Ausländische Freiwillige 2. Teil

Thomas Engelhardt

fährt fort:

Im Jahr 1995 nahm der Autor vorstehender Zusammenfassung an einer Studienreise mit europäischen Veteranen (Flamen, Niederlän-der, Esten, Wallonen, Dänen, Schweden, Nor-weger und Finnen) der 1. Europäischen Pan-zerdivision „Wiking“ an die Kriegsschauplät-zen der Division in der Ukraine und in Ruß-land teil.

Höhepunkt der Reise war die Einweihung eines Soldatenfriedhofes in Uspenska (russ. Uspenskaja) etwa 100 km nordwestlich von Rostow am Don am Miusfluß gelegen.[1]

Die Division hatte sich im Winter 1941/1942 in diesem Ort und in der Umgebung ver-schanzt, nachdem das bereits besetzte Rostow im Zuge der Schlacht von Rostow (17.11.-2.12.1941) aufgegeben werden mußte. In den sechs Monaten des Aufenthal-tes in Uspenskaja hatte die Division und Hilfsverbände der Wehrmacht sowie die Organisation Todt 846 Gefallene zu ver-zeichnen (Waffen-SS, Wehrmacht, OT-Ange-hörige, russische Hilfswillige, Wehrmachts-helferinnen, Blitzmädchen).

Herausragend und beeindruckend war der Empfang durch die örtliche Dorfbevölkerung. Der halbe Ort hatte sich zur Ankunft der drei Reisebusse versammelt, die Busse hielten, die zu diesem Zeitpunkt (1995) zwischen 72-80 Jahre (!) alten Männer stiegen aus und wurden von den russischen Matkas umarmt, geherzt und geküßt. Russen und Waffen-SS-Soldaten!

Dieses Grunderlebnis war für den Autor vor-stehender Zeilen entscheidend, alles, was er bis zu diesem Zeitpunkt über den deutsch-sowjetischen Krieg gelesen hatte, über Bord zu werfen.

Wir waren damals drei Tage zu Gast in Uspenskaja und bei einzelnen Familien untergebracht. Im weiteren Verlauf erhielt der Autor dann auch Kenntnis von den zahlrei-chen Liebesaffären zwischen Angehörigen der Division und jungen Frauen aus dem Dorf.

Völlig normal, wenn junge Leute aufeinander treffen, aber in krassem Widerspruch zu den heute sattsam bekannten Märchenerzähl-ungen stehend, daß die deutschen Soldaten die Russen als „Untermenschen“ angesehen hätten! Das mag offizielle Propaganda gewe-sen sein, die Realität war eine andere.

Ein Waffen-SS-Soldat heiratete sogar eine einheimische Russin, mußte sich diese Ehe-schließung jedoch direkt vom Reichsführer der Schutzstaffel Heinrich Himmler als ober-sten Dienstherrn genehmigen lassen und erhielt nach Prüfung selbstverständlich die Erlaubnis. Ein weiteres Indiz für die Haltlo-sigkeit aller heutigen Darstellungen!

Zwei Jahre später besuchten vier zeitge-schichtliche Interessierte das Dorf in der Ostukraine erneut, und wieder wurden wir überaus herzlich und gastfreundlich aufge-nommen und beherbergt. Russen sind unse-rem Volk trotz des geführten grausamen Bruderkrieges zwischen unseren Völkern überaus herzlich verbunden. Die derzeitige an der Macht befindliche US-hörige Politi-kerkaste in Berlin verspielt gerade dieses Vertrauen.

Die ausländischen Helfer der Wehrmacht[2]

Anders als viele idealisierende Erinnerungs-bücher über die Zusammenarbeit der Wehr-macht mit ausländischen Hilfstruppen will der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller aufräu-men mit Mythen auf der einen und Verleum-dungen auf der anderen Seite. Er hat sich vorgenommen, in seinem Buch „An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim Kreuzzug gegen den Bolschewismus 1941-1945“ überblicksartig die Bedingungen zu untersuchen, unter denen sich Staaten, Völker und Volksgruppen gegen Stalins Sow-jetunion auf die Seite der deutschen Aggres-soren schlugen. Henry Bernhard hat das Buch gelesen. [10.12.2007]

Es mag befremdlich erscheinen, wenn Österreicher und Russen in Tirol gemeinsam vor einem Gedenkstein für einen deutschen Wehrmachtsgeneral stehen und seiner gedenken. Ein junger Historiker ruft von hinten „Kriegsverbrecher“ dazwischen.

Der General Helmuth von Pannwitz befehligte im Zweiten Weltkrieg das XV. Kosaken-Kavallerie-Korps, eine Reitertruppe aus dem Kaukasus und vom Don, die im Zweiten Weltkrieg nicht etwa das Land verteidigten, dessen Staatsbürger sie waren, die Sowjet-union, sondern die auf deutscher Seite gegen die Sowjetarmee kämpften.

Waren es nun Vaterlandsverräter, Kollabo-rateure, Söldner, Faschisten oder glühende Antikommunisten, die da im Wehrmachts-feldgrau und mit Kosaken-Fellmützen und Säbel in den Krieg zogen?

Dieser umstrittenen Frage stellt sich das Buch „An der Seite der Wehrmacht. Hitlers aus-ländische Helfer beim Kreuzzug gegen den Bolschewismus 1941-1945“. Anders als viele idealisierende Erinnerungsbücher über die Zusammenarbeit der Wehrmacht mit aus-ländischen Hilfstruppen will der Militärhisto-riker Rolf-Dieter Müller aufräumen mit My-then auf der einen und Verleumdungen auf der anderen Seite. Er hat sich vorgenommen, überblicksartig die Bedingungen zu untersu-chen, unter denen sich Staaten, Völker und Volksgruppen gegen Stalins Sowjetunion auf die Seite der deutschen Aggressoren schlu-gen. Dabei macht er deutlich, daß der Anteil von Ausländern, die auf deutscher Seite gegen die Sowjetunion kämpften, deutlich höher war als gemeinhin vermutet.

„Zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion konnte die Wehrmacht rund 600.000 Mann verbündeter Truppen einsetzen, später kamen zahlreiche ausländische Freiwillige und ‚Hilfswillige‘ hinzu. Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges war an der Ostfront schließ-lich jeder dritte Uniformträger auf deut-scher Seite ein Ausländer.“

Zu Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ standen zunächst die verbündeten Staaten Deutschland bei: Finnland, Ungarn, Rumänien, Italien, die Slowakei und Kroatien.

Dabei darf diese Front keinesfalls als monolithischer Block verstanden werden. Einerseits hatte Hitler keinen der militäri-schen Partner in die Planung des Rußland-feldzuges eingeweiht. Ein „Blitzkrieg“ brauchte seiner Meinung nach keine Ver-bündeten, so daß man später auch die „Beute“ nicht teilen muße.

Andererseits waren aber auch die Motive der Verbündeten äußerst unterschiedlich. Der Autor arbeitet sie präzise heraus: Mit der Demokratie Finnland gab es kein formales Bündnis. Finnland führte eher einen Parallel-krieg in Eigenverantwortung mit dem Ziel, das 1939 von der Sowjetunion geraubte Karelien zurückzuerobern.

Ungarn als großer Verlierer des Ersten Welt-krieges wollte Teile der 1918 verlorenen Gebiete von der Ukraine und Jugoslawien wiedererlangen.

Rumänien verfolgte strategische Interessen auf dem Balkan, verlangte von Deutschland dafür massive Aufrüstung seiner altertüm-lichen Armee und drängte sich geradezu auf, mit gegen die Sowjetunion ins Feld ziehen zu dürfen.

Mussolinis Italien verfolgte seine Eigeninte-ressen im Mittelmeerraum und führte eher Parallelkriege.

Für die Kroaten bedeutete das Bündnis mit Deutschland die Chance zur Selbstständigkeit gegenüber Italien und Serbien. Um die Ver-bündeten trotzdem für sein Kriegsziel, die „Germanisierung des Lebensraums“ im Osten, einzuspannen, kaschierte Hitler dieses mit dem Topos des „Kreuzzugs gegen den Bol-schewismus“, dem sich viele hoffnungsvoll anschlossen.

Adolf Hitler:

„Wenn wir all unsere Verbündeten und diejenigen, die an unserer Seite kämpfen, Rumänen und Ungarn und Kroaten und Slowaken, und vor allem im Norden die Finnen, dann Spanien und so weiter, wenn wir alle die zusammenfassen, dann können wir wirklich sagen: Es ist heute bereits ein Kreuzzug Europas. Und dazu kommen dann noch die germanischen Freiwilligen unserer Waffen-SS und eige-ne Legionen einzelner europäischer Staaten. Es ist wirklich Europa, das sich hier zusammengefunden hat, genauso wie in alten Zeiten einst gegenüber den Hunnen oder den Mongolen-Stürmen.“

So Hitler Ende 1942, kurz vor der entschei-denden Niederlage in Stalingrad. Dem vor-ausgegangen waren der Hitler-Stalin-Pakt 1939, die Teilung Polens und der enorm schnelle Vormarsch der deutschen Wehr-macht auf Moskau 1941, die die politische Landkarte radikal veränderten. Unter diesen Vorzeichen müssen die Allianzen des Zweiten Weltkrieges verstanden werden, so der Autor.

„Der Schock des Hitler-Stalin-Paktes veränderte das Koordinatensystem. Polen wurde zerrissen, und die Stalinisierung Ostpolens war zunächst brutaler als die deutsche Herrschaft im Westen des Lan-des. Sie bestätigte die tiefsitzenden Äng-ste in den baltischen Staaten. Dann wur-den auch sie vom Stalinismus überrollt.

Erst von Deutschland, dann von den Westmächten im Stich gelassen, waren die Völker im ersten Jahr der sowjeti-schen Okkupation von politischer Re-pression und der Deportation ihrer Führungselite betroffen.

Als kurz darauf die Wehrmacht in die neu formierten Grenzprovinzen des Sowjet-imperiums einfiel, wurde sie von der Mehrheit der Bevölkerung als Befreier be-grüßt. Einheimische Soldaten und Offiziere waren bereit, die Fahne zu wechseln und sich wieder in jene ge-meinsame Front mit den Deutschen einzureihen, mit der ihre Heimat 1919 und 1920 gegen den Bolschewismus verteidigt worden war – im Glauben, dies würde erneut gelingen können.

Patriotismus und Antikommunismus verbanden und trennten sie zugleich von den neuen Herren, die nur vordergründig an die Traditionen des Ersten Weltkriegs anknüpften.“

In Estland, Lettland, Litauen, Polen, Weißruß-land, in der Ukraine und im Kaukasus, aber auch in Rußland selbst fanden sich Hundert-tausende junger Männer, die bereit waren, gegen die Sowjetherrschaft zu kämpfen. Zu schlimm waren ihre Erfahrungen mit stalini-stischem Terror, Hungersnöten und Besat-zungswillkür.

In differenzierten landesspezifischen Dar-stellungen erläutert der Autor die unter-schiedlichsten Arten der Kollaboration mit den Deutschen. Es gab Panjewagenfahrer, die unter russischen Kriegsgefangenen rekrutiert wurden. Es gab lokale Polizeieinheiten, die für die Deutschen auf Partisanen- oder Ju-denjagd gingen, es gab Moslems mit verwe-genen Mützen und deutschen Uniformen, die an vorderster Front kämpften, und es gab estnische und ukrainische Legionen, die mit eigener Uniform hofften, für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen.

Auch die SS rekrutierte überall in Osteuropa Freiwillige. Dabei wird eines deutlich: Mit ihrem gnadenlosen Regime in Osteuropa verspielten die deutschen Besatzer oft die Sympathie derer, die ihre natürlichen Ver-bündeten gegen Stalin gewesen wären. Vor allem aber Hitlers Rassenwahn verhinderte die Rekrutierung weiterer Freiwilliger und degradierte andere zu Hilfstruppen oder zu Kanonenfutter an der Front.

Den immer drängenderen Forderungen aus dem Oberkommando des Heeres etwa nach einer eigenen russischen Legion unter General Wlassow, treibende Kraft war dort Claus Graf Schenk von Stauffenberg, wider-setzte sich Hitler bis zum Schluß.

Dennoch muße sein 1941 vorgetragenes Credo

„Nie darf erlaubt werden, daß ein anderer Waffen trägt als der Deutsche!“

angesichts der deutschen Niederlagen ab 1942 einer pragmatischeren Sicht weichen. Auch die SS weichte ihren Rassismus auf. Dies galt umso mehr für West- und Nordeu-ropa, wo vor allem die SS auf Freiwillige zäh-len konnte. Sie repräsentierten nationale rechtsradikale bzw. faschistische Strömungen und kämpften zumeist in geschlossenen Einheiten innerhalb deutscher Formationen.

Ihre angesichts der geringeren Zahl vor allem politisch-propagandistischen Bedeutung erläutert der Autor in einem eigenen Ab-schnitt. Die gesamten Länderstudien faßt er dann knapp in drei Thesen zusammen:

„Ohne den Einbau der verbündeten Armeen hätte die Wehrmacht 1941 nie bis vor die Tore Moskaus marschieren können. Ohne die Mobilisierung zu-sätzlicher Kräfte der Verbündeten hätte Hitler 1942 seine neue Sommeroffensive Richtung Wolga und Kaukasus nicht durchführen können. Spätestens nach der Katastrophe von Stalingrad konnte die Wehrmacht einen Zusammenbruch der Ostfront nur mit Hilfe der ausländi-schen Helfer verhindern. Ihre größte Bedeutung hatten sie bei der Sicherung des Hinterlandes und bei der Bekämp-fung der Partisanen.“

Schließlich, so der Autor, sei der wohlfeile Begriff der Kollaboration untauglich, das Phänomen der ausländischen Helfer für Wehrmacht und SS in seiner Vielfalt zu erfassen.

Zum Verständnis dieser Thematik trägt dieses präzis gegliederte Buch in hohem Maße bei. Der Autor versteht es, militärische Zusam-menhänge auch dem Laien verständlich zu erklären und reduziert dabei die militärischen Erwägungen auf den Umfang, der zum Ver-ständnis der historischen Zusammenhänge nötig ist.

In der kühlen, mitunter kalten Sprache des Militärhistorikers verdeutlicht er das ganze Dilemma vor allem der Osteuropäer und Asiaten auf dem „Schlachtfeld der Diktatu-ren“. Dabei wird aber auch klar, wie unter-schiedlich die Bereitschaft war, Hitlers Ras-senideologie zu folgen: Ungarn weigerte sich, seine Juden auch nur zu enteignen.

Rumäniens Holocaust kostete 300.000 Juden das Leben, Litauen meldete sich schon kurz nach dem deutschen Einmarsch „judenfrei“.

Doch so prägnant sein Fazit auch ist, hier verschenkt der Autor einiges, wenn er die Erkenntnisse der Detailstudien nicht weiter zusammenfassend vertieft. Auch die Fußno-ten bieten leider kaum mehr als Quellenan-gaben, wo man sich mehr Details erhoffte. Insgesamt aber liegt hier ein äußerst lesens-wertes Buch vor, daß dem Leser viele Über-raschungen bringen wird. Selten wird so viel historisches Wissen auf so knappem Raum vermittelt.

Rolf Dieter Müller: An der Seite der Wehr-macht. Hitlers ausländische Helfer beim „Kampf gegen den Bolschewismus“ 1941-1945, Ch. Links Verlag, Berlin 2007, 280 Seiten, 24,90 Euro

Anmerkungen

[1]   Uspenskaja (ukrain. Uspenka) , Rayon Amwrossiewska / Amvrosievka, Oblast Donezk, Ukraine (Ostukraine). Der Ort (etwa 4.000 Einwohner) liegt ca. 1 ½ km von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt und ist russisch-sprachig. Uspenka liegt ca. 75 Kilometer von Donezk im Südosten des Oblast an der Grenze zum Rostower Oblast(Rußland). Die Entfernung nach Rostow beträgt  etwa 100 km. http://www.denkfried.de/wp/?page_id=17084 http://www.denkfried.de/wp/?attachment_id=20025

[2]  Rolf Dieter Müller: An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim „Kampf gegen den Bolsche-wismus“ 1941-1945. Ch. Links Verlag, Berlin 2007.der