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Gemeinsam sind wir stark

Durch die Forschungen meiner Freundin, der Märchenerzählerin Roswitha Leonhard-Gundel, ist mir erst aufgegangen, was die Brüder Grimm für die geistige Welt, besonders aber für uns Deutsche bedeuten. Sie haben die aus aller Welt auf sie zukommenden Geschichten aller Art erst zu dem entstehen lassen, was wir heute – in der „Gattung Grimm“ – als echte Märchen kennen.

Echte Märchen der „Gattung Grimm“

zeichnen sich aus

  • durch Zeitlosigkeit: Es war einmal … irgendwann halt,
  • durch Fehlen geographischer Ortsangaben,
  • durch Fehlen von Beschreibungen und Ausdeutungen: Die Gestalten in Grimms Märchen handeln, und in ihrem Handeln erkennen wir ihre Wesensart. Der Leser behält die Freiheit zu erkennen, ihm wird nichts aufgedrängt,
  • durch die schlichte, das Gemüt bewegende Sprache mit ihrem immer wiederkehrenden schönen Dreierrhythmus.

Beispiel: Die vier kunstreichen Brüder

(KHM 129)

Es war ein armer Mann, der hatte vier Söhne, wie die herangewachsen waren, sprach er zu ihnen: „Liebe Kinder, ihr müßt jetzt hinaus in die Welt, ich habe nichts, das ich euch geben könnte; macht euch auf und geht in die Fremde, lernt ein Handwerk und seht, wie ihr euch durchschlagt.“ Da ergriffen die vier Brüder den Wanderstab, nahmen Abschied von ihrem Vater und zogen zusammen zum Tor hinaus.

Deutlich der Dreierrhythmus:

  1. macht euch auf und geht in die Fremde,
  2. lernt ein Handwerk und seht,
  3. wie ihr euch durchschlagt.

Oder:

  1. Da ergriffen die vier Brüder den Wanderstab,
  2. nahmen Abschied von ihrem Vater
  3. und zogen zusammen zum Tor hinaus.

Von Gefühlen lesen wir nichts. Uns bleibt die Freiheit, uns in unserer Vorstellung davon ein Bild zu machen.

Als sie eine Zeitlang gewandert waren, kamen sie an einen Kreuzweg, der nach vier verschiedenen Gegenden führte. Da sprach der älteste: „Hier müssen wir uns trennen, aber heut über vier Jahre wollen wir an dieser Stelle wieder zusammentreffen und in der Zeit unser Glück versuchen.“

Jedem Bruder begegnete „ein Mann“, der fragte, „wo er hinaus wollte“, und lernte bei ihm ein Handwerk:

  • Der älteste wurde ein Dieb: „… ich will dich bloß lehren, wie du holst, was sonst kein Mensch kriegen kann und wo dir niemand auf die Spur kommt.“
  • Dem zweiten empfahl ein Mann, Sterngucker zu werden: „… nichts besser als das: Es bleibt einem nichts verborgen.“
  • Der dritte wurde Jäger. „Der Meister schenkte ihm beim Abschiede eine Büchse und sprach: ,die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du sicher.’“
  • Der vierte wurde Schneider. Er „lernte die Kunst des Mannes aus dem Fundament. Beim Abschied gab ihm dieser eine Nadel und sprach: ,damit kannst du zusammennähen, was dir vorkommt, es sei so weich wie ein Ei oder so hart als Stahl; und es wird ganz zu einem Stück, daß keine Naht mehr zu sehen ist.’“

Die Brüder trafen nach den vier Jahren wieder zusammen, kehrten zum Vater zurück und zeigten ihm ihre Künste. Der Alte sprach zu seinen Söhnen:

„Ich muß euch über den grünen Klee loben, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was Rechtschaffenes gelernt …“

Nicht lange danach kam großer Lärm ins Land, die Königstochter wäre von einem Drachen entführt worden. Der König war Tag und Nacht darüber in Sorgen und ließ bekannt machen, wer sie zurückbrächte, sollte sie zur Gemahlin haben.

… Die vier Brüder sprachen untereinander: „Das wäre eine Gelegenheit, wo wir uns könnten sehen lassen“, wollten zusammen ausziehen und die Königstochter befreien.

„Wo sie ist, will ich bald wissen“, sprach der Sterngucker, schaute durch sein Fernrohr und sprach: „Ich sehe sie schon, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer und neben ihr der Drache, der sie bewacht.“ Da ging er zu dem König und bat um ein Schiff für sich und seine Brüder und fuhr mit ihnen über das Meer, bis sie zu dem Felsen hinkamen.

Die Königstochter saß da, aber der Drache lag in ihrem Schoß und schlief. Der Jäger sprach: „Ich darf nicht schießen, ich würde die schöne Jungfrau zugleich töten.“

„So will ich mein Heil versuchen“, sagte der Dieb, schlich sich heran und stahl sie unter dem Drachen weg, aber so leis und behend, daß das Untier nichts merkte, sondern fortschnarchte.

Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff und steuerten in die offene See: Aber der Drache, der bei seinem Erwachen die Königstocher nicht mehr gefunden hatte, war hinter ihnen her und schnaubte wütend durch die Luft.

Als er gerade über dem Schiff schwebte und sich herablassen wollte, legte der Jäger seine Büchse an und schoß ihm mitten ins Herz.

Das Untier fiel tot herab, war aber so groß und gewaltig, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertrümmerte. Sie erhaschten glücklich noch ein paar Bretter und schwammen auf dem weiten Meer umher.

Da war wieder große Not, aber der Schneider, nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, nähte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich drauf und sammelte alle Stücke des Schiffs. Dann nähte er auch diese so geschickt zusammen, daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war und sie glücklich heimfahren konnten.

Gemeinsam waren sie stark und brachten das Rettungswerk zustande.

Nun konnte die Königstochter ja nicht allen vieren gegeben werden. So bekam sie keiner von ihnen, dafür aber jeder „ein halbes Königreich“.

Den Brüdern gefiel diese Entscheidung, und sie sprachen: „Es ist besser so, als daß wir uneins werden.“

Jeder Bruder allein hätte das Werk nicht zustandegebracht. Nur gemeinsam schafften sie es.

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