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Ehepaar Bismarck

Lob gebührt Waltraut Engelberg für ihren behutsamen Umgang mit den geheimen Gefühlen berühmter Verstorbener in ihrem Buch “Otto und Johanna von Bismarck” (btb 1998). Nicht allen Schriftstellern ist ein solcher Umgang selbstverständlich. Mit welcher Gier wird oft in intimsten Papieren gewühlt, mit welcher Gier stürzt sich dann ein gewisses Publikum auf die Indiskretionen.

Das Bild der Eheleute Bismarck, besonders der Ehefrau wird dennoch deutlich. Johanna war das Musterbeispiel einer deutschen bürgerlichen Hausfrau des 19. bis 20. Jahrhunderts. Bismarck war glücklich mit ihr, obwohl sie über ihren engen häuslichen Horizont nicht hinauszudenken vermochte und daher das gewaltige Wirken und Leiden in und an der europäischen Politik des Staatsmannes Bismarck in keiner Weise einzuschätzen wußte. Von geistig-seelischer Ebenbürtigkeit konnte wohl keine Rede sein.

Bismarck brauchte

“eine Stelle für mein Herz …, die all ihre dürren Winde nicht erkälten und an der ich die Wärme des heimatlichen Kaminfeuers finde”.

Dem zuliebe paßte er als ziemlich “ungläubiger Thomas” seine Äußerungen dem pietistischen Glauben Johannas und ihrer Familie ein wenig an, um sie zu gewinnen – allerdings nicht ohne vorherige Auseinandersetzungen:

Wie habt Ihr doch meist so wenig Vertrauen in Euern Glauben und wickelt ihn sorgfältig in die Baumwolle der Abgeschlossenheit, damit kein Luftzug der Welt ihn erkälte, Andre aber sich an Euch ärgern und Euch für Leute ausschrein, die sich zu heilig dünken, um von Zöllnern etc. berührt zu werden. Wenn jeder so dächte, der das Wahre gefunden zu haben glaubt, … zu welchem pensilvanischen Zellengefängniß würde Gottes schöne Erde werden, in 1000 und aber 1000 exklusive Coterien durch unübersteigliche Scheidewände eingetheilt.

Welch ein moderner freiheitlicher Geist zeigt sich hier in Sprache und Genie dieses Mannes, der sich in den folgenden Jahrzehnten als Realpolitiker zum “roten Reaktionär”, d.h. zum Vorreiter freiheitlicherer, menschenwürdigerer Verhältnisse in Europa entwickeln sollte!

Auch in anderen Dingen, das Häusliche betreffend, bringt Bismarck zuerst einmal frischen Wind in die pietistische Muffigkeit und Kleingeisterei. Johanna muß umlernen und will es. Sie beteuert:

… ich werde um so fügsamer sein, Geliebter, und zu biegen versuchen, was ich nicht brechen kann; – und sollte das auch nicht gehen, so werde ich still sein und tun – was Du willst.

Wie sehr sie das wahrgemacht hat, lesen wir in einem Brief des Sohnes Herbert vom 2. Juli 1887 an seinen Schwager Rantzau, 40 Jahre nach ihrer Hochzeit und sieben Jahre vor Ende ihres Lebens:

Weil sie nur aus Pflichtgefühl und Selbstverleugnung zusammengesetzt ist, hat sie sich zeit ihres Lebens zu viel zugemutet; sie hat sich den Wahn konstruiert, als sei sie nur dazu da, ihren Mann und ihre Kinder zu bedienen, sie hat sich ja künstlich sozusagen eine Kammerjungfern-Rolle gegenüber uns allen geschaffen, und sie hat das Gefühl, als ob sie einen Raub begehe, wenn sie je an sich denkt; sie hat ja immer schon eine Art schlechtes Gewissen, wenn sie hier auch nur die seltenen Male ins Theater ging, was ihr an und für sich Erholung und Freude ist, weil sie glaubt, sie könnte damit eine Pflicht versäumen oder Papa könnte denken, daß er ihr in der Zeit etwas hätte sagen wollen etc.

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Bewunderswert die Hellsichtigkeit eines Mannes des 19. Jahrhunderts! Herbert von Bismarck war lange Jahre der wichtigste Mitarbeiter seines Vaters. Wie wenig aber auch Otto von Bismarck mit jener exzessiven Haltung seiner Ehefrau zufrieden war, zeigen die weiteren Zeilen in Herberts Brief:

Diese übertriebene Rücksichtnahme und Selbstkasteiung macht es für Papa ja auch sehr schwer, da Mama ihn nie erraten läßt, was ihr persönlich lieb sein könnte, und alle seine Anfragen in der Richtung verneint; sie hat das Bedürfnis, fortwährend Opfer zu bringen, und sobald ihr dieses Gefühl bei irgendeiner Sache abgeht, so hat sie die Empfindung, als täte sie etwas Unrechtes.

So waren sie, die braven angepaßten (Haus-)Frauen, unsere Mütter und Großmütter, die die biblische Rollenzuweisung verinnerlicht hatten, sich in vorauseilendem Gehorsam selbst zu Dienerinnen ihrer Ehemänner und Familien herabwürdigten und dann als solche behandelt wurden.

Welch ein weiter Weg war zurückzulegen bis zur Verwirklichung des Ideals von Freiheit, Menschenwürde und gelebter Ebenbürtigkeit von Mann und Frau!

Otto von Bismarck jedoch litt am Verlust seiner Frau, nachdem sie am 27. November 1894 gestorben war, nicht weil sie seine Dienerin gewesen war, sondern weil ihm die Wärme fehlte, die er bei ihr gefunden hatte. An seine Schwester Malwine schreibt er:

Was mir blieb, war Johanna, der Verkehr mit ihr, die tägliche Frage ihres Behagens, die Bethätigung der Dankbarkeit, mit der ich auf 48 Jahre zurückblicke. Und heut alles öde und leer; das Gefühl ist ungerecht, aber I can not help it. Ich schelte mich undankbar gegen so viel Liebe und Anerkennung, wie mir im Volke über Verdienst geworden ist; ich habe mich 4 Jahre hindurch darüber gefreut, weil sie sich auch freute, wenn auch mit Zorn gegen meine Gegner, hoch und niedrig. Heute aber ist auch diese Kohle in mir verglimmt, hoffentlich nicht für immer, falls mir Gott noch Leben beschert, aber die 3 Wochen, die gestern verlaufen waren, haben über das Gefühl der Verödung noch kein Gras wachsen lassen.

An anderer Stelle schreibt er gar, mit dem Tode seiner Frau sei ihm

die Zwecklosigkeit weiteren Lebens vollständig geworden.

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erime
16 Jahre zuvor

Oh, Adelinde, DIESES Thema ist mit Ihren kurzen Hinweisen nicht ausgeschöpft.

Eine schöne, kleine, lesenswerte Biographie über Bismarck gibt es von dem Mainzer Historiker Eckart Verchau. Darin ist auch sehr gut die religiöse Entwicklung Bismarcks in seiner Jugendzeit bis zu seiner Heirat beschrieben. Die Religiosität Bismarcks wird leicht unterschätzt. Und doch ist er Christ erst geworden durch tiefgründige Gespräche mit der engsten Freundin seiner späteren Frau, mit Marie von Thadden. Als sie plötzlich starb, betete er zum ersten mal.

Und wenig später machte er Johanna seinen Heiratsantrag. Sein Christentum war für ihn keine Nebensächlichkeit. Und sie war es auch nicht für diese Ehe. Sie gründete auf der Religiosität, die sich Bismarck durch Auseinandersetzung mit Marie von Thadden erworben hatte.

Vorher war ihm das Leben “sinnlos” erschienen, “wie Staub, der vom Rollen der Räder abfällt”. Als solcher Mensch, der kein Sinn im Leben sieht, wäre er nie Politiker geworden – und wenn, dann sicherlich ein ebenso durchschnittlicher oder schlechter wie die meisten, denen Religiosität eine Nebensache ist.

Aus all diesen Gründen kann der Einfluß den Marie von Thadden und ihre engste Freundin Johanna von Puttkammer auf Bismarck und damit auf die deutsche Geschichte ausübten, gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Aus all dem wird klar: Frauen haben oft auf ganz andere Weise Einfluß auf die Geschichte als Männer – und vielleicht auf viel schönere: Weil sie das Herz bilden.

Dem gegenüber wird die geringe Entfaltung der Eigenpersönlichkeit von Johanna von Bismarck in ihrer Ehe ganz und gar nebensächlich. Es ging in Preußen nie um Selbstverwirklichung. Sondern es ging um Erfüllung von Glück. Das hat mir noch meine eigene Oma, eine Preußin bis auf die Knochen, vorgelebt. Wenn ich mich an sie erinnere, glaube ich, daß sie viel Ähnlichkeit mit Johanna von Bismarck hatte.

Das Wesentliche an meiner Oma war: Sie hatte HERZ. Demgegenüber sinken viele, viele Dinge, die heute für so wichtig genommen werden, zu Nebensächlichkeit herab. So würden das wohl auch heute noch sowohl Otto wie Herbert von Bismarck sehen.

Und Johanna von Bismarck konnte die Feinde ihres Mannes HASSEN. Eine wertvollere Eigenschaft kann eine Frau gar nicht haben. Denn der Haß ist es, denn wir heute alle nicht mehr genügend im bewußtesten Sinne kultivieren.

In all diesen Dingen kann uns Johanna von Bismarck hochgradig vorbildlich sein. Es ist das auch hervorragend in dem Film “Bismarck” von 1941 glaube ich über die Reichseinigung herausgearbeitet worden. Wie Bismarck da in Paris während der erlogenen politischen Verhandlungen mit dem französischen Kaiser, dem er fortlaufend Freundlichkeit heucheln mußte, auf dem Zimmer bei seiner Frau einen “Tobsuchts-Anfall” kriegt – in solchen Szenen wird deutlich, WAS Johanna ihrem Mann bedeutete.

Sie war ihm die Stelle im Leben, wo er MENSCH sein konnte.

erime
16 Jahre zuvor

Oh, falscher Text: Es ging in Preußen um Pflichterfüllung, nicht um die Erfüllung von persönlichem Glück.

Ich bin nicht auf der Erde um glücklich zu sein, sagte Friedrich der Große, sondern um meine Pflicht zu tun.

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