Wie heute: Einführung und Ausbreitung einer neuartigen Ideologie
Catherine Nixey, Heiliger Zorn
Buchbesprechung Teil 2
Wir erleben es heute hautnah:
Die Ausbreitung einer neuen Ideologie durch Angstmacherei, Leichtgläubigkeit bei den einen, drastische Willkürmaßnahmen gegenüber Selbst- und Andersdenkenden.
In ihrem intelligenten, faktenreichen, spannend geschriebenen Buch „Heiliger Zorn – Wie die frühen Christen die Antike zerstörten“ stellt Catherine Nixey das Zerstörungswerk der frühen Christen und die Verfolgung der Heiden durch die Christen dar.
Diesmal geht es also NICHT um die Christenverfolgung durch die Heiden. Darüber gibt es längst eine überaus umfangreiche Literatur, allerdings ausschließlich von Christen verfaßt und – wie Nixey nachweist – ungeheuer aufgebauscht.
Sie zitiert den Historiker Keith Hopkins:
„Die traditionelle Frage ,Warum wurden die Christen verfolgt?‘ mit all ihren Implikationen, von der ungerechten Unterdrückung bis hin zum schlußendlichen Triumph, sollte man anders stellen:
,Warum wurden die Christen so wenig und erst so spät verfolgt?‘“
Namentlich, wenn man bedenkt, was Christen den Heiden angetan haben. Darüber schweige sich die christliche Literatur vollständig aus, so Nixey. Dem setzt die in Wales geborene Autorin, deren Eltern einst Nonne und Mönch gewesen waren, mit „Heiligem Zorn“ und ihrem 396 Seiten dicken Buch ein Ende.
Erfreulich ist, daß ihr die entsprechenden Bibelsprüche geläufig sind, wie z.B.:
1. Gebot Jahwehs: „Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“
Oder:
5. Mose 12:3: „… und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Säulen und verbrennt mit Feuer ihre Haine, und die Bilder ihrer Götter zerschlagt, und vertilgt ihren Namen aus demselben Ort.“
Die Christen handelten gehorsam entsprechend den Geboten ihres „Gottes“ Jahweh.
Die Heiden hatten für diese von JHWH geforderte Ausschließlichkeit wenig Verständnis, ganz im Sinne von Symmachus:
„Wir sehen dieselben Sterne, der Himmel ist für uns alle der gleiche, dasselbe Weltall umschließt uns. Warum ist es dann so wichtig, nach welcher Weisheitslehre jemand die Wahrheit suchet?“
Doch die bereits schwerst an induziertem Irresein erkrankten zum Christentum Bekehrten dachten wie Augustinus:
„Daß aller Aberglaube der Heiden vernichtet werden soll, ist das, was Gott will, was Gott befiehlt, was Gott verkündet.“
Ganz recht: So steht es in „Gottes Wort“. Schließlich hatten auch Jünger Christi, wie Lukas, ähnliches Denken und Wollen verinnerlicht:
„Seht, ich habe Euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können.“
So schritt denn Kaiser Konstantin zur Tat. Nixey (wie immer mit Quellenangabe, siehe dort):
Im Jahr 312 erklärte sich Kaiser Konstantin zum Anhänger Christi, und unter seiner Schirmherrschaft wurde die Kirche von allen Steuern befreit, und auf ihre Angestellten wartete eine fürstliche Entlohnung.
Auf einmal verdienten Bischöfe fünfmal so viel wie Professoren, sechsmal so viel wie Ärzte, sie wurden so reich wie römische Statthalter.
Ewige Wonnen im nächsten Leben, bürokratische Vorteile in diesem – was wollte man mehr? (Nixey)
Die Menschen wurden bestechlich.
So ist das ja bis heute geblieben, und genau wie heute folgte auch gleich die „Humanität“ dem Völkerverderben auf dem Fuße. Nixey:
Die Religion der anderen zu bekämpfen, zu verhindern, daß sie ihren Göttern Opfergaben darbrachten – das war nichts Boshaftes und auch kein Ausdruck von Intoleranz, wie die Kleriker ihren Gemeinden klarmachten, sondern eine der ehrenvollsten Tätigkeiten überhaupt … So Nixey.
Die Maßnahmen hatten durchschlagenden Erfolg.
Keine fünfzig Jahre nach Konstantin wurden alle, die es noch wagten, den alten Göttern zu opfern, zum Tode verurteilt.
Knapp ein Jahrhundert später, im Jahr 423, kündigte die christliche Regierung an, die letzten noch existierenden Heiden auszumerzen, mit dem ebenso beunruhigenden wie selbstbewußten Zusatz:
„Wir glauben jedoch, daß es jetzt keine mehr gibt.“ (Eusebius)
Das alles führt Nixey anschaulich vor Augen. Sie zitiert Theophilus, den Patriarchen von Alexandria:
„In dieser Handschriften-Illustration steht Bischof Theophilus triumphierend auf dem Bauwerk, das als schönster Tempel der Welt galt – dem Tempel des Serapis. 392 n. Chr. ließ Theophilus ihn zerstören.“
Das Kreuz schloß die Tempel der Götzen. Es öffnete die Kirchen und krönte sie. Das Kreuz hat die Dämonen in Angst und Schrecken versetzt und in die Flucht geschlagen.
Alles Heidnische galt als dämonisch.
Doch schauen wir erst einmal nach Palmyra!
Palmyra ist eine Ruinenstadt in einer Oase Syriens!
Nixey macht sich Gedanken darüber, wie diese griechische Stätte voller griechischer Statuen nach Palmyra kommen konnte, und bestaunt mit uns die Logistik, die unsere damaligen Vorfahren bereits beherrscht haben mußten.
Um die Statuen überhaupt nach Syrien transportieren zu können, mußten sie in Griechenland abgebaut, auf Schiffe verladen, in Syrien ausgeladen und über Land ins Herz Syriens gefahren werden.
Wir sehen heute die Ruinen. Doch selbst die Ruinen sprechen ihre deutliche Sprache über die einstige Hochkultur mit ihrer Schönheit.
Am Boden liegen die Reste der Statuen. Wenn sie nicht geköpft sind, so war es – um die dargestellten Heiden zu entehren – vordringlich, ihnen die Gesichter zu zerstören.
Lucius Cornelius Sulla Felix
war allerdings kein Grieche, sondern ein römischer Feldherr. Wir sehen: Auch die römischen Statuen blieben von den christlichen Schändungen nicht verschont.
Auch dem Germanicus fehlt die Nase, dafür hat er – wie so viele der Geschändeten – das christliche Kreuz in die Stirn geritzt bekommen.
Nicht anders der vergöttlichte Augustus.
Kaiser Justinian I., schreibt Nixey,
war wild entschlossen, „alle Wege, die in die Irre führen, zu versperren“. Er verbot allen „Heiden“, als Lehrer zu arbeiten, ordnete an, jeden hinzurichten, den man dabei erwischte, Statuen zu opfern, und ließ die Athener Akademie schließen.
Ob es nun sein Werk war – jedenfalls ist auch Athen selbst heimgesucht worden.
Nixey dazu:
Hestia, Dione und Aphrodite und (unten) eine Gruppe erhaltener Statuen vom Ostgiebel des Parthenon, Athen:
Es gilt als nahezu sicher, daß die Statuen am großen Ostgiebel von Christen verstümmelt wurden, die sie für ,dämonisch‘ hielten. Die zentralen Figuren der Gruppe fehlen. Sie wurden wahrscheinlich zu Schutt zermahlen, um eine christliche Kirche zu bauen.