Edeltraut Eckert – geschunden vom sozialistischen Gutmenschentum
Edeltraut Eckert
Das Leben und Sterben der Dichterin Edeltraut Eckert ist eins der düstersten Kapitel im Buch der Verbre-chen, begangen im „Paradies“ des Sozialismus-Kommunismus. Wir lesen über ihr Schicksal in der Zeitschrift „Deutsche Warte“ 12/24-2 von Gerd Kresse:
Edeltraut Eckert wurde am 20.1.1930 im oberschlesischen Hindenburg geboren … Traudl, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, mußte 1945 vor der heranrückenden roten Armee mit ihrer Familie nach Branden-burg flüchten, wo sie die Oberschule be-suchte und 1949 ihr Abitur ablegte.
Das der Musik, Poesie und Literatur sehr zugewandte Mädchen wollte Lehrerin werden und begann im gleichen Jahr an der Berliner Humboldt-Universität ein Germanistik- und Pädagogikstudium.
„Ich sehe die größte und schönste Auf-gabe darin, als Lehrerin die Jugend an die großen Geistesgüter der Weltliteratur heranzuführen, um dadurch einen klei- nen Teil zur friedlichen Verständigung und Freundschaft der Völker beizutra-gen.“
Während des Studiums erfuhr sie nicht nur von der Weiterführung der Konzentrations-lager durch die Besatzungsmacht, sondern auch von den schrecklichen Erlebnissen einer entlassenen Insassin des Lagers Buchenwald.
Mit einigen Freunden nahm sie daraufhin Kontakt zur Westberliner „Kampfgruppe ge-gen Unmenschlichkeit“ (KGU) auf und erbot sich, als Kurier Flugblätter der KGU von Westberlin nach Rathenau zur Verteilung zu bringen.
Infolge einer Denunziation erfolgte im Mai 1950 die Verhaftung der Beteiligten durch die Volkspolizei und ihre Überstellung an die Sowjets. Nach schweren Verhören und Miß-handlungen verurteilte das Sowjetische Mili-tärtribunal in Potsdam Edeltraut Eckert zu 25 Jahren Arbeitslager.
Vom Leben trennt dich Schloß und Riegel.
Und deiner Muße bleibt nur eins:
Du schaust zum blindgewordnen Spiegel
Des eigenen, vergangnen Seins.Da im Herbst 1950 die Überstellung der Gefangenen aus sowjetischer in sowjetzonale Verfügungsgewalt erfolgte, wurde sie am 1. Oktober 1950 in das sächsische Zuchthaus Waldheim eingeliefert. Obwohl die feinfühlige und schöngeistige Edeltraut Eckert schon vor ihrer Einkerkerung vereinzelte Gedicht ge-schrieben hatte, reifte erst unter der Ausweg-losigkeit und dem Leidensdruck der Inhaftie-rung ihr lyrisches Talent heran.
Dies umso erstaunlicher, als sie über kei-nerlei Literatur und Hilfsmittel, wie Papier und Bleistift verfügte und ihre Gedichte erst ab Juli 1953 zu Papier bringen durfte, wobei ihr nicht einmal ein Radiergummi gestattet wurde.
So hatte sie die Gelegenheit, ihre seit 1950 entstandenen Verse als Belohnung für gute Arbeitsleistungen in einem 136-seitigen Ok-tavheft niederzuschreiben. Dieses Heft nähte sie in weiß-blauen Stoff und bestickte es mit ihren Initialen EE. Auf der Seite 1 stand als Vermerk:
„Die Strafgefangene Eckert, Edeltraut, V. Kommando, erhält die Genehmigung, dieses Buch zum Zwecke ihrer Dichtung und Komponierung bei sich zu führen.“
Alle Eintragungen unterlagen strengster Zensur und durften keine Äußerungen über die Haftbedingungen enthalten. In diesem Heftchen hinterließ sie auch eigene Kom-positionen und Vertonungen von Gedichten.
Am Weihnachtsabend 1951 durfte sie vor 50 andächtig lauschenden mitgefangenen Mäd-chen ein eigenes verfaßtes Gedicht vorlesen, das hier auszugsweise wiedergegeben sein soll:
Du denkst daheim an deine Lieben
Und fürchtest, daß man dich vergißt,
Und weißt doch, was sie dir geschrieben:
Daß du in ihrem Herzen bist.Du möchtest nach der Mutter rufen,
Ganz wie ein Kind geborgen sein,
Und steigst doch schweren Schritts die Stufen
Des Schicksals – und du bist allein.Verlegung nach Hoheneck
Der Berliner Germanist Jürgen Blunck, der ein im Quellenhinweis vermerktes Buch über Edeltraut Eckert veröffentlichte, zieht hin-sichtlich ihrer lyrischen und literarischen Entwicklung bemerkenswerte Parallelen zu den frühen Werken von Ricarda Huch, Annet-te von Droste-Hülshoff und Ingeborg Bachmann.
Der Volksaufstand des 17.* Juni 1953 blieb auch den inhaftierten Leidensgefährten nicht verborgen und nährte die Hoffnung auf eine Besserung ihrer bedrückenden Lebensum-stände. Das Scheitern dieser Erwartungen fand Ausdruck in den Versen:
Noch gestern stand in allen Bäumen
Ein hoffnungsfroher Blütenbrand,
Heut fragst du zwischen Tag und Träumen,
Ist Frühling oder Herbst im Land?Offenbar unter dem Eindruck des Juniauf-standes kam es im Herbst 1953 zu einer Entlassungswelle aus den Strafanstalten der DDR. Edeltraut Eckert war nicht darunter, erhielt aber eine Strafverkürzung auf acht Jahre. Mit ihrer Haftverlegung in das gefürch-tete Frauenzuchthaus Hoheneck wurde ihr im Frühjahr 1954 der weitere Besitz ihres Ge-dichtheftes untersagt und dieses unter Ver-schluß genommen. So wurden die letzten ihrer Gedichte von Mitgefangenen auswendig gelernt und damit teilweise der Nachwelt erhalten.
Hoheneck, wegen seines großen Anteils an schwerkriminellen Frauen auch als „Mörder-burg“ berüchtigt, bestand aus mittelalterlich kalten und feuchten Räumen. Politische Ge-fangene mußten mit Kriminellen dreistöckig übereinander in ungeheizten Massenquartie-ren unter entsetzlichen hygienischen Bedin-gungen und gezielter Unter- und Mangeler-nährung dahinvegetieren.
Der einsame Tod
Am 25. Januar 1955 arbeitete Edeltraut Eckert als Nähmaschinenmechanikerin wie üblich in der Schneiderei. Hier wurde an völlig veralte-ten Maschinen im achtstündigen Akkord drei-schichtig gearbeitet, wobei eine große An-triebswelle alle Maschinen miteinander ver-band.
Als einer älteren Näherin die Spule entfiel und Edeltraud sich hilfreich danach bückte, geriet sie mit ihren offenen Haaren in die Welle und wird, ehe das Aggregat abgestellt werden konnte, nahezu skalpiert.
Obwohl die Anstaltsärztin der Verunglückten, die sich bei vollem Bewußtsein befand, einen Notverband anlegte, hätte die abgerissene Kopfhaut sofort in eine desinfizierende Koch-salzlösung gelegt werden müssen. Der Zufall wollte es jedoch, daß der Schlüssel zum Arz-neischrank sich bei der außer Haus weilenden Wachtmeisterin befand und die Vorschriften dem Notfall übergeordnet wurden.
Nach vergeblicher und wohl auch unzurei-chender medizinischer Versorgung veranlaßte man schließlich ihre Verlegung in das Haft-krankenhaus Leipzig-Meusdorf, wo sie in einem monatlich zulässigen Briefe an ihre Eltern noch zuversichtlich schrieb:
„Mein Zustand hat sich wesentlich gebessert. Ich habe noch viel mehr als je zuvor Sehnsucht nach Euch allen, nach Liebe, Wärme und Geborgenheit.“
Doch ihr unter großen Schmerzen tapfer ertragener Kampf gegen ein übermächtiges Schicksal war vergebens. Am 18.04.1955 starb Edeltraut Eckert einsam und ohne Trost an Herz- und Kreislaufversagen in der Chi-rurgie der Leipziger Universitätsklinik. Eine rechtzeitige und sachverständige medizini-sche Behandlung hätte zweifelsohne ihr junges Leben retten können.
In möglicher Vorahnung auf ein tragisches Ende ihres Lebens vertonte sie schon früher Theodor Storms „Lied des Harfenmädchens“:
Heute, nur heute
bin ich so schön;
morgen, ach morgen
muß alles vergehn!
Nur diese Stunde
bist du noch mein;
sterben, ach sterben
muß ich allein.Fünf Tage nach ihrem Tod, am 23. April 1955, wurde den ahnungslosen Eltern ein paket mit den Habseligkeiten und dem Gedichtbändchen ihrer Tochter vorbeige-bracht. Bald darauf folgte ein Brief vom Haftkrankenhaus Leipzig-Meusdorf, in dem ein nüchternes Amtsdeutsch den Tod der Tochter und ihre am 20. April erfolgte Ein-äscherung verkündete.
Bis heute kennen die leidgeprüften Eltern weder den Ort des Massengrabes, noch er-hielten sie eine Sterbeurkunde oder einen Totenschein. Da war es ein schwacher Trost, daß Edeltraut Eckert auf Betreiben ihrer Schwester Dorothea 1993 von den russischen Behörden rehabilitiert worden ist.
Edeltraut Eckerts lyrische Hinterlassenschaft wie ihre Monatsbriefe und literarischen Ge-danken blieben dank glücklicher Umstände und nicht zuletzt aufgrund der verdienstvol-len Arbeit des Germanisten und Buchautors Jürgen Blunck, der ihr tragisches Schicksal aufzeichnete, der Nachwelt erhalten.
Ein Brief von Edeltraud Eckert, der ein Reich abge-storbener Seelen aufzeigt, die sich ideologisch-rechthaberisch vermessen, Lebendige gefangen und innerlich in unendlicher Verlassenheit festzuhalten:
Ich weiß nicht viel von mir zu sagen,
Nur daß ich lebe, daß ich bin,
Und alle Wünsche, die mich tragen,
Sind im Verzicht ein Neubeginn.Als ich euch damals lassen mußte,
War ich beinahe noch ein Kind,
Das nichts von all den Tiefen wußte,
Die oft ein buntes Trugbild sind.Die Menschen, die mich hier umgeben,
Stehn grell geschminkt im kalten Licht,
Das man das Schicksal nennt. Sie leben,
Zumeist mit Masken vorm Gesicht.So steh ich wartend unter vielen.
Ich lache mit und bin nicht froh.
Ich hör und seh mich selber spielen.
Mein Herz ist weit, ist anderswo.
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Anmerkung
*) Der Aufstand begann am 16. Juni 1953 und wurde am 17. – auch mit Hilfe von sowjetischen Panzern – niedergeschlagen. In unserer Zeit der Lügen wird selbstverständlich der 17. Juni als Tag des Aufstands unserer ostzonalen Deutschen bezeichnet und dem Gedächtnis verlogener Geschichtsschreibung überantwortet.