„Ich spreche aus einem Trümmerhaufen“

Den folgenden Beitrag aus der „Preußischen All-gemeinen“ vom 26.3.2005 sandte ein Adelinde-Leser ein. Ihm sei ganz herzlicher Dank ausge-sprochen.

Denn er gibt eine Rundfunkansprache wieder, die der Dekan der Philosophischen Fakultät der Kö-nigsberger Albertina Prof. Eduard Baumgarten, im März 1945 aus dem eingeschlossenen Königsberg gehalten hat.

Wir heutigen Leser erfahren, wes Geistes unser damaliges Deutschland noch kurz vor der Kapi-tulation der Wehrmacht gewesen ist. Und wer in dieser politisch-satanischen Welt, in die wir nach dem Kriege geraten sind, dieses unser Erbgut in sich lebendig gehalten hat, spürt sein Heimweh und weiß, wohin er gehört. Prof. Baumgarten:

Ich rede in niemandes Auftrag. Ich habe von mir aus als der derzeitige Inhaber des Kö-nigsberger Philosophischen Lehrstuhls, des Lehrstuhls von Immanuel Kant, um die Möglichkeit gebeten, über den Rundfunk das Wort zu ergreifen.

 

Immanuel Kant (Bild: )

Wer im Angesicht Kants redet, redet im Angesicht Europas.

Zu Kants Gedächtnis und für die Zukunft Eu-ropas will ich sagen, was ich zu sagen habe.

Ich spreche aus einem Trümmerhaufen. In zwei Nächten des vergangenen Augusts ha-ben britische Bomber Leben und Gestalt der Innenstadt Königsbergs ausgelöscht.

Ich spreche nicht von den menschlichen Ge-schehnissen, die sich auf der Dominsel, die von zwei Flußarmen des Pregel eingeschlos-sen ist, ereignet haben.

 

Das bombardierte Königsberg (Bild: Landsmannschaft Ostpreußen NRW)

Jene höllischen Nächte enthüllen auch in dieser Zeit, daß die Grausamkeit des gegen-wärtigen Krieges auch schon unter uns Europäern – von den Grausamkeiten der Russen schweige ich – so ins Maßlose ge-stiegen sind, daß am Ende dieses Krieges keiner, kein einziger der Beteiligten, und sei er von Hause aus noch so selbstgerecht gesonnen, über den Gegner moralisch Gericht halten könnte, ohne damit sein eigenes, innerstes Gewissen zu schänden, ohne Gott zu lästern.

Ich weiß sehr wohl, daß dies in den Wind gesagt sein wird für den Fall, daß Deutschland in dem jetzigen Kampf erläge. Allen Warnungen vernünftiger Menschen in allen Lagern zum Trotz würde dann der letzte Akt dieses Krieges ein Aufstand der Pharisäer sein.

Sehr gut vorausgesehen! Wir Deutschen wurden nach dem verlorenen zweiten Durchgang des gegen uns geplanten und geführten Weltkriegs von Pharisäern, soll heißen Selbstgerechten, traktiert, solange, bis die Jugend Deutschlands – und nicht nur die Jugend – sich auf die Seite der Pharisäer stellte. Diese Sorte von Irregemachten ist heute als „Regierungs-Marionetten-Mannschaft“ der überstaatlichen Welt-regierung am Werk, den verbliebenen Rest alles Deutschen zu verfolgen und auszulöschen.

Sie würden nichts Besonderes zu tun wissen, als einen unmännlichen Haß ans Werk zu schicken, um wie 1919 im Gefolge einer erneuerten Kriegsschuld-Agitation ihre poli-tische Verantwortung für einen wehrhaften Frieden, für einen tragfähigen Aufbau der europäischen Völkergesellschaft zu verspie-len.

Ich möchte indessen nicht vom Vorüber-gehenden und vom Zufälligen reden, sondern vom Festgegründeten und Dauerhaften.

Das Grabmal Kants (Bild: 123RF)

Wie durch einen Zufall haben die britischen Bomber das Grabmal Kants nicht zerstört. Es würde indessen auch seine Zerstörung überdauern.

Sie haben das Schloß zerstört, sie haben den Dom zerstört. Das Bild aber dieses Doms und dieses Schlosses steht in unserem Gedächtnis und so das Bild Ostpreußens, des immerdar deutschen Landes an der Ostsee.

Der verantwortliche Staatsmann einer der großen Nationen, die gegen uns im Felde stehen, der englische Premierminister [Chur-chill] hat kürzlich gemeint, eine Bedrohung des künftigen Friedens werde aus einer Annexion Ostpreußens durch Sowjet-Polen nicht erwachsen, wenn alle Ostpreußen in das Innere Deutschlands umgesiedelt würden.

Der englische Premier hat, glaube ich, ver-gessen, daß die Ostpreußen nicht nackend und nicht ohne Gedächtnis ins Innere des Reiches vertrieben werden können.

Der ostpreußischen Landschaft würde ihr Kleid bleiben; der Name Kants aber, und in eins mit diesem Namen die innere Macht des Königsberger Doms, an dessen Seite er ruht, das Bild des Schlosses, von dem aus die gleiche Kraft des preußischen Ordens bis nach Riga, Narwa hinauf Geist und Gesittung Europas trug, würde ihr inbrünstiges Ge-dächtnis, ihr Gebet sein.

Hier lebt der Professor noch in der gängigen, von der Kirche gefälschten Vorstellung unserer germani-schen Geschichte, daß der christliche Männerbund des „Deutschen Ritterordens“ den Prußen Geist und Gesittung Europas gebracht hätte.

Die von der kirchlichen Propaganda schlecht-gemachten germanischen Heiden des Ostens waren höchstwahrscheinlich längst Träger des preußischen Geistes gewesen, ehe über sie das Grauen der Christianisierung mit Feuer und Schwert kam.

Wer aber die Hand aufhebt gegen den deutschen Namen, gegen Ehre und Dasein der Deutschen in den Ruinen des Schlosses, des Doms und in der unversehrt ragenden Grabstätte Kants, der hebt die Hand auf gegen die Zukunft Europas.

Europas wahre Zukunft und Europas wahres Gedächtnis bilden einen unteilbaren Leib. Wohl ist der unendliche Schatz der deutschen Städte, von Freiburg bis Reval, äußerlich so gut wie vertilgbar. Aber nicht ist vertilgbar das innere Bild, das nun als Sehnsucht und Schwur fortlebt.

Wehe jedem Versuch, Europa gegen die Wahrheit dieses Bildes willkürlich zu formen. Ein jeder solcher Versuch würde früher oder später in weiterem Blut und in weiterem Unheil endigen.

Wohl sind Millionen Deutscher vom Leben zum Tode gebracht oder in Rußland ge-fangen, und weitere Millionen können aus-einandergetrieben und getötet werden.

Aber diese furchtbare Schwächung und Ein-buße an einfacher deutscher Lebenskraft, die vielen unserer Gegner als wünschenswert erscheint, wird unentrinnbar aufgewogen werden durch die steigende machtvolle Erinnerung im deutschen Herzen an

die gigantische Tapferkeit in den Jahren 1914 bis 1918 und 1939 bis heute und bis zum Ende des Krieges.

Sollten wir fallen – so lebt die Legende, das Vorbild.

Der Funke im zerstörten Herd stirbt nicht.

Wir hier in Königsberg spüren in uns die fortlebende Kraft Kants. Von diesem großen deutschen Mann wollen wir jetzt sprechen:

Kant hat die Deutschen dazu zu erziehen versucht, in persönlicher Verantwortung zu handeln. Er hat zugleich dafür gesorgt, daß diese innere Verantwortung und Gewissen-haftigkeit der Person nicht den Charakter des engen Gewissens oder der Rechthaberei annahm.

Er hat dem persönlichen Gewissen den Cha-rakter weitester Weltoffenheit verliehen, in-dem er von Menschen forderte:

„Handele so, daß deine Handlung zugleich als allgemeines Gesetz dienen kann.“

Diese Forderung ist bekannt als Kants kategorischer Imperativ. In ihr ist alles auf diese persönliche, zugleich aber allgemeine Gesinnung angelegt. Der äußere Erfolg seines Handelns, sei es der eigene persönliche Nutzen oder der unmittelbare sachliche Nutzen seines Tuns, soll den Handelnden weder leiten noch überhaupt interessieren.

So fordert Kant. Damit er aber auch in diesem Punkte nicht mißverstanden werde, damit er keine Pharisäer erzöge, die sich jederzeit hinter ihrem „guten Willen“, hinter ihren „guten Motiven“ verschanzen können, ganz einerlei, was sie unterdessen Böses bewirken, hat Kant in seinen Königsberger Vorlesungen immer wieder die jungen Menschen dazu erzogen, bei allem ihrem Tun sich drei Fragen vorzulegen:

– Der Verstand des Menschen soll fragen: Was will ich? Das kann er nur herausfinden, indem er „selbst denkt“, indem er sich vom Lärm des Tages, vom Hören-Sagen, von der öffent-lichen Meinung, von allen gängigen Vorurteilen freimacht, die Situation mit seinen eigenen Augen prüft und auf der Waage wirklicher eigener Erfahrung und selbstgewonnener Überzeugung abwägt.

– Das Gefühl des Menschen soll fragen: Worauf kommt es an? Diese Frage, die von der theoretischen Prüfung des Wünschens-werten zur praktischen Überlegung des Möglichen übergeht, kann er sich nur beantworten, indem er sich teilnehmend „in die Standorte aller anderen hineindenkt“, indem er hierdurch sein persönliches und subjektives Denken so zur Objektivität und Kameradschaft, zur Sachlichkeit und echten Partnerschaft sozialisiert.

– Die Vernunft soll schließlich fragen: Was kommt heraus? Diese Frage kann ein Mensch nur beantworten, indem er „konsequent“ denkt, das aber heißt, indem er auf die Folgen, die sein Denken und Tun im Rahmen des Ganzen bewirken wird, hinaussieht. Nur im Blick auf die Folgen im ganzen wird sein Tun im einzelnen ihm klar, wird jeder einzelne Schritt zu einem freien Schritt, der geführt ist, der als rechtes Mittel zum rechten Zweck ganz rein von mir selbst als Mensch gewollt werden kann.

Nun – ein Handeln in diesem Geist wird Zug um Zug mit der eigenen Freiheit zugleich die Achtung vor der Freiheit jedes anderen Menschen ausbilden. So kam Kant von selbst auf seine

zweite Formel des Kategorischen Imperativs:

Handle so, daß du einen anderen Menschen nie als bloßes Mittel zum Zweck benützest, sondern jederzeit in ihm die Person und ihre Freiheit achtest.

Vor zwei Jahren habe ich in der Kant-Gesellschaft in Königsberg eine Rede gehal-ten, in der ich die zweite Formel des kategorischen Imperativs wiederholte: Be-handle deine Partner so, daß du in ihnen niemals dein Mittel und Werkzeug siehst, sondern immer zugleich ihren eigenen Willen achtest, der sie von sich aus an die Gemeinschaft Europas bindet.

Das alte deutsche Königsberg (Bild: Deutsche Schutzgebiete)

 

Ich wiederhole diese Worte, heute, wo ganz Europa in Kö-nigsberg sich wehrt, gegen die „Macht der moralischen und geistigen Krankheit des Kommu-nismus“, der „in der arktischen Nacht seine Bajonette wetzt und mit trotzig hungrigem Munde“ gegen die reiche Schönheit und Individualität unseres europäi-schen Lebens „seine Lehre des Hasses und des Todes verkün-det“.

Das sind Churchills Worte [die in Gänse-füßchen gesetzten]. Uns aber dünkt, daß nicht nur das Licht jener Kantischen Formel gegen die wüste arktische Nacht in uns allen angefacht werden muß, sondern, daß es darüber hinaus Zeit sei, daß alle Männer, die miteinander für Bestand oder Untergang Europas einst die Verantwortung tragen werden, sich herauslösen aus dem Gesetz der Trägheit, zu dem sie gefesselt erscheinen, aus dem bloßen Maschinengang dieses Krieges, dessen Ziele und Fronten längst verwirrt sind.

Ich sage, es sei für die Verantwortlichkeit Europas an der Zeit, daß sie sich aus der Trägheit herausziehen und als Männer die drei Fragen an sich richten:

– Was will ich?

– Worauf kommt es an? Und vor allem die Frage der Vernunft:

– Was kommt heraus?

Das sollten sich die vielen Frauen, die heute in der Politik mitmischen, genauso wie die Männer fragen!

Sollte aber in diesem Augenblick ein Neu-traler oder ein Gegner sich verwundern:

„Was will ein deutscher Gelehrter mit solchem Appell in dieser Stunde?“,

so will ich zuletzt auch hierauf antworten: Ein englischer Politiker und bedeutender Staats-denker hat die Feststellung getroffen, daß von den zwei Fundamenten aller zwi-schenvölkischen Politik – Gewissen und Ge-walt – das Gewissen gegenüber einem Partner nur dann zu Wort kommt, wenn die Gewalt- oder Machtverhältnisse so sich lagern, daß ein eigenes Interesse entsteht, auf das Gewissen zu hören.

Mit dem dahinter stehenden Gedanken an den Eigennutz entwertet dieser Engländer seine Politik bereits im Ansatz. Das hat mit dem Geist Kants nicht das Mindeste zu tun. Doch Baumgarten fährt in diesem Gedanken zunächst fort:

Ich glaube, diese Stunde ist gekommen. Die Gewalt- oder Machtverhältnisse in Europa haben sich in den letzten Wochen wenn auch vielleicht vorübergehend so verscho-ben, daß aus dem aktuellen Stand der Waage Europa/Asien plötzlich ein völlig verändertes rasantes „Interesse“ für alle untereinander noch so feindseligen europäischen Partner entspringt:

Das Interesse am Erwachen des verschüt-teten, von tatsächlichen oder vermeintlichen Sonderinteressen überdeckten gemeinsamen Gewissens.

Dieser deutsche Kantianer konnte noch nicht wissen, daß Monate nach der Verwüstung seiner Heimat der übelste Täter auf Seiten der Feinde der Deutschen, der Kriegsverbrecher und Massenmörder Churchill, feststellte:

„Wir haben das falsche Schwein geschlachtet!“

Plötzlich war ihm die Erleuchtung gekommen, daß es „in seinem Interesse“ gelegen hätte, an der Seite der deutschen Verteidiger Europas und seiner Kultur zu kämpfen. Selbst diesen Gedanken des Eigennutzes hatte er in seinem abgrundtiefen Haß gegen den „Geist Schillers“ und damit auch gegen den „Geist Kants“ in seinem Vernichtungswillen nicht recht-zeitig fassen können.

Nun stand er ohne den deutschen Schutzschild gegen den Bolschewismus da. Doch seine Freunde in den USA – Baruch, Morgenthau, Kaufman, Roosenfeld – dachten längst weiter: Sie wollten die ganze Menschheit unter einer bolschewistischen Decke ersticken und dazu zunächst den dazu in krasse Gegensatz stehenden preußisch-deutschen Geist auslöschen.

Immer einen Schritt nach dem andern. Die Völ-kervernichter denken in langen Zeitläuften.

Die „Preußische Allgemeine“ schließt mit eigenen Worten:

Nur noch ein Trümmerhaufen: In nur zwei Nächten im August 1944 zerstörten britische Bomber mit Königsberg auf ewig eine jahr-hundertealte Kulturhauptstadt.

Eingeschlossen in der Stadt, hofften die Überlebenden dieser Bombennächte im Früh-jahr 1945 vergebens auf Rettung. Hunger, Krankheiten und die Willkür der Anfang April einmarschierenden Roten Armee kosteten unzähligen Menschen das Leben.