erkennungsflagge, welche alle deutschen und ehemals deutschen Schiffe zu führen haben, die der Alliierten Kontrollbehörde unterstehen.
[9] Erst seit Mitte der 1950er Jahre vertrat die DDR die Debellationstheorie und datierte den Untergang des Deutschen Reiches auf den 8. Mai 1945, den Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Mit Gründung der Bundesrepublik und der DDR 1949 seien dann zwei neue Staaten entstanden. Die DDR ging anfangs jedoch vom Fortbestand des Deutschen Reiches aus und vertrat zunächst die Auffassung, mit ihm identisch zu sein, woraus sie urspr. einen Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland herleitet (formuliert von Wilhelm Pieck, Präsident der DDR, in seiner Antrittsrede vom 11. Oktober 1949 anläßlich der Gründung der DDR). Bis Mitte der 1950er- Jahre vertrat die DDR dann die Theorie einer Teilidentität mit dem Deutschen Reich.
[10] In der Präambel der Erklärung (vollständiger Titel: [Berliner Deklaration] heißt es: Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt („supremeauthority“) hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik[2]) stellen die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich fest, daß die deutschen Streitkräfte vollständig geschlagen seien und Deutschland sich allen Forderungen unterwerfe, die ihm jetzt oder später auferlegt würden. Es gebe außerdem in Deutschland keine zentrale Regierung oder Behörde, die in der Lage sei, die Ordnung aufrechtzuerhalten, das Land zu verwalten und die Forderungen der Alliierten zu erfüllen. Sie hätten daher die oberste Regierungsgewalt in Deutschland übernommen, inklusive der Befugnisse der Regierung, des OKW, der Länder sowie der Städte und Gemeinden. Sie kündigten an, „die Grenzen Deutschlands oder irgendeines Teiles Deutschlands und die rechtliche Stellung Deutschlands oder irgendeines Gebietes, dasgegenwärtig einen Teil deutschen Gebietes bildet“, später festlegen zu wollen. Eine Annexion Deutschlands sei damit nicht verbunden.
Qu.: Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik.
In: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland. Berlin 1945, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 7–9 (online [abgerufen am 8. Mai 2016]).
Anm.: Mit dieser Erklärung nahmen die USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich die Hoheitsgewalt in Anspruch, gemäß Präambel der Erklärung vorrangig, um die Ordnung im besetzten Deutschland wiederherzustellen.
[11] Die DDR ging anfangs vom Fortbestand des Deutschen Reiches aus und vertrat zunächst die Auffassung, mit ihm identisch zu sein, woraus sie einen Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland herleitete. (formuliert von Wilhelm Pieck, Präsident der DDR, in seiner Antrittsrede vom 11. Oktober 1949 anläßlich der Gründung der DDR). Später ging sie dann von einer Teilidentität mit dem Deutschen Reich aus. Ab Mitte der 1950er Jahre vertrat sie die Debellationstheorie und datierte den Untergang des Deutschen Reiches auf den 8. Mai 1945, den Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Mit Gründung der Bundesrepublik und der DDR 1949 seien dann zwei neue Staaten entstanden.
[12] Anm.: Dieses Zitat ist durch keine Quelle belegbar. Die bundesdeutschen Medien bestreiten die Echtheit dieses Zitates. Allein die Existenz der US-amerik. Luftwaffenbasis, die Existenz exterritorialer Gebiete auf dem Territorium der BRD, die Existent des US-amerikanischen Nachrichtendienstzentrums in Wiesbaden-Erbenheim (Consolidated Intelligence Center CIC; deutsch: Vereinigtes Nachrichtendienstliches Zentrum) und die Existenz von US-Flugkorridoren im Luftraum der BRD sind ausreichende Indizien für die eingeschränkte Souveränität dieser BRD.
[13] Wolfgang Schäuble in einer Rede am 18.11.2011, vor dem 21. Europäischen Bankenkongress, in Frankfurt/Main.
[14] Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 (in: BGBl. II,. 1318). In Kraft seit dem 15. März 199 (BGBl. II, 585).
[15] Der Artikel 7 legte fest, daß die Urteile und Entscheidungen der alliierten Gerichte nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam bleiben, das heißt, sie haben die gleiche Wirkung wie rechtskräftige Urteile von deutschen Gerichten.