1923: Deutsche Sangesfreudige gründen die Singwochen
Donnerstag, 25. Dezember 2025 von Adelinde
Die Musik-„Kultur“ im Deutschen Volk ist heute geprägt von dem „Sound“ aus allen Rohren, der bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen in einem Land, das einst für die Welt gesungen hat, aus den Kassetten daheim, im Auto, in Kauf- und Gasthäu-sern den Deutschen aufgedrängt wird. Eine Qual für kulturliebende Menschen!
Bereits nach dem 1. Durchgang des Weltkrieges gegen das Deutsche Reich, im Jahre der wahnsinni-gen Inflation 1923, als ein großer Teil des Deutschen Volkes sich noch seiner Kultur bewußt war und an den unfaßlichen Forderungen des Versailler Zerstö-rungsdiktats litt, teils verhungerte, fand erstmalig eine Singwoche statt, ins Leben gerufen von Walther Hensel.
Wer war Walther Hensel? Zeitzeugen berichten:
Walther Hensel ist einer der Mitbegründer des deutsch-böhmischen Wandervogels, … geb. 1887 in Mährisch Trübau, gest. 1956 in München.
Walther Hensel war außeror-dentlich begabt. Er hatte das absolute Gehör und soll mehr als 20 Sprachen beherrscht haben, auch die für Deutsche schwer erlernbaren Sprachen im finn-ugrischen Sprachkreis (finnisch, ungarisch). Mit fanatischem Eifer begann er mit der Transkription von Liedern, die ihm seine Mutter und Großmutter vorgesungen haben …
Danach sammelte er die Volkslieder seiner Heimat, dem Schönhengstgau, dann Lieder in Franken und Kärnten. Volkstumsfahrten mit Wandervogelgruppen führten ihn wenig später durch ganz Europa.
Seine besondere Liebe galt Finnland. Überall sammelte er Volkslieder, transkripierte sie und übersetzte sie später in die deutsche Hochsprache. Seine – nach der Vertreibung an seinem letzten Wohnort Teplitz leider ver-schollene – Sammlung soll mehr als eine Million Volkslieder und Musikstücke umfaßt haben.
Walther Hensel war Lehrer und wurde später Hochschullehrer, zuletzt in Stuttgart. Da er völlig apolitisch war, konnte man ihn so gut wie nicht in die Schul- und Hochschularbeit des III. Reiches eingliedern.
Doch die zuständigen Machthaber erkannten seine Bedeutung und alimentierten seine musikwissenschaftliche Arbeit. Während des Krieges lebte Walther Hensel als Privatwis-senschaftler in Teplitz, das Kriegsende über-raschte ihn bei einem Besuch seiner Schwie-gereltern in Landshut.
Walther Hensel war dann noch kurze Zeit im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege tätig, lebte aber in seinen letzten Lebensjah-ren völlig verarmt und ohne Einkommen seinen privaten musikwissenschaftlichen Studien.
Er wurde mit dem Großen Sudetendeutschen Kulturpreis 1956 ausgezeichnet, kurz danach starb er im gleichen Jahr. Die Dotation des Kulturpreises habe – so erzählte seine Toch-ter Hildegard – gerade für die Beerdigungs-kosten gereicht. Er wurde am Münchner Waldfriedhof beerdigt, sein Grab wird von der Walther-Hensel-Gesellschaft gepflegt.
Lieder aus der Sammlung Walther Hensels gingen in die Musikerziehung der Schulen ebenso ein, wie in den Liedschatz von Ju-gendgruppen und Chören. Sie nahmen Ein-fluß auf das Schaffen von Werner Gneist, Fritz Jöde, Caesar Bresgen und auf das vieler anderer Komponisten.
Er war befreundet mit vielen, die seine Ge-danken aufnahmen. So entwarf er mit seinem Freund Kiem Pauli das 1. Alpenländische Preissingen (Information Erich Sepp, Volks-musikreferent im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege).
Schon bald bekämpfte Walther Hensel die falsche Sentimentalität und das Pathetische der Biedermeierzeit und teilte die gesammel-ten Volkslieder entsprechend ihrer Qualität in „sehr schön“, „mittelmäßig“ und „nicht zu singen“ ein.
Bis heute ist Walther Hensel mit der Finken-steiner Singbewegung in der Erforschung und Pflege der Volkslieder Europas von großer Bedeutung. Mit seinen Freunden aus der Singbewegung entwickelte er die größte Breitenarbeit aller Zeiten bis heute. Die Überlieferungen werden in der Walther-Hensel-Gesellschaft gepflegt und doku-mentiert.
Walther Hensel konnte mit seiner Form des Singens und Musizierens tausende junge Leute begeistern. Zusammenkünfte in Mährisch Trübau, Mährisch Schönberg, Neutitschein und anderen Orten hatten oft mehr als 500 Teilnehmer, die das Erlernte dann in ihren Jugendgruppen, Schulen und Chören verbreiteten.
Immer wieder lud Walther Hensel in sudeten-schlesische und mährische Städte zum ge-meinsamen Singen ein. So entwickelte er die Form des Offenen Singens, die bis heute eine gern und oft geübte Veranstaltung im Ju-gendsingen Europas ist und besonders in der Sudetendeutschen Jugend (SdJ) gepflegt wurde.
Wandervogelfreunde wie Siegfried Knirsch, Sepp Großschmidt und andere übersetzten diese Form des Zusammenkommens in große Volkstanzfeste.
Aus dem ersten Finkensteiner Wandervogel-treffen entwickelte sich unter Walther Hensel die heute in der ganzen Welt bekannte Form der Singwochen.
Walther Hensel verbreitete Volkslieder zuerst in Liedblättern, dann in Liederbüchern. Ein Meilenstein für die europäische Singbewe-gung ist sicher auch die in Finkenstein be-gonnene Freundschaft mit Hans Breuer.
Breuer übernahm Hensels Liedblätter zum Druck. Mit Hensels Liedblättern und Lieder-büchern gründete er den Bärenreither-Verlag, der heute noch einer der größten und bedeu-tendsten Musikverlage in Deutschland ist.
In dem Rundbrief vom Dezember 2025 der Wather-Hensel-Gesellschaft lesen wir einen Bericht von Dr. Hans Klein von der „Finkensteiner Singwoche“ 1923 und erfahren von dem Aufbruch in einem niederge-machten Deutschland vor 102 Jahren:
Nun ist die Finkensteiner Singwoche – die erste ihrer Art – vorüber und die achtzig Teilnehmer sind längst nach allen Himmels-richtungen in ihre Heimatgaue zurückge-kehrt.
Daß ihnen allen die Singwoche ein unvergeß-liches Erlebnis bedeutet, aus dessen Geden-ken ihnen noch lange Freude und Kraft quellen wird, das steht außer allem Zweifel.
Wir müssen uns aber am Schlusse dieses Berichtes fragen, welchen bleibenden Gewinn die Finkensteiner Woche gezeitigt hat.
Sie hat zunächst bewiesen, daß unser Volk noch nicht allen Zusammenhang verloren hat mit der Zeit, in der der deutsche Volksgesang auf einer vorher und seither unerreichten Höhe stand: mit dem 16. Jahrhundert.
Wie überall Hans Sachs im Spiel der Wander-vögel wieder auflebt und mit seinen unver-wüstlichen Schwänken und Fastnachtspielen genau so urlebendig wirkt wie vor vierhun-dert Jahren, so steht es auch mit dem uner-schöpflichen Schatz mehrstimmiger Ge-sangsmusik, den uns jene Zeit hinterlassen hat.
Wenn auch uns Deutschen in den späteren Jahrhunderten durch den Einfluß der italieni-schen Opernmusik der polyphone Stil fast ganz verloren gegangen ist: der Sinn für diesen Stil ist immer noch in uns vorhanden.
Es ist kein kalter Historizismus und keine romantische Altertümelei, was uns zu diesen Werken hingezogen hat; aus dem deutschen Volkslied erwachsen, deutsch in Inhalt und Form, sind sie im reinsten Sinne ein Spiegel unserer Volksseele und darum zeitlos und ewig jung.
Und so wie wir achtzig Finkensteiner in tiefer Ergriffenheit diesen Ewigkeitswert nicht er-kannten, nein, erlebten – so wird unser Volk mit offnem Herzen diese Kunst aufnehmen und an ihr gesunden; es muß nur einmal der Anfang gemacht werden.
Welch wichtige Worte in unserer Zeit 102 Jahre da-nach, da unser Volk in seiner Mehrheit noch tiefer als für möglich gehalten von seiner Seele entfremdet lebt. Darüber hinaus ist das gemeinsame Singen der echten Volkslieder gemeinschaftsbildend, so Hans Klein:
Wir waren doch achtzig durch Alter, Beruf, Heimat und Stammeszugehörigkeit ver-schiedene Menschen, die in Finkenstein zusammenkamen, und doch hat das ge-meinsame Musikerlebnis uns zu einer brüderlichen Gemeinde verbunden, in der alles Trennende schwieg und nur der gleichgerichtete Wille aller sprach.
Freilich vermag nur reine und hohe Kunst diese gemeinschaftbildende Kraft zu üben. Wenn wir heute nach Wegen suchen, auf denen wir die hundert auseinanderstre-benden Teile unseres Volkes zur Volksge-meinschaft führen könnten, so finden wir hier einen Wegweiser:
Wir müssen dafür sorgen, daß reine und hohe Kunst ins Volk getragen werde. Mit „populä-ren Konzerten“ ist nichts geleistet; denn mit der modernen Konzertmusik kann unser Volk nichts anfangen.
Nur ein Volksgesang, der aus dem Volkslied erwächst und an den Chorgesang des 16. Jahrhunderts anknüpft, vermag die Kluft zu überbrücken, die seit Jahrhunderten die Musik der „Gebildeten“ von der des Volkes trennt.
… Unser ganzer Volksgesang muß sich von dem Ungeist der Unterhaltungsmusik los-reißen. Musik ist unter allen Künsten die-jenige Kunst, die am tiefsten und unmittel-barsten von Herz zu Herzen spricht; sie zu Unterhaltungszwecken zu mißbrauchen, ist ein Frevel.
Keine vermag wie sie zu erheben, keine vermag wie sie die wunderbarsten Geheim-nisse unseres Seelenlebens auszusprechen. Daß sich heute eine solche Sündflut minder-wertiger Musik täglich und stündlich und überall über unser Volk ergießt, das ist ein deutliches Kennzeichen unsres Zeitalters, das nichts Geistiges kennt, das nur dem groben materiellen Genießen zugewendet ist.
Es ist das Zeitalter, das den Krieg und den Zusammenbruch gezeitigt hat. Aber dieses Zeitalter neigt sich seinem Ende zu. Wer sähe nicht allerorten die verheißungsvollen Keime einer besseren Zukunft?
Wir glauben an eine Wiedergeburt unseres Volkes und sind von der Überzeugung durchdrungen, daß bei dieser Wiedergeburt der Musik eine Führerrolle zukommt.
Denn die reine und hohe Musik, die wir pflegen wollen, die wird unsere Herzen wieder zu ewigen und ernsten Dingen stimmen, die wird uns wieder tiefer und reiner fühlen lehren und unsern Mut zum rechten Tun entflammen.


Es läßt auf die Fertigkeit der Hintergrundmacht schließen und zwingt uns zur Selbstkritik, wie es diese Schattenmacht schafft, Schönes zu vernichten und durch Minderwertiges und Häßliches zu ersetzen, zu bestimmen, was Mode ist. Schauen wir uns um:
Architektur, Modedesign bei Möbeln und Kleidung, Musik, Malerei, Literatur sind entartet, hätte es zu Adolfs Zeiten geheißen. Wie konnte das passieren? Man kann ja nicht einfach sagen, daß sie sich dem Wettbewerb entziehen, tun sie nicht. Sie halten seit Jahrzehnten Minderwertiges dagegen, und die Masse folgt nicht der angebotenen Schönheit, sondern folgt dem satanisch Entstellten, Formlosen, Schrillen.
Ich nenne es den Angriff auf unsere Seele. Das Häßliche um uns herum macht uns seelisch kaputt. Gerade zu Weihnachten ist zu beobachten, daß die Menschen entweder keine Dekoration mehr haben oder grottenhäßliche. Lila Christbaumkugeln, Elche, Rentiere, Lichtschläuche. Ich bekam zwar 2 selbstgebrannte Holzbrettchen und eine selbstgemachte Süßspeise, aber in einem Tütchen mit „Marry Chrismas“ auf einer seelenlosen weißen Tüte.
Haben wir keine Gegenwehr? Sowas Seelenloses wird also vorgezogen dem Künstlerischen und Geschmackvollen? Und keine Gegenwehr? „Volkslieder sind nicht mehr zeitgemäß“, lernten wir medial vor 50 Jahren. Und wer bestimmt das? Eine dumme nichtsnutzige Gestalt wie Claudia Roth im Kreise ihrer ebensolchen Schar der Grünen? Ein Virus, eingesetzt von der Schattenmacht in ganz Europa. Eine Hochkultur wurde schleichend und ohne Gegenwehr zerstört. Eine Bekannte fragt beim Einkaufen eines Gegenstandes, wie Karte oder Dekoration regelmäßig ratlos den Verkäufer: „Gibt es das auch in schön?“ Und das seit gefühlten 25 Jahren.
Ich unterschreibe jedes Wort des oben Gesagten! Dazu darf ich über einige kleine Erlebnisse der letzten Tage berichten:
Wir waren eingeladen zu einer Weihnachtsfeier in einem Altenheim, wo ein Chor auftrat, dessen Programm zur Hälfte aus englisch-amerikanischen Liedern bestand. Ich muß zugeben, daß es auch traditionelle englische Weihnachtslieder gibt, die Freude beim Mitsingen machen. Doch viele dieser Lieder haben nicht die Tiefe und Innigkeit, die die meisten deutschen Weihnachtslieder – unabhängig von ihrem christlichen Inhalt – haben. Das Abschiedslied „Felice Navidad“ ist vielleicht ein fröhliches Lied, wie es sich für ein Geburtstagslied ja auch gehört. Aber erstmal ist das mit dem Geburtstag Jesu zu Weihnachten ohnehin eine rein kirchliche Legende, und zweitens entspricht dieses eher ausgelassene Lied überhaupt nicht der Deutschen Mentalität. Aber wir müssen ja locker werden. So jedenfalls eine der Botschaften, mit denen man unsere deutsche Kultur ständig diffamiert. Abgesehen davon zeugt es von vollkommener Unkenntnis unseres Volksliedgutes, denn selbstverständlich verfügen wir – ganz im Gegensatz zu dieser unterschwelligen Botschaft – über jede Menge lustiger, lebendiger, frohsinniger Lieder von Geist und Humor, der mitunter auch mal deftig sein kann. Daß dann die Mitarbeiter des Altenheims allesamt mit irgendwelchen ulkigen, eher karnevalesken Kopfbedeckungen herumliefen, erübrigt sich fast zu erwähnen. Es belegt nur den kommerziellen Geist, der immer mehr unser traditionelles Weihnachten verungeistigt und verdrängt.
Das zweite Erlebnis war das mittlerweile traditionelle offene Weihnachtssingen mit kleinem Posaunenchor in unserer Straße. Hier dasselbe Bild: Die Hälfte verjazzte Lieder aus der typischen Ami-Sphäre. Eine Reihe deutscher Lieder natürlich – aber die meisten Leute konnten sie nicht mitsingen, was auch schon mal anders war. Und das war’s dann diesesmal leider. Eigentlich schade! Denn die Leute haben sehr wohl ein großes Interesse an unseren alten Weihnachtstraditionen. Aber sie können vielfach die Liedtexte nicht mehr, und das Bewußtsein der Musikvereine, Chöre, Spielgruppen usw. ist meist auch nicht viel besser.
Das dritte kleine Erlebnis verlief ganz anders – und ebenfalls in unserer Nachbarschaft: Erstmal fand es in einer größeren, leicht umdekorierten Garage statt, die uns ein Nachbar zur Verfügung gestellt hatte. Dann gab es ein kleines Programm von zehn klassischen deutschen Weihnachtsliedern, die von zwei Flötenspielern mehrstimmig begleitet wurden. Auch waren Liederhefte verteilt worden, so daß alle kräftig mitsingen konnten; zwischendurch trugen ältere Nachbarn kleine, z.T. selbstverfaßte Gedichte vor. Knapp 40 Personen drängten sich in und vor der Garage, Kinder, zahlreiche Erwachsene und Alte, und alle waren sehr fröhlich. Es wurden Kekse genascht und Glühwein getrunken. Die Kleinen bekamen Kinderpunsch.
Nach Schluß gab noch ein Sänger aus Kalifornien eine kleine Darbietung. Aber naja, er konnte zwar wirklich gut singen, aber er traf aus meiner Sicht leider gar nicht die richtige Atmosphäre. Ein erstklassiger Stilbruch. Das war dem Sänger selber natürlich nicht bewußt.
Als Stilbruch empfand ich allerdings auch das Standardlied „In der Weihnachtsbäckerei“, das heute an jeder Schule geträllert wird. Ein typischer Text, der durchtränkt ist vom Geist der antiautoritären Erziehung. Kindern macht er natürlich großen Spaß. Aber mit Weihnachten hat das natürlich gar nichts zu tun. Aber, na ja. Man kann eben nicht alles auf einmal erwarten.
Alle diese Dinge beweisen, daß der Volksgeist zwar noch immer lebendig ist, aber die kulturelle Umerziehung ist mittlerweile schon weit fortgeschritten. Trotzdem sehe ich noch Ansätze. Es ist noch nicht alles verloren, und trotz Überformung sind bei vielen noch alte Sehnsüchte lebendig, die nur darauf warten, aus ihrem Schlummer aufgeweckt zu werden.
Allen Kameraden und Freunden noch weiterhin frohe und besinnliche Weihnachten bzw. Rauhnächte.