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In seiner Abhandlung „Von der Geschichtswissenschaft zur Geschichtspolitik“ fährt

Gerhard Bracke

fort mit dem Abschnitt

„Political Correctness“ – ein wissenschaftliches Grundmuster?

Franz Uhle-Wettler (Bild: On Infantry)

Den Einfluß der „political correctness“ (PC) auf unser Geschichtsbild hat Generalleutnant a.D. Dr. Franz Uhle-Wettler untersucht. Seine Ausführungen waren auch in „Mensch und Maß“ nachzulesen.[1] Der Hauptvorwurf des Verfassers ergibt sich aus der Tatsache, daß Historiker ihre Darstellungen nach den politisch gewünschten oder geforderten Grundmustern einer Daueranklage gegen Deutschland  ausrichten, indem sie

  • unbequeme Quellen manipulieren,

  • wesentliche Tatsachen verschweigen,

  • wichtige Fragen nicht mehr stellen.

Auf solchen Grundmustern beruht im wesentlichen der Einfluß der politischen Korrektheit und somit der Geschichtspolitik auf das in der Bundesrepublik vorherrschende Geschichtsbild. Von mangelnden Geschichtskenntnissen ist zusätzlich auszugehen, und diese Bildungslücken sind inzwischen auch verantwortlichen amtlichen Stellen eigen.

Ein selektives Traditionsbewußtsein führt in Verbindung mit geschichtspolitisch bedingten Berührungsängsten bestimmter Meinungsträger gelegentlich zu grotesken Ausformungen. So betonte das Bundesverteidigungsministerium unlängst, bei Einführung neuer Tapferkeitsorden für Soldaten „sei nie daran gedacht worden, das Eiserne Kreuz der Nationalsozialisten wieder aufleben zu lassen.“[2]

Zwischen politischer Korrektheit und geschichtlicher Dummheit besteht, wie das Beispiel zeigt, manchmal überhaupt kein Unterschied.

Das Eiserne Kreuz ist nun wahrhaftig keine Erfindung der Nationalsozialisten, auch wenn es während des Zweiten Weltkrieges in der Mitte als Zusatzprägung das Hakenkreuz aufwies, – aber ebenso auf der Rückseite die Jahreszahl „1813“.

Bekanntlich stiftete zum Auftakt der Befreiungskriege der preußische König Friedrich Wilhelm III. das Eiserne Kreuz, dessen Entwurf in der endgültigen Ausführung dem berühmten Baumeister Karl Friedrich Schinkel  (1781-1841) zu verdanken war. Mit Recht heißt es dazu in einem Leserbrief an die „Braunschweiger Zeitung“:

„Im Gegensatz zu allen anderen üblichen Militärorden weltweit wurde beim Eisernen Kreuz bewußt auf wertvolle Materialien verzichtet. Die Auszeichnung aus einfachem schwarzen, mit Silber eingefaßten Gußeisen stand symbolisch für die ritterliche Pflichterfüllung und Zurückhaltung eines preußischen Soldaten. Es wurde zu Kriegszeiten (1870, 1914 und 1939) jeweils neu gestiftet und  mit entsprechenden Zusatzprägungen versehen. Was soll an diesem Orden so verwerflich sein, ist das Eiserne Kreuz doch das bekannte Hoheitszeichen der Bundeswehr!“[3]

Hier handelt es sich folglich um ein besonders groteskes Musterbeispiel volkspädagogischer Fürsorge. Letzten Endes verweist jede Äußerung geschichtspolitischer Unterwürfigkeit auf das stillschweigende Gebot volkspädagogischer Filterung geschichtlicher, wissenschaftlich unumstrittener Tatsachen.

Geprägt wurde der Begriff „volkspädagogisch“  vor über 40 Jahren m.W. von dem bekannten Historiker Golo Mann, der nach skeptischer Prüfung der Forschungsergebnisse von F. Tobias zwar dessen Erkenntnisse zum Reichstagsbrand 1933 nicht zu widerlegen vermochte, doch aus „volkspädagogischen Gründen“ gewünscht hätte, die Urheberschaft denjenigen nachweisen zu können, die letzten Endes mit der Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ (28.2.1933) Nutznießer des Reichstagsbrandes waren, den Nationalsozialisten.

In diesem Zusammenhang muß eines ganz klar betont werden: Es geht bei all diesen Fragen stets nur um die geschichtliche Wahrheit im Sinne des Rankeschen Forschungsstrebens und nicht etwa um Möglichkeiten der Entlastung der damaligen Reichsregierung oder gar der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, gegen die General Ludendorff sich immer wieder scharf ausgesprochen hat. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte, dann liefert ihn der Propagandaminister Dr. Goebbels mit seinem Eintrag vom 1. März in die geheimgehaltenen Tagebücher des  Jahres 1938:

„Ich verbiete Vorträge des Ludendorff-Bundes. Die sollen das Maul halten mit ihrem Mist.“[4]

Es besteht also nicht der geringste Anlaß zu den üblichen Verdächtigungen und Unterstellungen von Rechtfertigungsmotiven.

Aber lassen Sie uns auf die Ausführungen von Franz Uhle-Wettler zurückkommen, der erstaunlich frühe Übergriffe politischer Korrektheit auf wissenschaftlich gesicherte Tatsachen zur Sprache bringt.

So weist er anhand der Beispiele Ludendorff und Tirpitz klar nach, wie „PC-Historiker“, also Zunftvertreter, denen politische Korrektheit wichtiger erscheint als Wahrheitsforschung, „sogar Unwichtiges in Richtung des gewünschten Urteils lenken, um damit die Bühne für die Schilderung von Wichtigem vorzubereiten.“[5]

Als Gipfel der politischen Korrektheit erscheint beispielsweise die Beurteilung des Tirpitzschen Flottenbaues in einem Werk über „Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler“– im Titel kündigt sich bereits das PC-Programm an. Wie auch in diesem Fall verzichten geschichtspolitisch beflissene Historiker auf naheliegende Vergleichsmaterialien der Programme anderer Großmächte.

Die Verhältnisse in Deutschland werden gewöhnlich völlig isoliert betrachtet, Vergleichszahlen aus dem Ausland gelten meist deshalb als entbehrlich, weil sie der These eines „kriegslüsternen deutschen Militarismus“ widersprechen könnten. Mit Wissenschaftlichkeit hat ein solches  Verfahren eigentlich nichts mehr zu tun.

Hinsichtlich der Darstellung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges sind Manipulation und Vernichtung amtlicher britischer Akten „schon bei drittrangigen Fragen“, wie Uhle-Wettler feststellt, ebenso zu bedenken wie die im Nürnberger Hauptprozeß aufgetauchten, von unbekannter Hand produzierten „deutschen Akten“ zweifelhafter Provenienz.

Darüber wird an anderer Stelle noch zu sprechen sein. Da erscheint es geschichtspolitisch nur konsequent, wenn das „Institut für Zeitgeschichte“ vermutliche Fälschungen der Alliierten vor der Rückgabe von Akten für „echt“ erklärt  und wenn aus dem umfangreichen Archivgut der Wehrmacht-Untersuchungsstelle für deutsche und alliierte Kriegsverbrechen vor der Rückgabe solche Fälle herausgenommen wurden, durch die die Westalliierten belastet werden könnten.

Seitdem der sowjetische Außenkommissar Molotow dem deutschen Botschafter Graf von der Schulenburg vorgehalten hatte „Wir sind überfallen worden!“ bestimmt die verlogene These vom „Überfall“ der „friedliebenden“, ahnungslosen Sowjetunion am 22. Juni 1941 durch die deutsche Wehrmacht das offizielle Geschichtsbild.

Diese Version wurde zum 50. Jahrestag vom Niedersächsischen Kultusministerium durch das Schulverwaltungsblatt allen Schulen noch einmal verbindlich dargelegt, obwohl neuere Forschungsarbeiten, gestützt auf ehemals sowjetische Archive, von Suworow, Prof. Maser, Hoffmann und andere bereits vorlagen.

„Unter diesen Umständen ist natürlich“, schreibt Uhle-Wettler dazu, „daß sich manch ein Vertreter der politisch korrekten Überfallthese bemerkenswerter Methoden bedient. Als sich gegen Ende der achtziger Jahre erste Stimmen zugunsten der These meldeten, Stalin habe 1941 ebenfalls angreifen wollen, antwortete DIE ZEIT mit ganzseitigen Artikeln unter der Überschrift ‘Verteidigungslügen – Warum die Mär vom Präventivkrieg wiederbelebt wird.’ (6.Juli 1988).

Das ähnelt dem Ton der mittelalterlichen, der hitlerschen und der stalinschen Inquisition: die Wahrheit ist offenbart und mithin offenbar. Deshalb kann, wer sie leugnet, nur verstockt sein. Der Historiker braucht mithin nur noch zu demaskieren, ‘warum’ die ‘Lügen’ nun ‘wiederbelebt’ werden. Und stets wird der Ungläubige aus der Kirchenordnung ausgeschlossen – früher war er Ketzer, unter Stalin Trotzkist, unter Hitler Volksschädling und heute ist er Revisionist.“[6]

Ein breites Spektrum geschichtspolitischer Aktivitäten bietet sich mit der Darstellung einzelner militärischer Vorgänge im Zuge des Zweiten Weltkrieges an. Das Bemühen zielt grundsätzlich auf eine Verunglimpfung aller Waffengattungen der deutschen Wehrmacht, die insgesamt als „verstrickt“ in Verbrechen des NS-Regimes zu gelten hat.

Die berüchtigte Wanderausstellung zur Pauschalverunglimpfung deutscher Soldaten  bediente sich so lange selbst plumper Fälschung und wissenschaftlich zweifelhafter Materialien, bis der Schwindel aufflog – dank redlicher ausländischer Historiker.

Seit 2007 reist wieder eine PC-Ausstellung durch Deutschland, initiiert von dem mit polnischen und deutschen Preisen ausgezeichneten Historiker Jochen Böhler, dessen Wirken vom Deutschen Historischen Institut Warschau finanziert wird. Sein Buch „Auftakt zum Vernichtungskrieg – Die Wehrmacht in Polen 1939“ stellt den Polenfeldzug als „Beginn des Vernichtungsfeldzugs und Rassenkrieges im Osten“ dar.

Diese polnische Geschichtspolitik, über deren Zielsetzung nicht der geringste Zweifel bestehen kann, wird gefördert und zusätzlich verbreitet  durch die „Wissenschaftliche Buchgesellschaft“.

Geschichtspolitik im Namen der Wissenschaftlichkeit!

Alfred Schickel (Bild: dogplayer.org)

Wie sich diese These vom angeblichen „Vernichtungsfeldzug“ in Polen mit der Tatsache vereinbaren läßt, daß für kriegsgefangene polnische Offiziere eigene Lager-Universitäten eingerichtet worden waren, wie Dr. Alfred Schickel von der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt schon vor einem Vierteljahrhundert berichten konnte, bleibt unerfindlich.

Die Einrichtung von Lageruniversitäten für polnische Offiziere, mit Lehr- und Lernmitteln vom Internationalen Roten Kreuz versehen, geschah mit Zustimmung und Unterstützung der deutschen Wehrmacht. „Während es in der Volksrepublik Polen über diese Lageruniversitäten eine reichhaltige Literatur gibt,“ wie Schickel dazu anmerkt, „wußte und weiß die Zeitgeschichte hierzulande soviel wie gar nichts über das Leben und Schicksal der rund 18 000 polnischen kriegsgefangenen Offiziere.“[7]

Solche Unkenntnis macht natürlich empfänglich für neuere Thesen vom „Vernichtungsfeldzug“ 1939 in Polen. Die Mahnung Dr. Schickels von 1982 hat daher an ihrer Berechtigung nichts eingebüßt: „Dieser Degeneration der Geschichtsbewältigung gilt es dringend entgegenzutreten, damit die Zeitgeschichte und ihre Vertreter nicht zu Vollstreckungsgehilfen bestimmter politischer Absichten herabsinken…“ (a.a.O., S. 50)

Die Verfahrensweisen ähneln sich in auffälliger Weise:

  • Verzicht auf jeglichen historischen Kontext,

  • Ausblenden von Materialien, die der gewünschten These nicht dienen.

Geschichtspolitik wirkt nach der Feststellung von Franz Uhle-Wettler „stets zugunsten der Sieger beider Weltkriege und zuungunsten der Deutschen, manchmal zuungunsten der Deutschen seit Luther, spätestens seit Bismarck.

Also ist Vorsicht geboten, wenn Deutsches und dabei vor allem Preußen laut verurteilt und wenn „Westliches“, was das auch sein mag, deutlich hervorgehoben wird. Das gilt beispielsweise bei den PC-beliebten Thesen des deutsch-preußischen Militarismus, des Untertanengeistes, des Kadavergehorsams, des Bombenkrieges, der Entstehung der Weltkriege, des Verhaltens der Wehrmacht und besonders der These des deutschen Sonderwegs, von dem wir 1945 befreit und dann umerzogen wurden.“[8]

Auch einem geschichtspolitischen „Qualitätssprung“ des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) war Franz Uhle-Wettler auf die Spur gekommen. Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des MGFA, Professor der Universität Potsdam, veröffentlichte im Heft „Militärgeschichte“ einen Aufsatz über „Deutsche Kriegsziele im Ersten Weltkrieg“.

Demzufolge sollten sich die deutschen territorialen Kriegsziele „auf Drängen Ludendorffs im Osten bis zum Ural erstrecken“. Zwar hatte sich Uhle-Wettler mit Ludendorff intensiv beschäftigt[9], aber von maßlosen Annexionsforderungen „bis zum Ural“ in den Dokumenten und Zeitzeugenberichten nie etwas gefunden.

Er bat daher am 28.12. 2004 den Verfasser um Mitteilung, auf welche Quelle sich die Behauptung stütze. Eine Antwort ist jedoch nicht erfolgt.

„Da bleibt wiederum nur die Vermutung“, schließt Uhle-Wettler daraus, „daß in einem Aufsatz sogar des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des MGFA, eines Professors sowie Berufshistorikers, die Darstellung der deutschen Geschichte eine neue Qualität erreicht: man stellt deutsche Idiotien und Schandtaten auf fragwürdigster Basis dar.[10]

Der Einfluß des MGFA suggeriert selbstverständlich, hier würden gesicherte Ergebnisse der Geschichtswissenschaft mitgeteilt, an denen Zweifel nicht erlaubt seien. Eine verhängnisvolle Signalwirkung für Historiker des MGFA und Militärgeschichtslehrer an den Universitäten und Fachschulen der Bundeswehr ergibt sich insofern, als deutlich gezeigt wird, welche wissenschaftlichen Methoden geduldet werden und was sie selbst um ihrer Karriere willen zu lehren haben.

Fortsetzung folgt

[1]„Mensch und Maß“ 16/2007, S. 721 ff. und S. 939 ff.
[2]Braunschweiger Zeitung vom 7. März 2008
[3]„Das Hoheitszeichen der Bundeswehr“,  Leserbrief von  Wolfdietrich Adler in der BZ vom 8. 3. 2008
[4]„Der unbekannte Dr. Goebbels. Die geheimen Tagebücher 1938“, hrsg. Von David Irving London 1995, S.77
[5]MuM 16/2007, S. 723, auch S. 749, Quelle 9
[6]MuM 16/2007, S. 731
[7]Dr. Alfred Schickel: Fragen der Vergangenheitsbewältigung. Ein offener Blick in die westdeutsche Zeitgeschichte
MUT Nr. 183, November 1982, S. 52
[8]MuM 16/2007, S. 737
[9]F. Uhle-Wettler: Erich Ludendorff in seiner Zeit, 2. Aufl. Berg 1996
[10]MuM 16/2007, S. 744

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