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Jetzt ist er pensioniert.

Gottfried Mahlke

Gottfried Mahlke

Aber als Pastoralpsychologe und Supervisor in der Klinischen Seelsorgeausbildung an der Medizinischen Hochschule in Hannover konnte der ehemalige Pastor der Gartower Kirche

Gottfried Mahlke

reiche Erfahrung sammeln auch im medizinischen Bereich. Und so hielt er im Kulturverein Gartow vor zwei Tagen seinen Vortrag über

Organspende – Organtransplantation – Hirntod.
Medizin-Ethik-Religion

Aufgefallen bei seinen Vorträgen wie Predigten, die ich miterlebt habe, ist mir, daß er sein eigenes Wahrnehmen, Empfinden und Denken mit einbringt. Er “predigt” nicht, will den Leuten nichts “beibringen”, sondern läßt seine Zuhörer auf Augenhöhe seine Erfahrungen und Überlegungen mitverfolgen.

So begann er seine Darlegungen mit den Worten:

Ich will Sie ins kalte Wasser werfen. Was würden Sie tun, wenn …

Damit forderte er uns auf, uns mit den Nachbarn zur Linken und zur Rechten auszutauschen über das Für und Wider einer Entscheidung, die wir fällen würden, wenn es bei uns an der Haustür klingelte und uns gesagt würde:

Ihr kleiner Enkel hatte einen Verkehrsunfall. Er ist hirntot. Wären Sie mit einer Organentnahme einverstanden?

Unsere Antworten fielen gegensätzlich aus. Die einen gaben ihre Zusage, die andern lehnten ab.

In der Wirklichkeit hätte die unvorbereiteten Großeltern ein tiefer Schock getroffen, aus dem heraus sie hätten mit “Ja” oder “Nein” antworten sollen. In einem solchen Falle wäre die Entscheidung ungleich schwerer gefallen.

Im Gegensatz zu den Empfängern von Organen,

die lange auf eine Transplantation gewartet haben, trifft die Angehörigen von Unfallopfern, die hirntot sind, die Frage schlagartig in einer Situation tiefsten Leides.

Entscheidungen dieser Art müssen Menschen erst seit 1968 treffen, nachdem am 3. Dezember 1967 einer südafrikanischen Transplantationsgruppe unter der Leitung von Christiaan Barnard die weltweit erste Herztransplantation am Groote Schuur Hospital in Kapstadt “gelungen” war. Der Patient Louis Washkansky überlebte mit dem fremden Herzen ganze 18 Tage.

Nach diesem “Erfolg”, zu dem Voraussetzung ein lebendes Organ gewesen war, geriet die medizinische Welt in Wettbewerbsstimmung. Was Barnard in einem totalitären Staat durchführen durfte, war in demokratischen Staaten rechtlich nicht möglich. Sie hatten alle Mittel der ärztlichen Kunst aufzubieten, so auch die Herz-Lungen-Maschine, um Menschen, auch Sterbende, solange wie möglich am Leben zu erhalten. Vielfach bedeutete das, daß man den Menschen einen natürlichen und würdigen Tod versagte. Die Maschinen abzustellen, galt als Mord. Aus diesem Zwiespalt fand man lange nicht heraus.

Was bisher verboten war, mußte also angesichts des Barnardschen Erfolges und des “Fortschrittes” in der Medizin irgendwie umgangen werden. So kam es 1968 zur Erfindung des Begriffes “Hirntod” und zur Verabredung, einen Menschen für tot zu erklären, wenn sein Gehirn keine Tätigkeit mehr aufweist. Danach war weltweit der Weg frei, Menschen, deren Sterbevorgang durch Apparate künstlich gestoppt wird, Organe zu entnehmen, nachdem ihr Gehirn kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben hat.

Was heißt hirntot?

In der Schrift der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) – herausgegeben von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung “Kein Weg zurück …” wird u. a. mittels Aufnahmen von Gehirnen gezeigt, wie das Gehirn eines Hirntoten sich von dem eines Gesunden unterscheidet:

Hirntod: Da das Gehirn nicht mehr durchblutet wird, gelangt der radioaktive Stoff nicht ins Gehirn

Hirntod: Da das Gehirn nicht mehr durchblutet wird, gelangt der radioaktive Stoff nicht ins Gehirn (DSO)

Normalbefund: der venös eingespritzte radioaktive Stoff zeigt die Durchblutung

Normalbefund: der venös eingespritzte radioaktive Stoff zeigt das durchblutete Gehirn (DSO)

Gehirn-CT

Sehr deutlich sieht man in diesem CT die Teildurchblutung des Kopfes, die unterhalb des Gehirns aufhört (DSO)

"Abbruch der Durchblutung beim Eintreten der Gefäße ins Schädelinnere" (DSO)

"Abbruch der Durchblutung beim Eintreten der Gefäße ins Schädelinnere" (DSO)

"erhaltene Durchblutung aller Hirngefäße im Schädelinneren" (DSO)

"erhaltene Durchblutung aller Hirngefäße im Schädelinneren" (DSO)

Aus dem Hirntod gibt es somit – im Gegensatz zum Koma – wirklich “Keinen Weg zurück” (s. o.). Damit ist jedoch die Frage nicht beantwortet:

Ist der Hirntote wirklich tot?

Mahlke schilderte, um sich und uns näher an das Problem heranzuführen, sein Ersterlebnis mit dem Fall einer Hirntoten:

In seiner Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover wird er als Pastor gebeten, ein Ehepaar seelsorgerisch zu begleiten, das entscheiden soll, ob die 28-jährige hirntote Tochter ihre Organe spenden soll oder nicht.

Nun hört er – wohlwollend und zugewandt – der Beratung der Eltern zu, ohne ihnen sein eigenes Urteil zu erkennen zu geben und ohne Partei zu ergreifen, um dem Ehepaar zu ermöglichen, gemeinsam eine wirklich eigene Entscheidung zu treffen. Er hatte dabei eine Spannung auszuhalten, die er – wie er sagte – sein ganzes Leben nicht wieder vergessen werde.

Schließlich kommen die Eltern zum Ergebnis: Nein. Die Tochter soll zur Ruhe kommen. Klug fragt der Pastor: “Soll ich das der Ärztin sagen?” Antwort: “Nein, das sagen wir ihr selber.” Eine rundum eigene Entscheidung also ist getroffen, die die Ärztin feinfühlig schlicht hinnimmt.

Die Frage des Pastors: “Soll ich noch mit Ihnen bei Ihrer Tochter ein Gebet sprechen?” wird bejaht. Nun tritt er in das Krankenzimmer der Hirntoten und ist überwältigt von ihrer Schönheit, die – mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine – atmet und deren Herz schlägt. Ihm ist, als müßte er mit dem Bibelvers sagen:

Mägdlein, ich sage dir, stehe auf.

Nach dem Gebet verlassen alle drei das Zimmer. Als sie nach 1 Stunde in das Zimmer zurückkommen, liegt an Stelle der Schönheit eine Leiche. Die Apparate sind abgeschaltet. Eine tiefe Verwandlung hat sich zugetragen.

Eine wirkliche Tote sieht anders aus als eine Hirntote!

Wann ist jemand tot?

Das ist die Frage, die sich hier auftut. Mahlke sagte treffend, unser natürliches Empfinden könnten wir nicht übergehen: Tot ist, wer kalt und steif ist, nicht mehr atmet und dessen Herz stillsteht:

Ein warmer, pulsierender Körper ist nach unserer Erfahrung nicht tot.

Hirntote sehen so aus, daß wir sie für lebendig halten, obwohl ihr Gehirn unwiederbringlich zerstört ist. Ohne Einsatz der Maschinen und Medikamente, mit denen man Menschen mitten im Sterbeprozeß künstlich daran hindert, den Weg zum Tode zu Ende zu gehen, würden kurze Zeit nach Aussetzen der Hirntätigkeit auch alle andern Organfunktionen zusammenbrechen.

Die Richtigkeit der allgemeinen Ansicht unter Medizinern, der Mensch sei einzig und allein durch sein Gehirn bestimmt, zweifelt Mahlke an. Das und

die Hirntod-Definition hat auch mit Naturwissenschaft nichts zu tun.

Ja, er wirft den Kirchen beider Konfessionen vor, dieser Definition nicht widersprochen zu haben. Auf einer Tagung in Loccum sei man unter Theologen übereinstimmend zu der Überzeugung gekommen, man dürfe Organe verpflanzen.

Die Havard-Universität hat sich weltweit durchgesetzt.

In Wirklichkeit wissen wir viel zu wenig über die Wirkungen der anderen Organe auf die Ausprägung der Persönlichkeit. Beim Hirntoten ist z. B. das “Lazarus-Syndrom” intakt: Legt man ihm ein Kissen unter den Kopf, hebt er die Arme, um den Helfer zu umfassen. Oder bei der Narkose, die man dem Hirntoten vor der Organentnahme verabreicht, steigt sein Blutdruck.

Über seine Leidensfähigkeit wissen wir nichts.

Schon Sigmund Freud erkannte, daß mindestens 80% unseres Lebens sich im Unbewußten abspielt. Bis heute wissen wir nicht, wo das Bewußtsein liegt:

Nur im Gehirn?

Bei der Definition des Menschen über sein Gehirn müßte man auch bei Abtreibungen zu ganz neuen Abgrenzungen kommen: Das Gehirn des werdenden Kindes im Mutterleib ist nicht voll entwickelt, somit wäre es nach obiger Definition noch kein Mensch.

In der Aussprache wies eine Dame auf das individuell besonders gestaltete Genom eines jeden Menschen hin, das sich in jeder seiner Zellen findet, und fragte sich, welchen Einfluß ein Organ mit dem Genom eines anderen Menschen im Organismus des Transplantierten habe. Darauf berichtete Mahlke von Beobachtungen tatsächlicher Persönlichkeitsveränderungen bei Transplantierten.

Nach diesen nachdenklichen Erörterungen war es allen Anwesenden wohl leicht möglich, Mahlke darin zu folgen, sich für die “enge Zustimmungslösung” einzusetzen, die besagt, daß jeder Mensch einzig und allein selbst bestimmt, ob er im Falle seines Hirntodes seine Organe entnehmen lassen will. Hier Druck auf die Menschen auszuüben, hält er für unethisch.

Mahlke machte noch auf die in Deutschland bestehende Reanimationspflicht aufmerksam. Vor derartigen Maßnahmen kann im Notfall noch nicht einmal eine Patientenverfügung den Menschen retten.

Adelinde

Mir graust vor diesen Auswüchsen des Medizinbetriebes:

  • Sie entstammen einem materialistischen, mechanistischen Machertum, das die Schöpfung entgöttlicht.
  • In einem bestimmten Stadium des Sterbens wird der Sterbende als Hirntoter an der Vollendung seines Sterbens maschinell gehindert, um – degradiert zur Sache – als Organbank zu dienen.
  • Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit ist übergangen.
  • Der empfangende Organismus muß überlistet, in seinen Abwehrreaktionen niedergedrückt werden, damit das fremde Organ am Leben bleibt und seine Arbeit tun kann.
  • Ein Organ ist kein lebloses Ersatzteil. Was wissen wir um sein Seelenleben?
  • Verbrechen ungeahnter Art und ungeahnten Ausmaßes sind Tür und Tor geöffnet. Menschen verschwinden, werden ausgeschlachtet. Der Organhandel blüht.
  • Die Krankenversicherungen erhöhen ununterbrochen die Beiträge, weil die Kosten des Medizinbetriebes explodieren.
  • Pharmariesen und Krankenhaus-Konzerne sind die Profiteure, die auf Gewinnmaximierung ihrer Geschäfte aus sind. Der Hippokratische Eid ist in Gefahr, in Vergessenheit zu geraten.

Ich bin dafür, daß wir Menschen uns besinnen, eigenverantwortlich mit unserer Gesundheit umgehen und unseren Körper als das Wunder der Natur erkennen, das er ja in Wirklichkeit ist. Er ist keine Maschine. Wenn er krank wird, weist er uns auf unsere Konflikte hin, die es zu lösen gilt.

Leib und Seele sind eine unzertrennliche Einheit. Und jede Persönlichkeit ist eine einmalige Erscheinung in diesem Weltall, ein “Individuum” – ein Unteilbares -, wie die  Alten in ihrer Weisheit es besser wußten als die heutigen Macher.

Darüber hinaus bin ich mit Gottfried Mahlke dafür, sich mit dem Gedanken an den Tod und das eigene Sterben vertraut zu machen. Niemand lebt ewig. Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem unser Leben zu Ende ist.

Gestalten wir unser Leben sinnvoll und bereichern wir die Welt mit Gutem, Schönen und dem Willen zur Wahrheit. Vielleicht geht uns dann auf, daß alles ein Ende hat, jeder Augenblick, jede Erscheinung, jedes Lebewesen. Das Leben will sich unentwegt erneuern, so müssen die Lebewesen nach einer Zeit vergehen. Mit diesem Gedanken vertraut, wird man sich mit dem nahenden Ende anfreunden und es nicht panikartig und sklavisch nach hinten verschieben wollen.

Dennoch räume ich ein: Ein Fall wie der der Steinmeiers ist menschlich anrührend, in dem ein Liebender seiner Frau eine Niere spendet.

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