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Der Ägyptologe Prof. Jan Assmann

behauptet in seinem Buch

Assmann-Buch

– gestützt auf eine Reihe von Geschichtsforschern der Vergangenheit – angefangen von Rabbi Moses ben Maimon, genannt Maimonides, bis hin zu Friedrich Schiller -, Moses habe sich Echnaton zum Vorbild genommen, als er seinen Monotheismus verkündete, denn er sei ja in Ägypten aufgewachsen und erzogen worden.

Echnaton

– so nannte sich Nofretetes Gatte, der ägyptische Pharao Amenophis IV.  –  war wahrscheinlich wie seine Mutter und seine Gattin abgestoßen von der Vielgötterei, so daß er sie verbot, als er 1365 v. u. Z. sein Amt antrat.

Statt seiner vielen Götter und Göttinnen sollte das Volk von nun an einen einzigen Gott anbeten: die – männlich gedachte – Sonne, den Sonnengott Re, auch Aton genannt.

Dieser neue Gott hatte zwar keine menschliche, aber doch noch immer eine Gestalt. Die Altäre, Tempel und Bildnisse des alten Glaubens ließ Echnaton zerstören und untersagte dem Volk seine altüberkommenen Feste.

Der Monotheismus war geboren

– in Ägypten, von Ägyptern, nicht von Juden.

Der große Zionistenführer Nahum Goldmann – noch in Unkenntnis der Forschungen Assmanns – hat sich einmal sehr stolz über den Monotheismus als “Erfindung” des Judentums und Geschenk an die Menschheit geäußert. Somit komme den Juden das Verdienst zu, die Vielgötterei durch die “überlegene” Lehre von dem Einen Gott abgelöst zu haben. Denn der Hebräer Moses sei es gewesen, der die Gesetzestafeln von dem Eingott JHWH (Jahweh) empfangen habe, deren zwei erste Gebote lauten:

1. Du sollst keine Götter haben neben mir.
2. Du sollst dir kein Bildnis machen.

Diese Gebote hat auch Allah seinen Anhängern, den Moslems, gegeben. Auch sie sollen sich kein Bildnis von ihm machen. So habe Ibrahim mit Ismael in Mekka die schwarzflächige Kaaba errichtet, einen Ort der Gottesanbetung ohne Kultbildnis.

Das ägyptische Volk indes litt, und als Echnaton nach 16 Amtsjahren gestorben war, holte es sich das Verlorene zurück und vernichtete das Andenken an Echnaton und seine Gemahlin Nofretete beinahe restlos. Zurück blieb das Trauma einer religiösen Radikalität, wie sie bis dahin unbekannt gewesen war.

Assmann schält nun heraus, wie mit dem mosaischen JHWH gleichzeitig etwas völlig Neuartiges in den Bereich der Religion eingeführt wurde, nämlich

die “Unterscheidung in wahr und unwahr”:

Der Raum, der durch diese Unterscheidung zuallererst geschaffen wird, ist der Raum des jüdisch-christlich-islamischen Monotheismus,

schreibt Assmann. Daher nennt er diese Konstruktion die

mosaische Unterscheidung.

Israel trennt sich von Ägypten. Sein “Exodus”, der Auszug der Kinder Israels aus Ägypten, der geschichtlich nicht nachweisbar und daher nur als Symbol zu werten sei, sei der Ausdruck seiner Unterscheidung von den Anderen, erklärt Assmann. Israel als das Eine nahm Abstand vom Andern, und “Ägypten” galt ihm fortan als Name für das Andere, das Ausgegrenzte, Verworfene, Kranke, religiös Unwahre und wurde ihm zum Inbegriff des “Heidnischen”.

Nur die Juden sind Menschen, die Nichtjuden sind keine Menschen (Talmud, Kerithut 6b, Jebhammod 61a).

Das große Gesindel sind die Völker der Erde, sie sind finster und werden Nichtjuden genannt (Talmud, Sohar III. 125 a).

Die so verabscheute Vielgötterei der “Heiden”, “Primitiven”, “Unreinen” dagegen hatte eine solche Unterscheidung in wahr und unwahr bis dahin nicht gekannt. Ihre Gottheiten trugen zwar verschiedene Namen, die die jeweiligen Stämme und Völker ihnen verliehen hatten, aber in ihrem Wesen unterschieden sie sich ursprünglich von Volk zu Volk nicht. Ihre Gottheiten waren, wie Assmann in Übereinstimmung mit den Matriarchatsforscherinnen unserer Zeit betont,

international, weil sie kosmisch waren … niemand bestritt die Wirklichkeit fremder Götter und die Legitimität fremder Formen ihrer Verehrung. Den antiken Polytheismen war der Begriff einer unwahren Religion vollkommen fremd.

Die Religionswissenschaftlerin Gerda Weiler

hält wie Assmann fest, daß bis in die Jungsteinzeit hinein

Ma'at-Zeichen

die Religion der Himmelsgöttin tatsächlich eine Weltreligion der frühen Menschen gewesen ist,

eine Religion der alleinigen und all-einenden Gottheit, die aber mit verschiedenen Namen angerufen wurde. So trägt die Gottheit mit ägyptischem Namen Ma’at

 

Nefertari mit Federkrone wie Ma'at

nicht nur eine Straußenfeder auf dem Kopf – die Straußenfeder ist ihre Hieroglyphe, das heilige Erkennungszeichen ihrer ordnenden Macht. Ma’at ist das Hauptprinzip der Welt, dem der Pharao zeitlebens verpflichtet ist. In der Ma’at ist die prähistorische Vogelgöttin zur menschengestaltigen Göttin geworden. (Weiler)

Das Zeichen für die Gottheit mit dem Namen Isis ist der Thron.

Isis-Hieroglyphe

Oft ist die Gottheit mit dem Anch-Zeichen für Leben abgebildet. Das gleiche Sinnbild meint die Venus und das Weibliche schlechthin. Bei den Tuareg wurden Figürchen gefunden, denen das Anch-Zeichen zu Grunde liegt.

Anch-Zeichen

Tuareg-Zeichen

Die Himmelsgöttinnen breiten ihre Flügel aus und hüllen die Menschen, welche sie schützen wollen, wie in einen Mantel ein,

Hathor beschützt den Pharao

lesen wir bei Weiler und weiter:

In der ägyptischen Hochkultur sind es die Pharaonen, die von den Flügeln der Göttin beschattet werden.

Im Christentum erinnert der “Schutzengel” an sie.

Noch

Marc Aurel

läßt seinen Lucius von der Gottheit träumen:

Da bin ich, Lucius, durch dein Gebet gerührt, die Mutter der Natur, die Herrin aller Elemente, erstgeborenes Kind der Zeit, die Höchste der Gottheiten, Königin der Toten, Erste der Himmlischen, die alle Götter und Göttinnen in einer Erscheinung vereinigt … die alleinige Gottheit, welche unter mannigfacher Gestalt, verschiedenartigen Riten und vielerlei Namen der ganze Erdkreis verehrt, so nennen die Phrygier … mich Pessinuntia …, die Athener … nennen mich kekropische Athena, die Kyprier nennen mich paphische Venus, die Kreter Diktyna, die Sizilianer ortygische Proserpina; die Eleusinier nennen mich Demeter, andere Hera, wieder andere Bellona und Hekate und Rhamnusia. Aber die Äthiopier und die Ägypter, die die ursprüngliche Lehre besitzen, ehren mich mit eigenen Bräuchen und nennen mich mit meinem wahren Namen Königin Isis.

Die Germanen nannten die uranfängliche Gottheit Kleito, Jörd, Freia. Wir wissen nur so wenig von ihr, weil Ludwig der Fromme uns unsere Wurzeln gekappt hat, indem er alle vorchristliche Kultur unserer Altvorderen vernichtete.

Isis wird die “Zehntausendnamige” genannt,

hebt auch Assmann hervor,

sie ist der letztinstanzliche Referent aller Gottesnamen. Gott (hat) entweder alle oder gar keinen Namen, da er Eines und Alles ist.

Hier ist Isis zwar flugs zum Er geworden, das Sie, kaum aufgetaucht, ist schon wieder verschwunden, aber sonst stimmt Assmann mit Weiler und anderen Autoren überein. Doch

was trieb Moses

dazu, den grausam blutrünstigen, rachsüchtigen Herrschergott JHWH für seine Juden zu kreieren? Hatten sich die Israeliten doch

angesichts des höheren Alters und fortgeschritteneren Niveaus der ägyptischen Kultur … so vollständig den ägyptischen Riten und Sitten (angepaßt), daß es nicht möglich war, einen einzigen Unterschied in der Lebensform beider Völker herauszufinden,

schreibt Assmann und führt seinen Gewährsmann Spencer an, der die rabbinische Quelle zitiert,

die besagt, daß “wo immer die Israeliten in der Wüste haltmachten, sie damit anfingen, sich Götzen zu machen.” Die Götzen, die sie sich machten, waren ägyptisch. Der klarste Beweis ist das Goldene Kalb, das schon die alten Autoren … als Apis-Stier identifiziert hatten. Sie beteten zu dem Gott, den sie kannten, und nicht zu Mosis “unbekanntem Gott”.

Diesen Rückfall in die verbotene “Idolatrie”, die sog. Götzenanbetung, wollte JHWH unnachsichtig bestrafen, ließ sich aber durch Moses mit dem Hinweis auf “Abraham, Isaak und Israel” davon abbringen, das “halsstarrig Volk” zu “vertilgen”.

Also gereuete den HErrn das Übel, das er dräuete, seinem Volk zu tun. (2. Mose 32, 9-14)

Assmann fährt fort:

Begriff und Verabscheuung der Idolatrie wurden immer stärker im Lauf der jüdischen Geschichte.

Je später die Texte, desto stärker herausgearbeitet seien Abscheu und Spott, mit denen die Hebräer die Götzendiener überschütten. Im Psalm 115 zum Beispiel heißt es:

  1. Aber unser Gott ist im Himmel; er kann schaffen, was er will.
  2. Jener Götzen aber sind Silber und Gold, von Menschenhänden gemacht.
  3. Sie haben Mäuler und reden nicht; sie haben Augen und sehen nicht,
  4. sie haben Ohren und hören nicht; sie haben Nasen und riechen nicht,
  5. sie haben Hände und greifen nicht; Füße haben sie und gehen nicht; sie reden nicht durch ihren Hals.
  6. Die solche machen, sind ihnen gleich, und alle, die auf sie hoffen.
  7. Aber Israel hoffe auf den HErrn! … 11-15 … der HErr denkt an uns und segnet uns; er segnet das Haus Israel … Ihr seid die Gesegneten des HErrn …

Mosis Ein-Gott ist somit wie die sog. Götzen ein persönlicher Gott, nur unerreichbar weit außerhalb und keineswegs mehr liebend mit der irdischen Lebenswirklichkeit vereint, die nun zum Jammertal wird.

Das strenge Gebot

du sollst dir kein Bildnis machen!

wird zwar später von der katholischen Kirche übertreten,

Michelangelo, Erschaffung Adams

ist aber ein Anklang an die ursprüngliche Weisheit, die Menschen des Altertums aller Länder in ihren Mythen zum Ausdruck gebracht haben von der Schöpfungsmacht einer uranfänglichen Gottheit, die das Weltall mit seiner ganzen Mannigfaltigkeit der Lebensformen gebar, weiterhin durchdringt und in sich vereinigt, die dann aber in Bildnissen weiblicher Menschengestalten versinnbildlicht wurde.

Die katholische Mutter Gottes ist noch eine Erinnerung daran, wenn auch die Große Mutter zur Magd JHWHs herabgemindert wurde. Ihr Sohn ist zwar jetzt der “Gottessohn”, galt jedoch in der Antike als Sinnbild der Schöpfung, der Erscheinungswelt, die die Große Mutter als Schöpfungsmacht hervorgebracht hat. In ihrer Liebe zu ihrem Göttinsohn ist die Weltanschauung der antiken Menschen versinnbildlicht, die die Schöpfung noch nicht dual, sondern als Einheit mit der göttlichen Schöpfungsmacht sahen.

 

Matthias Grünewald, Stuppacher Madonna

Das Bild zeigt die verschleierte Isis und die Wissenschaft – die Gottheit als nicht meßbar dargestellt (Putte mit Zirkel), das heißt, sie ist mit der reinen Vernunft nicht erfaßbar. Denn das Göttliche ist ohne Raum, Zeit und Ursächlichkeit. Vergeblich sucht daher die Wissenschaft, den Schleier der Gottheit zu lüften. Deren Fußspuren im Erdboden sind das einzige, dem die messende Vernunft vielleicht ein Ahnen der Gottheit selbst abringen kann.

Das Göttliche erschließt sich der Menschenseele allenfalls spontan im Erleben.

Schiller – Beethoven

Die beiden Isis-Sprüche, die Schiller in seinem Werk Die Sendung Moses zitiert, hatte Beethoven sich abgeschrieben (nicht ganz exakt) und unter Glas gerahmt auf seinen Schreibtisch gestellt. Der erste Spruch – auf einer alten Bildsäule der Isis – lautet:

Ich bin, was da ist.

Der zweite Spruch – auf einer Pyramide zu Sais – heißt:

Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird. Kein Sterblicher hat meinen Schleier aufgehoben.

 

Beethoven verkürzt

Isis-Spruch in der Handschrift Beethovens

 

 

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Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

Vielen Dank fuer diesen so anregend gestalteten Beitrag. Religionsgeschichtlich besonders interessant finde ich die Herausarbeitung dieses offenbar zwei-phasigen geschichtlichen Prozesses der Entstehung des religioesen Fanatismus, der mit einer erzwungenen “Wahr-Unwahr”-Doktrin fuer das innerseelische Erleben einhergegangen zu sein scheint. Eigentlich kommt die Ueberstuelpung dieser Doktrin einem Verbot oder zumindest einer Reglementierung des inneren Erlebens gleich. Das erklaert vieles.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

Für mich als a-theistisch (ohne Götter- oder Götinnenbild[er]) glaubenden Menschen ist es heute unerheblich, wer den Mono-Theismus begründet hat. Jedenfalls hat sich der des Echnaton nicht durchgesetzt und dennoch ist wohl der Gott des Mose (JHWH) auf diese frühe Gedankenlinie zurückzuführen wie auch manches Andere im jüdischen-christlichen Glaubensbild (wie Reinheit der Geburt). Aber eben für uns Heutigen ist das unerheblich, weil das “Gottsein”, das “Göttliche Wesen” oder vergleichbare Bezeichnungen nicht als “wahr” oder “unwahr” beschrieben werden kann, sondern ein objektives Numinosum bleiben müssen, also schlichtweg das “Unbenennbare”. Niemand hat die Wahrheit, es kann sich immer nur um ein Glaubensbild als magerer Abglanz dessen handeln, was wir subjektiv letztlich auf ein blindes Vertrauen im Glauben (Gegensatz: Wissen oder halten für) stützen.
Es bringt uns aus dieser Sicht auch nicht weiter, die Geschlechterfrage der “Gottheit”en historisch zu beleuchten,
weil dies mit der falschen, mitunter ideologisch gefärbten Aussage (als Behauptung) daherkommt, dieses Spezifikum weise auf eine bessere oder höhere, tiefere Einsicht hin. Gott oder Göttin sind aber nicht einsehbar, nur als (oft unbewußte) Projektion einbildbar, sie sind nicht verfügbar, nur glaubbar. Und damit wird die Glaubensfrage wieder eine höchst persönlich zu verantwortende, keine dogmatisch oder historisch ableitbare. Und genau hier sehe ich den Startfehler der christlichen, jüdisch verwurzelten Theologie. Ob die Sonne z.B. wie im Französischen männlich (wie wohl auch im alten Agypten? – le soleil ) und der Mond (la lune) weiblich ist – ganz andersherum als im deutschen Sprachgebrauch – besagt doch gar nichts über die Eigenschaft und Qualität des Abbildes aus. Es ist doch lange aus dem Theater der Antike bekannt, dass immer dort, wo der Mensch oder eine Handlung nicht weiter wußte, der “deus ex machina” auftritt. Das ist nur blasser Ersatz für eine Wahrheit, die wir Menschen nicht wirklich erkennen können.
Von daher, liebe Adelinde, sollten wir die alten Vorstellungen aus Zeiten, da man es nicht besser zu definieren wußte, ruhen lassen und mit Albert Schweitzer in spirituell wohl zutreffenderer und mythischer Sichtweise festhalten, dass der “Gott” oder die “Göttin”, die wir suchen und nicht näher beschreiben können und sollen (wie weise!), in unserer Seele, (Schweitzer: im Herzen) zu suchen sind.
Und da spielt nun in der Tat das Geschlecht hinein, denn “Frau” und/oder “Mann” empfinden spirituell einmal anders. Setze ich Dein “Göttinnenahnen” mit meinem “Gottempfinden” gleich und verwende die a-theistische Eingangsformel, reduziert sich ohnehin alles auf Ahnen und Empfinden. Beweisbar sind diese Gefühle nicht, sie sind aber für unsere jeweilige Lebenssituation von therapeutischem Wert.
Mithus

Adelinde
Adelinde
15 Jahre zuvor

Deine geäußerte Geringschätzung erstaunt mich. Es ist doch schön und gut zu wissen, woher wir und unsere Kultur kommen und welche Verfälschungen sich im Laufe der Jahrtausende ergeben haben. Wie kann man auf solches Wissen verzichten wollen, gerade auch im Hinblick auf die Gestaltung der Zukunft! Im Gegenteil ist weitere Vertiefung dieses historischen Wissens von großer Bedeutung. Ich persönlich bin den Forschern und Forscherinnen außerordentlich dankbar für ihre mühevolle, ergebnisreiche Arbeit.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

Gerade weil wir an diesen überholten Bildern nicht festhalten sollten – 2000 Jahre jüdisch-christliche Mißachtung der Herzenslogik (stattdessen egozentrische Auserwähltheit) reichen doch wohl und Gaza schreit geradezu danach, dies endlich zu begreifen, dass der theistische Glaube, also auch der monotheistische Glaube, in dem Gott oder die Göttin menschliche Züge annehmen, nichts taugt, weil es Menschen sind, die das “Göttliche” definieren wollen und als Dogma, “Gerechtigkeit” in ihrem Verständnis, das nur begrenzt sein kann, meist sehr einseitig und immer auf den bloßen Verstand beschränkt deuten.
Aber bitte, ich spreche mich doch an keiner Stelle gegen die historische Aufarbeitung – gar mit Nichtachtung – aus! Wie käme ich dazu? Also möchte ich diesen Vorwurf von mir weisen.
Der Beitrag mußte wegen des vorangegangenen Aufsatzes über Frau Sölle, die wir beide doch sehr schätzen,
von mir in diesem Kontext gelesen werden. Frau Sölle ist, wenn nicht gar Schöpferin des Begriffs “A-Theismus”, so doch eine klare Befürworterin dessen. Mir kam und kommt es auf den Kontext an, der vielen Zeitgenossen noch nicht einmal bekannt ist. Daraus folgt: erst sich auf den Stand der heutigen theologischen Erkenntnisse bringen und dann – ggfs. – historisch hinterfragen. Methodisch kann man doch dagegen nichts haben. Gehe ich nämlich andersherum vor,
bin ich leicht geneigt, den neuen Blickwinkel – wie hier die gänzlich neue Richtung mit dem a-theistischen Glauben – zu verfehlen. Das zu vermeiden, war mein Anliegen, sonst nichts.
Mithus

Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

Lieber Mithus,
obwohl ich es sehr anregend finde, Ihre Kommentare zu lesen, wollte ich doch dazu nochmal auf den Inhalt der von Adelinde sehr gelungen zusammengestellte Buchbesprechung zurueckkommen. Das in die Geschichte Eintreten von “wahr und unwahr” im Zusammenhang mit Religion, das der besprochene Author geschichtlich ortet, hat mir persoenlich sehr viel bedeutet. Das ist eine ganz wesentliche Charakteristik fuer die judaeo-christliche Kultur, unter der ich aufwuchs und unter der ich litt und ganz gewiss immer noch leide. Und es ist ja auch unbestreitbar eine primaer maennlich gepraegte Kultur, diese judaeo-christliche. Sie hat das Weibliche gewaltsam ausgemerzt.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

Lieber Helmut Wild,
mit Ihrer Antwort gehe ich völlig d’accord, soweit Sie auf historische (überprüfbare) Wahrheit pochen. Und auch Adelinde weiß, dass wir in dieser Frage völlig überein-stimmen. Für mich ist die Thora (hier im Sinne der 5 Bücher Mose) eine hoch politische, ideologische Schrift mit dem Ziel, die Einigung des damaligen Gesamtjudentums zu erreichen.
Daraus ist heute ein Vorherrschungswille geworden. Und dieser für die übrige Menschheit bestehende politische Vorherrschaftswille (s. Palästina und USA) ist für mich die eigentliche Wurzel allen Übels auf Erden, jedenfalls politisch betrachtet. (Bitte nehmen Sie den letzten Satz nicht zu verallgemeindernd, es gibt erhebliche Abweichungen auch unter jüdischen Gruppen. Leider sind Letztere eine nur kleine Minderheit. Auch gibt es nicht d a s Judentum, sondern viele sehr unterschiedliche Gruppierungen wie im Christentum).
Gerade habe ich zu der Frage der christlich-jüdischen Wurzeln ein zweitäges Seminar hinter mir, und einer der besten Judaisten in Deutschland, Herr Dr. Bergler (Uni Würzburg, s. Internet), hat dort in sehr präziser Weise belegt, dass es diese Quellen (besser: Verbindungen) gibt. Weil aber gern übersehen wird, dass auch die talmudische-rabbinische Tradition nicht aus dem Nichts oder gar als “jüdische Erfindung” daherkommt, sondern ihrerseits Quellen hat, die aber geleugnet werden, ist die Buchbesprechung bei Adelinde insoweit vollkommen angebracht und insoweit nicht zu beanstanden. Aber:
Ich wende mich gegen die provokante (aus meiner Sicht hoffentlich erlaubt) Überschrift. Dort heißt es: “Isis – Alleinige, all-einende Gottheit”. Es folgt dann ein Abriss der Geschichte, der plötzlich bei den Erkenntnissen einer ganz anderen Autorin, der Frau Gerd Weiler, endet und erst den Kontext zur Überschrift herstellt. Und gegen Letzteres nehme ich Stellung, weil ich es für wichtig halte, dass die heutige theologische Weiterentwicklung dabei nicht überehen wird. Rückblicke können die Gegenwart oft auch nur vernebeln.
Unstreitig ist die männliche Dominanz in der Tradition des monotheistisch verstandenen Gottesbildes und die mehrheitliche Praxis bis heute (s. Rom). Assmann – sein Buch kenne ich nicht – hat m. E. ein anderes Thema, nämlich das, woher der Monotheismus (männlichen oder weiblichen Charakters sei dahingestellt) letztlich herührt. Ich finde bei Adelinde leider kein direktes Zitat, dass auf die Geschlechterfrage bei Assmann hinweist. Im Gegenteil: wie s i e (Adelinde) selbst darauf hinweist, wird aus dem “Sie” plötzlich ein “Er”. Das ist ein Themenwechsel!
Bei Adelinde erfolgt nämlich nun eine abrupte Weichenstellung durch die Erwähnung von Frau Gerda Weiler, und wir begeben uns wieder auf ein sehr altes Streitfeld, nämlich der verbal-ideologischen Vergötterung des Matriarchats. Das alles hat nichts mit “Wahr” und/oder “Unwahr” in der Lebenspraxis zu tun! Deswegen sollten wir gerade nicht in das umgekehrte Übel verfallen und das “Weibliche” an die Stelle des “Männlichen” setzen, weil dies harmoniezerstörend ist. Die Menschen unterschiedlichen Geschlechts sind keine Gegensätze mit feindlicher Gesinnung, sie sollten Ergänzung in Achtsamkeit sein. Das lehrt die Herzenslogik, die jesuanische Grundlagen hat.
Da es für die aufgeklärten Christen keine personifizierten Gottesbilder mehr gibt (ich könnte Ihnen mindestens 5 zeitgenössische professorale Theologen nennen) und nach dem 2. Gebot auch nicht geben soll – kann es auf die alten Bilder der Vorfahren für “Aufgeklärte” nicht ankommen. Was für Historiker interessant ist, muß es nicht unbedingt für Glaubenssuchende mit sehr tiefgreifenden Beweggründen und Lebenserschütterungen sein. Diese sehen ja im Elend der männlich oder weiblich dominierten Gottesbilder keine Lösung mehr und kommen erst – wenn überhaupt – spät dahinter, dss alle menschliche Projektionen auf Gottesbilder
nichts taugen. Deswegen folge ich auch den Mystikern Meister Eckhardt und Albert Schweitzer und suche Gott, das Unbennnbare, im Herzen meiner Seele. Deswegen bete ich das Vater Unser in den Eingangszeilen so:
“Vater Unser, Geheimnis im Herzen unserer Seele”…..
Das ist meine g e g l a u b t e Wahrheit.
Mithus

Helmut Wild
Helmut Wild
15 Jahre zuvor

Ich fage mich manchmal, was mich eigentlich so fasziniert, verschiedene Interpretationen totgesagter Mythen zu lesen, zu verfolgen und mich sowohl in die angesprochenen Mythologien als auch in die verschiedenen Sichtweisen hineinzudenken.

Ich selbst habe primaer einen aestetischen Bezug zu Mythologien. Deshalb bin ich eher skeptisch gegenueber der Ablehnung von bildlichen Darstellungen von Goettern und Goettinnen. Das leitet mich auf sehr feinfuehlige Pfade des Erlebens, das unendlich viel Zeit verlangt oder besser, zeitvergessen seine gedanklichen Wege gehen will.

Leider, leider, leider draengen mich andere Aktivitaeten. Hinter der Finanzkrise sehe ich gewitterschwarze Kriegswolken aufziehen. Ich muss schreiben. Ich muss die Menschen warnen vor den Plaenen der Maechtigen. Ich musss versuchen, analytische Gedanken in verstehbare Worte umzusetzen.

Symbolisch-mythologisch ausgedrueckt: Ich muss die Musen anflehen, mir zu helfen, die rechten Sprachgestalten zu finden.

Mithus
Mithus
15 Jahre zuvor

Anmerkung zum Hinweis auf Schiller und Beethoven:
Die fast inhaltsgleichen Worte finden sich auch im 2. Buch Mose 3, 14: “Da sprach Gott zu Mose: Ich bin der, der ich bin” und gab damit die Erläuterung seines Namens JHWH an.
Dies könnte auch ein Hinweis auf die Herkunft aus dem Altägyptischen sein.
Nun wäre es interessant zu erfahren, was die Spruchbedeutung einerseits und das Bibelwort andererseits – außer dass sie sich auf Gottheiten bezieht – sinngemäß beinhaltet. Christliche Theologen haben verschiedene Lösungsangebote, die hier aufzuzählen nicht der Platz sind. Eines aber dürfte als Kern festgehalten werden können:
ICH BIN ist das Bewußtsein vom “Da-Sein”, vom Vorhandensein als Gott oder Göttin ohne kausale Geburtenkette, ohne Eltern, einfach existent, zumindest im jeweiligen Bewußtsein der glaubenden Menschen. Urgrund allen Seins, sagen heute die, die “den Schleier nicht aufheben “, entfernen können.
Mithus

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[…] Das hat vor Jahren auch der Ägyptologe Jan Assmann herausgefunden (siehe hier): […]

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[…] zwar verschiedene Namen, ist aber im Wesen der Eine (siehe auch den Adelinde-Beitrag über Isis). Skandinavisches Felsbild: "Thor" Der Wettergott mit Blitz und Hammer in der Hand (man […]

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[…] Vielmehr gleicht sie in ihrer Ausgestaltung der vorchristlichen, vorpatriarchalen Großen Schöpfergottheit, wie sie uns in den Mythen und uralten Darstellungen rund ums Mittelmeer bis in unseren europäischen Norden hinein entgegentritt. Die Völker gaben ihr ihre Namen. So wurde sie die “Vielnamige”. Im Wesen aber war sie immer dieselbe. (mehr) […]

Jan
Jan
8 Jahre zuvor

Hallo, vielen Dank für diesen Artikel.
Mich beschäftig ebenfalls sehr die Entwicklung von Theologie – Spiritualität im Blick auf gegenseitige Verbindungen von östlich-westlicher Ansätze. Ich glaube, dass jede Tradition eine bestimmte “Gabe” mitbekommen hat, die wir als GEschenk betrachten sollten. Ich selbst verorte mich im christlichen Weg. In der östlichen Spiritualität scheint der non-duale Denkansatz sehr starken Einfluß auf die Religionsentwicklung gehabt haben. Auch wenn wir diesen Ansatz auch in der Bibel finden, so haben sich durch die europäische Denktradition (dual) viele Bilder durchgesetzt, die eher zur Eindeutigkeit und “klarer Identität” geführt haben, als zur reifen Spiritualität. Dazu hab ich vor einigen Tagen etwas geschrieben (ich hoffe, das ist ok):
http://www.lebenvertiefen.de/zwei-unterrichtsfaecher-fuer-christen/
Vielleicht etwas kontrovers?
Beste Grüße,
Jan

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[…] Sie hatten ihren Sitz in den Tempeln der Isis* und des Serapis und waren das Vorbild, wonach in der Folge die Mysterien in Eleusis und […]

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[…] Sie hatten ihren Sitz in den Tempeln der Isis* und des Serapis und waren das Vorbild, wonach in der Folge die Mysterien in Eleusis und […]

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3 Jahre zuvor

insight là gì

Das Adelinde-Gespräch » Blog Archive » Isis – die alleinige, all-einende Gottheit

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