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Washington unter Druck

Washington erhöht Druck

In 6 kleinen Zeilen einer Randspalte des Niedersächsischen Tageblattes vom 1.2.08 meldet dpa:

Die US-Regierung hat laut “Süddeutscher Zeitung” Deutschland aufgefordert, sich an Kampfeinsätzen im besonders gefährlichen Süden Afghanistans zu beteiligen.

Was heute “Kampfeinsatz” genannt wird, heißt in Bezug auf das Deutsche Reich von 1939 “Überfall”. Tausenden Mahnmalen auf deutschem Boden und alljährlichen Gedenkfeiern zur “Bewahrung vor dem Vergessen” – damit sich “sowas” nicht wiederholt – zum Trotz:

Deutsche Soldaten sollen sich an Überfällen auf Völker beteiligen, die uns nichts getan haben.

Jedem Kind ist klar, daß Krieg nicht geeignet ist, den Terrorismus zu mindern, sondern nur, ihn zu verschärfen.

Washington erhöht den Druck, weil es sich überhoben und selbst unter Druck gesetzt hat. Jetzt sollen die andern einspringen.

In der Süddeutschen Zeitung beschreibt Jörg Häntzschel den Niedergang der einstigen Weltmacht:

  • Kriegskosten in astronomischer Höhe
  • Wirtschafts- und Finanzkrise, Wertverfall des Dollar, Rezession
  • aus Mangel an Schutzmechanismen werden die USA Hauptverlierer der Globalisierung
  • der Schwerpunkt wirtschaftlicher Dynamik verlagert sich weg vom Atlantik nach Eurasien
  • Todesstrafe, Folter, Gefangenhaltung von Menschen ohne Prozeß: die USA haben jede Glaubwürdigkeit verloren, für die Menschenrechte einzutreten
  • als einzige Industrienation unterzeichnen die USA das Kyoto-Protokoll nicht, Sparsamkeit im Umgang mit Recourcen ist in den USA ein Fremdwort – somit ist jede Glaubwürdigkeit in Hinsicht auf Umweltfragen und -moral verspielt
  • Bildung, Gesundheit, Lebensqualität sind abgesunken, 30 % der US-Amerikaner sind fettleibig, im Durchschnitt bleiben sie im Wachstum zurück
  • der amerikanische Ökonom Roubini sieht den US-Status auf “Schwellenland”-Niveau

Berlin sagt nein

Glücklicherweise ist das Thema Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan einen Tag später doch ausführlicherer Berichterstattung wert:

Das Nein aus Berlin war prompt und klar

titelt das Niedersächsische Tageblatt.

Als “ziemlich unverschämt” wurde … in Berlin der Vorstoß (der USA) empfunden. Schließlich wisse man genau um den in Deutschland geltenden Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen.

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Helmut Wild
Helmut Wild
16 Jahre zuvor

Jörg Häntzschel scheint “den Niedergang der einstigen Weltmacht” USA sehr realistisch einzuschaetzen. Es hat mich auch sehr erfreut zu erfahren, dass von Berlin ein promptes NEIN zu dem Verlangen des US-Verteidigungsministers gekommen ist, der Kampfeinsaetze deutscher Truppen in Suedafghanistan gefordert hat.
Solche Nachrichten wirken sehr ermutigend fuer jene im Ausland lebenden Deutschen, die sich schon fast nichts anderes mehr von den deutschen Medien erwarten, als das uebliche Schuld-und Suehnegewinsel.

Mit bestem Gruss.
Helmut Wild

Wiesemann, Michael
Wiesemann, Michael
16 Jahre zuvor

Kein Grund, sich gläubig wunschlos als eingebildeter “Souverän” zurückzulehnen. Wir müssen jetzt – und gerade für den Bundestagswahlkampf als letzte Schranke – deutlich machen, dass die starke, ablehnende Haltung der Deutschen zum Krieg ganz allgemein eine Charakterhaltung des Volkes geworden ist, die wir
1. als evolutionäre Fortentwicklung aus den beiden Weltkriegen – vielleicht anderen voraus, die diese Erfahrung als Besiegte nicht hatten – entwickelt haben und an der wir
2. als souveräne Deutsche endlich einmal selbstbewußt festhalten wollen und müssen – über alle Lippenbekenntnisse hinaus. Da darf es keinen Rückschritt geben, denn Deutschland ist insgesamt friedensliebend.
3. Weil es noch nicht einmal ein übereinstimmendes, ethisch-moralisch und allgemeinverbindliches Konzept für die Nato gibt, kann es keine Hintertür für deutsche Politiker geben, Kanonenfutter oder sonstige Angriffskriegshilfe beizusteuern. Ohne kulturellen Überbau, nämlich im Einklang mit unserer Verfassung und dem darin verankerten Gedanken der Friedenserhaltung, bleibt die Nato das, was sie in Wahrheit unstreitig auch ist: ein Instrument der USA, Europa den Willen seiner Hegemoniebestrebungen entgegen der europäischen Interessen nach Frieden aufzuzwingen. Die altbekannte Methode: Zucker und Peitsche, Steigerung der amerikanischen Einfuhr oder Wirtschaftsboykott.
4. Wir dürfen die reiche europäische Kulturerfahrung aus der europäischen Kriegsgeschichte gegen jedwede Form neuer Kriege nicht der völlig unreifen, nur oberflächlich gebildeten amerikanische Regierungsmannschaft unter G.W. Bush und seinen Ratgebern aus Turbokapitalistenkreisen überlassen, denn ganz unabhängig von Afghanistan, Irak und demnächst wohl auch Iran, rast deren Zug doch schon heute sichtbar in den Abgrund. Sich vor dieser Katastrophe zu allererst zu bewahren ist absolut vordringlich ganz ohne jeden Zweifel. Aber genau davon will man ja ablenken, damit der Zug noch etwas länger rasen kann, braucht er Öl und Ressourcen der fremden Völker. Gerechter Handel und Wandel wäre doch das bessere Konzept, nur das paßt nicht zum Neoliberalismus, eine Form des utilitaristischen Darwinismus.
5. Eine Wende kann nur aus Europa kommen, mit oder ohne England und Polen, deren Egozentrik noch nicht überwunden ist.
Das derzeitige “Nein” zum erweitereten Kampfeinsatz in A. ist reine Wahlkampfoptik. Es wird m. E. nicht lange beim “Nein” bleiben. Die deutsche Volksmeinung wird wieder einmal von willfährigen Politikern unterlaufen werden. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2008 steht der Beschluß fest, dass Deutsche Soldaten und Waffeneinheiten im Süden Afghanistans eingreifen müssen, wenn auch erzwungenermaßen. Die Methode ist altbekannt: Die Notwendigkeit wird bis an die Grenze der Rabulistik so begründet, dass das US-Diktat an den Satellitenstaat Deutschland dabei ganz unkenntlich wird. Militärpolitisch gesprochen: der Radarschirm der erwarteten deutschen Abwehr wird einfach unterflogen. Deutschland bleibt weiterhin völlig machtlos und wird feststellen, dass es mal wieder seine Seele an den Teufel verkauft hat.
Michael Wiesemann

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