“Gesellschaftliche Brandmale”

England

John Stuart Mill kennzeichnet 1859 in seinem Buch “Über die Freiheit”, “was England nicht zu einer Stätte geistiger Freiheit werden läßt”:

Seit langem ist das Hauptübel der gesetzlichen Strafen, daß sie das gesellschaftliche Brandmal verstärken helfen. Es ist gerade dieses Brandmal, das tatsächlich wirksam ist, und zwar so wirksam, daß das Bekennen von Gedanken, die man gesellschaftlich in Bann erklärte, in England viel seltener ist als in anderen Ländern …

Dabei hatte London sich besonders tolerant erwiesen, als nach der 48er-Revolution zahlreiche Dissidenten aus ganz Europa dort um Asyl baten und aufgenommen wurden. Allerdings, eine von ihnen, die Deutsche Malwida von Meysenbug, fand tatsächlich eine merkwürdig tote, anscheinend nicht hinterfragbare “Religiosität” bei den Engländern vor.

Das hat sich inzwischen gewandelt. England ist nicht mehr Europameister der Angst, sich mit der Religion frei und offen auseinanderzusetzen. Religiöse Freiheit gehört ja bei den Europäern längst allgemein zu den geistigen Errungenschaften.

Deutschland

Oder vielleicht doch nicht? Hat sich nicht nach 1945 eine neue Religion herausgebildet? In Deutschland jedenfalls bekommt das Kainsmal eingebrannt, wer das neue religiöse Tabu berührt. Es heißt: Rechtsextremismus!

Zu der neuen Religion gehört die Einteilung der Menschheit in Täter und Opfer. Zum Glück für die meisten Völker der Welt gehört, daß sie Opfer waren. Das fast einzige Tätervolk, das der Deutschen, bekommt seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig tagtäglich in Fernsehfilmen in schöner Einseitigkeit seine Verbrechen vorgeführt.

Das hebt die Stimmung. Niemand von uns kann ungeschehen machen, was geschehen ist. Ja, es lebt kaum noch jemand von den einst Beteiligten. Hier wird einem Volk systematisch sein Stolz, sein Selbstbewußtsein, sein Lebenswille gebrochen.

Kein Wunder, wenn dann junge Moslems die Deutschen als “Weicheier” und “Scheiß-Deutsche” noch zusätzlich heruntermachen. Wer sich selbst nicht achtet und Angst vor dem gewissen “gesellschaftlichen Brandmal” hat, wie sollen den andere achten!

Die Oppositionsführerin in Hessen Andrea Ypsilanti “brandmarkt” Roland Koch und wirft ihm zusätzlich vor, “die Gesellschaft zu spalten”, weil er auf unerfreuliche Tatsachen auf Seiten der Ausländer hinweist.

Ich hab noch keine Äußerung von ihr dazu gehört, daß in unserem Land dem eingeborenen Volk permanent und ungehindert der nach unten gerichtete Daumen gezeigt wird.

Wer brandmarkt hier wen und spaltet eigentlich wirklich “die Gesellschaft”?