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Benachteiligte Jungs?

Jungen schneiden in der Schule schlechter ab als Mädchen

Zwei Drittel aller Schulabbrecher und Dreiviertel aller Sonderschüler sind männlich … ca. jeder zehnte Junge bleibt ohne Schulabschluß,

berichtet Karin Lubowski im Hamburger Abendblatt vom 9./10.8.08.

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Foto dpa, HA 9./10.8.08

In der Schlagzeile über dem Artikel wird bereits die Richtung angegeben, in der der Grund für die Jungenmisere zu suchen ist:

Was läuft falsch im deutschen Bildungssystem?

Frank Beuster als Autor des Buches “Die Jungenkatastrophe” hat die Antwort auch bereits zur Hand: Der Anteil der Lehrerinnen in den Schulkollegien überwiegt. Jungen erleben zu wenige Männer:

Frauen wissen nicht, wie Jungen “ticken”.

… Jungen lernen heute kochen und stricken, sie lernen im Kreis über Probleme zu reden und ihre Gefühle auszudrücken. Das ist wichtig. Aber Jungen sind eben auch Jungen – mit ganz anderen Bedürfnissen als Mädchen. Sie kommen in der von Frauen dominierten Schule zu kurz.

Raufen, Toben, Lärmen –

vieles, was Jungen mögen, hat im Alltag keinen Platz mehr. Und in der Schule gilt das als richtig und wichtig, was Mädchen meistens besser können: Reden, Lesen, selbstständiges Lernen. Wettbewerbe und körperlicher Kampfgeist, womit Jungen früher brillierten, sind in vielen Schulen sogar an Sporttagen verpönt (Stichwort: “Spiele ohne Sieger”).

Kritische Betrachtung:

  • Wettbewerbe und körperlicher Kampfgeist: Wieviele Schulen hat Herr Beuster untersucht? Wievielen Sportstunden hat er beigewohnt? Erst eine genaue Statistik verrät, ob wirklich im Sport allgemein die Wettspiele unterbleiben. Ich – als langjährige Insiderin – habe da gegenteilige Erfahrungen.
  • Reden, Lesen, selbstständiges Lernen: Auch wenn sie’s nicht so mögen, die Jungen müssen’s lernen. Diese Fähigkeiten sind die Grundlage jeder Bildung und dafür, im (Erwerbs-)Leben einer zivilen Gesellschaft bestehen zu können.
  • Raufen, Toben, Lärmen: Klar, sollen die Jungen, aber irgendwann müssen sie mitkriegen, daß das im gesitteten Miteinander der Menschen und Völker keinen Platz haben darf. Machohaftes, gewalttätiges Auftrumpfen ist in patriarchalisch-hierarchischen Gesellschaftssystemen zwar an der Tagesordnung, aber in einer Gesellschaft, die sich zu Menschenwürde und sittlich begrenzter Freiheit des Individuums bekennt, unerwünscht.
  • Früher: Wann, Herr Beuster? Das Schulsystem mit seinen humanistischen Bildungsinhalten wurde von Männern für Jungen erdacht. Es beinhaltete vor allem Lesen, Sprachen, daneben und im Laufe der Jahrhunderte immer stärker Mathematik, Naturwissenschaften. Erst spät durften Mädchen am Unterricht in weiterführenden Schulen teilnehmen. Sogleich stellte sich heraus: Sie brachten durchschnittlich etwas bessere Leistungen zustande. Schnell war die Ursache gefunden: Mädchen sind – im Gegensatz zu den “genialen, aber faulen” Jungen – biiiiienenfleißig und anpassungswillig. Diese 100 Jahre alte Sichtweise scheint nun überholt. Jetzt sind’s die Lehrerinnen, die die Jungen hemmen.
  • bildungsdreieck.pngSo sahen es von jeher die Humanisten (siehe Wikimedia).
  • Mädchen und Jungen wählen verschieden

    Geht es an die Berufswahl, so bevorzugen Mädchen Tätigkeiten, die mit Lebewesen, vor allem Menschen zu tun haben. Jungen wählen gern Berufe, in denen praktisches Zupacken, handwerkliches Können oder auch abstraktes Denken gefordert ist.

    Beide haben sich die Grundlagen dazu in der Schule anzueignen. So müssen Mädchen Mathematik und Physik lernen, auch wenn ihnen diese Fächer meistens ferner liegen, und Jungen müssen den richtigen schriftlichen und mündlichen Gebrauch der Muttersprache und möglichst auch Fremdsprachen lernen, auch wenn ihnen das zunächst nicht so behagen mag.

    Beide müssen über ihren Schatten springen, wenn es um Bildung geht. Sind Mädchen dazu eher bereit als Jungen?

    Getrennt lernen ist manchmal besser als gemeinsames Lernen

    Die “Linke” will trotz PISA das System der Gesamtschulen ausbauen. Zu hart, ja traumatisch erscheint ihr das “Aussortieren” der Kinder beim Übergang in die weiterführenden Schulen.

    Eher auf der “Rechten” betont man die Vorteile des Lernens in getrennten Gruppen. Kinder und Jugendliche atmen auf, wenn sie unter Ihresgleichen lernen dürfen. Die Langsameren sind froh, die Schnellen loszusein, und entfalten plötzlich ihre Fähigkeiten zu ungeahnter Blüte und umgekehrt.

    So werden neuerdings Überlegungen immer lauter, auch Jungen und Mädchen, zumindest in bestimmten Fächern, wieder getrennt lernen zu lassen. Unter www.welt.de lesen wir:

    Das Ergebnis einer britischen Studie zeigt: Der Unterricht von Mädchen in gleichgeschlechtlichen Klassen bringt einen um 40 Prozent erhöhten Leistungsstand.

    Warum sollte das bei Jungen anders sein? Beide fühlen sich u. U. im Beisein des anderen Geschlechts gehemmt. Händeringend fragt die Wirtschaft z. B. nach Ingenieurs-Nachwuchs. Haben wir verschlafen, aus vorhandenen Befunden Konsequenzen zu ziehen:

    Als man vor 20 Jahren an der Universität Dortmund feststellte, daß dort überproportional viele Studienanfängerinnen in den Fächern Informatik und Chemie von reinen Mädchenschulen kamen, begannen Wissenschaftler zu fragen: Finden Mädchen womöglich eher den Weg in Richtung Technik und Naturwissenschaften, wenn sie unter Ihresgleichen lernen können?

    Die Welt berichtet weiter von Untersuchungen in gemischten bzw. reinen Mädchen- und Jungen-Lerngruppen:

    In den gemischten Gruppen zeigte sich eine stärkere Polarisierung als in den reinen Jungen- und Mädchengruppen.

    Und zwar, weil die Jungen und Mädchen voreinander immer noch die tradierten Rollenklischees ihres Geschlechtes zu bedienen suchten.

    … eine Studie, die Kessels an einer Berliner Gesamtschule durchführte und bei der eine achte Klasse im Fach Physik in eine Jungen-, eine Mädchen- und eine gemischte Gruppe aufgeteilt wurde, ergab: Am Ende des Schuljahrs beteiligten sich die Mädchen aus der reinen Mädchengruppe aktiver am Unterricht, hatten mehr Spaß an Physik und wählten das Fach häufiger als Fortgeschrittenenkurs als ihre Klassenkameradinnen aus der gemischten Gruppe.

    „Eine ähnliche Entwicklung wäre theoretisch auch für Jungen denkbar: Wenn der Deutschunterricht in einer monoedukativen Gruppe stattfände, wären sie möglicherweise engagierter dabei, wenn Gedichte interpretiert und Aufsätze geschrieben werden“, sagt Kessels. Die Psychologin rät daher zur zeitweiligen Trennung der Geschlechter. Aber nur wenige Schulen handeln bislang danach. „Wie viele es in Berlin sind, weiß man nicht“, sagt Kessels. „Die Schulbehörde führt dazu keine Liste.“

    Also, Herr Beuster, keine Panik! Nicht die Zahl der Lehrerinnen, die ja in den weiterbildenden Schulen die der Lehrer gar nicht so stark überwiegt, an sich ist das Problem, sondern das Wie unserer Unterrichtsgestaltung. Und da gibt es sicher manches zu verbessern.

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Fischer
15 Jahre zuvor

Seh ich auch so. Es stimmt (zumindest nach meiner Erfahrung) zwar, dass die Lehrkörper gerade in der Grundschule sehr stark frauenlastig und durchaus eher “mädchengerecht” sind, aber das ist ein nachrangiges Problem. Man verbessert die Schule nicht durch irgendwelche Geschlechterquoten, sondern schlicht durch besseren Unterricht.

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